Die Zeit heilt nicht alle Wunden
Nein, ich hab's immer noch nicht geschafft, mir die Rechte der Serie zu sichern. Aber ich arbeite daran.
Kapitel 4: Rekmas
Beast Boy schlug wütend die Tür hinter sich zu, als er den Tower betrat. Er hatte alles gegeben, wirklich alles, was er drauf hatte... und er hatte versagt. Er hatte nicht verhindern können, dass zwei dieser Schurken mit ihrer Beute entkommen waren! Aber es war ja nicht das erste Mal, dass so was passierte... seit er allein auf Streife ging, waren ihm schon mehrere Gauner durch die Lappen gegangen. Natürlich erwischte er den einen oder anderen, aber eben nicht alle.
„Na, wie ist es gelaufen?", kam Cyborgs Stimme aus der Küche. Seit Beast Boy allein arbeiten musste, versuchte der Metallmann, sich wenigstens im Haushalt nützlich zu machen, wenn er nicht gerade an einer Theorie über seine Systeme bastelte. Seit diesem blöden Unfall damals mit Gizmo hatten sich einige Metallteile in Cys Körper um nur wenige Millimeter verschoben, doch das war genug gewesen, um seine Batterie völlig im Inneren der Systeme einzuklemmen. Der dunkelhäutige Junge hatte bisher noch keinen Weg gefunden, sie zu entfernen, ohne dass sie unter der Belastung auseinander brechen und seinen Körper mit Chemikalien überschwemmen würde. Da das seinen sofortigen Tod zur Folge hätte, konnte er nichts weiter tun als seine Pläne zu studieren und auf irgendeine Lösung zu kommen.
Natürlich hatten sie sofort nach dem Unfall versucht, Cyborgs Vater zu erreichen, aber sie hatten mit Entsetzen feststellen müssen, dass der Mann sich still und heimlich zurückgezogen hatte. Irgendwo musste er noch leben, jedenfalls hofften sie das, aber alle Versuche, ihn zu erreichen, waren bisher erfolglos geblieben. Selbst von der Justice League hatten sie Hilfe erbeten, aber nicht einmal dort wusste man einen Weg, um Cyborg zu helfen. Selbst wenn man die Batterie durch magische Kräfte entfernen würde, bliebe noch immer das Problem, dass man die andere vielleicht nicht mehr hineinbrachte. Oder dass das plötzliche Wegfallen der Batterie Cys Systeme völlig kollabieren lassen würde. Das Risiko war einfach zu groß. Für Beast Boy ebenso wie für Cyborg. Solange er sich wenigstens im Tower durch seine Kabel bewegen konnte, die mit seinem Ladegerät verbunden waren, bestand Hoffnung, dass er irgendwann einen Weg fand sich zu reparieren.
Aber solange war er auch verurteilt, hier im Tower zu bleiben, wenn in der Stadt etwas passierte. Allein war er zwar nicht, Raven war ja auch noch da... womit sie jedoch bereits beim zweiten Problem waren.
Seit Robin verschwunden war, hatte sich das düstere Mädchen immer seltsamer verhalten. Zunächst einmal hatte sie sich einige Wochen lang vollkommen von ihnen zurückgezogen. Ihrem Wunsch nach Privatsphäre hatte sie einigen Ausdruck verliehen, als ihre Kräfte außer Kontrolle gerieten, als Beast Boy an die Tür klopfte. Cyborg hatte zwei Tage gebraucht, um sie wieder zurecht zu biegen. Danach hatten sie gewartet, bis sie von selbst wieder herunterkam. Im Grunde hatten sie ja auch ihre eigenen Sorgen.
Sie war wieder heruntergekommen. Aber gut war deshalb noch lange nicht alles gewesen. Raven hatte zwar versucht, wieder einigermaßen normal unter ihnen zu reden, doch ihre Kräfte schienen dagegen zu sein. Sie war sehr schreckhaft, schien immer auf etwas Böses zu warten, das nach ihr griff. Immer, wenn sie ein lautes Geräusch hörte, zuckte sie zusammen und irgendetwas explodierte. Als Cyborg und Beast Boy sie schließlich darauf angesprochen hatten, hatte sie sich ohne jedes weitere Wort wieder auf ihr Zimmer zurückgezogen. Danach hatte sie es nur noch verlassen, wenn sie Hunger hatte.
Da Cy und er genug Probleme mit der Verbrecherjagd hatten, die der Metallmann von der Zentrale aus leiten musste, waren ihnen die seltsamen Blicke, die ihnen Raven seit einiger Zeit zuwarf, erst gar nicht aufgefallen. Schließlich war es jedoch nicht mehr zu vermeiden gewesen. Beast Boy war zu Tode erschrocken, als Raven vor zwei Wochen plötzlich hinter ihm aufgetaucht war und ihn an der Schulter gepackt hatte.
„Warum bist du hier?", hatte sie geknurrt.
„Ich?", hatte er wenig phantasievoll gekontert. „Na weil... ich Hunger habe."Zum Beweis hatte er sein Sandwich hochgehalten.
Sie hatte ihn mit großen Augen angesehen und schließlich losgelassen. Dann war sie einige unverständliche Dinge murmelnd wieder im Gang verschwunden. Und so war sie nun schon seit einiger Zeit. Manchmal schien sie sich zu fragen, wer Cyborg und er waren und was sie im Tower zu suchen hatte, jedenfalls hatte man bei ihren scharfen Blicken diesen Eindruck. Sie wussten jedoch noch immer nicht, was genau mit der Mystikerin los war, da diese nur bei wenigen (meist sehr seltsamen) Gelegenheiten mit ihnen sprach und sie nicht den Mut hatten, sie zur Rede zu stellen.
Das war nicht immer so. Manchmal wirkte Raven normal... nun, vielleicht nicht normal, aber so kühl wie früher. Und dann wieder schien sie Cyborg und ihn nicht einordnen zu können und starrte sie wie Eindringlinge an. Es war beängstigend.
„Hallo? Erde an Beast Boy?"
Der grüne Junge blinzelte verwirrt, als er bemerkte, dass Cyborg mit seiner Hand vor seinem Gesicht herumwedelte.
„Was ist los mit dir?", fragte der Metallmann. „So nachdenklich kenn ich dich ja gar nicht. Du machst mir Angst."
„Ach, es ist nichts", brummte Beast Boy, der ausnahmsweise nicht in der Stimmung für Scherze war. Auf den schrägen Blick hin, den Cyborg ihm zuwarf, seufzte er. „Na schön, es waren wieder mal Jinx, Gizmo und Mammoth."
Cyborg verzog das Gesicht. „Die drei Nervensägen geben nie auf, was? Und, wie ist es gelaufen?"
