Die Zeit heilt nicht alle Wunden

Die Teen Titans gehören mir nicht (würde ihnen wohl auch kaum gefallen, so wie ich mit ihnen umspringe...)

Kapitel 2: Erinnerungen

„Robin! Pass auf!"

Cyborg starrte mit vor Angst weit aufgerissenen Augen auf den Anführer der Titans, der das auf ihn zufliegende Auto nur verständnislos anstarrte. Er schien nicht einmal zu merken, in welcher Gefahr er schwebte!

Knapp bevor das schwere Vehikel Robin erreichte, wurde es plötzlich von schwarzem Licht umhüllt und abgelenkt, sodass es ihn um Haaresbreite verfehlte. Cyborg warf einen Blick zu Raven hinauf, die ebenfalls erschrocken zu sein schien – ihrem Gesicht war zwar kaum etwas abzulesen, aber die weit aufgerissenen Augen unter ihrer Kapuze sprachen eine beredte Sprache. Dies schien wenigstens den Teamleader wieder zu sich zu bringen, denn er spannte sich plötzlich an und begann mit einem gewagten Hindernisparcours, der ihn immer näher an Cinderblock, der schon einige Häuser auf dem Gewissen hatte, heranbrachte.

Das Steinmonster war zwar schon ziemlich geschwächt, da der Kampf nun schon gut zwanzig Minuten dauerte, aber das hielt es nicht davon ab, Robin weitere Straßendekoration wie Autos, Laternen und Asphalt entgegenzuschleudern. Cyborg und Raven taten ihr möglichstes, um ihren Kameraden zu unterstützen, indem sie Cinderblock von verschiedenen Seiten ablenkten und als Robin zum letzten Sprung ansetzte, um den Steinriesen auszuknocken, griff Beast Boy ins Geschehen ein. Ein riesiger grüner Gorilla hielt Cinderblocks Arme plötzlich von hinten fest, bis Robin mit voller Wucht seinen Fuß im Gesicht des Monsters versenkte.

Beast Boy verwandelte sich in einen Fliege und machte dieselbe, als der Gigant zu wanken begann und schließlich donnernd auf dem Asphalt aufprallte. Alle atmeten erleichtert aus, als das Monster endlich bezwungen war.

„Mann, das war aber diesmal echt hart", kommentierte Beast Boy, als er wieder menschliche Gestalt angenommen hatte. „Kommt das nur mir so vor, oder hat das Riesenbaby Kraftfutter gefressen?"

Damit sprach er aus, was sich alle von ihnen fragten. Cyborg jedoch wusste es besser. Cinderblock war nicht stärker als früher gewesen, sonst hätte er viel mehr Schaden angerichtet. Dem Team hatte einfach etwas gefehlt.

„Alles in Ordnung, Robin?", fragte er seinen Freund, der mit einem düsteren Gesichtsausdruck zu ihm zurückkam. Das war ja an sich nichts Ungewöhnliches, nach Raven war Robin mit Abstand das ernsteste Mitglied ihres Teams und im Kampf übertraf er das Mädchen vielleicht sogar noch. Sie alle betrachteten die Verbrecherjagd als eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft, aber Cyborg vermutete, dass es für Robin noch mehr war... es war eine heilige Pflicht, eine Lebensaufgabe. Robin hatte ihnen nie etwas über seine Vergangenheit vor den Teen Titans erzählt, aber es schien ihn sehr geprägt zu haben. Cyborg fand es erschreckend, dass Robin heute im Kampf unkonzentriert gewesen war. Das war noch nie vorher passiert – noch nie!

„Ja, mir geht's bestens", fauchte das Mastermind und ging an Cyborg vorbei, dessen Blicke tunlichst vermeidend.

„Dieses Auto wäre beinahe dein Tod gewesen, Robin", erklang Ravens dunkle Stimme über ihnen. Die Mystikerin schwebte direkt über dem T-Car und starrte den schwarzhaarigen Jungen mit glühenden Augen an. „Und normalerweise wärst du ihm leicht ausgewichen."

„Willst du damit sagen, dass ich nicht alles gegeben habe?", fuhr Robin sie an und ballte die Fäuste.

„Robin, nimm das bitte nicht persönlich, aber Raven hat Recht", meinte Cyborg zögernd, blieb allerdings aus der Reichweite seines Teamkameraden. Robins Laune war auf dem Tiefpunkt und er wusste nicht, was der Martial-Arts-Experte tun würde, wenn man ihn zu sehr reizte. „Du musst endlich darüber hinwegkommen, sonst bringst du dich nur selbst in Gefahr."

„Hinwegkommen? Worüber sollte ich wohl hinwegkommen?"Robin hatte die Fäuste geballt und zeigte die Zähne, als er sich Cyborg zuwandte. Er schien regelrecht Streit zu wollen.

„Starfires Verschwinden", warf Raven ein. Cyborg war ihr dafür dankbar. Sie war am ehesten geeignet, um mit ihrem Anführer zu konkurrieren. „Wenn du nicht zugibst, dass du wegen ihr heute unkonzentriert warst, machst du dich lächerlich."

„Unsinn! Ich hab das Auto nur zu spät gesehen!"

„Nein, das hast du nicht, Robin", wandte Beast Boy ein, während er näher kam. Der Gestaltwandler kratzte sich nervös am Kopf. „Tut mir ja Leid, aber es ist ja nicht das erste Mal, dass du im Kampf unkonzentriert bist. Diesmal war es einfach nur am gefährlichsten. Seit Star verschwunden ist, bist du einfach nicht mehr derselbe."

Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte Robin trotz allem noch die Wahrheit leugnen, aber dann überlegte er es sich anders. „Es... wird nicht wieder passieren."

„Robin, wir wollen keine Entschuldigungen von dir", bemerkte Cyborg und trat einen Schritt näher heran. „Wir wollen dir nur helfen. Mir ist schon klar, dass du Starfire nicht vergessen kannst – keiner von uns kann das, vor allem im Kampf. Aber nun ist schon mehr als ein Jahr vergangen und du hast es immer noch nicht überwunden."

„Ich werde daran arbeiten, okay?", spie Robin aus. „Was wollt ihr eigentlich noch von mir? Dass ich einfach weitermache, als wäre nichts geschehen?"

„Das ist die Bürde, die ein Anführer tragen muss, ja", bestätigte Raven kalt und landete neben dem Auto. „Trotz aller Verluste das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und weiterzumachen."

