Die Zeit heilt nicht alle Wunden
Wie oft wollt ihr mein Herz noch in Stücke reißen? Weder die Serie noch die Charaktere gehören mir, okay?
Kapitel 3: Zerfall
Robin biss die Zähne zusammen, als ein Laser nur haarscharf an ihm vorbeischoss. Zwei Sekunden später lag der Roboter, der den Schuss abgegeben hatte, zerstört am Boden, während Robin sich duckte und dem zweiten die Beine aushebelte. Nach einem weiteren Tritt mit seinen stahlbesetzten Stiefeln war auch dieser Geschichte und sein künstliches Auge erlosch. Hastig sah Robin sich um.
Es stand gar nicht schlecht. Beast Boy tummelte sich gerade mit drei Robotern, indem er einem als Maus unter den Füßen hindurch schlüpfte und alle drei mit als Krokodil mit seinem Schwanz zu Fall brachte. Der obligatorische Elefant folgte gleich darauf und begrub die Kreaturen. Cyborg hielt sich mit seiner Kanone einige weitere vom Leib, war aber immer darauf bedacht, von keinem Laser getroffen zu werden. Glücklicherweise hielt Raven die meisten der Strahlen mit ihren magischen Kräften von ihnen dreien fern. Die Hexe stand außerhalb des Kampfgeschehens und griff nur zuweilen ein, wenn niemand von ihnen in direkter Gefahr war. Robin nickte. Ja, das Team arbeitete wieder. Etwas vorsichtiger als früher, da ihnen eben Angriffskraft fehlte, aber dennoch sehr effektiv.
Der Junge sah sich um. Aber diese Roboter waren nicht das Problem hier. Sie waren aus heiterem Himmel in der Stadt aufgetaucht und das Seltsamste war, dass sie niemanden angegriffen hatten. Sofort nachdem die Titans Bescheid wussten, hatten sie sich in einen verlassenen Teil der Docks geflüchtet und hatten auf sie gewartet. Beunruhigend war nur, dass alles hier bis jetzt keine Anzeichen einer Falle erkennen ließ. Wenn Slade im Spiel war, dann gab es IMMER eine Falle!
Da! Robins Augen verengten sich unter seiner Maske. Auf dem Dach eines Hauses stand neben einem riesigen Schornstein eine dunkle Figur, die den Kampf beobachtete! Ein weitere Roboter oder vielleicht doch...? Egal!
„Slade ist da oben!", rief er seinen Teamkameraden zu. „Kommt ihr ohne mich klar?"
„Soll das ein Witz sein?", schrie Beast Boy, nachdem er als Tyrannosaurus einen Roboter zerschmettert hatte. „Diese Witzfiguren bringen mich doch nicht einmal ins Schwitzen!"
„Ja, sieht so aus, als wären Slade die Roboter ausgegangen", meinte Cyborg, während er einen Gegner per Fausthieb an die nächste Wand schleuderte. „Ich hätte eigentlich mehr erwartet."
„Sei vorsichtig, Robin", erklang schließlich Ravens Stimme. Die Mystikerin war hochkonzentriert, wie er auf eine Falle wartend. „Slade greift nur an, wenn er alle Vorteile auf seiner Seite weiß."
„Ich weiß", sagte er, nickte und sprintete nach einigen kundschaftenden Blicken auf die Fabrik zu, auf der Slade sein Lager aufgeschlagen hatte. Einige Treppen und Wurfseile später spähte er vorsichtig über die Kante des Daches, bevor er in einer eleganten Bewegung hochkam und sich sofort in Kampfstellung begab. Als er nichts hörte, griff er vorsichtig hinter sich und holte seinen Wurfhaken samt Seil wieder ein, die Umgebung nicht aus den Augen lassend. Er sah und hörte jedoch nichts. Offenbar war Slade hinter einem der Schornsteine in Deckung gegangen.
„Wo sind Sie, Slade?", fragte er laut. „Ich weiß, dass Sie mit mir reden wollen!"
„Wie kommst du darauf, dass ich mit dir reden will, Robin?", hörte er plötzlich die unheimlich ruhige Stimme seines Erzfeindes. „Du hast mein Angebot, mein Schüler zu werden, zurückgewiesen."
Robin verzog die Lippen. „Reden Sie nicht mit mir wie mit einem kleinen Kind!", verlangte er, während er einige Schritte vorwärts machte, sich immer wieder umsehend. „Wenn Sie irgendetwas hätten zerstören wollen, hätten Sie mehr Roboter geschickt! Diese lächerliche Armee hatte nur einen Grund, und zwar uns herzulocken! Also, wieso verraten Sie mir nicht einfach, was Sie diesmal mit mir vorhaben?"
„Geduld, Robin, Geduld", wies ihn die Stimme zurecht. Früher wäre er an dieser Stelle ausgerastet, aber seit er mit Raven meditierte, blieb er im Kampf jederzeit eiskalt und konzentriert. Deshalb sah er sich nur wortlos weiter um, während er auf Slades Erklärungen wartete.
„Mir scheint, du hast dich stärker verändert, als ich erwartet hatte, Junge", kam schließlich die Fortsetzung. Irgendwie klang Slade... fasziniert. „Dann muss ich wohl zum Äußersten greifen, um herauszufinden, was ich wissen will."
Plötzlich trat Slades Gestalt hinter einem Schornstein hervor. In seiner Hand hielt er eine Fernbedienung. Aber wofür diesmal?
„Siehst du das, Robin?", fragte er und hielt sie in die Höhe. „Das ist die Fernsteuerung, die den Rest meiner Roboterarmee einschaltet. Und ich meine ALLE Roboter. Sie sind überall in den Fabriken hier versteckt. Nur ein Knopfdruck", meinte er und legte den Daumen auf den Auslöser, „dann werden deine Freunde in Gegnern ertrinken!"
„Nicht, wenn ich es verhindern kann!"In Robin kam ein Gefühl hoch, das er lange nicht mehr verspürt hatte... schon seit Jahren nicht mehr. Es war nur einmal passiert, damals, als Batman und er den Mörder seiner Eltern geschnappt hatten... der Wunsch zu töten. Den Feind, der immer wieder zu kehren schien, ein für alle Mal auszuradieren! Er bezähmte es schnell, erschrocken über sich selbst. „Was verlangen Sie, Slade?", fragte er, während er sein Gewicht verlagerte. Nur eine Sekunde...
„Ganz einfach, Robin", antwortete Slade und zuckte mit den Schultern. „Ich will, dass du..."
Er konnte seinen Satz niemals vervollständigen. Als sich Slades Finger durch das Schulterzucken unbewusst vom Knopf gehoben hatte, holte Robin in einer unglaublich schnellen Bewegung einen seiner Robin-förmigen Wurfsterne hervor und warf ihn. Das Geschoss explodierte am gepanzerten Handgelenk und durch den Druck musste Slade das Gerät fallen lassen. In einer fließenden Aktion stürzte Robin nach vor, zog seinen Kampfstab und schubste den Auslöser damit außer Reichweite des Superschurken, der sich gerade wieder fing. Als Robin den Blick auf Slade richtete, hob dieser gerade seine Hände in Verteidigungsposition.
„Wie hinterhältig von dir, Robin", verkündete der Mann hinter der Maske. „Lässt du einen Feind neuerdings nicht einmal mehr seine Pläne erklären?"
„Wozu?", schnauzte Robin ihn an. „Die können Sie mir auch noch im Gefängnis mitteilen!"
Slade blockte einen Schlag mit dem Kampfstab von der Seite ab und sprang einen Schritt zurück. Während er zwei weitere Schläge aus verschiedenen Richtungen abblockte, meinte er: „Dennoch frage ich mich, ob du früher ein solches Risiko eingegangen wärst. Es bestand die Möglichkeit, dass ich schneller gewesen wäre als du."
