Titel: Harry Potter und der Bund des Falken
Autor: Luka
Altersbeschränkung: 12
Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte von mir entwickelt wurden und die nicht von JKR stammen. ( So z.B. Henri Perpignan, Llyr, Gwenaela, Imelda Mortescue, die Brüder, Bruder Bertrand, Vater Edgar und Frère Antoine, auch die Druiden der Druidenuniversität und der Compte)
8. Verzweifelte Flucht„Wer...", versuchte Harry zu fragen, stockte aber, als er die Gesichter seiner Freunde sah. Alle drei hatten jegliche Farbe aus ihren Gesichtern verloren.
„Ruhig, ganz ruhig," ,beschwichtigte Jermen die Anwesenden. „Sie mögen im Tal sein, was sicher schlimm für die Bewohner von La Valle ist, aber sie werden nicht so einfach in die Burg kommen. Wir haben lange genug Zeit gehabt, uns vorzubereiten."
„Aber wir sind Gefangene, wie Harry auch.", stellte Ron fest. Hermine sah mit sorgenvollem Gesicht zu Harry hinüber, der sich in den Sessel zurückfallen ließ und tief durchatmete.
„Das werden wir sehen.", antwortete Jermen mit bemerkenswerter Ruhe. „Ich werde erst einmal Alarm schlagen, so dass auch diejenigen Brüder und Schwestern sich für die Verteidigung bereitmachen, die keinen Dienst haben."
„Gibt es hier einen Wachdienst?", fragte Harry. „Extra für mich?"
Erstaunt fragend sah er Jermen an. Dieser nickte ernst.
„Ja.", sagte er, während er sich aus seinem Sessel erhob. Er ging zu einem Schränkchen, das neben der Tür an der Wand angebracht war.
„Vierundzwanzig Stunden, je Vier aus der Bruderschaft pro Schicht. Glaubst Du, wir würden das auf die leichte Schulter nehmen? Dieser britische Spinner ist mit der Aktivierung der Dämonen weit über das hinaus gegangen, was er noch kontrollieren kann."
Jermen öffnete das Schränkchen und holte einen kleinen silbernen Gong und einen ebenfalls aus Silber geschmiedeten zierlichen Klöppel heraus.
„Vielleicht weiß er es noch nicht, aber am Ende wird er eines der Opfer sein, die er den Dämonen vor die Füße wirft. Wir stehen vor einer sehr ernstzunehmenden Aufgabe. Und es ist nicht allein zu Deinem Schutz, Harry. Es geht vor allem um uns Druiden, die mehr als nur das Leben verlieren können."
Er öffnete das Fenster zum Hof, beugte sich hinaus und schlug leicht gegen den Gong. Ein kaum hörbares, silberhelles „Pling" ertönte, breitete sich aus und pflanzte sich in das Ohr, als wäre es das einzige Geräusch, das man noch wahrzunehmen im Stande war. Schon wenige Augenblicke später hörte Harry Schritte über den Hof eilen. Vor dem Fenster versammelte sich eine Gruppe von Druiden, denen Jermen mit ruhiger Stimme zuraunte:
„Es geht los. Sie kommen."
Dann schloss er das Fenster und drehte sich um.
„Du erinnerst Dich sicher noch an den Schutzzauber, der Dich in der Burg gehalten hat, nicht wahr, Harry?"
Harry nickte unsicher.
„Er dient zweierlei. Zum einen sollte er verhindern, dass Du hinauskommst, zum Zweiten verhindert er ein Eindringen derer, die Dir und Draco schaden wollen. Mit ein wenig Glück schaffen wir es, sie abzuwehren, so dass uns Zeit bleibt, Dich von hier weg zu schaffen. Sie sind nicht besonders schnell, denn sie lassen sich zu gerne von ihren Neigungen an einem Ort aufhalten. Also...Kopf hoch."
„Was geschieht nun?", fragte Sirius, und ihm war eine gewisse Anspannung anzumerken, auch wenn er versuchte, äußerlich ruhig und überlegt zu wirken.
„Wir versammeln uns an den Schwachstellen der Burg. Das ist das Tor und der Wohntrakt. Die vielen Fenster, die nach außen weisen, sind zwar geschützt, aber ich vermute, dass sie versuchen werden dort einzudringen."
„Was können wir tun?", fragte Hermine, die von allen Anwesenden als Erste die Fassung zurückgewonnen zu haben schien.
„Nichts.", war die schlichte Antwort von Jermen. „Ihr könnt nur abwarten. Wir haben genügend wirklich starke Druiden hier, die sich auf die Abwehr des Bösen verstehen. Wir sind eine Universität!"
Ein leises Grinsen huschte über sein Gesicht, bevor es wieder ernst wurde.
„Vielleicht solltet Ihr Eure Sachen packen - nur für den Fall, dass wir in Eile aufbrechen müssen."
Die nächste halbe Stunde war erfüllt von geschäftiger Eile. Harry nahm Ron und Hermine mit in sein Appartement. Hermine hatte sofort die wichtigsten Aufgaben erkannt und half Harry seinen Koffer mit den nötigsten Utensilien zu packen. Ron stand etwas hilflos herum, denn Hermine machte einen derart kompetenten Eindruck, dass er Angst hatte, sie zu unterbrechen. Als schließlich Harry auf den Gedanken kam, den Kühlschrank für eine eventuell notwendige Wegzehrung zu plündern, sah Ron seine Chance und machte sich an die Arbeit, in Harrys alten Rucksack einen halben Schinken, Brot, Käse und Wein sowie zwei Flaschen Wasser, ein Holzbrett und ein scharfes Küchenmesser zu stopfen.
Es dauerte kaum zwanzig Minuten und die Drei standen mit ihrem Gepäck auf dem menschenleeren Haupthof der Burg vor der Glastür zum Hörsaal 1 und bestaunten das Schauspiel, das sich über ihren Köpfen abspielte.
