Kapitel 2
Jede Nacht eine gute Tat
Nachdem die Kerkertür ins Schloss gefallen war, hatte Snape einen Schallzauber darüber gelegt.
Hermine dachte kurz nach was dies nun für sie bedeutete.
Niemand würde sie hören können.
Egal was Snape nun mit ihr tat.
Sie fühlte sich hilflos wie nie zuvor in ihrem Leben.
Sie wusste, dass er sehr wütend auf sie war. Hinzu kam, dass sie ihm so gut wie alles zutraute.
'Toll Hermine,' dachte sie bei sich, 'er wird körperliche Gewalt anwenden und du hast dich dem auch noch selber ausgesetzt. Hättest du doch nur die Klappe gehalten.'
Sie traute sich kaum zu atmen solche Angst hatte sie.
Ihr Blick war immer noch nach unten gerichtet. Ihre Hände waren inzwischen mit einigen Brandblasen geschmückt.
'Wer weiß, was mir noch bevorsteht...' schoss es ihr durch den Kopf, als sie bemerkte wie Snape durch die Nebentür verschwand und kurz darauf mit einem langen Band in den Händen wieder auftauchte.
'Na super, er wird dich fesseln und dann bestrafen mit...Schlägen...Flüchen...oder...?'
Noch ehe sie diese Visionen zu ende geführt hatte, spürte sie wie er nach ihren Händen griff.
Plötzlich verselbständigten sich ihre Gedanken wieder.
'Vielleicht wird er dich anders bestrafen,' dachte sie plötzlich, 'er hält dich doch ohnehin für eine Hure.'
„Nein!" schrie sie mit einem mal aus Leibeskräften.
Snape, der bereits begonnen hatte ihre verletzten Hände mit dem Verband zu umwickeln, hielt inne und sah sie erstaunt an.
„Das kann nicht weh tun," sagte er verwirrt, „ ich habe den Verband mit einem schmerzstillenden Mittel getränkt."
Hermine bemerkte erst jetzt, dass die Schmerzen der bereits umwickelten Hand merklich nachgelassen hatten.
Sie wurde rot als sie bemerkte dass er langsam begriff, dass sie gedacht hatte er würde ihr Schmerzen zufügen wollen.
„Danke – schon besser..." murmelte sie.
Er hob kurz eine Augenbraue und machte sich daran auch die zweite Hand zu verbinden.
Als er fertig war zog er einen Stuhl aus der ersten Reihe direkt vor sein Pult und forderte sie auf sich zu setzen.
Hermine war ihr Verdacht von vorhin immer noch sehr peinlich.
Sie ließ sich auf den Stuhl sinken und wartete während sie nun ausführlich die verbundenen Hände inspizierte.
Snape hatte sich an sein Pult gesetzt und sagte:"Ich warte..."
Hermine sah kurz zu ihm und erkannte, dass er nicht weitersprechen würde.
'Wie ein Kaninchen vor der Schlange', schoss es ihr durch den Kopf.
Sie versuchte ihre Zunge vom Gaumen zu lösen, die dort plötzlich wie angewachsen schien.
„Ähm, entschuldigen Sie bitte was ich vorhin gesagt habe. Ich wollte nicht..." Sie hatte den Faden verloren. Wie entschuldigte man sich für das was sie gesagt hatte, um Snape gerecht zu werden? Es schien ihr, dass Worte nicht ausreichten. Vielleicht sollte sie sich selbst geißeln um ihn zu besänftigen, dachte sie eingeschüchtert.
„Was?," entfuhr es Snape ungeduldig.
Hermine spürte Verzweiflung.
„Was soll ich tun?" fragte sie jetzt ohne Umschweife.
„Sie sollen mir erklären was Sie eben damit gemeint haben," antwortet ihr Lehrer.
Hermine war verwirrt.
„Ähm, mit dem egoistischen Schwein?"fragte sie vorsichtig.
Ihr Gegenüber rang um seine Beherrschung.
„Nein, Miss Granger. Was Sie damit gemeint haben ist mir schon klar! Ich meine die Sache mit dem Babysitter." Bei dem letzten Satz war seine Stimme leiser geworden. Irgendwie vertraulicher.
„Achso," sagte Hermine erleichtert.
Aber plötzlich wurde ihr bewusst, dass dies ebenso gefährlich und vor allem peinlich war zu erklären. Also schwieg sie wieder.
Snape rückte ein Stück auf seinem Stuhl vor und rieb sich die Stirn als habe er Kopfschmerzen.
