Sodela, wieder da. ^___^ Vielen, vielen Dank für die vielen süßen reviews! Danke Carina, Isi, TrunksBabyGirl, Lari, Aya-chan und Bishou! *euchalleknuddel* *strahl* Freut mich, dass euch soweit gefallen hat, was passiert! ^^
Warnungen für dieses Kapitel: Taichi singt … *hust* XD
Disclaimer: Mal wieder, weil so schön ist … -.- Mir gehört nichts. Immer noch nicht. Niente. Nicht Tai und nicht Matt. *schluchz* Oh, wartet, Ryo und seine „hinreißende" *hust* * hust* *würg* Schwester gehören mir! ^^ Wenigstens etwas.
~*~*~*~*~*~*~*~*~
Ich stand mit geschlossenen Augen unter der Dusche, meine Stirn an die weiß gekachelte Wand gepresst. Das Wasser war kochendheiß und verbrühte mir fast die Haut.
Trotzdem war mir kalt. Scheiße, mir war wirklich immer noch kalt.
Und meine Gedanken liefen dazu absolut unkontrolliert in meinem Kopf hin und her, drehten sich im Kreis, so wie der verdammte Hamster, den ich mal besessen hatte, als ich zwölf war und der daran krepiert war, dass er unsere Waschmaschine für ein überproportionales Laufrad gehalten hatte …
Oh man, steckte ich in der Scheiße. Da führte kein Weg dran vorbei. Frustriert hieb ich mit der flachen Hand auf die Kacheln. Ich steckte so was von tief drin …
WIE war das nur wieder passiert?? Und wann?? Wieso?? Weshalb?? Und wie lange ging das schon so???
Dass ich Taichi … oh Gott. Oh Gott. Oh Gott!!!
Da! Ich fing schon wieder an zu Hyperventilieren.
Tatsächlich hatte ich schon wieder einen „nach-Luft-schnapp-Anfall" auf den jeder Asthmatiker echt stolz gewesen wäre.
Es war ein Wunder, dass ich mit dem Fahrrad und bei dem Regen überhaupt heil nach Hause gekommen war, wenn ich es mir so recht überlegte. Meine Knie waren immer noch weich wie gekochte Spagetti. Und das nicht nur von dem anstrengenden Spiel und dem Regen …
Langsam und immer noch frierend, obwohl das Wasser inzwischen sicher schon den Siedepunkt erreicht hatte, drehte ich frustriert den Wasserhahn zu und kletterte langsam aus der Dusche.
Nur mit einem Handtuch bekleidet trat ich schließlich vor den großen, verschnörkelten Ganzkörperspiegel und starrte in die beschlagene Scheibe. Ich fuhr ein paar Mal mit der Hand über das feuchte, kalte Glas, bis der taufeuchte Belag weg war und mein eigenes Gesicht leicht verschwommen dahinter zum Vorschein kam. Ein bisschen blass und mit absolut katastrophalen Haaren … (Da war ja noch einen Grund Sport zu hassen … Ob das noch irgendeine Pflegespülung wieder hinkriegen würde …?) … aber es war immer noch definitiv ich.
Komisch, ich hatte irgendwie erwartet, dass ich anders aussehen würde. Es war beruhigend und enttäuschend zugleich, dass ich immer noch unverändert war und noch genauso aussah wie gestern und letzte Woche und letzten Monat … Damals … als ich noch nicht gewusst hatte, dass ich mich in meinen besten Freund verliebt hatte …
//Was hast du denn erwartet?// fragte die ewig präsente, sarkastische, kleine Stimme in meinem Kopf. //Dass du plötzlich aussiehst wie „Tante Yamato"?? Oder besser wie Tunte Yamato?//
Hn … ich sollte mir wirklich schleunigst diese Schwulenwitze abgewöhnen …
Ich starrte mich an und blaue Augen starrten zurück.
Bin ich schwul? Fragte ich stumm mein eigenes Spiegelbild und erhoffte mir aus unerfindlichen Gründen auch noch eine Antwort. Nur … wenn ich schon nicht gerade redselig war, dann war es mein Spiegelbild erst recht nicht.