Über der Burg spann sich ein eigenartiger Widerschein, der sehr an das magische Licht der Druiden erinnerte. Der Himmel, der sich darüber wölbte war wolkenlos, aber weder der Mond noch irgend ein Stern waren zu sehen. Kaum wahrnehmbare Schatten schwirrten zu Hunderten über der magischen Kuppel hin und her. Sie schienen nach einem Durchlass zu suchen. Hin und wieder stürzte sich einer dieser Schatten auf die Kuppel hinab, die sich wie ein Ballon eindrücken ließ, dann aber zurück schnellte und den Schatten in das schwarze Nichts schleuderte.
„Sind das die Dämonen?", fragte Harry und deutete nach oben.
„Nein.", antwortete Hermine mit belegter Stimme. „Sie scheinen eine Menge ihrer kleinen Schattenwesen mitgebracht zu haben, die ihnen wie Hunde folgen. Dämonen sehe ich nicht."
„Sie sind auch nicht zu sehen.", knurrte Ron ungeduldig. „Kommt, lasst uns weiter gehen."
„Stimmt, ich erinnere mich.", begann Harry wieder. „Sie nehmen die Gestalt von Menschen an, nicht wahr?"
„Manchmal.", sagte Hermine. „Als wir beobachtet haben, wie der Kutter in Flammen aufging, meine ich gesehen zu haben, wie ein Dämon aussieht. Er ist wie ein solcher Schatten da oben, aber viel größer. Er leuchtet ein bisschen, so schwarz und rot und auch ein bisschen Gelb, fast wie Feuer. Nur anders, ... von innen heraus, vielleicht. Und er war auch nicht körperlos, sondern groß, breit, hatte lange Arme mit Klauen anstelle von Händen. So, wie ein Teufel, und auch nicht so. Weißt Du, es war nur ein Moment, und ich bin mir heute gar nicht mehr so sicher. Ich kann es nur schwer beschreiben. Bevor ich ihn richtig wahrgenommen habe, war er plötzlich wieder verschwunden."
Die Schatten, die über ihren Köpfen herumgeschwirrt waren, wie Nachtfalter um eine Lampe, änderten mit einem Mal ihre Richtung. Fast gleichzeitig schwappte vom vorderen Ende der Burg unbestimmter Lärm herüber.
„Kommt, lasst uns gehen.", drängte Ron. Er noch blasser geworden, als bei der Ankunft, wo Harry ihn heute Abend in Jermens Wohnzimmer gesehen hatte.
„Ron hat recht.", meinte Harry und riss seinen Blick vom Himmel los. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir in der Nähe von Druiden bleiben."
Sie schoben die Glastür auf und begaben sich zur Wohnung von Jermen. Sie hatten gerade die letzte Stufe der Treppe genommen, als eine bekannte Stimme Harry aufhorchen lies.
„Sind sie wegen Ihnen da, junger Freund?"
Harry blieb stehen und sah sich um. Im Dämmerlicht konnte er erkennen, wie sich eine durchscheinende Gestalt aus der Mauer schälte. Es war der Geist des Comte de la Valle.
„Oh!", entfuhr es Hermine. „Ihr habt hier ja auch Geister!"
Der Comte schwebte näher und baute sich vor Hermine auf.
„Was heißt auch, meine Dame?"
Er sah sie prüfend an.
„Ach, Herr Graf, sie kommt aus der gleichen Schule, wie ich, und dort lebten vier Geister, habe ich Ihnen nicht davon erzählt?" Harry trat vor und stellte sich schützend vor Hermine.
„Ach, so. Verzeiht mein forsches Auftreten, Madame, darf ich mich vorstellen? Edouard de Rocheblanc. Mir gehörte diese Burg, bis sie mein ... mein verachtenswerter Herr Bruder an dieses Gesindel verkaufte."
„Angenehm.", sagte Hermine mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. „Mein Name ist Hermine Granger."
„Enchanté – und dieser junge Herr...?"
„Das ist mein Freund Ron.", antwortete Harry für ihn. Ron streckte reflexartig dem Geist seine rechte Hand hin, als er jedoch das leicht gequälte Gesicht bemerkte, zog er sie mit einem kaum hörbaren Murmeln zurück.
„Wissen Sie, was dort am Tor los ist, Herr Graf?", fragte Harry unvermittelt.
„Oh, ja. Ich steckte gerade wieder einmal zwischen Wand und Bücherregal, als ich spürte, dass etwas da war, das nicht da sein dürfte. Ich sah aus dem Fenster und stellte mit Entsetzen fest, wie diese schrecklichen Wesen gegen meine Burg anrannten. Eines muss man diesen Druiden lassen, immerhin verteidigen sie diese Mauern, als wären es ihre eigenen. Ich fürchte nur, dass sie es tun, weil sie Angst um ihr bisschen Leben haben. Lachhaft."
„Sie versuchen, mich zu schützen.", sagte Harry und es klang ein wenig tadelnd.
„Das ehrt sie.", bemerkte der Comte schnarrend. „Nun denn, sollen sie glücklich damit sein, denn sehr lange werden sie nicht mehr durchhalten."
Er lachte meckernd und verschwand im Gemäuer.
Eine Minute später saßen sie im Wohnzimmer des Dekan und sahen diesem besorgt zu, wie er im Raum auf und ab schritt. Zwischendurch blieb er immer wieder stehen, sah die Drei mit seltsamem Gesichtsausdruck an und ging dann weiter, sechs Schritte in die eine Richtung, ein kurzes Verharren, dann sechs Schritte in die andere Richtung. Keiner sprach ein Wort.
Nach einer zähen halben Stunde hörten sie Schritte im Flur. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und Draco hereingeschoben. Alisios hatte ihn geholt. Draco sah bedauernswert aus. Seine Augen waren stark gerötet, was auf die unzähligen Biere zurückzuführen war, die er im Dorf in sich hinein gekippt hatte. Auch schien sein Blick etwas stier und nicht mehr sehr wach. Sei hellblondes Haar hing in Strähnen in die schweißnasse Stirn hinunter. Allerdings ging er ohne zu schwanken und als er sie begrüßte während er sich in den Sessel fallen ließ, war keine Spur von Lallen zu vernehmen.