„Na ja, ganz gut, wenn man bedenkt, dass ich allein dort war", murmelte Beast Boy und ließ sich auf die Couch fallen. Er schaltete den Fernseher ein und startete sofort ein Videospiel. Cyborg kannte diese Signale. Es war NICHT gut gelaufen.
„Wer ist entkommen?", fragte er und lehnte sich an die Couch. „Ich will dich damit nicht beleidigen, Beast Boy, aber man kann allein aus deinem Tonfall entnehmen, dass du Schwierigkeiten hattest."
„Das ist leicht übertrieben", brummte der grüne Junge, stoppte jedoch das Spiel und seufzte. „Nicht nur einer ist entkommen, sondern zwei. Gizmo und Jinx konnten mit einem Teil der Beute abhauen, während ich Mammoth überwältigt habe."
„Jetzt mach dich nicht verrückt, BB", versuchte Cyborg ihn aufzuheitern. „Wir hatten schon zu fünft ziemliche Probleme mit den dreien. Dass du Mammoth allein schlagen konntest, ist doch toll."
„Was soll daran toll sein, Cy?", fragte Beast Boy und drehte sich wütend um. „Der Kerl sitzt zwar im Bau, aber die anderen beiden holen ihn doch bald wieder raus! Und außerdem konnte ich den Auftrag nicht zu Ende führen: Das Geld ist weg!"
„Beast Boy, Geld kann man ersetzen", stellte Cyborg nachdrücklich fest. „Ich finde, das wichtigste ist, dass es dir gut geht." Als Beast Boy nicht antwortete, zog er die Augenbraue hoch. „Dir geht es doch gut, oder?"
„Ja, ja. Nur ein Kratzer."
„Lass ihn sofort sehen!"
„Cy, ich hab doch gesagt..."
„Und ICH hab gesagt, lass ihn SOFORT sehen!"
Der Kratzer war zwar nicht lebensbedrohend, aber schmerzen musste er trotzdem. Er verlief die gesamte Wade am linken Bein entlang. Jetzt wunderte den Metallmann überhaupt nicht mehr, dass Beast Boy bis jetzt vermieden hatte, ihm den Rücken zuzuwenden.
„Das nennst du einen Kratzer? BB, du weißt, dass du jetzt auf keinen Fall schlappmachen darfst! Komm her, ich hol kurz Verbandszeug."
Während er den „Kratzer"versorgte, brummte Beast Boy unverständliche Sachen vor sich hin.
„Was hast du gesagt, BB? Ich hab dich nicht verstanden."
Beast Boy seufzte. „Ich hab gesagt", wiederholte er, „dass es ohnehin nicht viel Unterschied macht, ob ich auch noch ausfalle oder nicht. Sieh's doch ein, Cy, ich hab heute Glück gehabt, aber in den letzten Wochen hat mich Cinderblock nur nicht totgeprügelt, weil ich weggeflogen bin. Ich konnte ihn nur unter massivem Feuerschutz der Polizei wieder einfangen. Was glaubst du wohl, was passiert, wenn mal ein Gegner wie Plasmus oder Overload auftaucht?"
„Wollen wir mal hoffen, dass uns das in nächster Zeit erspart bleibt", meinte Cyborg und stand auf. „Aber wenn du noch ein bisschen durchhältst, dann finde ich vielleicht eine Möglichkeit, mich wieder kampftauglich zu machen. Und es kann ja sein, dass Raven..."
„Cy, glaubst du wirklich, dass es sicher wäre, sie kämpfen zu lassen?", unterbrach Beast Boy ihn leise. Er mied den Blick des Cyborgs. „Sie ist sehr seltsam geworden in letzter Zeit. Vielleicht... hätten wir uns doch mehr um sie kümmern sollen, als wir noch Gelegenheit dazu hatten."
„Die haben wir immer noch."Cyborg war nicht bereit, so leicht aufzugeben. „Komm, wir gehen jetzt sofort rauf und lassen sie wissen, dass wir immer noch da sind. Vielleicht will sie ja doch mit uns reden, wenn wir ein bisschen darauf beharren."
„Ich glaub nicht, dass..."
In diesem Moment begann der Computer wieder Alarm zu schlagen. Beide Titans sahen wieder auf den Bildschirm hin, wo das Gefängnis zu blinken angefangen hatte.
„Was, schon wieder?", stöhnte Beast Boy und stand auf. „Heute hat sich aber auch jeder gegen mich verschworen."
Cyborg saß bereits wieder im Sessel vor dem Bildschirm und wartete auf die Daten. Sein gesundes Auge zuckte, als er sie bekam.
„Gizmo und Jinx", las er monoton ab. „Die haben nicht lange gefackelt, nicht wahr?"
„Ja", sagte Beast Boy nur und ging zum Fenster. „Du musst Rae wohl allein besuchen, Cy. Grüß sie von mir, okay?"Damit wurde er zum Kolibri und schoss in Windeseile davon.
Cyborg sah seinem Freund sorgenvoll nach. Er hoffte, dass Beast Boy nichts zustieß, denn sonst waren die Titans endgültig Schnee von gestern. Wenn der Gestaltwandler es noch schaffte, das Gefängnis zu erreichen, bevor Jinx und Gizmo Mammoth befreien konnten, hatte er immerhin eine Chance. Zusammen mit den Sicherheitskräften müsste er die beiden Jung-Gangster eigentlich schlagen können. Andererseits war er selbst angeschlagen...
Er schüttelte den Kopf und stand auf. Die Kabel, die aus seinem Rücken herausragten, behinderten ihn beim Sitzen. Er wünschte, er hätte sie niemals anbringen müssen. Nun, viele Wünsche blieben unerfüllt. Jetzt musste er nach vorne sehen. Beast Boy durfte seinen Mut nicht verlieren, dafür musste er sorgen. Wenn sich Robin doch nur hie und da zeigen würde, dann fiele ihm diese Aufgabe viel leichter. Sie hatten gar nichts von dem Wunderknaben gehört, seit er verschwunden war, nur ein paar unbestätigte Gerüchte. Allerdings war auch eingetreten, was er prophezeit hatte: Slade hatte offenkundig sein Interesse an den Titans verloren. Er war jetzt auf einer für ihn spannenderen Jagd. Der Jagd nach dem unsichtbaren Robin.