„Das waren Sie aber nicht", presste Robin zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, drehte sich um die Achse und ließ seinen Kampfstab gegen Slades Beine schnellen. Dieser machte einen Rückwärtssalto, blockte einen weiteren Stoß von Robin mit der linken Hand ab und ging nun seinerseits zum Angriff über. Robin ließ den Schlag an einem Ende des Stabs abgleiten, während er das andere wieder gegen Slade richtete. Dieser nahm einen schmerzhaften Treffer in die Rippen in Kauf, packte den Stab und griff nach Robin. Dieser duckte sich und versuchte einen Fußkick in Slades Gesicht. Der Schurke ließ den Stab los und griff stattdessen nach Robins Fuß. Im selben Moment traf in der Kampfstab im Rücken, woraufhin er sich krümmte, Robin aber nicht losließ, sondern gegen den Schornstein schleuderte. Dieser schaffte es gerade noch, sich in der Luft so zu drehen, dass er mit den Füßen aufkam, aber als er sich wieder gefangen hatte, bohrte sich Slades Hand dort in den Stein, wo er gerade noch gewesen war. Als er von seiner Rolle seitwärts wieder hochkam, konnte er wieder nur knapp Slades Schlag parieren, weshalb er einige weitere Schritte zurück machte. Diesmal folgte ihm Slade nicht. Beide Gegner keuchten.
„Nein, das war ich nicht", griff Slade das unterbrochene Gespräch wieder auf. „Aber du konntest nicht sicher sein. Du bist skrupellos geworden, Robin."Robin konnte das Grinsen unter der Maske seines Gegners geradezu fühlen. „Endlich bist du von diesem schädlichen Einfluss befreit."
Robin griff wiederum mit seinem Stab an. Nach ein paar taktischen Stößen und Blocks hörten beide Gegner abermals auf und beäugten sich.
„Welcher Einfluss?", fragte Robin misstrauisch.
„Na, der Einfluss, den diese kleine Außerirdische auf dich ausgeübt hat, Robin. Sie hat deine wahren Fähigkeiten unterdrückt, indem sie die Unschuld gespielt hat. Ohne sie hättest du im Kampf dein volles Potential einsetzen können, hättest viele Gegner WIRKLICH effektiv angreifen und vielleicht ausschalten können."
„Unsinn!", rief Robin und ging abermals auf Slade los. „Starfire hat damit überhaupt nichts zu tun!"Sein Stab schnellte auf Slade zu, aber als dieser sich in Abwehrposition vergab, änderte Robin den Griff um die Waffe und damit die Richtung. Nun zielte er direkt auf Slades Maske. Slade duckte sich, konnte aber dem nachfolgenden Schlag in die Kniekehlen nicht mehr ausweichen. Er stöhnte leise, bekam aber den Stab zu fassen, riss ihn mitsamt Robin heran und versenkte seine Faust im Magen des Jungen. Robin keuchte und stolperte zurück. Er war auf einen Angriff gefasst, aber der kam nicht.
„Kein Unsinn, Robin", entgegnete Slade und stand auf. „Du hast heute hinterhältig angegriffen. Das hättest du niemals getan, wenn Starfire hier gewesen wäre. Sieh es ein, die kleine Schlampe hat dich nur zurückgehalten!"
„SIE IST KEINE SCHLAMPE!", schrie Robin, in dem in Sekundenbruchteilen ungeheurer Zorn hoch gebrodelt war und ging wieder auf Slade los. Seine Angriffe erfolgten nun unkontrolliert und nur schlecht gezielt, aber schnell und mit der Stärke eines Berserkers. Obwohl Slade versuchte, den Stab zu fassen zu kriegen, zuckte er jedesmal unter den starken Treffern zusammen, sodass er keine Gelegenheit bekam. Dann setzte Robin mit einem Fußkick in die Rippen nach, der den Schurken gegen einen Schornstein schleuderte.
Robin hätte aufhören sollen, aber er war so außer sich vor Wut, dass er einen schrillen Schrei ausstieß, auf Slade zusprang und mit aller Kraft nach der Maske des Schurken hieb. Der Kopf des Mannes ruckte hart zur Seite und... gab den Blick auf einen Bildschirm frei, der nun stark flackerte. Ein weiterer Roboter!
„Sehr gut, Robin, wirklich sehr gut", kommentierte die Stimme des wahren Slade den Kampf. Der Triumph in seiner Stimme brachte etwas in Robin dazu, Angst zu empfinden. Was hatte er getan? „Du warst wirklich drauf und dran, mich zu töten. Wäre ich anstelle meines Doubles gewesen, hätte ich vielleicht nicht überlebt. Ich bin stolz auf dich."
„Nein", wehrte Robin ab. „Sie hätten mit Sicherheit besser gekämpft als diese Maschine!"
„Ist das so, Robin?", fragte der Superschurke. „Oder ist das dein schlechtes Gewissen, das aus dir spricht?"Er lachte hässlich, während Robin ihn nur wie betäubt anstarren konnte. „Keine Sorge, mein Junge, ich missbillige keineswegs, was du getan hast. Du hast endlich die Bereitschaft gezeigt zu töten. Eine sehr wichtige Eigenschaft für meinen Schüler."
„Ich bin nicht Ihr Schüler!", schrie Robin, aber es war nur ein Reflex.
„Jetzt noch nicht", gab Slade zu. „Aber wer weiß, wie lange du den Schmerz in dir noch zähmen kannst? Ich kenne dich, Robin, und ich kenne auch deinen Schmerz. Er verleitet dich dazu, dich an deinen Gegnern abzureagieren. Vielleicht nicht heute, vielleicht auch nicht morgen, aber irgendwann wirst du verletzen und schließlich töten. Und dann musst du zu mir kommen... weil du dann niemanden sonst mehr hast, an den du dich wenden kannst. Oder glaubst du, deine Freunde würden einen Mörder im Team dulden?"
„Seien Sie still!", rief Robin so laut wie er konnte. Es verlangte all seine Konzentration, ruhig zu bleiben und nicht zuzuschlagen. „Ich werde mich Ihnen niemals anschließen!"
„Wir werden sehen", erwiderte Slade süffisant. „Bis bald, Robin."Damit ging der Bildschirm aus.
Im nächsten Moment explodierte eine Tür hinter ihm und seine Freunde rannten auf das Dach heraus. Wenigstens war ihnen nichts passiert. Als sie Robin stocksteif über dem demolierten Roboter stehen sahen, zuckten mehrere Augenbrauen hoch.
„Hey, Mann", witzelte Beast Boy und nahm den Roboter in Augenschein. „Wenn du mit dem schon so umgegangen bist, wie wärst du dann mit Slade verfahren?"
Er lachte nervös, aber Cyborg und Raven bemerkten sehr wohl, dass Robin bei diesen Worten zusammengezuckt war. Er hatte sich noch immer nicht zu ihnen umgedreht.
„Robin? Was ist mit dir los? Was hat Slade zu dir gesagt?", fragte Cyborg behutsam.
Raven sagte nichts. Sie ging einfach nur an den beiden vorbei und legte Robin die Hand auf die Schulter. „Robin", flüsterte sie. „Was immer Slade zu dir gesagt hat, du darfst es nicht Ernst nehmen. Slade sucht nach jeder Schwäche, die ein Gegner hat und verwendet sie gegen ihn. Wenn du auf ihn hörst, dann gibst du ihm Macht über dich."
„Diesmal ist es anders, Raven", entgegnete Robin. Seine Stimme klang... gebrochen. „Slade hat mir gezeigt... wie meine Zukunft aussehen wird."
Bevor das Mädchen angemessen erschrocken reagieren konnte, straffte sich seine Gestalt und er drehte sich um. Nun wirkte er wieder stark und entschlossen, wie immer.
„Egal, wir müssen jedenfalls zum Tower zurück. Hier können wir nichts mehr tun, der Feind ist weg. Vorwärts!"
Damit schritt er an ihnen vorbei, als wäre nichts geschehen. Zögernd folgten sie ihm.
Als sie nach einer schweigsamen Fahrt im Tower angekommen waren, wollte sich Robin sofort in sein Zimmer zurückziehen. Auf die Proteste von Cyborg und Beast Boy antwortete er ausweichend, er müsste jetzt ein bisschen allein sehen und er würde ihnen alles später erklären. Die beiden zögerten zwar, sie sahen, wie schwer ihn sein Gespräch mit Slade getroffen hatte, aber dann zuckten sie mit den Schultern. Wenn er nicht reden wollte, dann konnten sie ihn nicht dazu zwingen.
Raven war da anderer Meinung. Robin hatte im Kampf mit Slade abermals die Kontrolle über seine Emotionen verloren. An den Docks selbst hatte sie es nicht gemerkt, da sie im Kampfgetümmel untergegangen waren, aber auf der Heimfahrt und hier im Tower waren seine Gefühle so lebhaft, dass sie zu ihr überschwappten. Sie wusste zwar nicht, was genau ihn derart aus der Fassung gebracht hatte, aber sie spürte, was in ihm vorging: Furcht, Zorn, Bestürzung, Selbsthass und Trauer flossen derart ineinander, dass vermutlich sogar Cyborg und Beast Boy Reste davon spüren konnten. Und sie war immerhin ein Empath!