„Schöner Mist!", knurrte er. Er verdrehte die Augen und sah unwillig zur Decke, was einen Hinweis auf das Geschehen sein sollte, das draußen um die Burg tobte. Wieder verging eine schweigende Viertelstunde, in der Harry versuchte, die Runden zu zählen, die Jermen hinter sich brachte. Dann wurden sie nochmals in ihrer abwartenden Trägheit unterbrochen, dieses mal aber durch einen hereinstürmenden Assistenz-Druiden, der mit Entsetzen im Gesicht hervorsprudelte:
„Wir können das Tor nicht mehr lange halten! Und im Wohntrakt habe ich gehört, versuchen sie sich auf einzelne Fenster zu konzentrieren! Irgendwie schaffen sie es immer wieder, den Schutzschild zu schwächen. Was sollen wir tun, Jermen?"
„Wie weit sind die Lehrer mit den Vorbereitungen?", fragte Jermen, der nervös geworden war.
„Sie brauchen noch ein paar Minuten.", keuchte der Assistent.
Jermen sah die vier jungen Leute an.
„Ein paar Minuten...nur ein paar Minuten und sie können uns nichts mehr anhaben...Betet, dass sie es nicht vorher schaffen..."
Unwillkürlich faltete Hermine die Hände. Harry sah ihr erstaunt zu, sagte jedoch nichts. Aufs Beten verstand er sich nicht. Onkel Vernon und Tante Petunia hatten alles, was in irgendeiner Art und Weise mystischen oder gar magischen Charakter zeigte, aus ihrem Haus verbannt. Da Harry zuerst auf eine staatliche Schule gegangen war, hatte er auch dort keinen anderen Kontakt zur Religion gehabt.
Jermen nahm seine Wanderung wieder auf. Dann, plötzlich blieb er stehen.
„Wir gehen alle in den Hof. Hier im Gebäude haben wir gar keine Chance. Unten im Hof werden wir die Unterstützung einiger Lehrer haben. Sirius und Remus werden ebenfalls dort sein. Lasst uns gehen."
Kaum hatten sie den Hof betreten, schwoll der Lärm vom Burgtor her an. Gleichzeitig schien die magische Kuppel aufzuleuchten, als würde sie brennen. Fußgetrappel ertönte plötzlich aus allen Richtungen. Vom Tor her kamen weißgewandete Gestalten angerannt. Mittendrin sah Harry Sirius und Remus, die, als sie die kleine Gruppe entdeckten, zu ihnen liefen. Die Druiden wurden von schwarzen Schatten verfolgt, die permanent auf sie niederstießen. Dann erscholl ein übermenschliches, grausames Brüllen und ein Splittern von Holz von der Brücke her. Kurz darauf hörten sie das Polterten der Balken, als sie in die Schlucht hinab stürzten. Einen Augenblick später schoss ein grell rot leuchtender Riese in die Luft. Das Brüllen kam von seinem mundlosen zotteligen Kopf, in dessen Augen helle Glut loderte. Er holte mit seiner Faust aus und stieß sie mit aller Wucht auf das Haus, über das er hinweg schwebte. Einen Augenblick später sah man in dem vom Wind getriebenen Staub lodernde Trümmer in sich zusammenstürzen.
„Beim Belenus!", rief Jermen. „Kommt mit. Wir müssen die Treppe hinunter! Noch hat er uns nicht wahrgenommen!"
Sie stürzten zu der glasüberdachten Treppe, nahmen gleich mehrere Stufen auf einmal und waren nach wenigen Sekunden im Untergeschoss, dort, wo die Seminarräume zu finden waren.
„Wohin?", fragte Ron mit Panik im Gesicht.
„Hier entlang!", sagte eine ruhige Stimme hinter ihnen. Aus einer Nische in der Wand schaute der Kopf des Comte hervor. „Beeilt Euch. Diesen Weg werden sie so schnell nicht finden."
Just in diesem Moment ertönte ein ohrenbetäubendes Bersten. Ein Regen aus Glassplittern klirrte die Stufen der breiten Treppe hinunter gefolgt von Mauerbrocken und einer Lawine aus Glas, Balken und Schutt. Der Dämon hatte anscheinen bemerkt, wie die Objekte seiner Begierde im Treppenhaus verschwunden waren. Jetzt versuchte er den Eingang auf eine ihm genehme Größe zu bringen, indem er ihn einfach in Stücke schlug.
Ein höchst seltsamer, metallischer Geruch drang herein. Wieder folgte ein Schlag, der ein Stück der Treppe über ihnen wegriss. Harry hatte gelähmt nach oben gestarrt. Jetzt verspürte er ein Ziehen an seinem Ärmel. Er blickte hin und sah in das ernste Gesicht von Sirius.
„Komm.", sagte er zu Harry und zog ihn in die Nische. Harry sah sich um.
„Jermen...was ist?", fragte er.
„Geht Ihr. Ich muss mich um meine Schwestern und Brüder kümmern. Viel Glück!"
Sirius zog nun stärker. Willenlos ließ sich Harry in die Felsspalte zerren. Sie folgten einem schmalen Gang, der in die Felsen gehauen war. Wasser lief links und rechts an den Wänden herunter und sammelte sich auf dem Boden zu einem kleinen Rinnsal. In langgezogenen Kurven wand der Gang sich immer tiefer in den weißen Fels hinein. Harry, nun wieder halbwegs bei Sinnen, und Sirius hatten den Zauberstab gezogen und mit „Lumos" ein Licht entfacht. Schon bald hatten sie die anderen eingeholt, die jetzt, als sie ihre Gefährten wahrnahmen, schneller liefen.
An vielen Stellen zweigten nun andere Gänge ab. Harry verlor schnell die Orientierung. Vollkommen von der Macht der dunklen Kräfte beeindruckt stolperte er hinter seinen Freunden her. Vorneweg schwebte der Geist, stets, aber manchmal vergebens bemüht , nicht einfach in der Wand zu verschwinden und eine Abkürzung zu nehmen. In solchen Momenten standen sie dann bibbernd vor feuchter Kälte im Labyrinth, wohl ahnend, dass sie niemals allein hinausfinden würden. Jedoch kam der Comte immer zurück, auch wenn die bangen Minuten zur Ewigkeit für die Wartenden wurden, entschuldigte sich wortreich und führte sie weiter in das Innere des Berges hinein.