Dennoch wären die Dinge einfacher, wenn er hier geblieben wäre. Dann hätte Beast Boy jemanden, der ihn unterstützte und vor allem wäre Raven dann noch in Ordnung. Der Zustand des Mädchens machte Cyborg mehr Sorgen als Beast Boy, weil er ständig mit ihr den Tower teilte. Aber bis auf ein paar zögerliche Versuche, sie anzusprechen, hatte er nichts gewagt. Sie hatte ohnehin nicht auf ihn reagiert. Sie machte Cyborg wirklich Angst. Schon als Raven noch volle Kontrolle über sich gehabt hatte, war sie gefährlich gewesen. Aber jetzt, wo sie so seltsam geworden war, wie Beast Boy es ausdrückte... wer wusste schon, was sie anstellen konnte?
„Trotzdem muss ich mit ihr reden", stellte er fest und begann auf den Gang, der zu den Zimmern führte, zuzumarschieren. „Das bin ich Beast Boy schuldig."
Etwas mulmig war ihm schon zumute. Immerhin war seine eigene Kraft äußerst begrenzt, seit er mit Gizmo aneinander geraten war. Wenn Raven einen ihrer berühmten Wutausbrüche bekam, könnte sie ihn schwer beschädigen. Das ließ ihn zögern, als er vor ihrer Tür stand. Innen war kein Laut zu hören. Auch nichts Neues, aber nicht sonderlich beruhigend. Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen und klopfte. Wegen seiner begrenzten Stärke fiel diesmal wenigstens nicht die Tür aus den Angeln.
„Raven?", fragte er und versuchte, möglichst entschlossen zu klingen. „Ich wollte mal nachsehen, wie's dir so geht. Wir haben uns ziemlich lang nicht mehr unterhalten."
Keine Antwort.
„Komm schon, Rae", probierte Cyborg es weiter. Möglicherweise konnte ihr Kosename zu ihr durchdringen? „Ich weiß, dass du da drin bist." Eine glatte Lüge, schließlich konnte das Mädchen sich überall hin teleportieren. Aber wenn sie nicht hier war, konnte sie ihn auch keinen Lügner schimpfen.
„Mach auf! Es wird Zeit, dass wir ein bisschen über dich reden. Du machst Beast Boy und mir mit deinem seltsamen Getue Angst, Raven. Wir möchten dir helfen."
Wieder nichts. Langsam wurde Cyborg ungeduldig.
„Du weißt, dass ich deine Tür öffnen kann, wenn ich will, warum machst du mir also nicht auf?", versuchte er dir logische Tour. „Mach es dir doch nicht so schwer."
Nach einigen weiteren Sekunden hob Cyborg die Hand und gab seinen Notfallcode in die Schalttafel neben Ravens Tür ein. Die waren zwar eigentlich nur für echte Katastrophen gedacht, aber er machte sich ja wirklich Sorgen um sie. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Zischen und gab ein düsteres Zimmer und jede Menge abgestandene Luft frei.
Cyborg rümpfte die Nase, dann machte er einen Schritt ins Zimmer. Er rechnete damit, Ravens Gestalt dank ihrer dunklen Kutte suchen zu müssen, aber sie stach ihm sofort ins Auge. Woraufhin er es aufriss. Ravens Umhang war WEISS! So wie der, den sie getragen hatte, als sie in ihrem Geist Trigon bekämpft hatte. Hieß das etwa, dass sie...
„Raven", hauchte er. „Hast du es etwa geschafft? Hast du dich vom Einfluss deines Vaters befreit?"
Wie zuvor bekam er keine Antwort. Ravens Gestalt schwebte immer noch stumm über ihrem Bett, die Beine zum Schneidersitz gefaltet, ihm den Rücken zugedreht. Vielleicht meditierte sie gerade? Er beschloss, sein Glück noch weiter herauszufordern.
„Hey, das wär ja echt scharf, Mädchen!", sagte er in einem fröhlichen Tonfall, während er um sie herumging. „Wenn das so ist, wieso hast du uns das nicht gesagt? BB und ich hätten eine Party für dich geschmissen, die du dein Leben lang nicht vergessen hättest!"Er konnte beinahe schon ihr Gesicht sehen... „Oder wolltest du gerade die Party vermeiden?"
Er brach ab, als er bemerkte, dass Raven nicht meditierte. Ihre Hände lagen auf ihren Knien und ihr Gesicht war tief in ihrer Kapuze verborgen, aber sie intonierte ihren Spruch nicht und wirkte auch sonst nicht sehr konzentriert. Im Gegenteil, sie wirkte... verärgert. Kein gutes Zeichen.
Cyborg seufzte und setzte sich auf ihr Bett. „Hör mal, Rae, ich weiß ja nicht, wie lange das noch so gehen soll, aber ich finde, du solltest uns sagen, was dir fehlt. BB und ich..."
„Verschwinde."
Das Wort war leise ausgesprochen worden, aber es ließ Cyborg abrupt verstummen. Er sah Raven fassungslos an. Das konnte sie doch nicht wirklich gesagt haben, oder?
„Ver...schwin...de!", presste sie zwischen den Zähnen hervor. Ihre Fäuste waren geballt. „Wieso lässt du mich nicht einfach in Ruhe?"
„Aber...", stammelte Cyborg. „Rae, was...?"
„Ich hatte es doch... schon beinahe geschafft..."
„Geschafft?" Cyborg spitzte die Ohren. „Was geschafft, Rae?"
„Ich dachte schon... ich hätte die Halluzinationen für immer überwunden..."
„Halluzinationen?" Im ersten Moment verstand Cyborg nicht, aber als ihm Raven aus ihrer Kutte einen wütenden Blick zuwarf, machte es Klick in seinem Kopf. Seine Augen wurden groß vor Schreck. „Aber Raven, ich bin keine Halluzination. Ich bin's, Cyborg, dein Freund."
„Hör nicht hin, Raven", sprach das Mädchen zu sich selbst. „Die Illusion Cyborg war immer wie ein großer Bruder, ein Beschützer. Sie wird versuchen, dich zu beruhigen. Hör nicht darauf."
„Rae, du machst mir Angst!", stieß Cyborg hervor. Beast Boy und er hätten schon viel, viel früher hier heraufkommen sollen! Was hatten sie Raven nur angetan? Er wollte behutsam die Hand des Mädchens berühren, als ihn ein Buch am Handgelenk traf. Ravens Augen brannten in schwarzem Feuer und sie waren auf ihn fixiert. Der Blick schien zu besagen, dass er es bereuen würde, wenn er sie anfasste. Er zog die Hand langsam zurück.
„Du darfst dich nicht darauf einlassen, Raven", sprach die Mystikerin wieder zu sich selbst. „Die Halluzinationen sind über die Jahre sehr mächtig geworden. Du hast sie mächtig gemacht. Jetzt musst du sie verdrängen!"