Seufzend und absolut ermattet sank ich nach vorne und lehnte meine Stirn gegen die meines Spiegelbildes, ein seltsam tröstliches Gefühl, während meine Hand geistesabwesend ein kleines Herz auf die beschlagene Scheibe malte. Das Glas fühlte sich angenehm an unter meinen Fingern, feucht und glatt.
„Spieglein, Spieglein an der Wand", murmelte ich leise und schrieb zärtlich "Y+T" in das Herz, „wer ist der Schwulste im ganzen Land …"
„Hey, Yamato? Alles okay bei dir?"
Oh Gott!! Herzinfarkt! Mit einem Satz sprang ich vom Spiegel zurück und hätte mich fast auf den feuchten Fliessen hingelegt. Mit rudernden Armen hangelte ich nach meinem Gleichgewicht und verlor dabei fast mein Handtuch.
„Yamato?"
„Äh … ja!!" brüllte ich zurück und stürzte zum Spiegel, mein Handtuch grade noch festhaltend. Hastig und mit glühendem Gesicht wischte ich über das beschlagene Glas. Argh!! Was war das denn gewesen?! „Alles klar, Papa!"
Weggewischt, mein Herz … ausgelöscht … ignoriert … ob ich das die ganze Zeit gemacht hatte? Einfach nicht hingeguckt? Es beiseite geschoben und nicht darauf geachtet was darin stand, eingraviert war in großen Neonröhrenleuchtbuchstaben … blinkend wie ein riesiges Reklameschild … absolut unübersehbar …
*blink blink* YAMATO ISHIDA LIEBT TAICHI YAGAMI. *blink blink*
„Du bist aber schon ziemlich lange da drin", rief mein Vater von draußen. „Was ist los? In der Dusche ertrunken?"
Auch wenn er versuchte witzig zu klingen, schwang da noch etwas anderes in seinem Tonfall mit. Anscheinend machte er sich wirklich Gedanken um mich. Zugegeben, so wie ich vor einer knappen Stunde nachhause gekommen war – schweigend und wie ein begossener Pudel, im wahrsten Sinne des Wortes - konnte ich ihm das nicht mal verdenken.
„Haha …", grummelte ich während mein Herz immer noch wummerte wie ein Presslufthammer.
Taichi …
Mir wurde ganz schwach und ich sank mit einem schummerigen Gefühl im Bauch auf den Toilettendeckel, der zum Glück grade runtergeklappt war, sonst wäre ich in meinen geistesabwesenden Zustand vermutlich direkt ins Klo gerutscht.
Ich konnte es nicht leugnen. Nicht einmal ich, mit meinem schwarzen Gürtel in Verdrängungstaktik. Mein verdammter Körper, der Verräter spielte ja schon verrückt, wenn ich nur an seinen Namen dachte …
Ob das noch normal war …?
Vielleicht sollte ich Ryo danach fragen … der tat ja so als wüsste er alles! Hah!
Oh mein Gott!!! Mir fiel da grade etwas Entsetzliches ein.
Wenn ich wirklich schwul war, bedeutete das … dass ich … dass ich und Ryo etwas gemeinsam hatten!!!! Oh nein!!! Ausgerechnet der Antimensch und ich!
Das durfte doch nicht wahr sein!! Wieso war ich denn auf einmal so wie der??
Schwul wie … in zwei nackte, erregte, schwitzende, ineinander verschlungene Männerkörper beim Sex
Na toll! Das sollte wirklich die offizielle Wörterbuch-Definition für schwul werden. Ich würde mich dafür einsetzen. Vielen Dank, Kari für diese unglaubliche Bereicherung unseres Sprachschatzes!
Aber es war seltsam … die Vorstellung, bei der mir vorhin noch fast das Frühstück hochgekommen wäre, verlor ihren ganzen Schrecken, wenn ich da plötzlich nicht mehr IRGENDWELCHE Männer oder gar Ryo einsetzte … sondern mich und Taichi …
Ich meine … es war nur Tai … irgendwie … einzig und alleine er … schon immer gewesen …
Ich bin nicht schwul, dachte ich mit plötzlich aufflackernder Erkenntnis, aber irgendwie auch nicht hetero … ich bin einfach … taito!! Taitosexuell.
Das war zwar eine tolle Erkenntnis, nur half mir das auch nicht unbedingt. Was sollte ich denn jetzt TUN??