Längst schon hatten sie nichts mehr von den Dämonen wahrgenommen. Dann, als sie nicht mehr damit rechneten, jemals wieder das Tageslicht zu sehen, traten sie auf einen schmalen Sims hinaus, der einige Meter an dem Bach am Fuße des Felsens entlang führte und in einer Treppe neben einem sich drehenden Mühlrad endete. Keuchend vor Schreck und Anstrengung lehnten sie sich an die feuchte Felswand.
Die Kühle Feuchte der Luft und das Plätschern des Wassers wirkte beruhigend auf die Fliehenden. Sie befanden sich in der unmittelbaren Nähe des Wassers in einer vorübergehenden Sicherheit, was sie innehalten ließ. Wie aus unwirklicher Ferne drangen dumpfe Geräusche von der Burg über ihren Köpfen herunter zu ihnen. Harry hob den Kopf und blickte hinauf. Nur der Himmel, der direkt über dem Felsen hing, war beleuchtet von einem flackernden Licht, welches zeigte, dass Teile der Burg brannten. Schon ein paar Meter neben dem roten Widerschein wurde der Himmel zunächst Schwarz, dann nahm er ein tiefes Blau an und ganz zaghaft zeigten sich die Lichtpunkte von Sternen.
„Was war das?", fragte Harry erregt.
„Das mein lieber war einer der Dämonen, an die Du nicht glauben wolltest.", antwortete Remus mit leichtem Vorwurf in der Stimme.
„Lass ihn.", sagte Sirius leise. „Wie sollte er glauben, was wir ihm erzählen? Hast Du es gleich geglaubt?"
Remus lachte leise und bitter vor sich hin.
„Aber...Ihr sagtet doch, dass sie aussehen, wie Menschen?"
„Wenn sie nicht wollen, dass man sie erkennt...Aber jetzt brauchten sie diese Tarnung nicht mehr." Sirius Stimme war rau. Auch an ihm war das Erlebte nicht spurlos vorüber gegangen. Er hatte sich eingebildet, schon viel schreckliches gesehen zu haben, aber heute war ihm bewusst geworden, dass alle Todesser zusammen und der dunkle Lord nicht die Gewalt und Macht besaßen, die diese Kreaturen der Finsternis heute gezeigt hatten.
„Was sollen wir jetzt tun?", fragte Hermine, immer noch mit Zittern in der Stimme.
„Weiter kann ich Euch nicht bringen.", bedauerte der Comte. „Ich gehöre dort oben hin, hoffentlich lassen sie noch etwas übrig von meinem Zuhause."
„Wenn wir hier heil heraus kommen, bin ich sicher, dass Sie einen Platz auf Hogwarts bekommen können.", meinte Harry fast fröhlich. Dann aber schauderte ihm bei dem Gedanken, was vor ihm lag.
„Ihr habt doch inzwischen Erfahrungen mit diesen Dämonen.", meldete sich Draco, der versuchte, forsch zu klingen, was ihm gänzlich misslang.
„Du bist gut, Rotznase.", brummte Sirius. „Erfahrung! Du meinst wohl, wir machen jetzt einfach einmal schnipp und haben die Lösung parat, oder?"
„Nein..., ich meinte nur.", sagte Draco kleinlaut. „Was sollen wir denn jetzt machen? Wir können nicht ewig hier stehen bleiben..."
„Hört auf zu streiten.", mischte sich Remus ein. „Sirius, er hat recht. Wir müssen zusehen, dass wir schnellstens von hier weg kommen."
„Das ist leichter gesagt, als getan.", überlegte Sirius. „Was meinst Du, Ron?"
Ron hatte sich mit hängendem Kopf auf das Eisengeländer des schmalen Pfades gestützt. Er schien resigniert.
„Frag mich nicht.", antwortete er und hob die Schultern. „Ich weiß es nicht."
„Wenn ich meinen Besen hätte!", schimpfte Harry, dem jetzt auffiel, dass sein geliebter Feuerblitz immer noch im Schrank von Alisios Büro stand, wo er ihn nach dem missglückten Fluchtversuch wieder deponieren musste.
„Vergiss Deinen Besen.", meinte Sirius finster. „Du würdest keine Meile weit kommen."
Dann verfielen sie in dumpfes Grübeln. Nach einer Weile sagte Hermine:
„Lasst uns doch erst einmal sehen, wohin diese Treppe führt."
Sie löste sich von der Gruppe und ging die Stufen zur Pforte hinauf. Mit dem Zauberstab und einem „Alohomora" öffnete sie die Tür.
„Es ist eine schmale Gasse.", sagte sie leise. „Drüben, am Ende ist ein Gasthaus, oder so etwas. Habt ihr hier eine Pizzeria?"
„Pizzeria?", fragte Harry aufhorchend. „Das könnte die Pizzeria von Salvatore sein... Moment..., sein Bruder..., er soll ein Freund von Alisios sein. Vielleicht kann er uns helfen... Er sagte doch heute Abend so etwas..."
„Dann lass uns hingehen.", forderte sie Sirius auf. „Ich glaube, die da oben haben noch eine Weile zu tun. Vielleicht bekommen wir wieder einen kleinen Vorsprung..."
Wenige Minuten später und nach einem herzlichen Dank und Abschied vom Comte standen sie vor der verschlossenen Tür des Restaurants. Drinnen war es dunkel. Harry klopfte vorsichtig, als hätte er Angst, die Dämonen könnten ihn hören. Zunächst geschah nichts, so dass sich in Harry Hoffnungslosigkeit breit machte. Doch dann wurde die Tür einen kleinen Spalt weit geöffnet und ein Auge blickte durch den Spalt.
„Ah, der junge Signore. Ich dachte, dass Sie würden kommen. Ich habe sofort Vittorio angerufen, als ich... was iste dass eigentlich, was da mache so ein Theater in unsere Dorf?"
