Kapitel 6

Aller Anfang ist schwer

Ron und Harry gingen durch die Große Halle und grübelten zusammen über den Verbleib von Hermine.

„Wir müssen Poppy fragen," sagte Harry bestimmt.

Ron sah ihn von der Seite an.

„Meinst du nicht auch die wundert sich ein bißchen wenn wir ihr erzählen, dass wir gar nicht mehr an Hermine gedacht haben als wir vom See zum Schloss zurück gingen."

Harry war entrüstet:

Du hast vielleicht nicht mehr an sie gedacht. Du hast ja jetzt nur noch Emilie im Kopf. Ich habe schon an sie gedacht, aber ich glaubte sie wär schon zum Schloss zurück ohne sich zu verabschieden. Ich glaub sie war sauer auf mich," fügte er hinzu und ärgerte sich gleichzeitig weil er eigentlich Ron nicht erzählen wollte, welche Idee er gestern gehabt hatte. Im Nachhinein fand er sie auch gar nicht so gut.

Nicht dass er plötzlich Gewissensbisse Snape gegenüber gehabt hätte. Vielmehr war es wirklich gemein gewesen so etwas von Hermine zu verlangen. Wer weiß, vielleicht hätte Snape eine Mund- zu-Mund-Beatmung bei ihr durchgeführt. Oh Gott wie eklig!

Ron schien Harrys letzte Bemerkung ohnehin nicht mitbekommen zu haben.

In dem Moment als Harry den Namen Emilie erwähnt hatte war Rons Blick glasig geworden und vor seinem Auge spielten sich offensichtlich die romantischsten Tagträume ab.

„Ich halte dass nicht mehr aus," sagte Harry.

Ron, der es auf sich bezogen hatte schaute schuldbewußt zu seinem Freund.

Dieser jedoch fügte hinzu:

„ich muss jetzt sofort wissen was mit ihr ist. Schließlich hat Ginny gesagt dass sie letzte Nacht nicht im Schlafraum war."

Ron versuchte sein Hirn dazu anzutreiben an etwas anderes als Emilie zu denken.

„Ja, hat Ginny denn nicht Professor McGonagall informiert?"

Harry sah Ron nun mit mildem Tadel an.

„Sag mal Ron, hörst du deiner Schwester eigentlich auch manchmal zu?

Sie hat sie natürlich informiert, aber Professor McGonagall hat nur gesagt, sie müsse sich keine Gedanken machen. Hermine sei für ein paar Tage nicht abkömmlich aber es gehe ihr soweit gut."

„Hm" machte Ron da ihm nichts dazu einfiel.

„Glaubst du Professor McGonagall würde uns mehr sagen? Schließlich sind wir Hermines Freunde."

„Weiß nich..." gab Ron unbestimmt zurück.

Harry verdrehte die Augen.

Im gleichen Moment sah er Madam Pomfrey die Treppe hinunterkommen.

„Hey, so ein Glück. Wir brauchen nicht mal zum Krankenflügel zu gehen. Da kommt Poppy ja," rief Harry begeistert.

Ron ließ sich mit ihm ziehen.

Madam Pomfrey schien etwas erstaunt, am frühen morgen derart bestürmt zu werden.

„Entschuldigung, wir hätten da mal eine Frage..."begann Harry etwas atemlos.

„Wissen Sie was mit Hermine ist? Ist sie krank? Liegt sie im Krankensaal? Wir würden sie gerne besuchen," sprudelte es aus Harry heraus.

Madam Pomfrey sah irritiert aus.

Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es merkwürdig aussehen würde wenn Hermine krank, aber nicht auf der Krankenstation war.

Hätte sie das doch bloß vorher mit Professor Snape besprochen.

Er wäre sicher nicht begeistert wenn jeder wüsste dass seine Wohnräume nun ein Krankenlager waren.

Außerdem würde er ihr den Kopf abreissen wenn eine Horde Schüler bei ihm auftauchen würde um Hermine einen Krankenbesuch abzustatten.

„Nein," begann sie zögerlich. „Hermine ist nicht auf der Krankenstation. Sie ist in einem... isolierten Zimmer, weil ähm, sie leider die Windpocken hat. Eine Muggelkrankheit, die sehr ansteckend ist. Deshalb darf auch niemand zu ihr. Aber ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Bald ist sie wieder genesen. Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigt."