„Nein, Raven, ich bin keine Halluzination!", versuchte Cyborg sie zu überzeugen. „Erinnerst du dich nicht? Als Robin verschwunden ist, hat dich das ziemlich mitgenommen. Deshalb hast du dich hier eingeschlossen. Bitte rede mit mir, frag mich irgendetwas, das in den letzten Jahren passiert ist, ich kann es dir sagen."
„Diese Illusionen sind aus deinen eigenen Kräften entstanden, Raven", sagte diese, als hätte sie ihn gar nicht gehört. „Du fühltest dich allein und einsam, und deshalb hast du dich mit Schatten echter Menschen umgeben, mit Leuten, die dich verstehen können und die dich lieben! Du hast dir mit deinen Kräften ein normales Leben erschaffen, weil du die Einsamkeit nicht mehr ertragen konntest, aber es war alles nur Selbsttäuschung. Die Titans gibt es nicht... es hat sie nie gegeben..."
„Das ist nicht wahr!", rief Cyborg laut und stand auf. „Komm her, Raven! Fass mich an! Ich bin real, genauso real wie der Tower oder die Stadt dort draußen!"
„Du hast dich jahrelang selbst belogen, Raven", fuhr das Mädchen fort. „Mit deinen Kräften hast du dir eine Scheinwelt vorgegaukelt und hast sie mit perfekten Freunden gefüllt. Siehst du?"Sie schien selbstzufrieden zu sein, auf eine grimmige Art. „Sie waren viel zu perfekt. Im wirklichen Leben würde ein Ungeheuer wie du keine solchen Freunde finden."
Cyborg wollte etwas sagen, aber es blieb ihm im Hals stecken. Perfekt? Raven dachte, sie wären die perfekten Freunde für sie? „Oh Gott, Rae", seufzte er. Das alles wurde ihm zu viel und er sank auf die Knie. „Warum hast du uns nie gezeigt, was du für uns empfindest?"
„Einen kindischen, nervenden Jungen, über den du dich ärgern, den du aber auch beneiden konntest. Der dich mehr als alles andere lachen sehen wollte. Entstanden aus deinem eigenen Wunsch, selbst ungezwungen und aus tiefstem Herzen lachen zu können", erklärte Raven sich selbst. Ihre Stimme blieb kalt. „Eine naive, von Emotionen überströmende kleine Schwester. Die Art Mädchen, die du selbst so gern gewesen wärst. Entstanden aus deinem Wunsch, nichts von den Schrecken dieses Universums zu wissen und normal leben zu können."
„Ja", murmelte Cyborg. „Das waren Beast Boy und Starfire. Ganz eindeutig."
„Ein großer Bruder", fuhr Raven unbeeindruckt fort, „der mir immer zuhörte, wenn ich ihn brauchte. Der mit mir seine Probleme besprach, wie ich auch mit ihm über meine sprechen konnte. Der gleichzeitig kindisch, aber auch erwachsen war. Entstanden aus meinem Wunsch, mich bei jemandem aussprechen zu können."Sie machte eine kurze Pause. Erschrocken bemerkte Cyborg, dass eine einzelne Träne aus dem Schatten der Kapuze über die Wange herunter rann. „Und ein Beschützer. Jemand, der mir Stärke und Stabilität vermittelte, wenn mich meine Emotionen plagten. Ein Bollwerk meiner Hoffnung, dass ich irgendwann von Trigon loskomme, weil er seine eigene dunkle Vergangenheit überwunden hatte. Entstanden aus meinem Wunsch... nach Erlösung."
„Deswegen hat es dich so schwer getroffen, als Robin verschwunden ist", flüsterte Cyborg unter Tränen. „Seinetwegen hast du dir erlaubt zu hoffen. Und als er ging, stürzte deine Hoffnung ein... und deine kontrollierten Emotionen kamen frei. Angst, Verzweiflung, Wut... du konntest nicht damit fertig werden, nicht wahr?"
„Sie existieren nicht, Raven!", verkündete das Mädchen lauter. „Die Illusionen haben dich schwach gemacht! Und du hast dir selbst geschworen, niemals schwach zu sein! Du darfst nicht schwach sein, weil dein Vater sonst Kontrolle über dich gewinnt! Deshalb ist es auch unmöglich, dass du dich echten Menschen so sehr genähert hast! Weil du keine echten Freunde haben durftest, hast du dir in einem Moment der Schwäche Illusionen von Freunden erschaffen! Jetzt wird es Zeit, sie wieder zu verdrängen und stark zu sein! Du hast deinen Vater unter Kontrolle! Niemand steht dir nahe... darum kann dich auch niemand verletzen!"
„Raven, das ist nicht wahr!", rief Cyborg zum wiederholten Male. „Du bist nicht schwach geworden, nur weil du in einem Team warst. Weißt du noch, als du und Starfire allein gegen uns Jungs gekämpft habt, als wir unter der Kontrolle des Marionettenkönigs standen? Mann, ihr konntet nicht mal eure eigenen Kräfte benutzen und ihr habt es uns allen gezeigt! Ihr habt uns gerettet!"
„All die Abenteuer, die du dir durch deine Wünsche selbst erschaffen hast, haben dich den Illusionen näher gebracht", entgegnete Raven lediglich, wenn auch mit einer etwas weicheren Miene. Sie schien eine schöne Erinnerung zu genießen. „Du hast sie so gestaltet, dass du immer mehr von dir preisgabst und sie dich dennoch nicht zurückstießen."Ihr Gesicht wurde wieder hart. „Kein normaler Mensch würde ein Monster wie dich akzeptieren, geschweige denn lieben. Sieh es endlich ein, sie sind nicht real. Sie waren es nie."
„Doch, das sind wir", widersprach Cyborg. „Sag mir, was ich tun soll, um dir das zu beweisen, Raven... egal, was. Ich werde es tun."
Raven seufzte und zum ersten Mal fanden ihre Augen Kontakt mit den seinen. Und diesesmal lag kein Zorn in ihnen, nur tiefe, tiefe Trauer... und ein unglaublicher Verlust. Cyborg wollte sie in diesem Moment so gerne in die Arme nehmen und ihr beweisen, dass er kein Hirngespinst war, aber er wusste, dass sie ihn wieder zurückstoßen würde, wenn er das tat. Er musste sie mit Worten überzeugen. Nun, das war vermutlich auch nicht schwerer, als schwer beschädigt Gizmo gegenüber zu treten.
„Wieso quälst du mich so?", fragte sie ihn leise. „Wieso erscheinst du weiterhin so hartnäckig? Ich will doch nur endlich aus diesem Traum aufwachen, damit ich wieder stark sein kann."
„Damit du bis an dein Lebensende allein mit deinem Vater ringen kannst", stellte Cyborg ebenso leise fest. „Ist es das wirklich wert, Rae? Das ist doch kein Leben!"