„Trotz aller Verluste!"Robin lachte, ein verächtliches Lachen. „Das hört sich an, als wäre eine Waffe kaputt gegangen! Ist es das, was Starfire für dich war, Raven, eine Waffe?"

„Jetzt halt aber mal die Luft an, Robin!", rief Beast Boy verärgert aus, während Ravens Augen zu Schlitzen wurden. „Du weißt ganz genau, dass das nicht stimmt! Raven hat nur richtig bemerkt, dass wir keine Möglichkeit haben, Starfire zurückzuholen. Und deshalb müssen wir eben so gut es geht ohne sie weitermachen. Das heißt nicht, dass wir sie vergessen, Robin, aber die Teen Titans müssen eben ohne sie funktionieren."

„Ja, das erwartet man von uns, nicht wahr?"Cyborg nahm mit Besorgnis den Gehalt an Selbsthass in Robins Stimme wahr. „Dass wir weiterhin unsere Pflicht tun und Verbrecher zur Strecke bringen. Ob Starfire dabei ist oder nicht, das interessiert ja niemanden, solange es die Titans noch gibt..."

Cyborg machte einen schnellen Schritt vorwärts, packte den kleineren Jungen an den Schultern und hob ihn ganz nahe an sein Gesicht heran. „Jetzt hör mal zu", sagte er gefährlich leise. „Weißt du eigentlich, was du da redest? Du sprichst von uns, als wolltest du gar nicht mehr dazugehören! Als wären die Titans mit Starfires Verschwinden für dich gestorben! Denkst du etwa, Star würde wollen, dass du dich so gehen lässt?"

Einen Augenblick lang hegte er die Befürchtung, Robin würde aufschreien und ihn zu treten beginnen, aber der gefährliche Moment ging vorüber und die Kraft wich aus Robin. Er ließ den Kopf hängen und flüsterte: „Es ist okay, Cy. Lass mich wieder runter. Ich... ich bin wieder normal."

Cyborg war zwar noch nicht ganz überzeugt, aber er setzte seinen Freund trotzdem vorsichtig wieder ab. „Na schön", meinte er und klopfte ihm auf die Schultern. „Tut mir Leid, dass ich so grob war, aber es hat ja nichts anderes geholfen."

„Nein, nein, das macht nichts, Cy, schon okay", murmelte Robin und fuhr sich verlegen durch sein schwarzes Haar. „Du hast ja Recht. Ich bin der Anführer. Ich sollte nicht derjenige sein, der so reagiert."

„Mach dich doch nicht nieder, Alter", entgegnete Beast Boy, der bereits wieder grinste. „Wir wissen ja, dass dir Star viel bedeutet hat. Jeder hat mal das Recht auszuflippen."

Robin nickte lediglich und wandte sich zum T-Car hin. Beast Boy und Cyborg folgten ihm, nachdem sie sich einen besorgten Blick zugeworfen hatten. Als Robin einsteigen wollte, wurde er von Raven zurückgehalten, die ihn am Arm packte.

„Robin, bist du sicher, dass du darüber hinwegkommst?", flüsterte sie so leise, dass die anderen es nicht hören konnten. „Wenn du meine Hilfe möchtest... könnten wir vielleicht gemeinsam meditieren oder einfach nur sprechen..."

Robins Maske zuckte kurz, aber dann streifte er Ravens Arm ab. „Danke", wisperte er ebenso leise. „Ich weiß dein Angebot zu schätzen, Raven. Aber wie du schon gesagt hast, ich bin der Anführer. Ich muss meine Probleme selbst bewältigen, sonst schwäche ich das Team. Ich schaffe es schon."

Einen Augenblick lang schien das Mädchen widersprechen zu wollen, aber sie beließ es lediglich bei einem besorgten Blick, bevor sie sich umwandte und ins Auto einstieg. Wortlos setzte sich auch Robin auf die Rückbank. Die Fahrt verlief schweigsam... wie so vieles seit Starfires Verschwinden. Cyborg fragte sich nicht zum ersten Mal, ob Warp gelungen war, was so viele Schurken nicht geschafft hatten... das Herz der Titans zu treffen.

Beast Boy summte, während er weitere Ingredienzien aus dem Kühlschrank holte und seiner Mischung hinzufügte. Diesmal, dessen war er sich ganz sicher, würde keiner der Titans sein Essen mögen... aber das war auch gar nicht seine Absicht. Heute vor genau drei Jahren war Starfire verschwunden und ihre Lage hatte sich wieder einigermaßen normalisiert. Selbst Robin hatte seinen Schock offensichtlich überwunden, denn er redete wieder mit ihnen und verbrachte Zeit mit ihnen im Gemeinschaftsraum, wenn er auch noch immer sehr viel Zeit allein in seinem Zimmer zubrachte. Immerhin war es besser als im ersten Jahr nach Stars Verschwinden. Immerhin lächelte Robin jetzt wieder, wenn auch nicht sehr oft. Herzlich gelacht hatte allerdings seitdem nicht mehr. Beast Boy bezweifelte, ob Robin jemals wieder lachen würde.

Er und die anderen waren jedoch schon zufrieden, dass sich der Anführer der Titans nicht völlig von ihnen zurückgezogen hatte. Er kämpfte wieder so konzentriert wie früher, auch wenn Beast Boy irgendwie das Gefühl hatte, dass Robin nicht immer alles gab, was er konnte. Aber immerhin brachte er sich nicht mehr selbst in Gefahr und das war die Hauptsache.

Starfire war in den letzten zwei Jahren allerdings ihm gegenüber nicht mehr erwähnt worden. Beast Boy fand das nicht richtig. Er war nicht dumm. Jeder der anderen Titans hatte die kleinen Signale gesehen, die Robin und Starfire abgegeben hatten... die beiden waren verrückt nach einander gewesen, und jeder außer ihnen selbst hatte das gemerkt. Schade, dass sie keine Zeit gehabt hatten, es selbst herauszufinden.

Jedenfalls hatte Beast Boy beschlossen, die anderen heute zu überraschen. Heute vor drei Jahren hatte ihnen Starfire dieses Blo... Blö... tamaranianische Fest der Freundschaft erklärt und genau das beabsichtigte er zu feiern. Er hatte die Freundschaftshalsketten, welche Starfire gemacht hatte, repariert und war sogar gerade dabei, ihren berüchtigten Pudding der Freundschaft nachzumachen. Er hatte einmal den Fehler gemacht, ihr dabei zuzusehen, wenn sie etwas kochte. Er hatte angenommen, dass sich sein Magen schon beruhigen würde, wenn er sah, dass Star größtenteils normale Zutaten verwendete. Er hatte sich geirrt.