Sie musste ihm helfen, und das schnell, sonst konnte alles mit ihm geschehen... und mit ihr auch. Ihre Kräfte waren bereits wieder unruhig, weil sich ihre Emotionen als Antwort auf die von Robin ausgesendeten regten. Das musste unterbunden werden! Mit diesen Gedanken war sie bis vor seine Zimmertür gekommen. Cyborg und Beast Boy hatten sie gehen lassen, es war in der Vergangenheit niemals klug gewesen, sie aufzuhalten, wenn sie weg wollte. Sie atmete tief durch und beruhigte ihren Geist. Dann klopfte sie an die Tür.
„Komm herein, Raven. Die Tür ist offen", antwortete Robin von innen.
Sie war etwas überrascht, nahm sein Angebot jedoch an und öffnete die Tür. Es war dunkel. Robin hatte das Licht nicht aufgedreht. Das einzige, was sie von ihm sehen konnte, waren seine Konturen auf dem Bett und seine Maske, die das Licht einer Diode reflektierte. Es sah etwas gespenstisch aus. Sie schaltete das Licht ein.
„Du hast mich erwartet?", fragte sie, um ihre Nervosität zu verbergen.
„Wer sonst sollte mich wohl jetzt aufsuchen?", stellte er als Gegenfrage. „Cyborg und Beast Boy wissen genau, wann sie mich in Ruhe lassen müssen. Außerdem dachte ich mir schon, dass du meine Emotionen gespürt hast."
Sie nickte. „Immerhin bist du noch logischen Argumenten zugänglich", meinte sie und brachte ein nicht ganz echtes Lächeln zustande. Sie setzte sich neben ihn auf das Bett. „Also, was willst du mir erzählen?"
Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich, als er sich an die Szene zurückerinnerte, die heute auf dem Dach stattgefunden hatte. Raven drängte ihn jedoch nicht. Sie würde mehr von ihm erfahren, wenn er ihr aus freiem Willen etwas mitteilte. Sie hätte gerne beruhigend seine Hand gedrückt, aber das würde ihm jetzt nicht helfen. Der Schmerz, den er jetzt fühlte, war düsterer als der bei Starfires Verschwinden.
„Es war eine Falle", fing er schließlich übergangslos an. „Slade hatte weitere Roboter überall in den Fabriken versteckt. Mit seiner Fernbedienung hätte er sie jederzeit rufen können."
„Ich habe keine Fernbedienung gesehen", unterbrach ihn Raven. „Wieso hat er sie nicht gerufen?"
Robin öffnete eine seiner Taschen an seinem Gürtel und fischte ein kleines Gerät heraus. Nur ein einziger Knopf war daran zu sehen. Raven war jedoch viel mehr an Robins Gesichtsausdruck interessiert. Er war angespannt.
„Er konnte sie nicht rufen", antwortete Robin düster. „Ich habe ihm das Ding zu früh aus der Hand geschlagen."
„Nun, das war doch gut so."
„Nein, das war es nicht!", rief Robin laut, bekam sich aber gleich darauf wieder unter Kontrolle. Raven war erschrocken, aber als er sie verzeihend ansah, beruhigte sie sich wieder und sah ihn ermutigend an. „Ich... Raven, ich habe ihm das Ding zwar aus der Hand geschlagen, aber ich wusste nicht, ob ich schnell genug sein würde! Es wäre möglich gewesen, dass er schneller gedrückt hätte, als ich ihn hätte entwaffnen können!"
Robin verbarg sein Gesicht in seinen Händen, während Raven ihn betroffen ansah. Das, was Robin ihr da gestanden hatte, schien ihr unglaublich. Es schien nicht zu ihm zu passen. Aber jetzt musste sie ihn erst einmal beruhigen. Sie legte ihm die Hand auf den Rücken.
„Robin, wenn du ihm die Fernbedienung nicht weggenommen hättest, wärst du abermals sein Sklave geworden", meinte sie. „Du hättest es nicht getan, wenn du deine Chancen als schlecht eingeschätzt hättest, oder?"
„Ich habe meine Chancen als sehr gut eingeschätzt", entgegnete er, sich ein wenig beruhigend. „Slade war mit Sprechen abgelenkt und ich brauchte nur eine Sekunde. Aber das ist nicht der Punkt, Raven. Ich habe eure Leben aufs Spiel gesetzt!"Er betrachtete seine zitternden Hände. „Zum ersten Mal seit vielen Jahren war ich... skrupellos."
„Jetzt reiß dich mal zusammen, Robin!", befahl ihm Raven energisch. In Wahrheit hatte sie jedoch Angst. Robin ließ sich niemals so gehen, niemals! Was war nur los mit ihm? „Es ist gut gegangen, ich kann verstehen, dass du nicht abermals für Slade arbeiten wolltest und ich bin sicher, Cyborg und Beast Boy verstehen dich auch. UND du hättest uns nicht in Gefahr gebracht, wenn deine Chancen schlecht gewesen wären."
„Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er mich überhaupt heute mitnehmen wollte", erwiderte Robin leise und sah sie durch seine Maske hindurch an. „Ich glaube eher, es war so eine Art... Test."
„Ein Test?"Raven zog die Augenbraue hoch. Das wurde ja immer ungewöhnlicher. „Wofür?"
„Ich glaube, er wollte prüfen, wie weit ich im Kampf gehen würde", presste Robin hervor und ballte die Fäuste. Es schien ihm sehr schwer zu fallen, das zu sagen. „Er wollte sehen, ob er mich so sehr reizen kann, dass ich mich selbst vergesse. Und das hat er geschafft."
„Aber Robin, du warst früher auch immer außer dir, wenn du gegen Slade gekämpft hast", beruhigte ihn Raven. Langsam entspannte sie sich. Das Schlimmste schien überstanden zu sein. „Wir verstehen alle sehr gut, warum du ihn hasst. Es ist nur natürlich, dass du deine Aggressionen an ihm auslässt. Er hat dir... hat uns allen so viel angetan."
Robin sah sie abermals an. Sein Gesichtsausdruck bescherte ihr eine Gänsehaut... und sie war immerhin die eiskalte Raven! Was zur Hölle war zwischen Slade und Robin vorgefallen, dass er Angst vor sich selbst hatte?
„Aber bisher habe ich nie versucht, ihn umzubringen, Raven", flüsterte Robin leise. Er sah zu, wie sich Entsetzen auf Ravens Gesicht ausbreitete und fuhr fort: „Du hast Recht, Slade hat mich schon oft zum Wahnsinn getrieben. Aber ich habe immer nur versucht, ihn so sehr zu verletzen, dass er aufgibt. Natürlich habe ich meine Aggressionen an ihm ausgelassen, aber ich habe noch nie, noch NIE bewusst versucht, ihn zu töten."
Es dauerte eine Weile, bis Raven ihre Fassung wiedergewonnen hatte. Robin sagte in dieser Zeit nichts, auch nicht, als zwei seiner Bücher aus seinem Regal flogen. Keine Entschuldigung, keine Rechtfertigung. Er wartete auf ihr Urteil. Sie schluckte. Robin... und jemanden töten? Das machte keinen Sinn! Er war immer die fleischgewordene Gerechtigkeit für sie gewesen.
„Wie?", brachte sie schließlich hervor. „Wie hat er das angestellt?"
„Er hat meinen Schmerz geweckt", sagte Robin leise, aber klar. „Er wusste genau, was er sagen musste, um mein volles Potential zu wecken, wie er sich ausgedrückt hat. Er hat Starfire eine kleine Schlampe genannt, Raven... und da konnte ich mich nicht mehr beherrschen!"Der Junge presste seine Hände auf die Augen und begann still zu schluchzen, teils aus Trauer wegen Starfire und teils aus Wut über sich selbst.