„Es steht viel zu viel auf dem Spiel, als dass ich auf diesem Traum beharren dürfte", flüsterte Raven. Einige Bücher im Regal fingen an zu wackeln. „Egal... wie schön er ist."Ihr Gesicht wurde wieder hart. Eine schwarze Mauer schob sich zwischen sie und Cyborg. Der Junge schlug mit seinen Händen dagegen und rief etwas, aber nichts davon drang zu ihr durch. Raven schwebte höher, bis sie in der Mitte des Raumes war. Ihr makellos weißes Cape schien im Wind zu wehen, auch wenn hier drinnen keiner war.
„Es ist Zeit", gab sie bekannt. „Dieser Ort birgt viel zu viele Erinnerungen an meinen Traum. Wenn ich bleibe, werden meine Halluzinationen niemals weichen."
Bei diesen Worten formte sich hinter ihr dunkle Energie in Gestalt eines riesigen Raben. Raven schwebte weiterhin still, während der Rabe anwuchs und sich über sie legte. Cyborg schrie etwas, aber sie hörte es nicht. Eine Sekunde später verschluckte sie der Rabe mit seiner Dunkelheit und verschwand anschließend selbst. Im selben Moment gab auch die Barriere nach und Cyborg fiel nach vorne. Er starrte geschockt auf den Fleck, an dem Raven noch vor wenigen Augenblicken mit ihm geredet hatte. Wohin war sie verschwunden?
„Raven!", schrie er, obwohl ihm bewusst war, dass er keine Antwort erhalten würde. „Raven, komm zurück! Wir sind real! Du hast NICHT geträumt!"
Weitere Tränen tropften aus Cyborgs Augen, als lediglich die ihm ohrenbetäubend erscheinende Stille antwortete. Er schlug mit der Faust auf Ravens Polster ein, bis ihn die Federn umhüllten, aber nichts konnte seine Wut und Verbitterung, die er fühlte, lindern. Wie hatte es nur so weit kommen können? Warum hatten sie Raven nicht geholfen, als sie noch Gelegenheit dazu gehabt hatten? Warum hatte das Mädchen sie nicht um Hilfe gebeten?
„Warum bist du gegangen, Robin?", fragte Cyborg verbittert. „Du hast Raven auf dem Gewissen!"
Er blieb noch eine Weile liegen, einfach aus sterbender Hoffnung. Vielleicht kam Raven ja zurück, um ihm die Leviten wegen ihres Polsters zu lesen. Oder um ihren magischen Spiegel zu holen. Oder irgendwas anderes! Er hatte ohnehin nichts anderes zu tun. Er konnte Beast Boy nicht helfen und er hatte Raven nicht helfen können. Was machte es also, wenn er einfach hier liegen blieb?
Raven hatte sie geliebt... und sie hatten ihr nicht geholfen. Hatten ihr nicht helfen können, weil sie nichts davon gewusst hatten, wie sehr das Mädchen sie brauchte. Die Eisprinzessin hatte sie mit ihrem Herzen um Hilfe angefleht, aber sie hatten nur auf ihre Worte gehört und sie in Ruhe gelassen. Wahrscheinlich war ihr Wahnsinn eine Art von Schutz gewesen... ein letzter Ausweg, um der Übernahme durch ihren Vater zu entgehen. Sie hatte Angst bekommen, als sie erkannt hatte, dass sie ihre Gefühle nicht mehr bändigen konnte. Und als sich keinen Rat mehr wusste, hatte sie sich selbst überzeugt, dass alles, was sie mit ihnen erlebt hatte, nicht real war. Denn wenn es nie geschehen war, dann hatte sie auch keine Bindung zu ihnen und niemand konnte sie verletzt haben. Woraufhin sie ihre Kräfte wieder unter Kontrolle bekommen hatte. Ihr Vater musste getobt haben, als sie ihm auf diese Weise entschlüpft war.
Ja, jetzt war sie wahrhaftig die weiße Raven... frei von Trigons Einfluss. Aber auch frei von ihrem Einfluss, vom Einfluss ihrer Freunde. Sie hatten sie verloren.
Cyborg setzte sich auf, als er unten die Tür hörte.
„He, Cy", rief Beast Boy. Seine Stimme klang ziemlich erschöpft. „Wo bist du? Ich könnte jetzt was zu essen gebrauchen. Jinx und Gizmo waren ganz schön sauer, sag ich dir..."
Cyborg fühlte sich sehr schwer, als er aufstand. Wie sollte er Beast Boy das nur erklären, ohne dass der Gestaltwandler seinen letzten Mut verlor? Er hatte Raven sehr gern gehabt, auf seine eigene Art. Wieder ein harter Schicksalsschlag. Anscheinend hatten die Titans die in letzter Zeit abonniert.
Beast Boy schrie auf, als er von der Mauer abprallte. Sein Brustkorb schien in Flammen zu stehen und die rechte Hälfte seines Gesichts war taub. Auch seine Gliedmaßen, mit denen er sich wieder hoch stemmte, waren ziemlich wackelig. Er biss die Zähne zusammen. Er durfte sich jetzt nicht unterkriegen lassen, er durfte nicht...
„Was ist denn los? Machst du nach diesem kleinen Schlag schon schlapp?", hörte er die triumphierende Stimme Overloads hinter sich. Er verzog das Gesicht. Er wusste nicht sicher, wie das Elementarmonster aus seinem Gummigefängnis entkommen war, aber er hatte eine ziemlich gute Ahnung, wer ihm geholfen hatte. Offenbar hatte Slade Robin noch immer nicht finden können. Weil der sich nicht blicken ließ.
Ob er schlapp machte? Lieber wollte er noch mal Starfires Überraschungspudding essen! Aber er musste zugeben, dass er nicht mehr ganz auf der Höhe war... wem wollte er eigentlich etwas vormachen? Er war am Ende. Seit guten zwei Wochen waren kaum zwei Tage vergangen, ohne dass ein weiterer Superschurke die Stadt angegriffen hatte. Er hatte es nicht einmal mit der Hälfte aufnehmen können, aber das Schlimmste war, dass sie nichts Gravierendes angerichtet hatten. Vermutlich hatte Slade darauf bestanden, dass sie sich wieder zurückzogen, wenn Robin nicht auftauchte. Er wollte den Jungen mit allen Mitteln hervorlocken.