Aber das war egal. Schon um Stars Andenken Willen würden die anderen den Pudding zumindest probieren. Danach würden sie die Ketten umlegen und einfach mal wieder ganz entspannt plaudern. Beast Boy war sicher, dass das allen gut tun würde. Dann würde Robin merken, dass sie Starfire nicht vergessen hatten.

Er blickte auf die Uhr. Die anderen würden in ein paar Minuten herunterkommen. Beast Boy grinste. Das würde mal wirklich eine Überraschung werden. Er sah nach, was der Pudding machte und stellte zufrieden (auch wenn sein Magen etwas anderes behauptete) fest, dass er fast fertig war. Ungeduldig wartete er, bis er ausgekühlt war, dann gab er die ekelerregende Masse in eine Schüssel und trug sie vorsichtig zum Tisch. Gleich darauf hörte er Schritte auf der Treppe. Hastig versteckte er sich hinter dem Sofa, bis er überraschte Atemzüge hören konnte.

Bevor noch jemand etwas fragen konnte, sprang er hinter dem Sofa hervor und rief: „HAPPY BLÖDHORK!"

Die Gesichter von Cyborg und Raven waren unbezahlbar, nur Robin starrte noch immer den Pudding an, als hätte er Beast Boy gar nicht gehört. Der Gestaltwandler ließ sich davon jedoch nicht beirren, holte die Halsketten hervor und legte sie seinen Freunden um, noch bevor die ein Wort des Protests aussprechen konnten.

„Setzt euch hin, Leute! Zur Feier des Tages hab ich den Pudding der Freundschaft gemacht, nach tamaranianischem Originalrezept!"

Cyborg öffnete erschrocken den Mund, sagte aber nichts, als Raven ihm den Ellbogen in den Bauch rammte. Sie verzog kurz das Gesicht, weil sie seine Metallkonstitution nicht bedacht hatte.

„Originalrezept?", fragte sie vorsichtig. „Wie das?"

„Och, Star hat mir mal das Rezept verraten, als ich Vorkoster spielen musste", antwortete der Gestaltwandler grinsend. „Damals war ich eigentlich gar nicht so scharf drauf."

„Kann ich mir vorstellen", murmelte Cyborg. Er legte Robin eine Hand auf die Schulter und fragte ihn: „Alles in Ordnung mit dir, mein Freund?"

Robin riss sich sichtlich zusammen. Ein echt erscheinendes Lächeln brachte er allerdings nicht zustande. „Ja, ja, schon gut", meinte er etwas fahrig. „Ich war nur etwas... überrascht."

„Wollt ihr noch lange da rumstehen?", fragte Beast Boy ungeduldig. „Kommt schon, setzt euch hin. Der Pudding wird kalt."

„Ach? Und kalt schmeckt er nicht gut, wie?", war Ravens bissiger Kommentar. Ihre Augen waren jedoch noch immer auf Robin gerichtet. Sie suchte sorgfältig, aber bisher ließ er keine Anzeichen erkennen, dass er gleich wieder wegrennen wollte.

„Keine Ahnung. Ich hab das Zeug damals nur einmal als Vorkoster probiert, aber ich hab nicht gewartet, bis er ausgekühlt ist."

„Das hört sich ziemlich vernünftig an", meinte Cyborg, der sich Robin gegenüber niedergelassen hatte. Auch er behielt den schwarzhaarigen Jungen im Auge, auch wenn er sich langsam zu entspannen begann. Robin war sichtlich unangenehm überrascht worden, aber zumindest rannte er nicht weg. Vielleicht würde aus diesem Abend trotz allem noch etwas werden. „Hast du... vielleicht etwas, womit man das Zeug hinunterspülen kann?"

„Ja, ich hätte gern tamaranianisches Tafelwasser, bitte", bestellte Robin, während er den Pudding misstrauisch beäugte. „Aber bitte ohne die lebendigen Inhalte."

Einen Moment lang herrschte Stille, dann begann Beast Boy zu lachen und auch Cyborg stimmte nach kurzem Zögern darin ein. Nur Raven hörte nicht auf, Robin aus den Winkeln ihrer Kapuze zu beobachten.

„Der war gut, Mann", prustete Beast Boy, als er mit einer Riesenflasche Limo, drei Gläsern und einer dampfenden Tasse wiederkam. „Bitte sehr. Ein Tee für die Lady und etwas Hartes für uns Männer."

Raven zog die Augenbraue hoch, nahm einen Probeschluck von ihrem Tee und stellte fest, dass er tatsächlich genießbar war. Beast Boy musste geübt haben. „...Danke", meinte sie schließlich.

„Seit wann hattest du denn diese Idee, Beast Boy?", fragte Cyborg, während er sich von seinem Freund das Glas füllen ließ. „Ehrlich, ich hab gar nichts gemerkt."

„Also eigentlich... hab ich schon länger vorgehabt, so was zu machen. Ich..." Er warf Robin einen nervösen Blick zu. „... wusste nur nicht, wie ihr reagieren würdet."

„Schon gut, Beast Boy", entgegnete Robin einen stillen Augenblick später. „Es... macht nichts. Die Überraschung ist dir wirklich gelungen."Er versuchte zu lächeln und dieses Mal gelang es ihm ganz gut.

„Super! Wollen wir dann mit dem Pudding beginnen?"

„Uuuh... mir wäre eigentlich lieber, wenn wir damit noch etwas warten könnten..."

Während Cyborg und Beast Boy sich in ein kleines Streitgespräch verstrickten, welches unter anderem beinhaltete, wie viel Mühe sich Beast Boy mit dem Pudding gegeben hatte und welche Inhaltsstoffe man auf nüchternem Magen nicht vertrug, spürte Robin etwas an seiner unter dem Tisch verkrampften Hand. Erstaunt sah er zu Raven hinüber, die ihn noch immer mit undeutbarem Gesichtsausdruck musterte. Sie drückte seine Faust sanft und ihm war plötzlich, als könnte er eine Stimme in seinem Kopf hören. Vermutlich war es auch so.

Sei stark, Robin. Und sei nicht zu stolz, Hilfe von uns anzunehmen.