„Nun Miss Granger. Mir ist durchaus bewusst, dass ihre Freunde mit jeder Minute die ich Sie hier festhalte, sich mehr in Horrorszenarien verennen was ich hier wohl mit Ihnen anstelle. Also würden Sie es mir bitte erklären, bevor Abgesandte von Askaban vor meiner Türe stehen."
Hermine überlegte ob er wohl gerade einen Scherz gemacht hatte, entschied aber aufgrund seines Blickes, dass er es durchaus für möglich hielt für sein Vorgehen getadelt zu werden - wenn auch 'nur' von Dumbledore.
Sie spürte, dass das nun Kommende unangenehm würde. Aber was an diesem verdammten Tag war bisher nicht unangenehm gewesen?
Plötzlich hörte sie im Geiste wieder die Slytherins lachen. Augenblicklich spürte sie Wut in sich aufsteigen.
'Soll er doch Kopfschmerzen haben. Soll er doch nach Askaban gebracht werden. Soll er doch in Ausübung seiner Spionagetätigkeit grausam gefoltert werden...'
„Sie haben mir Dinge unterstellt die ungeheuerlich sind..." schoss es aus ihrem Mund.
Snape war aufgrund dieses Themenwechsels ein wenig irritiert.
Dann dämmerte es ihm.
Ein kurzes Grinsen zuckte um seinen Mundwinkel.
Hermine, die es bemerkt hatte wurde zornesrot.
„Sie lachen auch noch darüber. Dabei habe ich gedacht, so einer wie Sie kann gar nicht lachen!"
Snape wurde augenblicklich ernst.
„So einer wie ich?" fragte er nun wieder gefährlich leise.
Hermine schloss kurz die Augen.
Sie hatte es schon wieder getan. Vielleicht sollte sie aufhören ihn zu beleidigen, wenn sie hier einigermassen heil herauskommen wollte.
„Sie haben mich hingestellt wie eine...eine..." Hermine konnte nicht weitersprechen, sie spürte zu ihrem eigenen Entsetzen wie sich Tränen ihren Weg bahnten und versuchte sie wegzuwischen ehe er sie sah.
Snape seufzte.
Abermals reichte er ihr ein Taschentuch. Er schien einen großen Vorrat zu haben. Dabei war er eigentlich nicht gerade als Tröster der Witwen und Waisen bekannt.
Sie ärgerte sich über ihn, aber am meisten über sich selbst. Also riss sie ihm das Taschentuch mit einem Ruck aus der Hand und schneuzte sich geräuschvoll.
„Fertig jetzt?" fragte er genervt.
„Hm," machte Hermine.
„Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich so etwas von Ihnen denke, Hermine."
Sie sah ihn erstaunt an. Er hatte sie beim Vornamen genannt.
Dann kochte ihre Wut wieder hoch.
„Aber die anderen denken das jetzt, weil Sie sie darauf gebracht haben. Sie haben doch gehört wie Ihre Slytherins gelacht haben." In die Worte 'ihre Slytherins' hatte sie soviel Verachtung gelegt wie ihr möglich war.
Wieder dieses Grinsen.
„Nun, da hat Ihr makelloser Ruf wohl etwas gelitten, nicht wahr?" fragte er süffisant.
„Aber Miss Granger, Sie können mir glauben, dass Ihnen das wirklich keiner zutraut."
Was meinte er denn damit schon wieder? fragte sich Hermine im Stillen.
„Ein bisschen Spott hat noch keinem geschadet," sagte er abweisend.
„Na, da haben Sie ja Erfahrung," sagte Hermine leise und hoffte im selben Augenblick dass er es nicht gehört hatte.
Wenn er es hatte, so ließ er es sich nicht anmerken.
„Ich höre schon die Dementoren..." versuchte er noch einmal auf das eigentliche Thema zurückzukommen.
„Wir haben nicht mehr viel Zeit Miss Granger. Hätten Sie jetzt bitte die Güte mir die Geschichte mit dem Babysitten zu erklären. Um welches 'Baby' handelt es sich denn?"
Hermine schluckte.
„Tja, eigentlich ist es kein Baby...eher..."
„Ja?" forderte der Professor.
Hermine überlegte und entschied dann, dass Angriff die beste Verteidigung ist.
„Sie!"sagte sie laut und deutlich.
Die Schülerin konnte praktisch sehen, wie sich ein Fragezeichen über dem Kopf ihres Lehrers bildete.