„Dämonen.", sagte Harry trocken.
„Komme herein. Vittorio iste da in wenige Minute."
Als sie die Pizzeria betreten hatten, führte Salvatore sie im Dunkeln durch den Gastraum, der immer noch den Duft von Tomaten und Basilikum ausströmte, vorbei an den Toiletten und zu einer Türe hinaus in den Hinterhof. Unter einem Vordach waren leere Fässer gestapelt. Salvatore winkte ihnen, mit ihm unter das Vordach zu treten. Von hier aus hatte man einen halbwegs guten Blick auf die Burg, die nun vom Feuerschein gut beleuchtet wurde.
„Wie kommen Sie darauf, dass Vittorio uns helfen kann?", fragte Harry, nachdem er seine Freunde vorgestellt hatte.
„Ich weiß, dass Sie werden verfolgt von eine böse Macht, Signore. Alisios, iste Freund von mir und sagte es. Vittorio weiß auch. Er hat mir erzählt, dass etwas hierher komme werde, was sehr gefährlich sein werde. Er habe mir gesagt, dass ich solle ihn hole, wenn es los geht."
„Woher wussten Sie, dass wir kommen würden?"
„Hat sie doch Alisios geschickt, oder?"
Harry schüttelte den Kopf. Langsam begann er zu verstehen, was die Druiden bisher auf sich genommen haben, in dem Wissen, dass das, was sie taten höchst gefährlich für sie war. Just in dem Augenblick wurde das Tor des Hofes aufgeschoben, ein hagerer Mann in dunkler Kutte huschte wie ein Schatten durch die Dunkelheit zu einem ohne Licht vor dem Tor stehenden Lastwagen. Der Motor brummte auf und das Gefährt rollte in den Hof.
„Wie viele seid ihr?", fragte die Stimme des Mönchs aus dem Führerhaus.
„Sechs.", war die leise Antwort.
„Sind Draco und Harry hier?", fragte der Mönch.
„Ja, wir sind hier."
„Auf der Ladefläche stehen mehrere Fässer. Dazwischen ist eine Lücke. In der Mitte ist ein Hohlraum, in dem zwei Fässer stehen. Klettert dort hinein. Das Wasser in den Fässern wird Euch verbergen. Ihr anderen müsst sehen, wie ihr Euch in das Führerhaus zwängt. Zwei können vielleicht hinter mir auf der Liege liegen. Beeilt Euch."
Die Worte waren in einem klaren, akzentfreien Englisch gesprochen. Sie waren knapp und bestimmt, so dass Harry keinen Augenblick lang erwog nach dem Sinn zu fragen. Er kletterte hinter dem Führerhaus auf die Ladefläche, tastete sich an den Holzfässern entlang und fand den Spalt, in den er sich mühsam hineinzwängte. Als er in dem Hohlraum anlangte, hörte er Draco hinter sich leise fluchen. Dann fühlte er eines der beiden Fässer, tastete es ab und bemerkte, dass sich der Deckel heben ließ.
„Du rechts, ich links?", raunte er Draco zu.
„Mach schon.", antwortete dieser. Harry hob den Deckel ab und kletterte in das Fass. Es war breit genug, ihn ganz zu verbergen, nicht ganz so hoch, wie die umliegenden Fässer, die in irgendeiner, nicht erkennbaren Form aneinander gebunden waren, um diesen Hohlraum zu bilden. Die Fässer, waren bis eine Hand breit unter dem Deckel mit Wasser gefüllt. Es mochte bei der Abfahrt warm gewesen sein, ein kleiner Rest steckte noch darinnen, aber Harry begann schon bei dem Gedanken an Wasser zu frieren.
„So ein Mist!", schimpfte Draco, der in das andere Fass geklettert war. „Das ist verflucht kalt! Hoffentlich kommen wir schnell wieder heraus."
„Wie ging denn noch einmal der Wärmezauber? Weißt du den noch?"
„Nee, habe ich nie gebraucht. Meine Eltern konnten sich ein Feuer im Kamin leisten."
Dann ruckte der Wagen an. Das Wasser schwappte in dem Fass und Harry hatte Mühe, sich nicht beim Atmen zu verschlucken. Und es wurde dunkel um ihn.
Harry war von einem Kraut betäubt worden, das Vittorio in das Fass gegeben hatte. Er hatte es von Alisios erhalten, als sie eine eventuelle Flucht aus La Valle besprochen hatten. Gleichsam bewirkte es einen todesähnlichen Schlaf, der die Körperfunktionen so weit herunter regelte, dass kaum noch Lebensaktivität in Harry war. Vittorio versprach sich dadurch, den Spürsinn der Dämonen zu täuschen, die nun ihre wahre Gestalt angenommen und damit weitaus mächtiger waren, als wenn sie sich hinterrücks in einen menschlichen Körper einschlichen. Auch die große Menge Wasser, die Harry zum einen in dem Fass selbst, andererseits in den anderen, darum herum aufgebauten Fässern fast wie ein Käfig umschloss, sollten seine Gegenwart verdecken.
Gleiches war mit Draco geschehen, der, genau so wie Harry, sich in sein Fass gefaltet, einen Augenblick über die Enge geflucht hatte und dann, ohne es zu merken, in einen Tiefschlaf gefallen war. Vittorio hatte bewusst Fässer genommen, die eine Bewegung ihrer Insassen nahezu unmöglich machten., da, wenn sie tiefer in das Fass rutschten, zu befürchten stand, sie würden ertrinken.
Sorgenvoll nahm Sirius wahr, dass sein Patenkind hinten auf die Ladefläche sollte und machte Anstalten, ebenfalls hinauf zu klettern, um in der Nähe der beiden Schützlinge zu sein. Vittorio bedeutete ihm leise, dass keine Gefahr bestünde und zog ihn mit sanfter Gewalt in das Führerhaus. Alsbald brummte der träge Dieselmotor auf. Vittorio steuerte den Wagen rückwärts aus dem engen Tor hinaus in die Gasse, gab dann Gas und steuerte den Lastwagen durch die menschenleeren Straßen des Dorfes.