Aber der ehemalige Titan-Leader hatte sich nicht blicken lassen. Egal, ob Cinderblock aufgetaucht war, H.I.V.E. gemeinsam oder einzeln angegriffen hatte oder wie jetzt Overload Präsenz zeigte... nichts. Beast Boy war nahe daran zu vermuten, dass Robin die Stadt verlassen hatte, aber er hatte gesagt, er wolle Slade allein bekämpfen... und er log in solchen Dingen nicht. Er MUSSTE noch hier sein! Aber wieso ließ er ihn dann allein kämpfen?
„Wie öde", ließ Overload mit seiner knisternden Stimme ertönen. „Ich hätte dich schon letztes Mal töten sollen."
„Aber Slade hat dich zurückgehalten, wie?", fragte Beast Boy mit der Andeutung eines Lächelns. Wenigstens verunsichern konnte er den Drecksack ja, wenn schon nicht mehr viel mehr. Aber Overload wirkte nicht überrascht. Dafür Beast Boy umso mehr, als er eine wohl bekannte Stimme hinter ihm hörte.
„Sehr richtig, kleiner Grünling", drang Slades überhebliche Stimme an sein Ohr. Als der Kopf des Angesprochenen herum ruckte, sah er tatsächlich die Gestalt ihres Erzfeindes, der mit hinter dem Rücken verschränkten Armen verachtend auf ihn herabsah. Beast Boy bleckte die Zähne. Slade hatte etwas an sich, dass Instinkte in ihm weckte, die er nicht in sich vermutet hätte. Aber es war sinnlos. Er war zu ausgepowert, um mit dem bösen Superhirn mithalten zu können und gleichzeitig Overload auszuweichen. Und dieses wusste das natürlich.
„Lange nicht gesehen, Slade."Er versuchte, lässig zu klingen, aber irgendwie gelang es ihm nicht so richtig. „Wir haben uns schon Sorgen um Sie gemacht."
„Tatsächlich?", wollte der Erzschurke spöttisch wissen. „Und euer Team hat sich nur in alle Himmelsrichtungen verstreut, um mich zu suchen, oder? Ich bin gerührt."
„Wundert mich, dass Sie sich überhaupt noch aus ihrer Höhle trauen", knurrte der Gestaltwandler und ging in die Hocke, um Kraft zu sparen. „Wissen Sie nicht, dass Robin schon die ganze Zeit Jagd auf sie macht?"
„Natürlich", teilte ihm Slade gelassen mit. „Was glaubst du, warum ich all diese Übungskämpfe hier veranstaltet habe? Ich dachte, wenn du genug in Bedrängnis kommst, würde mein Schüler irgendwann auftauchen und dich retten. Aber ich habe mich geirrt." Seltsamerweise schien ihn das nicht zu ärgern. Er wirkte vielmehr... zufrieden. „Robin ist kaltblütiger, als ich dachte."
„Wieso gehen Sie überhaupt das Risiko ein, hier aufzutauchen?", wollte Beast Boy wissen. „Immerhin könnte er hier in der Nähe zu sein. Haben Sie keine Angst, dass er Sie hier erledigt?"
„Wieso sollte ich?", stellte Slade als Gegenfrage und legte den Kopf schief. „Selbstverständlich wird die Gegend von meinen Robotern kontrolliert. Fünfzig von ihnen sind hier versteckt und warten nur darauf, ihn gefangen zu nehmen."
„Fünfzig? Sie enttäuschen mich, Slade. Halten Sie wirklich so wenig von mir?"
Sowohl Beast Boys als auch Slades Kopf ruckten abrupt zu Overload herum, hinter dem die Stimme zu hören gewesen war. Dieser allerdings war nicht schnell genug, um sich herumzudrehen, bevor ihn ein wohl bekannter Kampfstab in der Bauchgegend durchbohrte. Seltsamerweise jedoch machte das seinem Eigentümer nicht das Geringste aus – im Gegenteil. Overload stieß einen zischenden Laut aus und ruderte wild mit den Armen, während er immer kleiner und kleiner wurde und schließlich nur noch matt leuchtend zur Erde stürzte. Fast seine gesamte Energie war fort... aufgesaugt von Robins Kampfstock, den dieser lässig in seiner Hand schwang. Sein Blick war unverwandt auf Slade gerichtet.
„Robin! Verdammt, Mann, wo bist du gewesen?", rief Beast Boy mit einer Mischung aus Zorn und Erleichterung in der Stimme.
„Robin", wiederholte Slade zufrieden. „Wie ich sehe, hast du dich gut auf unser kleines Treffen vorbereitet. Ich hätte erwartet, dass dir Overload etwas mehr entgegen zu setzen hat."
„Falsch gedacht", entgegnete der Junge und machte einen Schritt auf seine Nemesis zu. „Wollen Sie nicht Ihre Roboter rufen?"
„Schon erledigt, Robin", teilte ihm der Gauner süffisant mit und wies auf die Dächer, auf denen sich wie auf Kommando fünfzig Roboter erhoben. „Ich denke, es wird sehr interessant werden, dabei zuzusehen, wie du es mit all diesen Gegnern aufnehmen willst. Dein kleiner Freund wird dir dabei nicht helfen können, denke ich. Wenn er sich bewegt, töte ich ihn. Verstanden?"
„Wollen Sie mich zu Tode reden, Slade?", fragte Robin ungeduldig und schwang den Stab um seinen Körper herum. „Schicken Sie endlich Ihre Plastiksoldaten her oder ich hole sie selbst!"
„Robin, bist du verrückt?", rief Beast Boy. „Das sind fünfzig! Egal, wie sehr du trainiert hast, das sind selbst für dich zu viel!"
Bei diesen Worten waren jedoch schon das erste halbe Dutzend Roboter mitten im Sprung zu Boden. Der erste schaffte nicht einmal das völlig, bevor ihn der Kampfstab im Rumpf traf und er bewegungsunfähig nach hinten fiel. Kleine Blitze umspielten seinen Metallkörper. Zwei weitere verloren ihre Köpfe, als Robin mit beiden Füßen nach hinten ausschlug und mit einem Rückwärtssalto wieder auf den Beinen landete. Der vierte versuchte, Robin im Gesicht zu treffen, dieser blockte jedoch mit dem Kampfstab und der Roboter fiel zitternd zu Boden. Den fünften begrüßte Robin, indem er den Stab in die Straße rammte, seinen Körper hoch schwang und den Gegner in der Bauchgegend traf. Noch während er nach hinten fiel, traf Robins Fuß abermals, diesmal allerdings den Kopf. Der letzte Roboter wurde von zwei von Robins Mini-Bomben in Stücke gerissen.
Beast Boy war geschockt. Offenbar hatte Robin sein Material stark verbessert, seit er sie verlassen hatte. Er hatte die sechs Gegner völlig ohne Mühe besiegt. Und offenbar hatte sein Stab noch immer die größte Menge von Overloads Energie gespeichert. Konnte er es vielleicht doch mit all den Robotern aufnehmen?