Er nickte unmerklich und entspannte seine Faust, woraufhin Raven ihre Hand zurückzog und sich auf das Gespräch auf der anderen Seite des Tisches konzentrierte. Der Streit hatte gerade die Ausmaße erreicht, bei denen Beast Boy versuchte, Cyborg einen Löffel mit Pudding in den Mund zu schieben, was jener mit allen Kräften zu verhindern suchte. Nach einem kurzen Handgemenge landete der klebrige Batzen schließlich auf Ravens Kutte... und plötzlich war alles erstarrt. Ravens Augen schimmerten aus der Dunkelheit der Kapuze hervor und niemand wusste, ob sie nur Schmerzen oder Schlimmeres verhießen. Dann griff sie mit den Fingerspitzen nach dem Puddingstück, führte ihn langsam zum Mund und kaute ihn. Alle hielten den Atem an.

„Nun, Beast Boy...", sagte sie schließlich mit langsamer, dunkler Stimme, „ich denke, du hast den grauenhaften Geschmack des Puddings ziemlich gut hinbekommen."

Den drei Jungen fiel die Kinnlade nach unten, während sich auf Ravens Gesicht unsicher ein kleines Lächeln zeigte. Dann fingen Robin und Cyborg leise an zu lachen, während Beast Boy ausflippte

„Raven, du hast dir einen Scherz erlaubt! Du hast dir vor drei Zeugen einen Scherz erlaubt!"Ihm liefen Tränen über die Wangen. „Oh, dafür muss ich dich einfach umarmen."

„Denk nicht mal im Traum dran!", warnte ihn die Mystikerin mit blitzenden Augen und stand auf. „Ich lasse euch Kindsköpfe kurz allein."Sie blickte auf ihre Kutte. „Ich muss mich umziehen. Lasst mir nicht zu viel von diesem Pudding übrig."

Während das Gelächter von Beast Boy und Cyborg nur sehr langsam verebbte, starrte Robin bereits wieder auf den Kuchen. Cyborg bemerkte die Gefahr und schaufelte rasch eine Handvoll Pudding auf seinen Teller. Dann klatschte er auch Robin einen Teil der Masse hin.

„Komm schon, Mann", bemerkte er grinsend. „Wenn Raven schon so aus sich herausgeht, dann dürfen wir nicht zurückstehen, oder? Die Teen Titans werden doch nicht vor einem bisschen Pudding zurückschrecken, oder?"

„Natürlich nicht!", rief Beast Boy enthusiastisch und gönnte sich die bisher größte Portion der Substanz. Man konnte seine Risikobereitschaft nur bestaunen. „Ran an den Speck! Lasst es euch schmecken!"

„Nun übertreib mal nicht!", warnte ihn Robin mit einem schrägen Grinsen, während er testend mit seinem Löffel im Pudding stocherte.

„Sehr richtig", schloss sich Cyborg ihm an. Er widerstand der Versuchung, den Pudding mit seinen Sensoren zu untersuchen. Er fürchtete sich zu sehr vor dem Ergebnis.

„Egal. HAPPY BLÖDHORK!"

„Das heißt Blorthog, du Idiot!"

„Ja, Happy... Blorthog."

Beim letzten Wort war alle Freude wieder aus Robin gewichen. Er schien, als würde er sich wieder an unwillkommene Dinge erinnern. Beast Boy blickte ihn scharf an. Er öffnete den Mund, um einen witzigen Kommentar abzulassen, um den Teamleader wieder aus seiner Apathie zu reißen, als dieser plötzlich einen tiefen Atemzug tat und einen ganzen Löffel Pudding in sich hinein schaufelte!

Er versuchte bewundernswert lange, ein unbeteiligtes Gesicht zu machen, aber als der Geschmack im Mund seine volle Wirkung entfaltete, schluckte er rasch und laut und setzte sofort sein Glas an, welches er in wenigen Sekunden austrank. Danach atmete er ein paar Mal tief durch.

„Schmeckt... sehr vertraut", brachte er schließlich heraus. DAS konnte sich Beast Boy vorstellen. Da er damals geflohen war, hatten die anderen Starfires Pudding aufessen müssen. Zum Glück hatte sie nur eine kleine Portion gemacht.

„Ja, das ist wahrer Heldenmut", kommentierte Cyborg mit nur einer kleinen Prise Sarkasmus. Dann riss er sich sichtlich zusammen und stopfte auch einen Löffel in seinen Mund. Seine Verhaltensweise danach ähnelte der von Robin sehr, nur machte er noch bessere Grimassen.

„Ihr seid die Größten, Leute!", rief Beast Boy lachend. „Ich wusste doch, ihr würde ihn mögen!"

Die Blicke, die Robin und Cyborg ihm zuwarfen, waren nicht sehr weit von Hysterie entfernt. Da er fürchtete, sie würden sich auf ihn stürzen, wenn er nicht auch vom Pudding probierte, öffnete er schicksalsergeben den Mund und nahm einen großen Löffel voll. Er fühlte, wie sein Magen beim Gehirn seine Kündigung einreichte. Mit einem sehr großen Schluck Limo konnte er ihn dazu überreden zu bleiben.

„Habe ich etwas verpasst?", kam eine dunkle Stimme von der Tür her, als Raven hereinkam. Jedoch schien sogar sie amüsiert über die Gesichter ihrer Freunde zu sein. Sie nahm wieder neben Robin Platz und studierte die Mienen der anderen mit großem Interesse.

„Eigentlich nicht", meinte Cyborg und warf einen Blick auf seinen Teller. „Du wirst den Anblick schon sehr bald wieder genießen können."

„Aber zuvor", schaltete sich Robin ein und erhob sich, „möchte ich einen Toast ausbringen."Er erhob sein fast leeres Glas. „Einen Toast auf die, welcher wir dieses außergewöhnliche Essen verdanken... und die sich sicher freuen würde, uns heute so sehen zu können."Da er die besorgten Blicke der anderen spürte, hielt er seine Fassade mit aller Kraft aufrecht. „Einen Toast auf Starfire!"

„Auf Starfire!", rief Beast Boy, sprang auf und hob sein Glas. „Die einzige Person, die uns dazu bringen konnte, diesen Pudding zu essen!"

„Auf Starfire!", stimmte Cyborg etwas weniger stürmisch ein und hob ebenfalls sein Glas. „Die uns beibrachte, dass Freundschaft nicht selbstverständlich ist!"

Nachdem alle einige Augenblicke gewartet haben, rang sich schließlich auch Raven dazu durch, ihre Tasse zu heben und aufzustehen. „Auf Starfire!", sagte sie ruhig. „Die diesen Tower mehr erhellt hat als alles andere."