„Ich?" fragte er genauso einsilbig zurück.
Hermine erkannte, dass nun alles ans Licht kommen würde, obwohl sie gehofft hatte, dass sie alles was letzte Nacht geschehen war vergessen könnte und gewiss nicht mit ihrem Lehrer darüber sprechen wollte.
Snape schien nun verunsichert, was eine interessante Erfahrung für seine Schülerin war.
„Bitte von Anfang an," befahl er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Hermine erkannte darin aber auch eine Spur von 'Augen zu und durch'.
Sie räusperte sich kurz, dann begann sie zu erzählen:
„Gestern abend, als ich meine Schultasche auspackte, fiel mir auf, dass mein Muggelkundebuch nicht mehr da war. Es war das letzte Fach gewesen das ich hatte und ich ging in Gedanken durch, wo ich es liegen gelassen haben konnte.
Nachdem ich alles erfolglos abgesucht hatte, musste ich aufgeben, weil es Zeit zum Schlafen war. Später jedoch, als ich im Bett lag – naja, genaugenommen mitten in der Nacht, fiel mir auf einmal ein, dass ich es auf der Mädchentoilette im unteren Stockwerk auf die Ablage über dem Waschbecken gelegt hatte. Ich weiss nicht ob es Ihnen auch so geht, aber manchmal erwache ich und solche Dinge gehen mir durch den Kopf.
Dann konnte ich nicht mehr schlafen, bevor ich mich davon überzeugt hatte, dass es tatsächlich dort lag. Ich wollte nicht erst warten bis morgens. Vielleicht hätte dann auch schon jemand anderes das Buch gefunden. So war ich mir ziemlich sicher dass es noch dort liegen würde, denn nach dem Unterricht geht dort kaum jemand auf Toilette.
Gut das interessiert Sie nicht," sagte sie, als sie Snapes genervten Gesichtsausdruck sah.
„Also egal, ich bin jedenfalls aus dem Turm geschlichen um mir das Buch zu holen und wollte dann sofort zurück ins Bett, schliesslich brauche ich meinen Schlaf..." sagte sie und sah ihn durchdringend an.
Snape, etwas irritiert durch diesen Blick, forderte sie auf weiterzuerzählen.
„Ich hatte es tatsächlich dort liegenlassen und war gerade auf meinem Rückweg, als ich ein Geräusch hörte.
Es waren Schritte. Sehr leise nur, aber deutlich zu erkennen. Natürlich hatte ich mir schon die Erklärung für mein nächtliches Herumschleichen zurechtgelegt. Schliesslich hatte ich einen guten Grund für meinen Ausflug. Wie erwartet standen Sie auf einmal vor mir. Ich weiss ja, dass Sie und Mr. Filch nachts die Gänge inspizieren.
Gerade wollte ich zu einer Erklärung ansetzen, als ich erkannte, dass Sie ....," Hermine wurde nun feuerrot.
„Äh, ja , also...ich merkte halt, dass Sie eigentlich nicht wach waren."
„Wie bitte?" entfuhr es Snape.
„Sie schlafwandelten – Sir,"fügte sie rasch hinzu, damit es nicht ganz so respektlos klang.
„Das kann nicht sein!"schrie er.
Hermine zuckte zusammen.
Er war aufgesprungen und funkelte sie böse an.
„Ich habe....verdammt...ich habe es gestern vergessen..."sprach er offensichtlich mit sich selbst und setzte sich langsam wieder auf seinen Stuhl.
„Aber das kann nicht sein...nein...oh nein..." er stützte den Kopf in seine Hände.
Hermine hatte mit viel gerechnet, aber sicher nicht damit, dass ihr verhasster Lehrer nun wie ein Häufchen Elend vor ihr saß und Selbstgespräche führte.
Sie räusperte sich.
Er hob seinen Kopf und sah gequält aus, als er zu einer Erklärung ansetzte.
„Ich weiß seit einiger Zeit, dass ich wohl schlafwandeln muss. Ich habe es an Dingen in meinen Privaträumen erkannt, zu dem sonst niemand Zutritt hat.
Nur ich konnte diese Dinge verändert haben. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich auch durch das Schloss wandle.
Um kein Risiko einzugehen habe ich die Tür zu meinen Räumen immer magisch verschlossen. Offensichtlich keine gute Methode, da ich wohl auch im Schlaf die Fähigkeit habe den Gegenzauber zu sprechen. Oh Gott. Wenn das bekannt wird..."