Mit diesen Worten trat sie an den beiden vorbei und ging in die entgegengesetzte Richtung, in die sie eigentlich gewollt hatte.

Die beiden würden es schließlich zu schnell herausbekommen wo Hermine sich befand, wenn sie direkt zu den Kerkern ging.

Harry und Ron sahen sich ratlos an.

„Komm wir müssen los," sagte Harry schließlich.

Madam Pomfrey hatte aus den Augenwinkeln beobachtet wie die beiden sich auf den Weg zu ihren Klassenräumen machten.

Schnell durchquerte sie die Halle und ging hinunter zu den Kerkern.

Einen kurzen Moment zögerte sie vor der Tür.

Sie hoffte dass Snape nicht aus Gewohnheit seine Tür magisch verschlossen hatte.

Dann drückte sie vorsichtig die Klinke hinunter.

Die Tür ließ sich öffnen.

Sie trat ein und ging schnurstracks zum Schlafzimmer des Professors.

'Ein merkwürdiges Gefühl so durch seine Räume zu laufen' dachte sie.

Sie klopfte kurz an die Schlafzimmertür und wartete dass Hermine sie hereinbat.

„Wie geht es dir, meine Liebe," fragte sie beschwingt.

Hermine versuchte ein Lächeln:

„Danke, ganz gut. Es ist schön ein freundliches Gesicht zu sehen."

Madam Pomfrey seufzte kurz auf.

„Ich kann mir schon vorstellen wie schwer es für dich sein muss mit Professor Snape zurechtzukommen. Ich wünschte ich könnte Dir eine Alternative bieten."

Hermine spürte nun wie unwohl sie sich fühlte weil sie offensichtlich in Snapes Augen nur eine blöde Schülerin war. Oder vielleicht eine blöde Frau – was die Sache auch nicht besser machte.

„Kann ich nicht heute schon in den Krankenflügel? Oder vielleicht sogar schon zurück in meinen Turm? Mir geht es doch schon viel besser," versuchte es Hermine hoffnungsvoll.

Madam Pomfrey sah nun sehr mitleidig aus als sie sagte:

„Es tut mir wirklich leid, aber es geht dir nur deshalb besser weil du dich hier in diesem kühlen Raum aufhälst. Noch ist es oben erträglich, aber wir haben auch erst acht Uhr morgens. Schon im Laufe des Vormittags wird es unerträglich heiß. Das können wir deinem Kreislauf noch nicht zumuten.

Außerdem kannst du mir glauben, dass wenn du das Jucken deiner Haut jetzt schon als unangenehm empfindest, es oben quälend finden würdest. Zudem kommt der Wasserverlust. Sei froh, hier nicht alles was du an Flüssigkeit zu dir nimmst, gleich wieder auszuschwitzen. Dein Körper braucht dringend Flüssigkeit um sich zu erholen.

Hat Professor Snape dafür gesorgt dass du immer etwas zu trinken hast?"

Hermine hatte gut Lust jetzt ausgiebig gegen ihren Lehrer zu wettern, aber irgendetwas hielt sie davon ab.

„Ja, ja," murmelte sie.

Madam Pomfrey schien nicht an Hermines Worten zu zweifeln."Wir werden dir jetzt erst mal Fieber messen," sagte sie und holte ein Thermometer aus ihrer Tasche. Sie hielt es Hermine hin, die es unter ihren Arm verschwinden ließ.

Madam Pomfrey sah kurz auf die Uhr um die Zeit zu messen.

Dann sagte sie:

„Professor McGonagall hat mich gebeten dafür zu sorgen, dass du ein paar Sachen aus dem Turm gebracht bekommst. Ich werde gleich nach der Untersuchung hinaufgehen und holen was du benötigst."

Hermine überlegte.

Das brachte ihren Plan nun ganz durcheinander.

Sie konnte Poppy ja schlecht bitten den Schlüssel mitzubringen, den sie in ihrem Nachttisch in einer Tamponpackung versteckt hatte.

'Oh, aber klar' schoss es ihr durch den Kopf.

„Ähm, Poppy," begann sie zögerlich.

Die Krankenschwester sah auf.

„Tja, also ich werde wohl heute oder morgen meine Tage bekommen. Könnten Sie mir meine Schachtel Tampons mitbringen? Sie ist in meinem Nachttisch, unter der Unterwäsche."