Es war ein sehr bewegender Moment, den die vier miteinander teilten. Beast Boy fühlte sich das erste Mal seit Starfires Verschwinden wieder richtig glücklich. Es war, als wäre das Mädchen jetzt unter ihnen und würde sie anlächeln.

Nun, Augenblicke vergehen und auch dieser ging vorbei. Dennoch wurde es noch ein sehr schöner Abend. Obwohl Raven ihre Gesprächigkeit für dieses Mal aufgebraucht zu haben schien, ging sie doch nicht auf ihr Zimmer, sondern blieb bei ihren Freunden, welche noch einige Zeit lang Erinnerungen austauschten, hauptsächlich an Starfire. Hauptsächlich waren es Cyborg und Beast Boy, die sprachen, Robin streute nur hie und da ein Kommentar bei, wenn ihm etwas nicht genau genug schien. Es war bemerkenswert, woran er sich alles erinnerte.

Es war schon spät, als die vier schließlich schlafen gingen. Beast Boy ließ sich auf sein Bett fallen und beglückwünschte sich, dass das Fest ein voller Erfolg gewesen war. Cyborg ging schlafen mit dem Gefühl, endlich wieder richtigen Gemeinschaftsgeist gefühlt zu haben. Raven hatte in ihrem Zimmer eines ihrer raren Lächeln aufgesetzt, als sich ihr Geist das erste Mal seit langem wieder in völliger Harmonie befand. Robin jedoch empfand nichts dergleichen. Als sich die Tür seines Zimmers hinter ihm schloss, fühlte Robin das über sich hereinbrechen, was er mit so viel Mühe begraben zu haben geglaubt hatte: Erinnerungen.

„Robin! Wieso hat der Mann dieses kalte, süße Zeug denn nicht aufgetaut?"

„Das ist ein Eis, Starfire. Das MUSS kalt sein, sonst liefe es dir über deine Bluse."

Robin hielt seine Augen hinter der Maske geschlossen, während er in seinem vollkommen dunklen Zimmer auf dem Bett saß und seine Gedanken schweifen ließ. Er hatte ein leichtes Lächeln aufgesetzt, obwohl er fühlte, dass seine Freude schon bald vergehen würde, vielleicht für immer. Aber momentan war ihm das egal, denn die Gedanken, die er hatte, waren gute Gedanken, die Momente seines Lebens, die er am meisten genossen hatte. Hätte er das doch damals schon zu würdigen gewusst. Vielleicht wäre dann einiges anders gelaufen.

„Robin, wieso hat dieser Mann gepfiffen, als wir an ihm vorbeigegangen sind? Ist mit mir etwas nicht in Ordnung?"

„Ganz im Gegenteil, Star, ganz im Gegenteil..."

Ein kurzes, gedämpftes Lachen überkam den Superhelden, als er an diese Szene dachte. Danach hatte er Star erklären müssen, warum Männer gut aussehenden jungen Frauen hinterher pfiffen. Er erinnerte sich, dass er ziemlich in Nöte gekommen war, Worte dafür zu finden, wieso der Mann ausgerechnet Star ausgewählt hatte. Als sie am Ende immer noch nicht verstanden hatte, war ihm schließlich der Kragen geplatzt.

„Verdammt noch mal, du bist wunderschön, Starfire! Deshalb hat er dir hinterher gepfiffen!"

Er war rot geworden, als ihm klar geworden war, was er da gefragt hatte... aber er war überrascht gewesen, dass Starfire noch viel röter als er gewesen war.

Robins Mundwinkel sanken langsam nach unten. Wieso fiel ihm ausgerechnet das ein? Er hatte so viel angenehmere Episoden mit ihr erlebt, so viel lustigere. Er konnte gar nicht sagen, wie peinlich ihm dieser Ausrutscher gewesen war. Star und er waren sich zwei Tage lang vollständig aus dem Weg gegangen, weil immer einer von ihnen rot geworden war, wenn sie sich über den Weg liefen.

Andererseits... für die anderen war es sicher lustig gewesen.

Robin seufzte. Er war sich bewusst, dass er einen sehr schönen Abend hinter sich hatte, aber hier und jetzt wollte ein Teil von ihm Beast Boy aus dem Bett werfen und schlagen, weil er die Erinnerungen, die er so sorgfältig verschlossen zu haben glaubte, wieder hervorgeholt hatte. Er wusste, dass der kleine Gestaltwandler es gut gemeint hatte und er beglückwünschte auch seine Vorgangsweise, die der Starfires so ähnlich gewesen war. Er war ihm nicht böse, schon deshalb nicht, weil die anderen sich prächtig amüsiert hatten, sogar Raven. Etwas wie dieses Fest hatte dem Tower gefehlt.

Aber an ihm – und er bezweifelte nicht, dass Beast Boy das Fest größtenteils für ihn veranstaltet hatte – war die heilende Wirkung vorübergegangen. Natürlich war jede Erinnerung, die er an Starfire hatte, eine gute Erinnerung. Er hatte schon vor drei Jahren erstaunt festgestellt, dass er sich sogar gern daran erinnerte, dass er sich sehr selten mit Starfire gestritten hatte, weil die Versöhnung umso schöner gewesen war – und meist auch stürmischer, von ihrer Seite. Aber mit jeder Erinnerung wachte auch ein Teil des Schmerzes wieder auf.

Robin wusste, dass er diese Gefühle nicht mehr lange zurückdrängen konnte, aber noch hielt er mit aller Kraft an den süßen Augenblicken des Glücks fest. Er beobachtete Star, wie sie ihn im Kampf beschützte und er sie auffing, wenn ein Bösewicht sie erwischt hatte. Er sah sie beide am Dach des T-Towers sitzen und beim Sonnenuntergang über die Probleme der Titans sprechen. Er ergötzte sich am Ausdruck kindischer Freude, wenn er mit ihr shoppen gegangen war, auch wenn das nach und nach Raven übernommen hatte... was ihm ohnehin komisch vorgekommen war.

Seltsam... wieso wollten ihm die Momente nicht mehr einfallen, in denen ihm Star mit all ihren Fragen lästig gewesen war, wenn er sie zurück auf ihren Heimatplaneten gewünscht hatte? Wenn er mitten in einer Untersuchung war und sie plötzlich hinter ihm auftauchte und ihn erschreckt hatte? Vielleicht, weil es Teil ihres fröhlichen Wesens war, jedem bei allem zur Hand gehen zu wollen, auch wenn sie keine Ahnung von nichts hatte. Robin schnaubte. Detektivarbeit und wissenschaftliche Untersuchungsmethoden... davon hatte sie wirklich nichts verstanden! Aber vielleicht war gerade das ihre Stärke gewesen...