„Beeindruckend", stellte Slade fest, diesmal allerdings nicht ganz so gelassen wie vorher, wie Beast Boy schien. „Vielleicht habe ich dich tatsächlich unterschätzt, Robin. Du verdienst wahrhaftig eine Armee, die deiner würdig ist. Du sollst sie bekommen."
Als er einen Knopf auf seinem Arm drückte, griffen alle restlichen Roboter gleichzeitig an. Noch während sie sprangen, grinste Robin, hielt seinen Kampfstab in die Höhe und drückte ebenfalls einen Knopf. Die Wirkung dieses Knopfs war allerdings weitaus verheerender. Aus dem oberen Ende des Stabs schoss ein blendend weißer Blitz, der wild gezackt durch die Luft schoss und Beast Boy die Sicht nahm. Als der Junge nach einigem Blinzeln wieder sehen konnte, klappte seine Kinnlade nach unten. Offenbar war der Blitz so stark gewesen, dass er von Roboter zu Roboter weitergesprungen war und zwei Drittel der Arme so ausgeschaltet hatte. Auch die anderen schienen nicht ganz ungeschoren davongekommen zu sein, denn Robin hatte bereits einige weitere ausgeschaltet und befasste sich gerade mit den letzten sieben.
Einem wurde gerade der nun entladene Kampfstab in den Kopf gerammt, während Robin gleichzeitig nach den Beinen eines anderen trat. Der fallende Roboter fiel einem anderen in den Weg, welcher somit nicht nach Robin greifen konnte. Dieser sprang auf den Kopf des liegenden Roboters, zerdrückte ihn dadurch und sprang über den überraschten anderen hinweg, welchen gleich darauf mehrere Laser seiner vier verbliebenen Kameraden trafen. Robin ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und warf einige seiner Bomben, welche zwei weitere Roboter ausschalteten. Dann sprang er hinter dem getroffenen Schutzschild hervor, wirbelte seinen Kampfstab vor sich herum, um die Schüsse der zwei verbliebenen Roboter abzuwehren und kickten denen einen mit voller Wucht in den Hals, nachdem er seinen Stab gegen den anderen geschleudert hatte. Dieser konnte zwar ausweichen, aber da war Robin auch bereits weitergesprungen und versenkte seine Faust im Brustkorb des Roboters. Er sah ihm beim Fallen zu, dann drehte er sich um.
„Wo ist Slade?"
Beast Boy blinzelte und sah sich um. Der Superschurke war tatsächlich schon wieder abgehauen.
„Keine Ahnung", entgegnete er etwas kläglich.
Robin schnaubte, ging einige Schritte weit und hob seinen Kampfstab auf. Er ließ ihn wieder zusammenklappen und steckte ihn ein. Dann sah er Beast Boy prüfend an. Beide sagten einige Momente lang kein Wort. Robin seufzte.
„Du bist verletzt. Komm mit."
Beast Boy hatte die Bathöhle nie gesehen, aber Robins Unterschlupf schien ihm auf jeden Fall ein geeigneter Ersatz dafür zu sein. Zwar war er nicht groß, aber er enthielt offenbar von einer eigenen kleinen Apotheke über ein Computerzentrum bis zur großzügig ausgestatteten Küche alles, was der Verbrecherjäger sich wünschen konnte. Robin hatte tatsächlich viel Planung in seine Höhle gesteckt.
Im Moment saß der Wunderjunge in seinem Stuhl am Computer und sah sich die Bilder des Kampfes noch einmal an. Beast Boy kannte sie zwar schon, aber sie sahen auch beim zweiten Mal noch ungeheuer beeindruckend aus. Robin hatte ihn hergebracht und sich dann nahezu wortlos um die Wunden seines ehemaligen Teamkameraden gekümmert. Der grüne Junge fühlte sich auch tatsächlich schon etwas besser, auch wenn ihn Robins kalte Art etwas abstieß. Verdammt noch mal, sie hatten sich heute seit so langer Zeit wiedergesehen und der Wunderjunge hatte ihm gar nichts zu sagen?
„Geht's dir besser?", stieß Robins monotone Stimme mitten durch seine Gedanken und ließ ihn zusammenzucken.
„Ja, etwas", entgegnete Beast Boy frostig. „Was siehst du dir an? Suchst du wieder mal nach Fehlern? Weil Slade entkommen ist?"
Als Robin keine Antwort gab, stieß Beast Boy ein angewidertes Schnauben aus.
„Kapierst du nicht, dass er wahrscheinlich sofort verschwunden ist, nachdem du dein Gewitter gezündet hast? Er sieht sich den Kampf wahrscheinlich genau in diesem Moment so wie du an und murmelt zufrieden vor sich hin."
„... Wahrscheinlich."
„Und mehr hast du nicht zu sagen?", schrie Beast Boy seinen Frust heraus und spannte seine Muskeln an. Gegen den Kerl war Raven eine Tratschtante! „Zum Teufel, weißt du eigentlich, wie's bei uns gelaufen ist, seit du weg bist? Hast du überhaupt eine Ahnung davon, warum ich seit Wochen allein auf Streife bin?"
„Wenn du hier herumschreien willst, dann tu das bitte draußen", stellte Robin kalt fest. „Ich habe dich versorgt. Du kannst jederzeit gehen."
„Du WILLST es nicht verstehen", knurrte Beast Boy etwas ruhiger. „Du denkst vielleicht, du tust das Richtige, aber in Wirklichkeit hast du uns viel mehr geschadet, als Slade es je hätte tun können. Mir weniger, aber vor allem Cy und Raven."
Das brachte Robin einige Sekunden lang zum Verstummen. Nichts regte sich, während Beast Boy auf eine Antwort wartete, außer den Computerbildern des Kampfes.
„Wie geht es ihnen?"Diesmal klang Robins Stimme ein klein wenig verwundbar.
„Hast du etwa ein schlechtes Gewissen?", fragte Beast Boy gehässig. „Aber bitte, ich werd's dir sagen: Cyborg ist KAPUTT! Ja, irreparabel beschädigt, nicht mal die JLA konnte ihm helfen! Weißt du, wie's ihm geht? Er verrottet im Tower! Er hält sich für nutzlos und konnte bis jetzt nichts finden, das ihm helfen kann! Aber ich schätze, das kannst du nicht nachempfinden, wie es ist, noch laufen, aber seinen Freunden draußen nicht mehr helfen zu können. Und Raven? Ah, ja, unsere liebe Raven hat's sogar noch härter getroffen als Cy! Als wir sie zuletzt gesehen haben, hat sie unser aller Existenz geleugnet, Robin! Sie hat sich selbst eingeredet, dass wir nicht existieren, weil sie ihre Gefühle nicht mehr unter Kontrolle gekriegt hat! Wir haben bis jetzt nicht rausgekriegt, wo sie hin verschwunden ist."