Normalerweise hätte ich bei jedem Problem zuerst mit Taichi geredet. Beziehungsweise, hätte ich versucht es zu verheimlichen, Taichi hätte natürlich trotzdem gemerkt, dass irgendwas nicht okay war und es aus mir rausgequetscht. Kam aber aufs selbe hinaus. Ich würde es ihm erzählen und er würde mir helfen … aber jetzt?? Das konnte ich ihm doch nicht sagen …
Das ging einfach nicht.
Seufzend stand ich auf und mit einem letzten missmutigen Blick auf den mit meinen Handabdrücken verschmierten Spiegel verließ ich das Bad.
Das Handtuch schmiss ich, in meinem Zimmer angekommen frustriert zu Boden und versenkte mich Hals über Kopf in meinen Kleiderschrank. Ich musste jetzt sofort an was anderes denken, oder ich würde wahnsinnig werden. Klamotten waren da immer noch das Beste.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach mich in meinen angeregten Vergleichen zwischen verschiedenen T-Shirts.
„Bin beschäftigt", rief ich mit gedämpfter Stimme, aber natürlich ignorierte mein verehrter Herr Erzeuger das mal wieder vollkommen und latschte mitten ins Zimmer. Wieso machte der sich überhaupt die Mühe und klopfte?? Das war doch wohl der blanke Hohn!
„Matt?"
„Raus, ich bin nackt", knurrte ich, mein Oberkörper immer noch in Tiefen des Kleiderschranks versenkt.
„Erstens ist da nichts, was ich nicht schon mal beim Windeln wechseln gesehen hätte", kam die absolut überflüssige Antwort, „und zweitens wird Taichi das wohl kaum stören."
„WAS?!"
Ich japste nach Luft und schnappte willkürlich nach einem Oberteil, dass ich mir panisch vor den Unterleib hielt und fuhr zurück. „Taichi?? Wo??"
„Am Telefon. Wo sonst?" Er grinste und hielt mir unser Schnurloses hin.
„Wenn du nicht vor hast, das Leben deines Sohne drastisch zu verkürzen", fauchte ich, „unterlass solche Scherze!! Das hat mich mindestens zehn Jahre meines Lebens gekostet."
Aufgebracht riss ich es ihm aus der Hand.
„Tai …?"
Ein Kichern war die Antwort.
„Du bist nackt?"
„Nein, bin ich nicht!!!"
„Ist er doch", rief mein Vater im Gehen.
„Ruhe auf den billigen Plätzen!!" brüllte ich und knallte die Tür hinter ihm zu.
„Hab ich bei irgendwas gestört?" Taichi lachte immer noch.
„Nein … ich meine … nein … vielleicht … ja … Äh, bin gleich wieder da. Moment!"
Ich legte ihn ab und streifte hastig das Shirt über, das ich sowieso schon in der Hand hielt und angelte nach einem Paar Boxershorts, während ich gleichzeitig nach dem Telefon griff. Zugegeben, das war vielleicht neurotisch, aber bei der jetzigen Situation wollte ich lieber nicht nackt mit Taichi Yagami telefonieren.
„Bin wieder da."
„Nackt?"
„Darauf antworte ich gar nicht erst …!"
Ich ließ mich auf mein Bett sinken und versuchte möglichst cool zu klingen. Das war schwerer als gedacht …
„Schade."
Schade …? Wie war das jetzt wieder gemeint? Würde mich Taichi gerne nackt sehen? Oder verarschte er mich nur grade wieder, so wie vorhin auf beim Fußball?
Ich stöhnte innerlich auf.
//Oh, shit!! Ich hab ja gleich gewusst, dass es so kommen wird! Dass ich jedes verdammte Wort von Tai auf die Goldwaage legen und von vorne bis hinten durchleuchten und vermessen werde, nur um sicher sein, wie das richtig zu interpretieren ist. So ein scheiß!//
Wieso konnte ich nicht einfach einen blöden Witz darüber reißen so wie … früher. Moment! Früher??? Das war letzte Woche! Mir kam es nur vor wie in der Steinzeit. Jetzt war alles so anders …
Ich hatte plötzlich Angst davor, dass ich ihm wehtun könnte. Dass er mir wehtun könnte. Dass wir nie wieder Freunde sein würden, wenn das raus kam. Dass …
„Matt? Hey?? Hallo? Alles klar?" Ich bemerkte erst jetzt, dass Taichi schon seit geraumer Zeit meinen Namen in den Hörer zu rufen schien.