Robin hatte sein Wissen hinsichtlich der Verbrecherjagd vom Besten erhalten. Batman hatte ihn zu dem klugen Kopf gemacht, der er heute war. Der Dunkle Ritter hatte ihn gelehrt, gezielt die Schwachpunkte jedes Gegners zu suchen, um umso stärker dort zuschlagen zu können, wo es wehtat. Er hatte ihm beigebracht, wie man jeden Gegner schnell und präzise ausschaltete... nun, fast jeden. Aber er hatte ihn vor allem auch Einsamkeit gelehrt... die Kunst, niemandem zu vertrauen.

Die Titans hatten dieses Eis nur teilweise brechen können. Robin war anfangs ebenso verschlossen gewesen wie Raven, wenn es um seine Privatsphäre ging. Erst als Starfire sich wiederholt bei ihm beklagt hatte, dass sie auf der Erde nicht zurechtkam, hatte er zugestimmt, ihr zu helfen. Damals hatte er das nur getan, damit sie ihn nicht in der kompliziertesten Arbeit überfiel, aber nach einigen Ausflügen war ihm aufgefallen, dass er sich... besser fühlte, wenn er sie um sich hatte. Ihre lebendige Art, ihre Umwelt in sich aufzunehmen, stand in krassem Gegensatz zu seinem abgeblockten Selbst, aber nach und nach begann sie, auf ihn einzuwirken. Langsam. Hier ein befreites Lachen, da ein freundlicher Händedruck. Aber am Ende war das Eis geschmolzen.

Meine Sonne, dachte Robin. Mein Sternenfeuer...

Was geschah mit einem Planeten, wenn seine Sonne erlosch?

„Robin, was bedeutet das, wenn ein Junge ein Mädchen fragt, ob sie mit ihm „gehen"will?"

„Das heißt, dass der Junge möchte, dass das Mädchen sich öfter mit ihm trifft. Er will, dass sie so oft wie möglich mit ihm zusammen ist."

Aha." Starfire hatte einen Augenblick nachgedacht und dann gegrinst. „Möchtest du mit mir „gehen", Robin?"

Damals hatte ihm der Atem gestockt. Star war noch nicht so lange bei den Teen Titans gewesen und wusste noch herzlich wenig von der Welt. Er war rot angelaufen und hatte ihr genauer erklärt, was zwei Teenager im Hinterkopf hatten, wenn sie miteinander gehen wollten. Danach war SIE rot angelaufen und hatte sich lang und breit bei ihm entschuldigt. Robin war so froh gewesen, dass kein anderer Titan in der Nähe gewesen war.

Selbst heute wusste er noch ganz genau, wie sie bei dieser Frage ausgesehen hatte. Ihr Mund war zu einem breiten Lächeln verzogen gewesen, das beinahe ihre Backen gesprengt hatte. Ihre Hände hatten auf ihren Knien gelegen und sie hatte sich etwas zu ihm nach vorn geneigt. Ihr rotes Haar war sanft über ihre linke Schulter gefallen und hatte ihr Gesicht natürlich eingerahmt. Und ihre grünen Augen hatten ihn mit einer Mischung aus kindlicher Neugier, nachdrücklichem Bitten und kaum verhohlener Freude angesehen. Robins Mund wurde trocken.

Ein Engel, dachte er. Nur ein Engel kann eine solche Frage so unschuldig stellen.

Einige Sekunden lang dachte Robin an gar nichts, dann fragte er sich, ob die anderen schon wussten, was ihm gerade so langsam bewusst wurde. Wahrscheinlich ja. Wenn nicht, dann waren sie unglaublich schlechte Beobachter. Er schnitt eine Grimasse. Aber wer war er, sie zu verurteilen? Er selbst war es gewesen, der mehr Zeit mit Starfire verbracht hatte als alle anderen und er hatte es nicht gemerkt. Wahrscheinlich hatte er es nicht wahrhaben wollen.

„Ich vermisse dich, Starfire... so sehr...", flüsterte er in die Dunkelheit, während seine Augen feucht wurden. Er ließ es geschehen, nahm jedoch die Maske ab. Er unternahm nichts, als die ersten Tropfen auf sein Bett fielen. Es war noch nicht alles gesagt worden.

Der Schmerz war jetzt wieder da, in den zwei Jahren, in denen er ihn unterdrückt hatte, war er nicht im mindesten schwächer geworden. Im Gegenteil, zu der süßen Leichtigkeit, die er einige Momente zuvor noch gespürt hatte, gesellte sich nun ein schwarzer Wirbelsturm in seinen Eingeweiden, der sie zusammenzog. Er musste es sagen, das wusste er. Sonst würde der Schmerz anwachsen. Aber es war schwer. Nach all den Jahren seiner Heldenkarriere hatte er zu viel gesehen, um noch daran zu glauben, solche Worte jemals aussprechen zu dürfen. Auch wenn seine Stimme nahe daran war zu brechen, war sein Tonfall weich.

„Ich liebe dich, Starfire..."

Raven sank mit einem Seufzen zurück auf ihr Bett. Was sie wochenlang befürchtet hatte, war tatsächlich eingetreten. Seit diesem unglückseligen Abend waren die Interferenzen wieder da. Allerdings waren sie anderer Art als zuvor. Im ersten Jahr nach Starfires Verschwinden waren die depressiven Gedanken von überall her gekommen, jetzt trommelten sie nur noch aus einer Richtung auf ihr Gemüt ein. Und sie wusste genau, welche Richtung das war.

Sie runzelte die Stirn. Seltsamerweise waren es nicht ausschließlich Trauer und Selbsthass, die aus Robins Richtung kamen. Er schien zwischen diesen und... anderen Gefühlen hin- und hergerissen zu sein, auch wenn er ihnen gegenüber weder die einen noch die anderen zeigte. Manchmal, wenn er in seinem Raum war, wurde der Schmerz, den er fühlte, seltsam weich, so als wäre er lediglich der kleine Nebeneffekt einer schönen Erinnerung... ein bitter-süßer Schmerz, wie man so schön sagte. Dieser ständige Wechsel von Gefühlen verwirrte Raven sehr. Es war klar, dass Robin noch immer um Starfire trauerte... aber er schien auch etwas gefunden zu haben, das ihm Trost spendete.