„Du weißt, warum ich das getan habe, Beast Boy."
„Ja, ja, um uns zu schützen, ich weiß", höhnte der Gestaltwandler bitter. „Aber frag dich doch selbst: Hätte uns Slade wirklich härter treffen können als dein Abgang? Raven hat alles Glück, das sie bei uns gefunden hatte, aufgegeben und Cyborg wird den Tower vielleicht nie wieder verlassen können. Hast du ihnen das gewünscht?"
„... Es dauert nicht mehr lange."
„Wie war das?" Beast Boy spitzte die Ohren. „WAS hast du da gesagt?"
„Slade ist aus seinem Versteck", teilte ihm Robin mit. „Er weiß jetzt, was ich drauf habe. Ich werde von nun an jedesmal, wenn ich mich zeige, eine Herausforderung an ihn hinterlassen. Und wenn er sich stellt, wandert er für immer hinter Gitter."
„Glaubst du denn wirklich, Slade stellt sich?"
„Ja", antwortete Robin und presste die Zähne zusammen. „Er wird unfair kämpfen und jede Menge Tricks einsetzen, aber er WIRD gegen mich kämpfen, weil er nicht von seinem SCHÜLER gedemütigt werden darf! Und dieser Kampf wird bald stattfinden... sehr bald."
„Ich wiederhole: Du kapierst nichts!"Beast Boy schüttelte den Kopf. „Die Titans sind tot, Robin. Du hast sie auf dem Gewissen."
„Die Titans sind nicht tot..."
„Oh doch, das sind sie", brüllte Beast Boy so laut er konnte. „Cyborg ist ein Gefangener im eigenen Zuhause! Raven wird dich nicht einmal eines Blickes würdigen, wenn du sie überhaupt findest! Und ich..."Jetzt wurde seine Stimme auf einmal leise. „... ich kann nicht mehr. Bis jetzt hatte ich noch die ganz leise Hoffnung, dass du Vernunft annehmen würdest, wenn ich dich finde und mit dir rede. Wenn du dich entschuldigt hättest, dann vielleicht, nur vielleicht... hätten wir in den Tower gehen, gemeinsam Rae suchen und versuchen können, Cyborg zu reparieren. Vielleicht. Aber jetzt ist Schluss! Ich kündige, Robin! Ich hab zu viel durchgemacht, und wofür? Damit du deine „Lone-Rider-Nummer"durchziehen konntest!"Damit drehte er sich um.
„Beast Boy, warte!"
„Nein!", unterbrach er seinen ehemaligen Anführer. „Du hast's zu weit getrieben, Robin. Wir alle haben den möglichen Tod akzeptiert, als wir uns den Titans angeschlossen haben. Was wir NICHT akzeptiert haben, ist ein Anführer, der sich seinen Pflichten entzieht. Wir hätten dich gebraucht, Robin, vielleicht sogar noch mehr als Starfire. Aber du hast's versaut. Meinetwegen könnt ihr, du und Slade, euch gegenseitig bis in alle Ewigkeit jagen. Ich verschwinde. Auf Nimmerwiedersehen."
Damit wurde er zum Wolf und jagte aus dem Raum.
Robin starrte noch lange auf die Tür, durch die sein Freund verschwunden war. Wieso, dachte er bei sich. Wieso kann ich nie das Richtige tun, selbst wenn ich meine Freunde schützen will? Begreifen sie denn nicht, dass ich sie jeden Tag hier draußen vermisst habe? Jeden einzelnen Tag? Was soll ich nur tun?
Dann drehte er sich wieder zum Bildschirm um. Weitermachen, sagte er sich selbst. Er konnte Slade nicht mehr entkommen lassen. Nicht nach all diesen Opfern. Er würde seinen Erzfeind stellen und ein für alle Mal besiegen. Dann... ja, dann würde er sich entschuldigen. Er würde alles tun, um seine Freunde wieder zu versöhnen. Er würde helfen, Cyborg zu reparieren. Er würde Beast Boy um Verzeihung bitten, dass er ihn allein hatte kämpfen lassen und seine Fehler zugeben. Und er würde Tag und Nacht mit Raven verbringen und sie an ihre schönen Zeiten erinnern, bis sie wieder zu ihnen zurückkam. Er würde ihr all die Liebe schenken, die sie brauchte. Seine Lippen zitterten kurz. Nicht, dass er sonst noch Verwendung für dieses Gefühl hatte.
Sein Blick fiel auf ein altes Foto, dass eingerahmt neben der Tastatur des Riesencomputers stand. Eine noch immer wunderschön lächelnde Starfire stand neben ihm und hatte die Arme um ihn geschlungen. Es war ihr erster Tag auf der Shopping Mall gewesen und sie hatte sich unglaublich über die kleinen Geschenke gefreut, die er ihr gekauft hatte. Wenn sie noch hier wäre, dann wäre er niemals gegangen. Das hätte er nicht fertig gebracht, nicht einmal wegen Slade. Er setzte sich und sah das Bild an.
„Wenigstens musst du nicht mitansehen, wie das Team auseinander fällt", sprach er leise und bitter, während er die Wange des Mädchens auf dem Foto zärtlich mit dem Finger nachzeichnete. „Wo... wann auch immer du bist... ich hoffe, du erfährst nie, wie hart uns dein Verschwinden getroffen hat. Es war nicht deine Schuld... nur meine."Er setzte kurz aus, während eine Träne unter seiner Maske hervor kroch und über sein steinernes Gesicht lief. „Ich liebe dich, Starfire... vielleicht zu sehr."
Robin saß noch eine halbe Stunde lang vor dem Foto und erinnerte sich an vergangene Zeiten. Dann riss er sich schweren Herzens von diesem perfekten Antlitz los und begann sich auf seinen Kampf mit Slade vorzubereiten. Warp konnte er nicht für seine Tat bestrafen... aber Slade war greifbar. Und er hatte zwar nicht Starfire, aber dafür den Rest der Titans auf dem Gewissen. Er würde bereuen, jemals Robins Weg gekreuzt zu haben. Und das war kein Versprechen... sondern eine Tatsache!
Ein ziemlich besch...eidenes Ende, finde ich. Hätte ich besser hinkriegen können, aber ich bin zu müde und wollte einfach fertig werden. Noch ungefähr zwei Kapitel, dann isses fertig. Wie gefällt's euch bisher?