Madam Pomfrey lächelte gütig.

„Aber natürlich Hermine" erwiderte sie.

Sie zog das Thermometer hervor und sah darauf.

„Wie ich es mir schon dachte, immer noch Fieber. Aber das ist gut so. Wir werden es nicht unterdrücken. Schließlich hilft es dem Körper sich selbst zu wehren. Ich werde dir aber noch etwas von der Salbe dalassen. Du kannst dich doch selbst einreiben, oder? Gestern habe ich das übernommen da du ja noch zu schwach warst."

Hermine spürte Erleichterung.

Dann hatte Snape sie also gar nicht eingerieben, sondern Poppy.

„Ja, kein Problem," versicherte sie schnell.

„Nun, was brauchst du denn sonst noch von oben?" fragte sie liebenswürdig.

Hermine machte eine kurze Auflistung.

Sie vergaß auch nicht ihre Schulbücher zu erwähnen.

Poppy hörte aufmerksam zu und machte sich dann auf den Weg um das Gewünschte zu holen.

Hermine war erleichtert.

Jetzt brauchte sie nicht mehr auf Snapes Sachen zurückzugreifen, was ihr Verhältnis zueinander sicher etwas entspannen würde. Er schien ja wirklich sehr eigen mit seinen Sachen zu sein.

Aber dass er ihr nichts zu trinken angeboten hatte, außer diesem einen Glas Wasser, kam einer Frechheit gleich. Und das wollte sie ihm auch sagen, entschied sie.

Hermine hatte einige Zeit gedankenverloren dagesessen, als sie wieder die heitere Stimme von Madam Pomfrey hörte:

„Ich bin wieder da," rief diese.

Dann betrat sie den Raum.

In ihren Armen lagen mehrere Kleidungsstücke, die offensichtlich zu groß für die Tasche waren, welche sie in aller Eile für Hermine gepackt hatte.

Unter anderem war ihr Bademantel aus pinkfarbenem Frottee dabei.

Hermine sprang förmlich aus dem Bett und nahm Poppy die Sachen ab.

Sie stellte die Tasche auf den Boden und legte die restliche Kleidung achtlos über den Stuhl zu den anderen Sachen.

Den Bademantel legte sie auf das Bett um Snapes ausziehen zu können.

Madam Pomfrey beäugte den viel zu großen, dunklen Bademantel nun kritisch, während Hermine sich daraus befreite.

„Das ist doch nicht etwa seiner?" fragte sie ungläubig.

„Ähm, doch," erwiderte Hermine.

„Das war aber wirklich sehr freundlich von ihm dir den zu überlassen," sagte sie erstaunt.

„Nun, das hat er eigentlich gar nicht...jedenfalls nicht freiwillig," fügte Hermine hinzu.

Die Krankenschwester legte den Kopf schief sagte verschwörerisch,

„vielleicht hat es ja auch was Gutes, dass du hier untergebracht bist. Es könnte ja sein dass du unserem Meister der Zaubertränke doch noch etwas gutes Benehmen beibringen kannst."

Hermine war ehrlich überrascht.

Sie hätte nicht gedacht, dass Poppy so vertraulich mit ihr über einen der Lehrer reden würde. Außerdem zweifelte sie stark daran, dass sie mit diesem Unterfangen erfolgreich sein würde.

Madam Pomfrey, die ihre Skepsis bemerkt hatte, zuckte mit den Schultern und sagte:

„Naja, jedenfalls habst du jetzt deine eigenen Sachen. Willst du vielleicht auch eines von deinen eigenen Nachthemden anziehen? Dann nehme ich das andere gleich zum Waschen mit. Wir wollen ja Professor Snape nicht in Verlegenheit bringen, indem er Damenwäsche zum reinigen an die Hauselfen geben muss, nicht wahr?" fragte sie augenzwinkernd.

Hermine lachte leise bei der Vorstellung und entschied, dass es ein guter Zeitpunkt wäre auch gleich die Unterwäsche zu wechseln.

Nachdem das erledigt war suchte sie in ihrer Tasche nach einem ihrer rosafarbenen Nachthemden und zog es über.

Zuletzt hüllte sie sich in ihren eigenen pinkfarbenen Bademantel und band ihre Haare mit einem lilafarbenen Haarband zusammen.