Raven sah sich mit widersprüchlichen Emotionen konfrontiert. Einerseits beherrschte noch immer das Entsetzen über Robins Tat ihre Gedanken, aber natürlich wusste sie um die Liebe und die Trauer, die Robin für Starfire empfand. Er hatte seine Emotionen zwar dank ihr gebändigt, aber jemand wie Slade wusste genau, wie er diese Emotionen in Robin in animalische Wut verwandeln konnte. Auch wenn Raven viele Emotionen nicht wirklich nachvollziehen konnte, sah sie doch die tiefe Reue über seine Tat und seinen Ekel vor sich selbst in jeder seiner Gesten. Robin hatte einen Fehler gemacht, weil er seine Emotionen nicht hatte kontrollieren können... aber ihr selbst war das auch schon passiert. Sie verstand ihn. Und sie wusste, dass sie ihn jetzt nicht allein lassen durfte. Sie hatte damals nach der Sache mit Dr. Light keine Hilfe annehmen wollen, aber sie hatte Cyborg und Beast Boy gebraucht, wie Robin jetzt sie brauchte. Sie schob sich näher an ihn heran und begann zögernd seinen Rücken zu streicheln. Sie beugte sich nahe an ihn heran.
„Robin...", flüsterte sie, „ich kann dich verstehen. Wirklich. Du konntest deine Emotionen nicht kontrollieren, und deshalb ist beinahe jemand gestorben. Ich weiß genau, wie schuldig du dich jetzt fühlst, aber genau diese Schuld macht doch deutlich, dass du nicht ausrasten wolltest. Es war ein Fehler, ja, aber es war auch ein Fehler, dass wir dich mit einem Feind wie Slade allein gelassen haben. Du darfst nicht alle Schuld auf dich nehmen, sonst wirst du zerbrechen."
Robin war ruhiger geworden, während sie sprach und nachdem sie geendet hatte, hob er den Kopf und sah sie an. Sie fühlte sich etwas unbehaglich. Sie war niemandem je so nahe gewesen, höchstens ihrer Mutter. Und Robin war verletzt und fühlte sich verlassen... Als hätte er ihre Gedanken gelesen, zauberte er ein sehr kleines Lächeln auf seine Lippen und legte seine Hand auf ihre.
„Keine Angst, Raven. Ich werde nicht noch etwas Unüberlegtes tun... obwohl der Gedanke nicht unangenehm ist."Als Ravens Augen groß wurden, schnaubte er amüsiert. „Aber ich möchte dir aufrichtig danken... und sag bitte nicht, dass du alles nur wegen deinem Seelenfrieden getan hast."
Das entlockte sogar Raven ein echtes Lächeln. „Es gibt nichts zu danken, Robin", entgegnete sie sanft. „Niemand kennt deine Situation so gut wie ich, auch wenn ich wünschte, es wäre nie so weit gekommen. Aber da es nun einmal geschehen ist, werde ich da sein, wenn du mich brauchst."
Robin seufzte. „Ich hätte niemals gedacht, dass wir einmal so vertraut miteinander sprechen würden", bekannte er. Sein Gesicht verdunkelte sich. „Ich wünschte nur, der Preis dafür wäre nicht so hoch gewesen."
Raven nickte verständnisvoll und löste sich von ihm. „Nichts und niemand kann Starfire ersetzen, weder in deinem noch in meinem Herzen. Aber sie hätte nicht gewollt, dass wir uns so gehen lassen, meinst du nicht?"
Robin nickte. Raven stand zufrieden auf und wollte gerade gehen, als er sie plötzlich beim Handgelenk ergriff und zurückhielt. Bevor sie ihn fragen konnte, was er vorhatte, war er bereit aufgestanden und hatte sie in die Arme geschlossen. Einen Augenblick lang war sie steif wie ein Brett, bevor sie seine Stimme hörte. Sie klang gepresst.
„Ich glaube nicht... dass ich es ohne dich schaffen würde, Raven."
Sie schloss ergeben die Augen und schlang ihre Arme um seine Brust. „Wir können es auch nicht ohne dich schaffen, Robin", erinnerte sie ihn. „Die Titans haben schon ein sehr wichtiges Mitglied verloren. Würdest du auch noch verschwinden, würden sie auseinander fallen. Also versprich mir, dass du keine Dummheiten machen wirst."
„Ich verspreche es."
„Gut", sagte sie und machte sich los. Verlegen strich sie ihr Haar zurück. „Dann werde ich jetzt meditieren gehen, wenn du erlaubst. Dieses Gespräch hat mich etwas zu sehr aufgewühlt."
Robin nickte lediglich und sah ihr nach, während sie seinen Raum verließ. Stumm marschierte er zu seinem Bett zurück und ließ sich auf die Matratze fallen. Wieso hatte Raven nur früher nie gezeigt, was für ein liebevoller Mensch sie war? Sicher, wegen ihres Gespräches waren von ihm unbemerkt einige Bücher aus seinem Regal gefallen und auch seine Kleinteile auf dem Tisch waren völlig durcheinander oder auf dem Boden. Aber ein Gespräch wie dieses war so kostbar... sie sollte viel mehr aus sich herausgehen. Robin fühlte sich schlecht, dass er sie belogen hatte.
Nun, nicht direkt belogen. Er würde keinen Selbstmord begehen und er würde nicht wegen seiner Schuldgefühle davonlaufen. Aber er hegte keinen Zweifel daran, dass Slade versuchen würde, die Titans zu töten, um Robins dunkle Gefühle wieder hervorzurufen. Deshalb musste er sie verlassen. Um ihres eigenen Schutzes Willen. Zumindest bis sie Slade geschnappt hatten, dann konnte er zurückkehren.
Er brauchte Ausrüstung, wenn er den Tower verließ, ein sicheres Versteck und den ganzen Kram. Er musste seine Freunde also nicht schon jetzt verlassen. Aber er musste sehr, sehr vorsichtig sein, wenn sie einen Einsatz hatten. Slade durfte seine Freunde auf gar keinen Fall in die Finger kriegen, bevor sich Robin in den Untergrund zurückziehen konnte. Wenn er erst mal dort war, würde es ihm schon gelingen, Slade aufzuspüren und zu erledigen. Er musste den anderen jedoch klar machen, dass er sie nicht im Stich ließ, sondern nur wegen Slade kurzfristig verschwand... sonst würde sich Ravens Prophezeiung bewahrheiten. Die Titans würden auseinander fallen.
„Schöner Mist, das Ganze", schimpfte Beast Boy, als sie aus dem T-Car ausstiegen. Er ging zur anderen Seite des Wagens und half Cyborg beim Rauskommen. Dabei musste er auf die Gestalt eines Gorillas zurückgreifen, da der Metallmann sich mit seinem gesamten Gewicht auf ihn stützen musste. Raven und Robin, die wortlos aus dem vorderen Teil des Wagens schlüpften, griffen ihm unter die Arme, so gut sie konnten, aber Beast Boy ließ das Brummeln nicht sein.
Nachdem sie Cyborg mit viel Mühe zu seinem Zimmer bugsiert hatten, ächzte dieser und stützte sich an der Wand ab. „Danke, Leute", brachte er hervor und gab den Zugangscode ein, der die Tür entriegelte. „Ab hier schaff ich's auch allein. Ich setz mich am Besten sofort hin und arbeite dran, meine durchgeschmorten Schaltkreise auszutauschen."
„Brauchst du dabei Hilfe, Cy?", fragte Robin, obwohl er sich die Antwort schon vorstellen konnte. Er machte es einfach aus Prinzip.
„Nee, da könnt ihr mir nicht wirklich helfen", winkte der Cyborg ab. „Ich hab alles Nötige hier drin, glaub ich, und wenn ich wirklich was brauche, dann meld' ich mich schon bei euch. Und jetzt verschwindet, ihr habt ein bisschen Ruhe genau so nötig wie ich."
Damit hievte er sich durch die Tür und schloss sie von innen. Stumm wandten sich die drei anderen Titans ab und gingen ins Wohnzimmer zurück. Dort teilten sie sich wie von allein auf. Während Robin sofort auf den Computer zusteuerte, um ihren letzten Einsatz noch einmal zu überprüfen, schwebte Raven in die Küche, um eine Kleinigkeit zum Essen vorzubereiten. Beast Boy hockte sich vor den Fernseher und zappte durch die Kanäle. Dabei fing er wieder an vor sich hin zu murmeln, während er lustlos einen Kanal nach dem anderen vorbeiziehen ließ. Robin hatte sehr viel Geduld, aber der heutige Tag hatte ziemlich an seinen Nerven genagt, und Beast Boys Benehmen brachte ihn zum Überlaufen. Frustriert fuhr er herum.