„Viel Glück!", rief Salvatore leise und in erstaunlich akzentfreiem Englisch hinter ihnen her. „Ich hoffe, Ihr schafft es."
Oben auf der Burg tobte ein grausamer Kampf. Schon hatte das Feuer so weit um sich gegriffen, dass alle Gebäude in Mitleidenschaft gezogen wurden. Aus dem mittleren Teil der Anlage stoben Funken in regelmäßigen Wellen in den Nachthimmel, so dass es aussah, als würde ein Schmied auf einem Amboss ein überhitztes Eisen schlagen. Nach nur wenigen Minuten hatten sie den Rand des Tals erreicht. Vittorio fuhr langsam und ohne Licht die kurvenreiche Straße hoch, immer in Sorge, mit einem Rad auf den Seitenstreifen zu kommen und abzurutschen. Aber er schaffte diesen schwierigen Teil der Strecke, hatte nach schier endloser Zeit den höchsten Punkt erreicht und konnte bald, im Schutz des tiefen Waldes und der Bergkette, die nun die Sicht auf Rocheblanc versperrte, das Licht einschalten und schneller Fahren.
Ein Aufatmen ging durch den Wagen. Endlich regten sich die Menschen in der engen Kabine. Ron schob den Vorhang der Liege endgültig zur Seite. Die ganze Zeit über hatte er mit einem Finger einen kleinen Spalt offen gehalten und versucht, aus dem Fenster einen Blick zurück zu erhaschen. Jedes Mal, wenn in einer Serpentine die Burg in Sicht kam, entfuhr ihm ein leises Stöhnen.
„So.", sagte Vittorio erleichtert, aber mit rauer Stimme. „Das Schwierigste haben wir hinter uns. Hoffen wir einmal, auch wenn es für unsere Freunde nicht sehr angenehm ist, dass sie noch ein Weilchen beschäftigt sind. Je größer unser Vorsprung ist, desto besser ist es."
„Wohin fahren wir?", fragte Remus, dem ebenfalls die Erleichterung im vom Tachometerlicht beschienenen Gesicht geschrieben stand. „Geht es zum Rhein?"
„Nein.", antwortete Vittorio kurz. Nach einer weiteren Kurve, die er sehr vorsichtig nahm, fügte er hinzu: „Das ist zu gefährlich. Ich werde Euch zu einem Kloster an der französischen Grenze bringen. Es ist in der Nähe von Dinant, die Maas hinauf. Wir haben dort eine alte Wehranlage mit einem breiten Wassergraben und es sind zur Zeit ein paar Brüder dort, deren Hilfe wir sehr gut brauchen können."
„In ein Kloster?", fragte Sirius gedehnt. „Was sollen Mönche uns helfen können? Sie können nur beten..."
Vittorio sah ihn freundlich an, so freundlich, wie es mit seinem hageren scharfnasigen Gesicht möglich war. Nur seine stahlblauen Augen blitzten.
„Es ist immer das selbe mit Euch Magiern.", sagte er mit einem leichten Seufzer. „Ihr glaubt, alles ginge mit der Art Magie, die ihr kennt. Und? Was hat sie Euch geholfen?"
Er erwartete keine Antwort. Sirius schwieg auf diese Frage hin. Ja, darüber hatte er auch schon nachgedacht. Allerdings mussten sie mit Magie zu bekämpfen sein, denn schließlich hatte ein Magier, so schwarz er auch sein mochte, sie gerufen.
„Eure Magie ist gut.", sagte Vittorio nach ein paar hundert Metern versöhnlich. „Nur reicht sie nicht. Sie ist nicht alt genug, um mit den Wurzeln der magischen Wesen fertig zu werden. Die Druiden, ja...die sind dabei. Und wir.
Nein. Wir beten nicht nur, wir Trappisten. Ihr kennt Eure Magie und die Schwarze, meint, dass Eure Magie die Weiße ist. Ha! Sie ist grau. Grau und unscheinbar. Um mit den Höllenwesen der schwarzen Magie fertig zu werden braucht Ihr die Weiße, den Gegenpol. Die Druiden sind dabei. Nahe dran, aber ihnen fehlt etwas, das wir haben. Wie uns auch etwas fehlt, was sie haben. Wir bringen den heiligen Geist. Sie bringen die heilige Mutter Natur. Zusammen, nur zusammen können wir es schaffen."
Bald führte die Straße aus dem dichten Wald heraus. Sie durchfuhren ein kleines Dorf, das aus steinernen, grauen Häusern bestand. Der Lastwagen holperte über das Kopfsteinpflaster, obwohl Vittorio sehr bedächtig und langsam fuhr. Nach diesem Dorf begann wieder der Wald. Die Straße führte einem Bach entlang durch ein Tal, das sich in weiten Mäandern zwischen den Bergen hindurchdrängte.
An einer Brücke mündete dieser Bach in einen kleinen, munter dahinplätschernden Fluss, der von Süden her kam und in einem weiten Bogen Richtung Osten abbog. Hinter der Brücke parkte Vittorio den Laster.
„Jetzt könnt Ihr zeigen, was Ihr könnt.", sagte er leise. „Wir sollten diese Brücke beseitigen. Aber leise und so, dass keiner zu Schaden kommt."
„Lasst mich das machen.", meldete sich Sirius. Er strich sein langes, inzwischen ziemlich ergrautes Haar beiseite und stieg aus dem Wagen. Ron sah ihm nach. Sirius ging die dreißig Schritte zur Brücke zurück. Er baute sich vor ihr auf, zog seinen Zauberstab und richtete ihn auf sie. Ein grell leuchtender, gelber Strahl quoll aus dem Stab hervor und umschloss die Brücke, die nun ebenfalls gelb zu schimmern begann. Wie durch Geisterhand gehoben, begann die Brücke zu schweben. Sirius dirigierte sie durch die Luft und legte sie neben sich auf der Straße nieder. Dann hob er erneut den Zauberstab und begann Steine aus dem Flussbett zu heben. Er schichtete sie auf der anderen Seite auf den Fundament der Brücke zu einem Wall auf, so dass Autofahrer am nächsten Morgen nicht in das Wasser stürzten. Zufrieden kehrte er zum Lastwagen zurück.