Nun fühlte sie sich schon sehr viel wohler.

„So Hermine," ließ sich Poppy vernehmen,

„ich muss dann auch mal wieder in den Krankenflügel. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?"

Hermine hätte sie am liebsten aufgefordert zu bleiben, denn ihre Fröhlichkeit tat ihr gut.

So rang sie sich denn auch zu der Frage durch, die ihr die ganze Zeit durch den Kopf gegangen war.

„Poppy, was ist denn mit meinen Freunden? Hat sich keiner gewundert wo ich bin? Wann dürfen sie mich besuchen?"

Madam Pomfrey schien auf einmal sehr unbehaglich zumute zu sein.

„Ähm, also Hermine...doch, Ron und Harry haben mich eben abgefangen und nach dir gefragt.

Ich habe den beiden gesagt dass du eine ansteckende Krankheit hättest."

Sie sah Hermines empörten Blick und versuchte schnell sich zu verteidigen.

„Sieh mal Hermine, ich finde das ja auch nicht gut. Aber stell dir doch mal Professor Snapes Reaktion vor wenn die beiden dich besuchen wollen. Ich bin mir nicht sicher ob er sie überhaupt hineinlassen würde...verstehst du?"

Hermine nickte niedergeschlagen.

„Ja. Schon gut Poppy. Sie haben ja recht."

„Naja," versuchte die Krankenschwester sie aufzumuntern,

„sieh jetzt erst mal zu dass du dich ausruhst, dann bist du schnell wieder auf dem Damm und nicht mehr auf Professor Snapes Gastfreundschaft angewiesen."

Hermine versuchte ein Lächeln.

„Lieber heute als morgen, Poppy," sagte sie inbrünstig.

„Ach, Hermine, noch etwas. Ich habe deinen Freunden nicht verraten dass du hier bist. Ich dachte mir dass es sowohl dir, als auch Professor Snape bestimmt unangenehm wäre wenn sie es wüssten."

„Na toll, und schon haben Professor Snape und ich eine Gemeinsamkeit," sagte Hermine ironisch.

Poppy lachte nur und winkte Hermine zum Abschied.

„Bis heute abend, da schaue ich noch mal nach dir," damit verschwand sie durch die Tür.

Es wurde ein langer Vormittag.

Hermine hatte sich der Reihe nach ihre Schulbücher vorgenommen, da sie aber schon seit Wochen vorgearbeitet hatte fand sie es schnell langweilig sich mit dem Schulstoff zu beschäftigen.

Sie sah nach, was Poppy ihr sonst noch mitgebracht hatte.

Ein Kartenspiel – na super- bestimmt war Snape schon ganz wild drauf mit ihr eine Runde zu pokern.

Also, was noch?

Ihr Reiseschachspiel, das leider völlig unmagisch war und so in jedem Fall auch zwei Spieler benötigte.

Vielleicht hatte Poppy ja vor mit ihr einen Spieleabend zu machen.

Sie entdeckte noch zwei andere Bücher.

Leider hatte sie beide schon mehrfach gelesen.

Hermine wurde ärgerlich.

Eigentlich bekam man wenn man krank war Besuch. Dieser lenkte einen ab und brachte zudem noch Sachen mit, mit denen man sich beschäfigen konnte.

Tja, leider Fehlanzeige.

Also griff sie wieder nach 'Das Bildnis des Dorian Gray' und dachte:

'Da kann er sich anstellen wie er will. Wenn er Schuld ist, dass mich niemand besuchen darf, muss er halt damit leben dass ich seine Bücher eines nach dem anderen lese!'

Dann vertiefte sie sich in ihre Lektüre.

Im Kerker nebenan fand derweil der Zaubertrankunterricht der Sechstklässler statt.

Auch in diesem Jahr, das sich nun langsam dem ende neigte, hatten die Gryffindors zusammen mit den Slytherins Unterricht.

Es würde wohl an ein Wunder grenzen wenn sich dies im letzten Schuljahr ändern würde.

Die Stimmung war wie immer sehr explosiv. Was sich zum Glück bisher auf die Tränke noch nicht ausgeweitet hatte.

Dennoch verspürte Snape wie seine Kopfschmerzen zunahmen.

„Potter, Auflistung der Zutaten für den Schwächungstrank," bellte er.