„Klar", erwiderte ich hastig, „wieso nicht."
„Du warst grade so abwesend. Was ist los?" Jetzt klang er plötzlich wieder ernst und alles Scherzhafte war aus seiner Stimme verschwunden.
„Nichts", sagte ich.
„Geht's dir gut?"
„Ich bin bloß noch ein bisschen k.o. von dem Spiel. Aber weswegen rufst du eigentlich an?"
Falls er merkte, dass ich nur mehr oder weniger unauffällig das Thema wechseln wollte, ließ er das sich wenigstens nicht anmerken.
„Zwei Gründe", begann er. „Erstens ist Kari bei euch? Sie ist doch während dem Regen mit Tk nachhause gefahren, oder?"
„Ja, glaube schon. Zumindest ist Tk übers Wochenende hier und ich höre aus seinem Zimmer ständig komische Geräusche, die sich irgendwie nach deiner Schwester anhören."
„Komische Geräusche?! Hey, was macht er da mit meiner armen, unschuldigen, kleinen Schwester???"
„Ich glaube, nicht, dass ER was mit IHR macht", grinste ich, „so komisch wie die im Moment drauf ist, hab ich eher den Eindruck, dass es seine Entsetzensschreie sind, die man da immer wieder zu hören kriegt."
„Oh … na dann." Er machte eine kurze Pause. „Meinst du, er hält sie noch ´ne ganze Nacht aus?"
„Wieso? Soll Kari bis morgen hier bleiben?"
„Ja."
Ich zuckte mit den Schultern. „Tk war schon immer etwas sodamasochistisch veranlagt – ich glaube, er fände es toll, wenn sie hier bleibt. Und mein Vater hätte sicher auch nichts dagegen. Ich frage ihn nachher mal."
„Cool, danke!"
„Kein Ding."
„Die Sache ist die", fing er an zu erklären, „meine Eltern fahren heute Abend weg, sie besuchen eine schreckliche alte Großtante von mir, die irgendein Problem hat und kommen erst übermorgen wieder. Und da kamen die Jungs vorhin in der Umkleide auf die grandiose Idee, dass wir noch mal ordentlich einen draufmachen sollten, vor dem Spiel."
Er klang nicht begeistert. „Na ja, und da ich grade sturmfreie Bude habe, fanden sie, es wäre eine tolle Idee es bei mir zu veranstalten und haben sich praktisch selbst eingeladen. Jetzt habe ich hier um zehn die ganze Bande am Hals."
„Tai … deine Mutter wird dich umbringen wenn auch nur einer auf ihren kostbaren Perserteppich reihert." Ich hatte so meine Erfahrung mit Feiern bei denen Taichis Fußballfreunde anwesend waren.
„Ich weiß!" stöhnte er dramatisch. „Deshalb ruf ich ja an. Bitte, bitte, komm heute Abend, ja? Dann hab ich wenigstens einen, der mir beisteht, wenn das ganze außer Kontrolle gerät. Bitte!"
„Du meinst, dann hast du einen Dummen, der dir beim aufräumen hilft, wenn der Rest sich längst aus dem Staub gemacht hat", korrigierte ich trocken.
„Matt! Bitte!! Ich brauche dich! Außerdem macht es keinen Spaß ohne dich."
Yamato Ishida, der Partylöwe. Oh, yeah!
„Meinetwegen", seufzte ich und zog etwas fröstelnd die Knie an. Mist, mir war immer noch nicht richtig warm. Vielleicht sollte ich so langsam etwas mehr als Boxershorts anziehen.
„Yesss! Ich danke dir!!"
„Ja, ja."
„Ich werde einen Feiertag nach dir benennen!"
„Sicher."
„Du bist der einzige, der meine Mutter davon abhalten kann mich umzubringen! Sie mag dich nämlich."