„Das war nicht schlecht, mein Freund.", brummte Vittorio. „Das ist etwas, was wir nicht können. Mein Gott, was wäre das Leben einfach, wenn..."
„Oh nein.", unterbrach ihn Sirius finster. „Einfacher ist es nicht. Ungefährlicher auch nicht. Manchmal wünschte ich, ich wäre als Muggel auf die Welt gekommen. Ich würde arbeiten gehen, mein Geld verdienen und leben."
Vittorio sah ihn prüfend an. Dann nickte er zufrieden. Er legte den Gang ein und führ weiter.
Nach ein paar Stunden dämmerte es. Hermine hatte immer wieder besorgt gefragt, was mit Harry und Draco sei, sie müssten doch frieren, in dieser Kälte. Vittorio hatte sie immer wieder beruhigt und geantwortet, sie seinen wohlig und warm eingepackt. In der Tat waren nicht einmal die Körper der Freunde kalt geworden. Sie träumten gelassen und zufrieden und fühlten sich wohl dabei.
Nachdem sie eine Stunde lang dem neuen Fluss gefolgt waren, kamen sie in ein breiteres Tal. Hier mündete der Fluss in einen noch breiteren Fluss, der sich träge durch sein Bett wälzte. Es war die Maas. Am anderen Ufer konnten sie im morgendlichen Dämmerlicht eine kleine Stadt ausmachen, in der sich erstes Leben regte.
Eine Weile folgten sie der Maas nach Süden, dann bogen sie von der Straße auf einen holperigen Weg ab und fuhren zum Fluss hinunter. Dort wartete neben einem kleinen, windschiefen Häuschen eine Fähre auf die erste Überfahrt des Tages. Es war eine der alten Seilfähren, die sich von der Strömung über den Fluss ziehen ließen, gerade groß genug um zwei oder drei Autos und ein paar Fußgänger und Fahrradfahrer mitzunehmen. Ohne zu stoppen fuhr Vittorio direkt auf die Fähre, zog die Handbremse an und drehte den Zündschlüssel um.
Im Rückspiegel konnte Ron beobachten, wie die Tür des Häuschens geöffnet wurde. Ein steinalter grauhaariger Mann mit wild wucherndem Bart ging langsam und gebeugt den Anleger hinunter. Als er auf die Fähre gelangt war, löste er ein starkes Tau und warf es dem Ufer zu. Langsam setzte sich die Fähre in Bewegung.
Die vier Insassen verließen das Führerhaus, um Luft zu schnappen. Ron streckte sich. Er gähnte frierend. Die letzten Nächte hatten dunkle Schatten in seinem Gesicht hinterlassen. Nachdem sie knapp der Katastrophe am Meer entronnen waren, hatte er nur wenige Stunden in unbequemer Stellung geruht. Vielleicht war er dabei auch eingenickt, aber von einer spürbaren Erholung konnte nicht die Rede sein. Hermine kannte einen Zauber, der sie wach gehalten hatte, auch wenn es eine unnatürliche Wachheit war, die nur verhinderte, dass die Augen zufielen. Die Schmerzen in den Gliedern und das Brennen der Augen blieben.
Hermine kletterte besorgt auf die Ladefläche um nach Harry und Draco zu sehen. Erleichtert tauchte sie nach ein paar Minuten wieder auf, sprang vom Lastwagen herunter und ging zu den anderen hinüber, die an der Reling standen und auf das Wasser starrten.
„Es geht ihnen gut. Sie sind ganz warm, obwohl das Wasser eiskalt ist.", berichtete sie. „Sie schlafen tief und fest."
„Das ist gut.", brummte Sirius. Er starrte in die nebelige Kälte des Morgens. „Hoffentlich sind wir bald da."
Dann standen sie schweigend nebeneinander und beobachteten das näherkommende andere Ufer. Vittorio hatte sich mit dem Fährmann unterhalten. Jetzt kam er zu den vier Freunden herüber.
„Wir müssen noch ein bisschen zusammenrücken.", verkündete er. „Wir werden ihn mitnehmen."
Keiner fragte nach dem Grund. Keiner interessierte sich für den Grund. Alle waren mit eigenen Gedanken beschäftigt. Endlich, in einer vorläufigen Sicherheit, konnte man wieder denken.
Schon bald war die Fähre am anderen Ufer angekommen. Vittorio bedeutete ihnen, in den Wagen zu steigen. Dann ließ er den Motor an und rollte von der Fähre. An der Rampe wartete er, während der Fährmann mit einem Schlüssel große Schrauben aus der diesseitigen Verankerung der Stahltrosse löste. Schließlich schnellte das Stahlseil mit metallischem Surren über den Fluss und verschwand in den Wellen. Die Fähre löste sich vom Ufer und begann den Fluss hinab zu treiben. Einen Moment lang stand der Fährmann noch am Fluss. Mit Wehmut im Gesicht sah er dem treibenden Schiff nach, bevor er sich mit einem Ruck umwandte. Sirius und Remus rückten zusammen, um dem Alten einen Sitzplatz zu verschaffen. Der Fährmann kletterte mühsam in das Führerhaus. Remus streckte ihm einen Arm entgegen, den der Greis dankend nahm. Dann saßen sie schweigend im Wagen, während dieser über schlechte, holperige Straßen seinem Ziel entgegen rollte.
„Wir sind da.", sagte Vittorio gähnend, als sie am Ende einer Allee, die sie durch sumpfige Gegend geführt hatte, über eine Brücke fuhren und vor einem Tor hielten. Vittorio drückte auf die Hupe, dann stellte er den Motor ab. Nach ein paar endlosen Minuten öffnete sich eine vergitterte Klappe im Tor. Dahinter wurde schemenhaft ein Kopf sichtbar. Vittorio hob die Hand zum Gruß und startete den Motor wieder. Das Tor wurde geöffnet. Der Wagen rollte an.