Das Mädchen verfluchte Beast Boy und seine Ideen. Hätte er nicht dieses Blorthog ausgerichtet, dann wäre Robin nicht wieder in diesen Gefühlsstrudel hineingeraten! Nun, vielleicht doch, aber nicht so drastisch. Sie wusste ja, dass der kleine Gestaltwandler es gut gemeint hatte, aber wenn sich Robin nicht wieder fing, hatte es mehr geschadet als geholfen. Dann würden ihm wieder solche Fehler passieren wie damals gegen Cinderblock...

Raven schob diesen Gedanken zur Seite. DAS durfte auf keinen Fall mehr passieren. Selbst in ihr begannen sich beeinflusst von Robin die Emotionen wieder einmal zu regen. Sie konnte förmlich hören, wie sie diskutierten, dazu musste sie gar nicht erst durch ihren Spiegel gehen. Fröhlichkeit verkündete munter, dass Robin das charakterstärkste Mitglied der Titans war und sie Vertrauen haben sollte. Tapferkeit steuerte bei, dass er bisher in allen Schlachten erfolgreich gewesen war. Weisheit warf ein, dass große Schlachten niemals alleine geschlagen worden waren. Furcht flüsterte ihr zu, dass sie ihn vielleicht verlieren könnte, wenn es so mit ihm weiterging. Und Zorn steuerte bei, dass es vielleicht an der Zeit war, den Platz des Anführers neu zu besetzen...

Sie schüttelte den Kopf. Als wenn sie nicht schon genug Probleme hätte! Sie musste die Kontrolle über sich schnell wieder zurückgewinnen! In den letzten Tagen hatte es immer wieder kleine Unfälle gegeben, wenn sie meditiert hatte. Mal war lediglich ein Buch ein bisschen verschoben gewesen, mal war irgendetwas hinuntergefallen und einmal war sogar ihre Lampe explodiert. Raven kannte die Zeichen. Und sie wusste, was sie zu tun hatte.

Zwei Minuten später stand die Mystikerin vor Robins (natürlich geschlossener) Tür. Sie sah sich um. Cyborg und Beast Boy mussten von diesem Gespräch nichts mitbekommen. Schlimmstenfalls würde es ihr Misstrauen ihr gegenüber wecken und bestenfalls musste sie ihre Probleme vor ihnen darlegen. Sie konnte auf beides verzichten. Als sie keinen von beiden sehen oder hören konnte, klopfte sie an die Metalltür. Einige Momente lang herrschte drinnen Schweigen und sie erwog bereits, mit ihren Kräften nach Robin zu suchen, als der Junge sich meldete.

„Wer ist da?"

„Raven", antwortete sie beherrscht. „Ich muss mit dir reden."

Eine Pause. „Muss das jetzt sein?"

„Fällst du wieder zurück in deine Depressionen, Robin?", konterte sie harsch. „Es ist sehr wichtig."

Sie hörte, wie er aufstand und gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Er trug Zivil, was seltsam war, da im Grunde jederzeit ein Hilferuf kommen könnte, aber das sollte jetzt nicht ihre Sorge sein. Seine unvermeidbare Maske hatte er jedoch aufgesetzt. Raven glaubte nicht, dass jemals jemand aus dem Team Robins Augen gesehen hatte.

„Um was geht es?", fragte Robin nicht in bester Laune. Wie es schien, hatte sie ihn in einem sehr privaten Moment gestört. Nun, eben deshalb war sie hier.

„Um dich", entgegnete sie. „Unter anderem. Willst du mich nicht hereinbitten?"

Nein, wollte er nicht, das war offensichtlich. Robins Zimmer war fast ebenso streng wie ihres ein Heiligtum. Robin hätte zwar nicht mit einem Titan Streit angefangen, der es betreten hatte, aber es hätte seine Privatsphäre und sein Vertrauen schwer verletzt. Gespräche, die ein Teammitglied direkt betrafen, hatten meist in deren Zimmern stattgefunden. Andererseits hatte Robin selbst erst einmal eines solchen Gespräches bedurft, damals nach der Sache mit Red X, als Starfire mit ihm gesprochen hatte...

Dann machte er eine abgehackte Handbewegung ins Innere des Zimmers. „Bitte."

Sie betrat das Zimmer mit einem leichten Hauch von Neugierde. Sie war schon in Starfires Zimmer gewesen und auch das von Cyborg hatte sie schon betreten, wenn auch nur, um ihm eine Nachricht zuzustellen. Aber Robin war der einzige der Titans, der ihr Zimmer noch nicht betreten hatte... der einzige, der wirklich erahnen konnte, wie wichtig ein Rückzugsort für sie war. Also hatte auch sie die Heiligkeit seines Raums stets respektiert. Irgendwie erinnerte sie sein Zimmer an ihres. Es war zwar etwas unordentlicher und vollgestopft mit technischem Schnickschnack, für den sie keine Verwendung hatte, aber es war sogar noch düsterer als ihres. Aus irgendeinem Grund liebte Robin die Dunkelheit.

Eine Höhle, dachte sie. Das ist eine Höhle!

„Also", unterbrach Robin ihre Gedanken unwillig, während er hinter ihr die Tür schloss, „worum geht es? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!"

Raven drehte sich um und nahm ihre Kapuze ab. Ihr starrer Blick fing den seinen. Er hielt stand.

„Aber du hast Zeit, um stundenlang hier drin über Starfire nachzudenken, ja?"

Robins Gesicht verhärtete sich. „Starfire ist nicht mehr hier."

„In deinem Kopf schon", entgegnete Raven ruhig. Sie durfte auf keinen Fall die Kontrolle verlieren. „Seit diesem Blorthog-Abend sind deine Gedanken wieder so aufgewühlt wie im ersten Jahr von Starfires Verschwinden. Deine emotionsgeladenen Erinnerungen sind so stark, dass ich sie überall im Tower spüren kann."

„Soll das heißen, ich soll jedes Mal rausgehen, wenn ich mich an sie erinnern will?", brauste Robin auf. „Tut mir Leid, aber dann käme ich wahrscheinlich nicht mehr aus dem Laufen heraus!"

„Darum geht es nicht, Robin", behauptete Raven fest und setzte sich auf einen Stuhl. „Weißt du nicht mehr, was das letzte Mal passiert ist, als du derart... besessen von ihr warst? Du wärst beinahe gestorben."