Hermine konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Jaja, ein bißchen Spott hat noch keinem geschadet," zitierte sie ihn.
Er blickte sie zornig an.
„Miss Granger, es geht hier nicht um Kindereien. Wie Sie als eine der wenigen (lol) wissen, arbeite ich für Professor Dumbledore als Spion bei Lord Voldemort. Glauben Sie unsere Unternehmung ist noch einen Pfifferling wert, wenn die Todesser herausbekommen, dass einer von ihnen zeitweise keine Kontrolle über sein Handeln hat?"
Nun schwieg Hermine betreten.
Er hatte Recht. Es war mehr als nur gefährlich. Für ihn stellte sein Schlafwandeln eine echte Lebensgefahr dar.
Aber Hermine war ratlos.
„Sie müssen mit Professor Dumbledore sprechen," sagte sie dann.
„Ja," sagte Snape leise und diesmal ohne gefährlichen Unterton, „das muss ich wohl."
Die Tatsache dass ich schlafwandle erklärt aber noch nicht Ihren Schlafmangel Miss Granger," sagte er nun und Hermine fand, dass seine Stimme ein wenig belegt klang.
Hermine war unwohl, aber er hatte natürlich Recht. Sie musste ihm deshalb den Rest auch noch erzählen
„Nun," begann sie erneut,
„ich wollte mich eigentlich schnell aus dem Staub machen als Sie nicht auf mich reagierten. Aber dann habe ich gesehen dass Sie in Richtung Eingangstür unterwegs waren. Da bin ich Ihnen gefolgt."
Snape sah sie erstaunt an. Er hatte die Befürchtung dass es noch schlimmer kam. Und so kam es auch.
„Sie gingen direkt in den verbotenen Wald."
„Und Sie sind mir gefolgt?"fragte er ungläubig.
Hermine setzte eine beleidigte Miene auf.
„Na was hätte ich denn sonst machen können.? Man darf einen Schlafwandler ja bekanntlich nicht wecken. Der könnte einen Schock kriegen. Aber ich konnte Sie doch nicht so allein da im Wald rumrennen lassen. Also hab ich geguckt dass Ihnen nichts....passiert" schloss sie schwach.
Sein Gesichtsausdruck war ihr völlig neu. „So sieht Snape also aus wenn ihm etwas peinlich ist," schoss es ihr durch den Kopf.
Der Lehrer rang um Kontrolle.
„Was wäre mir denn passiert," fragte er immer noch etwas beklommen.
Hermine wandt sich.
„Nun ja, da waren ein paar Gnome die sich auf Sie stürzen wollten, aber mit denen bin ich ganz gut fertig geworden. Und einmal wären Sie fast in eine Schlucht gestürzt, aber ich habe Sie in eine andere Richtung gedreht, das hat auch ganz gut geklappt."
Snape legte die Hand vor seine Augen und schien etwas zu murmeln. Dann sah er wieder auf und fragte bestimmt:"Wann bin ich denn wieder ins Schloss zurückgekehrt?"
„Tja, das war so um die Zeit als es zu dämmern anfing."
„Nun," sagte er und räusperte sich. „Das erklärt in der Tat warum Sie so müde sind."
Ein paar Sekunden vergingen und jeder hing seinen Gedanken nach.
„Miss Granger," sagte er dann wieder mit unnachgiebiger Stimme,
„Diese Sache bleibt unter uns, ist das klar? Ich kann mir schon denken wieviel Freude es Ihnen bereiten würde Ihren Freuden von meiner kleinen Schwäche zu berichten. Aber ich werde Sie von der Schule werfen lassen wenn mir jemals zu Ohren kommen sollte, dass Sie etwas erzählt haben."
Er hatte sich also wieder aufs Drohen verlegt.
Hermine war enttäuscht und verwirrt.
Dieser Mann war unmöglich.
Sie hatte sich die Nacht für ihn um die Ohren geschlagen und statt sich zu bedanken drohte er ihr!
„Gehen sie jetzt!"sagte er noch sehr kühl.
Hermine erhob sich und ging langsam zur Tür.
Sie hatte sie schon geöffnet und war auf dem Weg nach draußen als sie sich noch einmal zu ihm umdrehte:
"Ach Professor Snape, eins noch...ich denke Sie sollten ab jetzt lieber nicht mehr nackt schlafen." Damit schloss sie die Tür und war verschwunden.
„Gottverdammte Scheiße..."murmelte Snape.
TBC