„Verdammt noch mal, Beast Boy! Wie soll ich mich konzentrieren, wenn du dauernd vor dich hin laberst?"
„Hast du'n Problem mit mir, Wunderjunge?", fragte der Gestaltwandler und drehte sich um. Seine Augen waren schmale Schlitze und seine Lippen waren zusammengepresst.
„Allerdings", hielt Robin dagegen, unwillig aufzuhören. „Seit wir ins T-Car gestiegen sind, hast du mir immer wieder giftige Blicke zugeworfen. Denkst du etwa, ich hätte das nicht gemerkt? Es gibt schließlich Rückspiegel! Wenn du was gegen mich hast, dann sag es mir gefälligst ins Gesicht?"
„Ach, du willst es also wirklich wissen, ja?", rief Beast Boy noch lauter und stand auf. „Schön, wie du willst! Ich glaube, du hast heute Mist gebaut, das ist es! Wenn wir sofort in die Lagerhalle rein gestürmt wären, dann hätten wir Cinderblock überraschen können, bevor uns Plasmus aus dem Hintergrund angegriffen hat! Nur weil sie uns trennen konnten, hat der Betonklotz Cy derart bearbeiten können, dass er jetzt seine Beine nicht mehr bewegen kann!"
„Beast Boy, lass das!", erklang Ravens Stimme in einem gefährlichen Tonfall aus der Küche. Als etwas Angst auf das Gesicht des Gestaltwandlers trat, schüttelte Robin den Kopf.
„Nein, Raven, lass ihn nur", wandte er ein und kniff die Augen zusammen. „Er soll sich ruhig aussprechen."
„Du kommst dir wohl mächtig gönnerhaft vor, was, Robin? Trotzdem führt kein Weg vorbei, dass du viel zu lang gezögert hast, und deswegen ist Cyborg beinahe gegen Cinderblock draufgegangen!"
„Ist es deiner Aufmerksamkeit vielleicht entgangen, dass Robin derjenige war, der Cinderblock von Cyborg abgelenkt hat, während wir uns noch mit Plasmus rumgeschlagen haben?", warf Raven, die gerade aus der Küche geschwebt kam, bissig ein und stellte ein Teller mit Sandwiches auf den Tisch. Keiner der Jungen holte sich eins.
„Danke, Rae, aber ich kann für mich selbst sprechen", erwiderte Robin kalt, seine Augen nicht von Beast Boy wendend. „So, du denkst also, ich habe zu lange gezögert, ja?"
„Allerdings", fuhr Beast Boy, nun merklich in Rage geratend, fort. Er hatte seine Hände in die Couchlehne gepresst und seine Zähne gefletscht. „Ich hab dir GESAGT, dass ich Plasmus hinter uns riechen kann, aber du hast trotzdem Schiss gehabt, einen von beiden anzugreifen! Und das haben sie dann ausgenutzt und uns in die Zange genommen!"
Robins hatte seine Finger vor dem Gesicht verschränkt. Nun traten seine Knöchel weiß hervor, was Beast Boy leider nicht sehen konnte, da er Handschuhe trug. „Ich wollte Cinderblock nicht angreifen, weil ich nicht wusste, ob er allein in dem Lagerhaus war", presste er hervor. „Und wenn wir Plasmus angegriffen hätten, wäre uns Cinderblock garantiert in den Rücken gefallen. Deshalb wollte ich, dass sie uns angreifen, damit wir sie beide sehen konnten."
„Rührend, deine Vorsorge", spottete Beast Boy. „Nur leider musste Cy für deine Fehleinschätzung bezahlen! Was hast du dazu zu sagen, Wunderjunge?"
Einen Augenblick lang blieb Robin äußerlich ruhig, obwohl es in ihm tobte. Der Ärger auf Beast Boy, der Zorn auf sich selbst und die Schuld über Cyborgs Zustand machten ihm schwer zu schaffen. Dennoch blieb seine Stimme leise und klar, als er antwortete.
„Ich werde mich nicht vor dir rechtfertigen, Beast Boy", verkündete er Beast Boy. „Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht. Vielleicht habe ich uns aber auch gerettet. Du weißt nicht, was passiert wäre, wenn wir das Lagerhaus gestürmt hätten. Ja, wenn Cinderblock allein drin gewesen wäre, hätten wir ihn vielleicht überwältigen können, bevor Plasmus uns erreicht hätte. Aber die beiden waren in Slades Auftrag unterwegs. Ich bezweifle nicht, dass die Fabrik ein paar nette Fallen für uns parat hielt."
„Gerettet, sagst du? Cyborg spielt seine Beschädigung nur herunter, er ist sich nicht wirklich sicher, ob er sich wieder zusammenflicken kann, das konnte man ihm ansehen!"Beast Boy knurrte. „Ich würde sagen, von dir gerettet zu werden war mindestens so risikoreich, als wenn uns Slades Fallen erwischt hätten!"
„Du darfst Slade nicht..."
„... unterschätzen, ich weiß. Aber weißt du was, Robin? Ich glaube, du überschätzt ihn! Seit du damals auf dem Fabrikdach so ausgerastet bist, bist du übervorsichtig geworden!"Ein böses Grinsen schlich sich auf seine Züge. „Soll ich dir sagen, was ich glaube? Du hast Angst vor Slade, Robin!"
„Beast Boy, das reicht jetzt!", schaltete sich Raven doch noch ein, als Robins eine Faust auf den Tisch unter ihm krachte. Der Junge schien um den letzten Rest seiner Selbstkontrolle zu ringen. Die beiden durften jetzt nicht ausrasten! „Robin hat getan, was er für richtig hielt, um uns zu schützen!"
„Ja, ja, stell dich nur auf Robbys Seite", höhnte Beast Boy. Er schien so voller Adrenalin zu sein, dass er nicht einmal mehr Angst vor Ravens Kräften hatte. „Wundert mich ja eigentlich nicht, wenn man bedenkt, wie oft ihr in letzter Zeit beisammen wart. Ihr müsst euch ja wirklich gut kennen gelernt haben. Wahrscheinlich bist du sogar froh darüber, dass Starfire weg ist, nicht wahr?"Weil er in dem Moment fauchte, bemerkte er nicht einmal, dass hinter ihm eine Topfpflanze explodierte. „Das ganze Team geht zum Teufel, seit Starfire weg ist, und euch beiden ist das anscheinend egal! Mir reicht's, ich hau ab!"
Damit rannte er zur Tür und öffnete sie. Gleich darauf wurde er zum Falken und verschwand in der Nacht. Es dauerte noch eine Weile, bis wieder Ruhe im Raum eingekehrt war, was daran lag, dass Robin noch mehrere Male fluchend auf den Tisch hieb, der bedenklich wankte und einige Sachen in Ravens Umgebung zu schweben begannen, bevor sie sich wieder unter Kontrolle bekam. Robin war schließlich der erste, der sich wieder fasste.
„Er kommt wieder, Raven", wandte er sich an das Mädchen, das die Augen geschlossen hatte und ihren Bannspruch intonierte. „Er hat das alles... nicht ernst gemeint."
„Es klang aber verdammt ernst!", fauchte Raven und setzte sich heftig atmend auf die Couch. Sie hielt die Augen noch immer geschlossen. Robin wartete ein paar Sekunden, bevor er mit leiser, beruhigender Stimme weitersprach.
„Er hat Angst, Raven, das ist alles", erklärte er. „Er hat Angst, dass wir mit Monstern wie Plasmus und Cinderblock nicht mehr fertig werden können, seit Star weg ist. Deshalb und weil wir uns so oft von ihnen zurückgezogen haben, steht er ständig unter Spannung. Er brauchte diese Gelegenheit, um sich den Frust von der Seele zu schreien. Er wird zurückkommen, glaub mir."
„Ich weiß nicht einmal, ob ich mir das wünschen soll", murmelte Raven, fuhr sich nervös durch die Haare und betrachtete die Verwüstung, die sie im Zimmer angerichtet hatte.
„So schlimm ist es auch nicht, Raven", beruhigte Robin sie und stand auf. „Geh ruhig schon auf dein Zimmer. Ich räume noch ein wenig auf und stell ein bisschen Tofu für Beast Boy raus, dann leg ich mich auch hin."