„Sie tut was?" Ich kniete auf dem Rand meines Bettes, das Telefon zwischen Kinn und Schulter geklemmt und hangelte nach einer Hose, die über meinem Stuhl hing. Irgendwie war ich zu faul zum aufstehen, aber mir mein bestes Stück abfrieren wollte ich auch nicht.
„Sie findet dich toll!" Er lachte. „Ja, sie denkt, du bist ein netter Junge. Frag mich nicht, wie sie darauf gekommen ist …"
„Vielen Dank", erwiderte ich säuerlich, „aber zu deiner Information – ich BIN ein netter Junge!"
„Ich könnte das jetzt widerlegen … aber ich lass dir mal deine Illusionen."
„Zu gütig!"
Es war schön irgendwie. Das Rumblödeln, genau so wie vorher, als noch nicht alles anders gewesen war … und ich noch nicht … noch nicht …
Für Sekunden steigerte ich mich in die Illusion hinein, dass vielleicht alles so bleiben könnte wie vorher zwischen uns beiden. Dass sich gar nichts ändern musste, bloß weil ich … irgendwie taitosexuell geworden war.
Aber Taichis nächster Satz machte alles zunichte.
„Du kannst auch bei mir übernachten, wenn du willst. Hey, das wird lus …"
Den Rest des Satzes bekam ich leider nicht mehr mit.
Wumm. Ausgeknockt.
Und das buchstäblich. Mitten in meiner Hangel-Aktion auf dem Rand des Bettes verlor ich das Gleichgewicht und knallte unsanft auf den Boden.
ÜBERNACHTEN. Das Wort hallte in Großbuchstaben durch meinen Kopf, während ich mir mit schmerzverzerrtem Gesicht denselbigen rieb, den ich mir auf dem Weg nach unten irgendwo dagegen gehauen hatte.
Übernachten … hieß, dass wir in einem Bett schlafen würden. Genau wie wir es schon immer getan hatten. Oh, shit! Das ging nicht! Das ging einfach nicht! Ich konnte doch nicht … mit Taichi … was wäre wenn … wenn ich irgendwie … ich meine … hey, ich war ein Junge, ich war grade voll in der Pubertät … voll mit seltsamen Hormonen, absolut Null Kontrolle über meinen Körper … und allein im Bett mit Taichi Yagami … was konnte da alles passieren?!? Hilfe!!
Mit hochrotem Gesicht, was Tai ja zum Glück nicht sehen konnte (zum zweiten Mal heute dankte ich Gott, dass wir kein Bildtelefon hatten …) tastete ich nach dem Telefon, dass irgendwo neben mir auf dem Boden gelandet war.
„Tai?"
„Ja? Was war denn eben los? Hast du was umgeschmissen?"
„Meine … äh Stehlampe", japste ich. „Tai, ich muss Schluss machen. Ich bin aber so schnell es geht bei dir. Versprochen! Bis später."
„Matt? Hey, warte! Was ist denn …?"
Mit einem Stöhnen legte ich auf.
Oh shit!
~*~*~*~*~*~*~*~*~
Eine knappe halbe Stunde später war ich mit der Auswahl meiner Kleidung fertig und stand kurz von einem Nervenzusammenbruch.
Es war verdammt viel schwerer als gedacht sich anständig anzuziehen, wenn man sich gleich mit jemandem treffen wollte, der gleichzeitig der beste Freund UND die heimliche große Liebe UND ein gottverdammter Junge war und man ihm gleichzeitig irgendwie klar machen musste, dass man unmöglich zusammen in einem Bett schlafen konnte. Das war eine brenzlige Situation. Und es war schwer die richtige Kleidung dafür zu finden. Ich meine, gleichzeitig gut auszusehen, aber eben nicht schwul, sexy, aber eben nicht als ob man es drauf anlegte, lässig, aber nicht schlampig, stylish, aber auch sportlich, sportlich, aber auch sexy, sexy aber nicht … okay, ich drehte mich im Kreis.
Im Endeffekt lief es auf eine schwarze Hose hinaus, die eng war aber eben nicht zu eng und ein weißes Hemd, das stylish war, aber auch irgendwie cool aussah. Da noch irgendwas Undefinierbares fehlte um wirklich durchgestylt auszusehen, band ich mir noch ein kleines schwarzes Lederbändchen um den Hals, das ich in meinem Zimmer fand. Im Notfall konnte ich mich daran wenigstens aufhängen.