Harry stand auf und ging zur Tafel.

Er suchte nach der Kreide um die Zutaten anzuschreiben, konnte sie aber nirgends entdecken.

Er drehte sich zu seinem Lehrer um, der jedoch mit dem Rücken zu ihm saß.

„Sir," begann er vorsichtig, aber Snape machte keine Anstallten sich zu ihm zu wenden.

„Professor Snape?" fragte Harry nun noch vorsichtiger.

Keine Reaktion von Snape.

Die Slytherins begannen zu kichern.

„Keine...Kreide..." stammelte Harry nun verwirrt.

Mit einem mal schreckte Snape offensichtlich hoch.

„Was?" rief er und warf dann einen Blick auf die leere Tafel.

„Hatte ich Ihnen nicht gesagt Sie sollen die Zutaten anschreiben? Setzen Potter. Gryffindor bekommt 10 Punkte wegen Unfähigkeit abgezogen."

„Aber Sir," stammelte Harry wieder.

„Ich habe 'Setzen' gesagt!"

Harry ging kleinlaut zu seinem Platz zurück während die Slytherins schadenfroh zu ihm sahen.

„Malfoy, schreiben Sie die Zutaten an," befahl der Lehrer nun in etwas versöhnlicherem Tonfall.

Draco grinste zu Potter und sah dann liebenswürdig zu Snape.

„Gerne Sir," sagte er, „darf ich nur zuerst ein Stück Kreide holen gehen?"

„Ja, sicher," sagte Snape abwesend.

Ron sah zu Harry mit einem Ausdruck der bedeuten sollte 'warum hast du das nicht gefragt.'

Harry zischte ihm zu:"mir fehlen einfach die Worte wenn Snape mich so fertig macht. Was soll ich denn tun?"

Nun zuckte Ron mit den Schultern. Im gleichen Moment dröhnte schon ein:

„Ruhe Potter, sonst zieh ich Ihnen noch zehn Punkte ab," durch den Raum.

Es war bereits früher Nachmittag als Snape sich endlich in seine Wohnräume zurückziehen konnte.

Er warf seine Unterlagen auf den Schreibtisch und ließ sich selbst völlig erschöpft auf die Couch sinken.

Sein Ärger wich einer Gleichgültigkeit, die ihm sehr angenehm war.

Er schloss die Augen und bannte die Gedanken aus seinem Geist.

Tief im Strudel seines Bewußtseins formte sich noch einmal die Erinnerung

'ich bin in meinem eigenen Unterricht eingeschlafen. Hätte das einer meiner Schüler gewagt, dann...'

weiter kam er nicht, da er in tiefen Schlaf sank.

Hermine hatte gehört wie Snape hereingekommen war. Dann ein Knall und nun war Stille. Sie überlegte.

'Warscheinlich harmlos,' dachte sie, dennoch hatte sie das Verlangen wenigstens kurz einen Blick in den Raum nebenan zu werfen – nur um sicherzugehen das wirklich alles in Ordnung ist.

Sie schlich leise zur Tür und spähte hindurch.

Dort lag Snape in voller Montur (sogar die Schuhe trug er noch) auf der Couch und schnarchte leise vor sich hin.

Hermine musste schmunzeln.

'Er ist also auch nur ein Mensch,' dachte sie und war dabei irgendwie erleichtert.

Mit einem mal klopfte es hefig an die Kerkertür.

Hermine fuhr zusammen und verzog sich schnell ins Schlafzimmer.

Wer konnte das nur sein?

Für Madam Pomfrey war es eindeutig noch zu früh.

Vielleicht hatte ja doch jemand herausgefunden wo sie war und wollte sie besuchen.

Sie lauschte aufgeregt.

Snape stöhnte entnervt und fluchte auf dem Weg zur Tür vor sich hin.

Dann hörte sie wie er sie geräuschvoll öffnete.

„Argus. Was ist denn los? Was wollen Sie?" hörte sie ihn fragen.

Dann die leisere Stimme von Filch.

„Ich habe einige Besorgungen für die Schule zu machen. Dafür muss ich nach Hogwarts. Professor Dumbledore hat mir aber auch die Aufsicht über den See erteilt. Ich kann ja schlecht an zwei Stellen gleichzeitig sein – jedenfalls nicht ohne Magie- nicht wahr."