„Manchmal bist du so Ekel erregend nett, dass ich es kaum aushalte, Robin", kommentierte die Mystikerin, aber die Andeutung eines Lächelns umspielte ihre müden Züge. Sie stand auf, setzte ihre Kapuze auf und wandte sich zum Gehen. „Gute Nacht. Und ich glaube, du hast heute das Richtige getan."
Robin sah ihr zu, wie sie in der Halle verschwand, dann machte er sich daran, die kaputten Sachen zur Seite zu räumen. Dabei rasten seine Gedanken förmlich in seinem Kopf. Ja, vermutlich hatte er die richtige Entscheidung getroffen. Seitdem ihn Slade damals dermaßen in Rage gebracht hatte, war er sehr vorsichtig gewesen, wenn er seine Finger in einem Verbrechen witterte. Vielleicht war er übervorsichtig geworden, wie Beast Boy behauptete, aber das war immer noch besser, als wenn er wieder ausrastete und jemand zu töten versuchte.
Allerdings war Cyborg tatsächlich verletzt worden... und das machte Robin Sorgen. Slade hatte keinen Zweifel gelassen, dass er die Titans auch vernichten würde, um Robin zu bekommen. Möglicherweise war gerade das der Sinn des heutigen Angriffes gewesen. Vielleicht hatte Slade heute einen der Titans töten wollen. Robin setzte sich wieder auf den Stuhl und starrte auf den Tofu, den er vorhin auf den Tisch gelegt hatte. Er fühlte sich hin- und hergerissen. Einerseits wollte er unter keinen Umständen, dass seinen Freunden etwas passierte, aber die Angriffe würden nicht aufhören, so lange er hier war... andererseits hatte Raven klargemacht, was passieren würde, wenn Robin die Titans verließ.
Langsam zog er ein Stück Papier aus einer seiner Geheimtaschen, faltete es auf und las es. Er hatte es schon seit Monaten bei sich, schon seit seinem letzten vertrauten Gespräch mit Raven. Seine Vorbereitungen waren auch schon lange abgeschlossen... aber irgendwie hatte Robin immer noch gehofft, den mächtigen Titans würde schon nichts passieren. Ein Fehler, wie sich heute herausgestellt hatte.
Robin legte den Brief auf den Tisch, wo er am Morgen sofort gefunden werden würde. Dann stand er auf und nahm den großen Raum noch einmal in Augenschein. Was er jetzt tun musste, fiel ihm sehr schwer. Unsicher nahm er seinen Kommunikator in die Hand. Sollte er ihn auch hier lassen? Aber sein ganzer Körper sträubte sich bei dem Gedanken. Nein, das konnte er nicht. Aber er würde ihn ausschalten und sein Ortungssignal deaktivieren müssen. Er steckte ihn wieder ein und ging langsam auf die Tür zu. Der Wind wehte ihm kalt entgegen, als er aus dem Tower hinaustrat. Es war nur zu ihrem Besten, sagte er sich immer wieder, während er zu seinem Motorrad ging, das er vorsorglich schon heraußen geparkt hatte. Aber sein schlechtes Gewissen konnte er damit nicht beruhigen. Er hatte Raven versprochen, stark für sie zu sein, und dieses Versprechen zu brechen fiel ihm sehr schwer... aber noch weniger wollte er, dass sie getötet wurden, weil sie Slade im Weg standen. Auf diese Weise, so hoffte er, würde Slade die Titans einfach ignorieren und sich darauf konzentrieren, den nun unsichtbaren Robin aufzuspüren.
Er sah nicht zurück, als er den Tower und seine Freunde verließ.
Schwer stürzte Cyborg zu Boden. Jedoch biss er die Zähne zusammen, hob seinen Arm, der sich bereits zu einer Plasmakanone gewandelt hatte und schoss dem flüchtenden Mumbo damit seinen Hut vom Kopf. Als sich der Schurke wütend umdrehte, um einen weiteren Zaubertrick anzuwenden, schoss Beast Boy, der als Falke über ihm geschwebt war, zu Boden, wandelte sich zur Eidechse und verschwand in Mumbos Hosenbein.
Hätte ihn nicht Sorgen über seine Systeme gequält, Cyborg hätte lauthals gelacht. Mumbo machte eine Minute lang die tollsten Verrenkungen, bevor er seinen Zauberstab fallen ließ. Darauf hatte er gewartet. Cyborg zielte kurz und schoss das Teil in Stücke. Sofort nachdem sich der Zauberkünstler wieder in sein alltägliches Selbst zurückverwandelt hatte, kam Beast Boy aus seinem Hosenbein geklettert und verwandelte sich zurück, während der Schurke völlig außer Atem zusammenbrach.
„He, Cy, ist mit dir alles in Ordnung?", fragte er, während er Mumbo einen düsteren, Unheil verheißenden Blick zuwarf.
„Geht so", entgegnete der Metallmann. Er versuchte aufzustehen und es gelang ihm nur so gerade. Mumbo musste ihn mit seinem Elektroschocker, den er in seinem Handschuh gehabt hatte, schlimmer erwischt haben, als er vermutet hatte. Er fluchte. Seinen richtigen Systemen hätte das nichts ausgemacht, aber seit dieser Sache mit Cinderblock hatte er sich nur notdürftig wieder zusammenflicken können. Einige wichtige Kabel und Microchips waren damals draufgegangen und die Ersatzteile, die er eingesetzt hatte, hielten einfach nicht so viel aus. „Bring den Mistkerl zur Polizei, ich seh zu, dass ich zum Tower zurückkomme."
Beast Boys Blick war besorgt. „Brauchst du wirklich keine Hilfe, Cy?", erkundigte er sich. „Ich kann ihn auch fesseln und dich zuerst zurückbringen."
„Quatsch", fuhr ihn Cyborg harscher an, als er eigentlich wollte. „Du tust ja so, als wäre ich völlig im Eimer! Ich muss nur ein, zwei Kabel austauschen, dann bin ich wieder völlig in Ordnung. Geh!"
Beast Boy sah ihn noch einmal zweifelnd an, dann verwandelte er sich in einen Pterodaktylus und ergriff den schreienden Mumbo. Zwei Minuten später waren sie aus Cyborgs Sicht verschwunden. Er seufzte und führte einen vorläufigen Systemcheck durch. Ganz sicher konnte er es nicht sagen, aber es war ziemlich klar, dass es wieder mal seine Ersatzteile erwischt hatte. Nachdem er das Ergebnis bekommen hatte, presste er die Lippen zusammen. Ja, er hatte Recht gehabt. Aber zusätzlich hatten die verbrannten Kabel eine weitere Platine versengt, die für den Energietransfer von Batterie zu den Prozessoren zuständig war. Deshalb war er zwar noch nicht am Ende, aber die anderen Platinen mussten so noch mehr Energie transferieren und das Risiko einer Überladung wurde damit noch einmal höher. Dass so etwas gegen Mumbo passiert war, zeigte ihm, wie schwer er in Mitleidenschaft gezogen war. Wenn er jetzt noch mal gegen Cinderblock kämpfen müsste... dann würde er mehr als nur ein paar Kabel verlieren.
Als er die Straße entlangstapfte, verfluchte Cyborg nicht zum ersten Mal in den letzten Tagen, dass Robin so sang- und klanglos abgehauen war. Gut, immerhin war er so taktvoll gewesen, einen Abschiedsbrief dazulassen, aber die Teen Titans handelten als Team! Er hatte sie nicht einmal gefragt, ob sie mit seinem Alleingang gegen Slade einverstanden waren! Nun ja, wenn man seinem Schreiben glauben konnte, dann handelte Robin zwar diesmal nicht aus Besessenheit, sondern Sorge um das Team, aber er hatte offenbar nicht damit gerechnet, wie schwer sie sein Weggang treffen würde.
Cyborg erinnerte sich noch genau daran, wie Raven den Brief am Morgen nach dem Streit mit Beast Boy gefunden hatte. Er war aufgewacht, als er eine Explosion hörte. Wie sich herausstellte, hatte Raven den Fernseher ins digitale Nirvana geschickt. Nun, verständlich, wenn man bedachte, was sie gerade gelesen hatte. Cyborg war so schnell es ging hinunter in den Gemeinschaftsraum gelaufen, aber einige Tassen und Teller hatte er trotzdem nicht vor Ravens randalierenden Kräften retten können. Zunächst hatte er versucht, das Mädchen, das dauernd etwas von „ich hab es ihm doch klar und deutlich gesagt"und „dieser eingebildete, verlogene Sohn einer Schlange"schrie, während sie versuchte, den Brief mit ihren Blicken anzuzünden, zu beruhigen. Sie hatte ihm daraufhin jedoch nur einen furchtbaren Blick und dann den Brief zugeworfen und war auf das Dach des Towers verschwunden, wo weniger Gefahr bestand, etwas in die Luft zu jagen.