Hinter dem Tor, das fest in einem wehrhaften Turm eingelassen war, lag ein weitläufiger quadratischer Hof, der von Arkaden gesäumt wurde. Direkt gegenüber dem Torturm ragte das gotische Portal einer Kirche steil empor und verlor sich im herbstlichen Nebel, der über der Gegend lag. Inzwischen schien der Tag seine maximale Helligkeit erreicht zu haben, allein der Nebel hinderte ihn, noch heller zu werden. Sobald der Lastwagen im Hof parkte, erklang aus einem Seitengebäude eine helle Glocke. Schon bald war das Knirschen von vielen Schritten im Kies des Hofes zu hören.
Männer in dunklen Kutten begannen eilig den Lastwagen abzuladen. Schon nach kurzer Zeit waren alle Fässer entleert und an der Mauer des Torturmes aufgestapelt. Nur die Fässer, in denen Harry und Draco ruhten standen noch auf der Ladefläche. Oben sahen die Köpfe der beiden friedlich Schlafenden hervor. Die Mönche standen nun abwartend neben dem Stapel von leeren Fässern und unterhielten sich leise. Vittorio war quer über den Hof geeilt und unter den Arkaden hinter einer schweren Tür verschwunden. Jetzt kam er in Begleitung eines Druiden wieder, der in seinem weißen Gewand im krassen Gegensatz zu den Mönchen stand.
„Seid gegrüßt.", sagte er. „Ich freue mich, dass Ihr es geschafft habt. Es gibt keine guten Nachrichten aus La Valle, umso mehr freut es mich, dass Ihr wohlbehalten angekommen seid."
Er reichte jedem seine Hand, dann sah er zu den Fässern hoch und sagte:
„Dann lasst uns die Beiden mal herausholen. Ihr dort!" und er winkte zu zwei Mönchen hinüber, die sich einen Stapel Decken über die Schulter geworfen hatten. „Holt sie heraus und packt sie gut ein. Wir werden sie drinnen wecken."
Wenige Minuten später lagen Draco und Harry abgetrocknet und in Decken gewickelt auf sauberen Betten im Krankensaal des Klosters. Sie wurden umringt von ihren Freunden, dem Pior des Klosters und einigen Mönchen in höchst unterschiedlichen Gewändern. Auch der Druide war anwesend. Er hatte ein kleines Pfännchen mit glühenden Kohlen auf das Nachtkästchen zwischen den beiden Betten gestellt, in das er aus einen Lederbeutel vorsichtig einige Gramm eines Pulvers aus zerstoßenen Kräutern schüttete. Dann holte er eine Phiole aus einer Tasche seines Umhangs. Sie enthielt eine rote, klare, fast wie ein Edelstein aussehende Flüssigkeit. Der Druide zog den Glasstöpsel heraus, legte seinen Zeigefinger auf die Öffnung und drehte in einer schnellen Bewegung seine Hand, dass der Finger von der roten Flüssigkeit benetzt wurde. Dann strich er jedem der tief und selig schlafenden mit dem Finger über die Schläfen.
Es dauerte nicht lang, und Draco begann sich zu regen. Er schlug die Augen auf und reckte sich genüsslich.
„Hab ich gut geschlafen...", murmelte er. Dann sah er auf und erblickte die umstehenden Leute. Hermine sah erleichtert aus, dass sie offensichtlich keinen Schaden genommen hatten. Jedenfalls lächelte sie Draco an, was selten genug vorkam, denn sie verstanden es hervorragend, sich ständig zu streiten.
Dann regte sich auch Harry. Anders als Draco blieb er mit geschlossenen Augen eine Weile liegen. Er vernahm wohl die Stimmen der leise miteinander sprechenden Menschen vor seinem Bett. Aber er wollte noch nicht aus seinen angenehmen Träumen erwachen, denn er ahnte, dass ihm auch an diesem Ort nicht viel Angenehmes bevorstand.
„Was ist, Harry?", fragte Sirius ungeduldig. Er war müde und sehnte sich nach einem Bett. „Du bist wach, oder? Dann mach doch die Augen auf. Wir sind hier in Sicherheit!"
Harry öffnete die Lider.
„Wer sind diese Leute?", fragte er und wies mit dem Kopf in Richtung der Mönche. „Wo sind wir hier?"
Vittorio trat vor.
"Ich habe Euch zu meinen Brüdern gebracht. Dieser Ort ist ein Kloster. Daher werdet ihr hier vornehmlich auf Mönche stoßen, die hier wohnen. Unser Kloster liegt inmitten eines Sumpfes, wovon wir uns versprechen, dass unsere Gegner Mühe haben werden, uns zu finden. Wir haben hier einige Menschen versammelt, die sich mit den verschiedenen Arten der Magie beschäftigen. Sie werden Euch beide schützen."
Harry schloss wieder die Augen. Die Szenen auf der Burg Rocheblanc kamen in sein Blickfeld. So hatte er sich den Angriff der Dämonen nicht vorgestellt. Er war beeindruckt und voller Angst zugleich.
„Danke.", sagte er leise.
„Ich denke, wir werden Euch erst einmal ruhen lassen.", wandte sich der Prior an die Freunde und Vittorio. „Legt Euch ein paar Stunden hin. Schlaft. Nach der Quint versammeln wir uns im Refektorium und beraten, was als nächstes zu tun ist. Und Ihr beide... Bruder Bertrand ist Vorsteher der Krankenabteilung. Er sitzt in seinem Zimmer gleich vor dem Saal. Wenn Ihr etwas braucht, ruft nach ihm. Ich hoffe, Ihr gesellt Euch zum Mittagessen zu uns."
Er wandte sich um und ging zwischen den Bettenreihen zum Ausgang. Nach und nach löste sich die Versammlung auf. Zuletzt blieben noch die vier Freunde, die sich nach dem Wohlergehen und dem seelischen Zustand der beiden erkundigten und erzählten, was alles auf der Flucht geschehen war, nachdem die Zwei in den Fässern verschwunden und eingeschlafen waren. Dann verabschiedete sich Sirius mit herzhaftem Gähnen. Die anderen schlossen sich an und ließen die Beiden allein.