„Jaja. Und was wollen Sie jetzt von mir?"fragte Snape so abweisend wie möglich.

„Tja, sehen Sie. Ich habe ja jetzt schon die Nachtwachen alleine übernommen. Dann könnten Sie doch heute, während ich weg bin wenigstens die Aufsicht über den See für mich erledigen."

Kurze Stille.

Snape hatte wohl nur genickt, denn Filch rief auf einmal erfreut:

„Gut, dann kann ich mich sofort auf den Weg machen. Sie gehen doch sofort zum See? Nicht dass den kleinen Mistkröten noch was passiert und man mich dafür zur Verantwortung zieht!"

„Nein, nein. Ich bin schon unterwegs," sagte Snape mit einer Stimme in der wohl nur Hermine die Erschöpfung wahr nahm.

Die Tür wurde geschlossen und Hermine hörte Snape wieder vor sich hinfluchen.

„Sollte man alle ersäufen..." hörte sie durch das Gemurmel hindurch.

Sie konnte ja verstehen dass Snape nicht gerade erfreut war seinen Schlaf unterbrechen zu müssen, aber dass er deswegen einen Hass auf die Kinder hatte, die schließlich nur ihre Freizeit genossen, war mal wieder snapisch Ungerecht.

Sie war gerade wütend genug um ihm die Meinung zu sagen, darum ging sie zu ihm ins Wohnzimmer.

Er saß auf der Couch und hatte den Kopf in beide Hände gestützt.

Er sah wirklich schlecht aus, stellte sie fest.

Als er sie hörte hob er den Kopf und setzte ein genervtes Gesicht auf.

„Ach Sie," sagte er, als habe er völlig vergessen dass sie ja zur Zeit bei ihm wohnte.

„Ja ich," sagte Hermine in einem ebenso genervten Tonfall wie er.

„Danke, es geht mir gut," fügte sie an.

„Madam Pomfrey hat sich heute morgen gut um mich gekümmert. Was man von Ihnen nicht gerade behaupten kann," sie funkelte ihn böse an.

Ein Unternehmen, das sie sich hätte sparen können, denn er würdigte sie keines Blickes.

Seine Stimme drückte milden Spott aus als er sagte:

„Sie ist ja auch Krankenschwester – ich nicht."

Hermine stutzte, war das ein Scherz gewesen?

Sie wollte sich jetzt nicht aus dem Konzept bringen lassen – er war gerade – naja, so schön angreifbar!

„Nein, das meine ich auch gar nicht, aber...Sie, sie haben mir ja noch nicht einmal etwas zu trinken gegeben, außer dem einen mal!" so jetzt war es raus.

Snape hob langsam den Kopf.

„Miss Granger," sagte er dann leise.

„Ich habe hier nur Schwarzen Tee. Und der entzieht dem Körper bekanntlich zusätzlich Flüssigkeit.

Ansonsten wissen Sie sicher inzwischen wo das Badezimmer ist. Mein Wasserhahn ist Ihr Wasserhahn," sagte er dann mit einer gespielt demütigen Geste.

Hermine war perplex. Was hatte sie eigentlich erwartet. Es passte zu diesem Mann, dass er keine Säfte oder ähnliches hortete.

Er schien langsam in Fahrt zu kommen.

„Was glauben Sie eigentlich wo Sie hier sind? Hier haben Sie sich an mich anzupassen, nicht umgekehrt. Ich lebe schließlich alleine weil ich keine Lust habe meine Besitztümer, meine Räume und mein Leben mit jemand anderem zu teilen!" er schrie jetzt.

Hermine sah ein, dass sie darauf eigentlich nichts erwidern konnte.

Dennoch entschlüpfte ihr ein leises:"Wie traurig für Sie," das sie eigentlich nur hatte denken wollen.

Sie biss sich sofort auf die Lippe.

Snape sah sie schokiert an.

Dann wurden seine Augen zu schmalen Schlitzen.

„Halten Sie Ihre Zunge im Zaum," zischte er.

„Sonst was?" fragte sie herausfordernd.

„Sonst werde ich auch persönlich," drohte er und stand nun auf.

Nun war Hermine völlig perplex.

Was sollte das denn nun wieder bedeuten?

In ihrem Leben gab es nichts, das man ihr vorwerfen könnte.

Naja, außer dass sie ein Schlammblut war, aber soweit würde er nicht gehen, oder?