Als er das Schreiben gelesen hatte, war ihm völlig klar, warum Raven so heftig reagiert hatte. Robin schrieb, dass er sich sicher war, dass Slade die Titans einen nach dem anderen töten würde, um Robins Tötungswut anzustacheln. Weil er das Risiko nicht eingehen wollte, sie sterben zu sehen, würde er das Team verlassen, und zwar solange, bis er Slade zur Strecke gebracht oder zumindest aufgespürt hatte. Dann würde er sofort zurückkommen. Er schrieb, dass sie nicht glauben sollten, er wäre wieder besessen von Slade. Er handle nur so, damit niemand von ihnen verletzt würde, da er glaube, Slade würde die Titans nicht mehr angreifen, sondern sich auf den verschwundenen Robin konzentrieren. Er würde von Zeit zu Zeit auftauchen, um Slade abzulenken.
Der nächste Satz ließ Cyborgs Augen wässrig werden. Robin hatte hastig auf das Papier gekritzelt, dass er sie alle als seine Familie betrachte und er sähe es als seine Pflicht an, seine Familie mit all seiner Kraft zu schützen – selbst wenn er sie dazu verlassen musste. Er wies ihn, Cyborg, und Beast Boy an, sich um Raven zu kümmern. Sie würde ihren Beistand bitter nötig haben, auch wenn sie das bestritt. Am Schluss stand, dass er hoffte, sie würden sich bald wiedersehen, aber er würde sie nicht kontaktieren, bis er sein Ziel erreicht hatte.
Cyborg hatte natürlich verstanden, warum Robin das alles tat und es erfüllte ihn mit Stolz, dass der maskierte Junge ihn als seine Familie betrachtete... aber das hinderte ihn nicht daran, sich betrogen zu fühlen. Wieder einmal hatte Robin sie nicht in seine Pläne eingeweiht, auch wenn klar war, wieso. Sie hätten ihn niemals gehen lassen. Er hatte sich auf die Couch fallen lassen, bis irgendwann im Laufe des Vormittags ein kleinlauter Beast Boy angekommen war und nach Robin und Raven gefragt hatte. Cyborg hatte ihm wortlos das Papier gereicht. Auf die Reaktion des Gestaltwandlers war er allerdings nicht gefasst gewesen.
Beast Boy war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen und er war auf die Knie gesunken. Dann hatte er laut zu heulen begonnen, das wäre allein seine Schuld, weil er Robin am Abend zuvor die Schuld an Cys Verletzung gegeben hatte. Cyborg hatte ihn schließlich beruhigen können, dass Robin das schon von langer Hand geplant hatte, weil sein Zimmer fast völlig ausgeräumt war. Er hatte alles Wichtige schon vor einiger Zeit weggeschafft. Danach waren sie einige Zeit stumm nebeneinander gesessen. Keiner von ihnen wollte nach Raven sehen, nachdem sie etwas am Dach des Towers explodieren gehört hatten.
Cyborg erreichte das T-Car und stieg ein. Die Fahrt verbrachte er in grimmiger Konzentration, ohne jeden überflüssigen Gedanken. Im Tower angekommen ging er sofort in sein Zimmer und begann damit, seinen Schaden ernsthaft zu überprüfen, aber es blieb, wie er schon befürchtet hatte: Der Schaden war an sich nicht lebensbedrohend, aber im Kampf äußerst gefährlich. Normale Bankräuber oder so waren damit durchaus noch außer Gefecht zu setzen, aber jemand mit Superkräften oder diese Bazille Gizmo, der genau wusste, wo er zuschlagen musste, hätten eine Chance ihn ein für alle Mal außer Gefecht zu setzen. Diese Platine konnte nicht einfach entfernt werden, weil er dann außer Betrieb war. Und niemand im Tower besaß das nötige technische Geschick, um diesen Eingriff durchführen zu können. Wenn dabei nur ein kleiner Fehler geschah, dann konnte der Bedauernswerte gebrutzelt werden oder er selbst weitere Schäden erleiden.
Darauf lief es also hinaus. Da diese defekte Platine in Rekordzeit seine Batterien überlud, musste er sie viel schneller als geplant auswechseln... vielleicht einmal pro Jahr. Er schauderte. Sein Vater hatte ungefähr fünfzehn Batterien hergestellt, die normalerweise für sein ganzes Leben gereicht hätten. Jetzt hatte er noch dreizehn davon. Das hieß also, er konnte noch dreizehn Jahre lang den Tower verlassen, dann musste er ständig hier bleiben, wenn er nicht entladen auf der Straße zusammenbrechen wollte. Dreizehn Jahre! Und er konnte Beast Boy und Raven nicht einmal gefahrlos helfen, wenn es um wirkliche Superschurken ging, weil er sonst irreparabel beschädigt werden könnte... im Moment könnte sogar ein einziger Hieb von Cinderblock ausreichen, um seine Systeme völlig zu zerstören.
Was sollte er tun? Ein Leben hier im Tower fristen, ohne zu irgendetwas nütze zu sein? Nein, kam nicht in Frage. Vielleicht sollte er seinem Vater schreiben, ob er nicht her kommen könnte. Ja, das würde er tun. Und so lang würde er sich eben zurückhalten müssen.
Plötzlich hörte er das Titan-Notsignal. Seine Reflexe übernahmen Kontrolle über ihn. Er stand vor dem riesigen Bildschirm, bevor er sich überhaupt dessen bewusst war. Eine Sekunde lang stand er still, bevor ihm bewusst würde, dass Robin nicht mehr hier war, um die nötigen Kommandos einzugeben. Er seufzte leise und gab die Passwörter selbst ein. Sofort wurde angezeigt, worum es sich bei dem Verbrechen handelte: Ein simpler Banküberfall. Er sah sich um, aber Beast Boy war noch nicht zurück und Raven... nun, Raven hatte im Moment noch genug damit zu tun, ihre Kräfte wieder unter Kontrolle zu bringen. Seltsamerweise schien Robins Verschwinden sie am heftigsten von ihnen allen getroffen zu haben. Cyborg hätte eigentlich nicht gedacht, dass Robin ihr so viel bedeutete, auch wenn sie viel miteinander meditiert hatten. Aber damit konnte er sich später befassen. Jetzt musste er erst mal diesen Banküberfall vereiteln, und dann musste er seinem Dad schreiben. Zweifelnd ließ er noch einmal seine Hand über die Stelle an seinem Rücken gleiten, wo die beschädigte Platine saß, dann gab er sich einen Ruck und rannte zum T-Car. Hätte er noch eine Minute erwartet, hätte er die Nachricht noch gesehen, die neu auf dem Bildschirm aufgetaucht war.
Gauner identifiziert: Gizmo
Beast Boy betrat den Tower leise, aber als er nichts explodieren hörte, atmete er erleichtert aus. Immerhin, das Schlimmste schien vorüber zu sein. Am ersten Tag nach diesem verwünschten Brief hatte Raven mehr in die Luft gejagt als in Monaten zuvor. Er hatte schon Angst gehabt, sie würde kein einziges Fenster im Tower ganz lassen, aber anscheinend tat das pausenlose Meditieren langsam seine Wirkung. Raven hatte ihnen nicht mal mehr bei ihren Aufträgen helfen können, da ihre Kräfte sofort instabil wurden, wenn sie mehr als eine halbe Stunde mit dem Meditieren aufhörte. Sie meditierte und meditierte, den ganzen Tag lang nichts anderes, bis sie völlig erschöpft ins Bett fiel.
Beast Boy beneidete sie kein bisschen. Ihr schien Robins Verschwinden ganz besonders zugesetzt zu haben, obwohl er sich nicht sicher war wieso. Gut, er hatte damals behauptet, zwischen den beiden wäre etwas und er schämte sich unglaublich dafür. Es war unfair Raven gegenüber gewesen, es war unfair Robin gegenüber gewesen, es war sogar unfair Starfire gegenüber gewesen. Aber irgendeine besondere Bindung mussten die beiden gehabt haben. Irgendwie schien es, als hätte Raven völlig ihren geistigen Halt verloren. Als wäre Robin eine Art Anker gewesen.