„Besessen? So nennst du das also."Robin lachte. Ein leises, humorloses Lachen.

„Lenk jetzt bitte nicht vom Thema ab, Robin", bat sie ihn und schloss die Augen, weil der Ärger ihre Kräfte in Wallung geraten ließ. Eine Schraube auf Robins Tisch begann zu zittern. „Wenn du deine Emotionen nicht wieder in den Griff bekommst, dann gefährdest du das Team!"

„Inwiefern?", fragte der Junge misstrauisch. „Ich glaube nicht, dass Beast Boy und Cyborg sich von meinen Gedanken stören lassen."

„Jetzt vielleicht noch nicht", gab Raven zu. „Aber deine Erinnerungen bekommen mehr und mehr Macht über dich, je öfter du an sie zurückdenkst. Sie sind schmerzhaft und gleichzeitig schön, und das macht sie so verlockend. Sie waren es, die dich beim letzten Mal unvorsichtig werden ließen. Sag mir ins Gesicht, dass das diesmal unmöglich sein kann!"

Ihr Blick war von solcher Intensität, dass Robin nicht standhalten konnte. Als er seinen Blick senkte, schien er seinen Widerstand aufzugeben. „Ich werde... schon damit fertig."

„Vielleicht. Aber ich weiß wohl am Besten, wie schwer es ist, Gefühle zu unterdrücken. Es erfordert große Konzentration... und Übung."Sie stand auf und trat näher an den Jungen heran. Er wirkte wie ein teilweise gezähmtes Tier, welches sich in die Enge getrieben sieht. Raven wusste, wie man in einem solchen Fall vorgehen musste. Man musste es beruhigen. „Robin, lass mich dir helfen. Lerne bei mir, wie man meditiert."

„Wieso bietest ausgerechnet du mir Hilfe an?", wollte Robin wissen, aber nun klang seine Stimme nicht mehr verletzend. Er wirkte tatsächlich interessiert. „Wenn es stimmt, was du sagst, hast du doch selbst genug damit zu tun, deine Kräfte im Zaum zu halten."

„Das ist richtig. Aber da du die Ursache dafür bist, profitiere ich davon, wenn ich dir helfe, dich in den Griff zu kriegen."

„Ach? Und das ist der Grund, ja?"Raven spürte, wie eine Welle der Bitterkeit über Robin kam. Sie hatte Hoffnung in ihm geweckt... Hoffnung, dass es noch jemand gab, der ihn brauchte... der sich für seine Sorgen interessierte. Jetzt glaubte er sie zerstört. Er wollte sich schon abwenden, als Raven sein Handgelenk ergriff. Sie fuhr nervös mit ihrer Zunge über ihre Lippen. Das, was sie jetzt sagen musste, fiel ihr sehr schwer.

„Nein, das ist nicht der einzige Grund", sagte sie leise. „Der andere Grund ist... dass wir dich brauchen, Robin. Ich... brauche dich."

Sie registrierte seinen Schock, gefolgt von Überraschung.

„Nicht so", berichtigte sie hastig. „Ich bin nicht verliebt in dich!"Sie fühlte förmlich, wie Freude in ihr ein enttäuschtes Gesicht machte. Dafür lächelte Weisheit wissend. „Aber... seit ich mich den Titans angeschlossen habe... habe ich etwas mehr Kontrolle über meine Kräfte gewonnen. Der Umgang mit Freunden, die Akzeptanz machten es möglich, leicht zu kontrollierenden Emotionen wie gelegentlicher Freude oder kontrolliertem Ärger einen Platz in meinem Leben zu geben, ohne dass ich sofort außer Kontrolle gerate."

Robin schwieg. Er wusste, wie schwer Raven dieses Eingeständnis fiel. Sie war immer die kühle Denkerin gewesen, die sich niemals Fehler erlaubte. Das von ihr zu hören, erzeugte ein warmes Gefühl in seiner Magengegend. Er wurde gebraucht. Raven tat einen tiefen Atemzug.

„Als Starfire verschwand... war meine Bestürzung darüber so groß, dass meine Kräfte sich mehrmals selbstständig gemacht haben. Es dauerte Monate, bis ich sie wieder einigermaßen bändigen haben können und das lag auch daran, dass du so außer dir warst."Sie blickte ihm in die Augen. Er sah, wie ihr Stolz und ihr Verstand miteinander kämpften. „Robin, ich glaube, du weißt nicht, wie sehr dich die Titans brauchen. Du bist ein begnadeter Anführer, du triffst deine Entscheidungen umsichtig, aber vor allem bist du uns ein Vorbild."Sie schluckte. „Deine... Entschlossenheit, dein Streben nach Gerechtigkeit hat das Team inspiriert. Und mir... mir hast du auf diese Weise Stabilität gegeben... Stabilität in einer chaotischen Welt, die meine Emotionen ständig neu herausfordert... einfach nur, indem du der Mann warst, der du warst."

Robin hatte geglaubt, dass damit das Sonderbarste an diesem Tag vorüber war, aber er hatte sich geirrt. Während er sprachlos dastand, senkte Raven den Kopf. Als sie ihn wieder hob, standen in ihren Augen zwei einzelne Tränen. Einem plötzlichen Impuls folgend machte Robin einen Schritt vor und nahm sie in seine Arme. Jedes andere Mädchen hätte jetzt wohl hemmungslos begonnen zu weinen, aber das war schließlich Raven. Die beiden Tränen blieben die einzigen. Allerdings machte sie auch nichts, um die Umarmung zu beenden, was Robin noch bis vor einem Tag noch nicht für unmöglich gehalten hätte. Raven auch.

„Hilf mir, Robin", wisperte sie, während sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte, so wie eine kleine Schwester. Familie, schoss es Robin wieder einmal durch den Kopf. Ich habe eine Familie. „Sei stark für mich. Hilf mir... bitte."

„Ich helfe dir", flüsterte der Junge, während er versuchte, Raven ein so gutes Beispiel zu sein, wie sie es ihm vorgetragen hatte. Und ich hoffe, dass auch du mir helfen kannst. Denn er war sich sicher, dass auch Meditation Starfire nicht aus seinem Leben tilgen würde können. Aber so lange es noch eine Chance gab, sich in den Griff zu kriegen, um das Team ohne sie am Leben zu erhalten, würde er weitermachen.

Kann man an der Story noch was verbessern? Findet ihr die Geschichte zu vollgepackt mit Dialogen? Und wer von euch hat hier KEINEN Kuss erwartet?