Sie war immer noch irritiert als er an ihr vorbei zur Tür ging.

„Ich werde Sie nicht länger mit meiner Anwesenheit in meinen eigenen Räumen belästigen," sagte

er ruppig.

„Geniessen Sie die Kühle meiner Räume, während ich in diesen Backofen hinausmuss um ihre nervigen kleinen Freunde vor dem Ertrinken zu bewahren," seine Stimme klang ätzend, trotzdem bekam Hermine etwas Mitleid mit ihm. Es musste ja wirklich unerträglich heiß sein.

Sie fühlte sich bemüßigt noch etwas zu sagen bevor er ging.

„Ziehen Sie doch einfach mal Ihren Umhang aus,"sagte sie hastig als sie sah dass seine Hand schon auf der Türklinke lag.

Er drehte sich abrupt zu ihr um und zischte ein:"Wie bitte?" das ein wenig so klang als habe sie ihm gerade einen unsittlichen Antrag gemacht.

Hermine spürte dass sie nun stammeln würde und versuchte sich erst einmal zu sammeln.

Snape schien es nicht auf sich beruhen lassen zu wollen, denn sein Blick war weiter fragend auf sie gerichtet.

„Naja, ich meine so könnten Sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen."

Er sah sie nun noch genervter an.

„Also," beeilte sie sich zu erklären,

„sehen Sie, es wäre doch sicher nicht ganz so unerträglich heiss, wenn Sie wenigstens auf den Umhang verzichten würden, wenn Sie schon nicht in kurzer Kleidung..."

Er stand jetzt kurz vor dem Explodieren.

„Außerdem," jetzt hob sie ihre Stimme an,

„was glauben Sie, wie blöd meine nervigen kleinen Freunde gucken würden wenn Sie auf einmal ohne Umhang aufkreuzen. Wäre Ihnen dieser Anblick nicht schon ein Kleideropfer wert?"

Ein paar Sekunden vergingen, dann auf einmal zog sich ein Mundwinkel des Zaubertranklehrers in die Höhe.

„Gar kein so schlechter Gedanke," sagte er.

Hermine war viel zu überrascht um sich darüber zu freuen, dass ihr Lehrer offensichtlich vorhatte ihren Rat zu befolgen.

Sie glaubte auch ihren Augen nicht trauen zu können als er seinen Umhang mit einem Handgriff auszog und ihn ihr reichte.

Zwar trug er immer noch einen dunklen Anzug, der hochgeschlossen war, aber wer weiß, wenn Hermine noch 20, 30 Jahre bei ihm einquartiert wäre, würde sie es vielleicht sogar schaffen dass er eines Tages in Badehose am See herumlief.

Sie musste lachen bei dem Gedanken.

Snape sah sie fragend an.

Hermine bedeutete ihm schnell dass sie nicht wegen ihm lachte und er schien nicht weiter daran interessiert.

„Bis später," murmelte er und verließ den Kerker.

Während er die Treppen hinaufging überlegte er was gerade passiert war.

Da wohnte ein weibliches Wesen gerade mal seit Gestern in seinen Räumen und schon liess er sich herumkommandieren.

Andererseits hatte er schon lange mit dem Gedanken gespielt seinen Umhang bei diesen Temperaturen lieber wegzulassen, besonders wenn er sich im Freien aufhielt.

Aber bisher hatte er immer geglaubt er würde in diesem Fall Respekt einbüßen.

Miss Granger war also der Meinung er würde die Schüler damit verwirren.

Das klang gut. Er würde eben eine noch finsterere Miene aufsetzen als üblich, dann würde sicher niemand lange daran Zweifeln dass er auch ohne Umhang eine bedrohliche Erscheinung wäre.

Sollte die Granger dennoch Unrecht haben und er auch nur ein einziges blödes Grinsen sehen, würde er ihr dafür später das Leben zur Hölle machen.

Warum riskierte sie das überhaupt?

Warum hatte sie ihn überredet den Umhang auszuziehen?

Vielleicht wollte sie ihn doch diskreditieren.

Der Lächerlichkeit preisgeben.

Er zögerte.

Nein, es wäre ebenso lächerlich jetzt zurückzugehen und sich den Umhang wiederzuholen.

Er entschied es darauf ankommen zu lassen.

TBC