Ohne dass er sich dessen bewusst gewesen war, hatte er den Weg zum Dach hinauf eingeschlagen. Er zögerte kurz. Es war niemals ratsam gewesen, Raven beim Meditieren zu stören und jetzt schon gar nicht. Aber er zwang sich trotzdem dazu. Robin hatte ihnen geschrieben, sie sollten sich um Raven kümmern, und daran würde er sich auch halten. Er schluckte kurz, bevor er die eiserne Tür zum Dach aufmachte.
„Rae?", fragte er nervös. „Bist du da?"
„Azarath... Metrion... Zinthos!"
Aha.
„Geht's dir gut? Brauchst du irgendwas?"
„Azarath..."
„Hör mal, Rae..."Er lugte vorsichtig zu der dunklen, schwebenden Gestalt hin, die ihm abgewandt in Richtung Sonnenuntergang saß. „Ich... wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann..."
„Metrion..."
„Ich meine, ich und Cy, wir machen uns wahnsinnige Sorgen um dich. Wenn es irgendwas gibt... womit wir dir helfen können, dann machen wir das..."
„Zinthos..."
„Ich würd sogar noch mal in deinen gruseligen Spiegel gehen, wenn dir das hilft..."
BUMM!
Beast Boy sprang erschrocken zurück, als die Tür plötzlich nachgab. Die Explosion hatte beide Scharniere zerrissen. Er sah perplex zu, wie das schwere Ding auf dem Boden landete. Plötzlich drehte Raven ihren Kopf. Sie sah zum Fürchten aus! Unter ihren Augen lagen Tränensäcke und sie sah vollkommen erschöpft aus. Ihr Haar war vom Wind zerzaust. Dennoch sah sie erbost aus.
„Wag es ja nicht", flüsterte sie bedrohlich. Mehr nicht.
„Ist... ist ja schon gut", murmelte der Gestaltwandler. „Ich... ich wollte doch nur helfen..."
„Danke", entgegnete Raven abgehackt. „Aber du kannst mir nicht helfen. Lass mich bitte allein. Wenn ich die Kontrolle über meine Kräfte zurückgewonnen habe, können wir weitersprechen."
Beast Boy wagte nicht zu fragen, wann das sein würde. Stattdessen ließ er das Mädchen allein und ging wieder hinunter in den Gemeinschaftsraum. Er wollte eigentlich in die Küche, um sich ein Sandwich herzurichten, als sein Blick auf den Computer fiel, wo immer noch die Meldung des Banküberfalls blinkte. Hastig überflog er sie. Cyborg musste sie geöffnet haben, Raven war garantiert schon seit Stunden auf dem Dach. Und er war nirgends zu sehen, das hieß, er war wahrscheinlich in der Stadt. Aber wieso wollte er sich in seinem Zustand mit Gizmo anlegen?
Beast Boy dachte nicht weiter darüber nach, sondern stürzte zur Tür und verwandelte sich mitten im Lauf in einen Falken. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er den Schauplatz des Verbrechens erreicht hatte, aber ihm kam es vor wie mehrere Jahre. Er spähte sofort den Bereich aus und seine Befürchtung bewahrheitete sich: Gizmo stelzte auf seinen Spinnenbeinen gerade aus der Bank heraus und hatte mehrere Geldsäcke bei sich. Vor der Bank lag die leblose Gestalt von Cyborg. Zumindest seine technische Hälfte schien tot zu sein. Beast Boy fühlte heißen Zorn in sich aufbrodeln. Nein, er würde nicht noch einen Freund verlieren! Er stieß einen schrillen Schrei aus und ging in den Sturzflug über.
Das hatte Gizmo natürlich gehört und er schoss natürlich sofort auf den herabstürzenden Beast Boy, welcher sich aber sofort in einen Stegosaurus verwandelte. Gizmo riss entsetzt die Augen auf und machte, dass er wegkam. Kurz bevor er aufschlug, wandelte sich Beast Boy in einen Mauersegler und fing kurz über dem Boden zu gleiten an, positionierte sich unter Gizmo und wurde zum Gorilla. Der Schurke versuchte zwar, auf ihn zu zielen, aber nachdem Beast Boy zwei seiner eisernen Gliedmaßen gepackt hatte, verlor er das Gleichgewicht. Der junge Held hob den Zwerg brüllend hoch und warf ihn gegen die nächste Wand.
Irgendwie schaffte es Gizmo, seine Spinnenbeine hinter sich zu bringen und dem Flug seine größte Wucht zu nehmen. Trotzdem war er einige Momente so abgelenkt damit, sein Gleichgewicht wiederzufinden, dass er Känguru Beast Boy nicht bemerkte, das ihn gleich darauf endgültig von den Beinen fegte. Wenige Sekunden später hatte Anaconda Beast Boy alle sechs Beine des Bankräubers umschlungen und brachte seinen Reptilienkopf zischend an den von Gizmo heran. Der H.I.V.E.-Student sah ziemlich nervös aus. Hastig sprengte er die Beine von seinem Rücken ab und rappelte sich auf. Darauf hatte Beast Boy gewartet. Er wurde wieder zum Gorilla, packte Gizmo, riss ihm seinen Controller vom Rücken und presste ihn an die Wand. Dann nahm er wieder menschliche Gestalt an. Der kleine Gangster zitterte. Diesen Blick war er sonst nur von Raven oder Robin gewöhnt, nicht von Beast Boy.
„Ich frag dich nur einmal, Alter", stellte Beast Boy falsch grinsend fest. „Was hast du mit Cyborg gemacht?"
„Fast gar nichts", quiekte Gizmo und versuchte sich freizustrampeln. „Ehrlich! Er hat auf mich geschossen, dann hab ich meine Beine ausgefahren und ihn gegen die Wand geschleudert, während er noch seine Hand verwandelt hat, und auf einmal sind bei ihm alle Lichter ausgegangen! Ich hab mich schon gewundert, wieso das diesmal so leicht war."
„Und das soll ich dir glauben?", fragte Beast Boy und verwandelte seinen Kopf kurz in den eines Löwen.
„Das ist die reine Wahrheit!", schrie Gizmo. „Ich schwör's!"
„Als wenn du deine Schwüre halten würdest", entgegnete Beast Boy zufrieden registrierend, dass Gizmo noch etwas blasser wurde. „Aber ich schätze mal, du hast zu viel Schiss, um mich anzulügen."
„Aber mit dem Blechmann muss einiges falsch laufen, wenn er so zerbrechlich ist", schaltete sich Gizmo wieder ein. „Hör mal, wenn du mich laufen lässt, dann könnte ich ihn mir ja mal ansehen. Vielleicht krieg ich ihn ja wieder hin."
Einen Moment lang dachte Beast Boy ernsthaft über das Angebot nach. Dann schüttelte er den Kopf. „Nee, keine Chance. Cy würde mich umbringen, wenn ich dich an ihn ran ließe. Du kommst erst mal schön mit zur Polizei, dann kümmern wir uns um ihn."
„Ha", konterte Gizmo gehässig. „Als wenn ihr wüsstet, wie!"
Da musste ihm Beast Boy leider Recht geben. Trotzdem sah er nicht ein, wieso er Gizmo das sehen lassen sollte, also wurde er zum Elefant, rollte Gizmo in seinen Rüssel ein und brachte den zeternden Zwerg sehr zur Freude einer Schulklasse am Heimweg zum Polizeihauptquartier. Gleich danach raste er wieder zurück zur Bank, wo er laut aufatmete. Cyborg lag noch immer da, offensichtlich bewegungsunfähig. Er hoffte, dass sich das gab, wenn er ihn zuhause an sein Ladegerät anschloss. Sonst wusste er wirklich nicht mehr weiter. Er hatte nicht den leisesten Dunst, wie Cy innen tickte und auch Raven war mehr Hilfsmechanikerin denn Kybernetik-Spezialistin.
Ächzend hob er den schweren Körper in seiner Pterodaktylus-Gestalt hoch und brachte ihn zurück zum Tower. Das war irgendwie nicht wirklich Cyborgs Tag heute. Aber er war schon froh, wenn es nicht der letzte Tag seines Freundes war.
Das hat ja gedauert, aber schließlich ist es doch noch was geworden. Kommentare bis hierhin?