Ich fusselte stundenlang mit meinen Haaren herum, aber irgendwie kam nichts Vernünftiges dabei heraus. Also verfluchte ich sie einfach im Stillen und ließ sie wie sie waren. Vermutlich würde es Taichi-„Was ist eine Bürste?"-Yagami sowieso nicht auffallen, wenn ich aussah wie ein Wischmop.
Endlich kam ich aus meinem Zimmer, bereit für die Welt, bereit für Taichi …
… okay, wem versuchte ich hier was vor zu machen? Ich war ein Wrack.
Schwer atmend vor Nervosität sank ich von außen gegen meine Tür und wünschte mir nichts sehnlicher als wieder in die ruhige Ungestörtheit meines Zimmers zu fliehen und mich unter meiner Decke zu verkriechen. Bei näherer Überlegung schien es mir kaum glaubhaft, dass es erst heute Morgen, also vor wenigen Stunden gewesen sein sollte, dass ich in der warmen Sicherheit meines Bettes gelegen hatte und sterben wollte. Aber heute war soviel passiert und irgendwie … war ich inzwischen einfach nur noch fertig.
„Matt? Alles in Ordnung?"
Ich blinzelte und starrte direkt in das besorgte Gesicht meines Vaters. Ich hatte ihn nicht mal kommen gehört.
„Bestens", sagte ich und löste mich von der Tür.
„Du siehst so blass aus. Fühlst du dich nicht gut?"
„Ich könnte heulen vor Glück. Sieht man das nicht?"
Vorsicht vor tief fliegendem Sarkasmus, Leute.
Ich versuchte mich unauffällig an ihm vorbei zu schmuggeln, aber leider ließ er sich diesmal nicht so leicht wie sonst mit einem dummen Spruch abspeisen, sondern hielt mich am Arm fest.
„Halt, stopp! Hier geblieben", befahl er eisern. „Wo willst du um diese Uhrzeit überhaupt noch hin?"
„Taichi", murmelte ich und versuchte meinen Designerärmel aus seiner Hand zu entwinden, ohne dass das Hemd ernsthaften Schaden nahm.
„Jetzt noch? Du hast doch morgen Schule!"
Schule? Als ob ich nicht noch andere Probleme hatte … Außerdem hatten Taichi und seine Teamkollegen ja morgen auch keine Schule. Offiziell und von ganz oben genehmigt, damit sich die „Spitzensportler" einen Tag vor dem großen Spiel ausruhen konnten. Hatte ich das nicht auch verdient, nachdem ich mich heute für sie im Matsch gewälzt hatte?
„Ich schätze, morgen bin ich krank", erwiderte ich schließlich lässig und entwand mich seinem Griff, bereit endlich zu verschwinden.
Irgendwie hatte ich erwartet, dass er genervt sein und mich in Ruhe lassen würde oder wenigstens sauer … und mich in Ruhe lassen würde. Alles - bloß nicht, dass er eine Hand auf meine Schulter legte und mich plötzlich so ansah.
„Fühlst du dich denn krank?" fragte er ernsthaft und mit diesem … seltsamen Blick. So forschend und ein bisschen traurig und irgendwie besorgt. „Du weißt, du kannst es mir sagen, wenn etwas nicht stimmt."
Ich blieb stehen. Ich wollte ihn anfahren, dass er mich bloß nicht so angucken sollte oder einen meiner blöden Sprüche vom Stapel lassen … aber irgendwie konnte ich nicht. Nichts bringt mich so sehr aus dem Konzept, wie Leute, die unerwartet nett zu mir sind.
„Wie kommst du denn darauf…?" fragte ich und musste schlucken. Ich merkte plötzlich, dass meine Hände zitterten und dass ich wirklich so müde war, wie ich mich fühlte …
Verwirrt fuhr ich mir durch die Haare. Das durfte doch nicht wahr sein!! Nicht jetzt! Wo ich meine coole Fassade mehr als alles andere brauchte!
Er sah mich einfach nur an. Nachdenklich. Und ich wand mich plötzlich unter diesem Blick wie ein kleines Kind, dass man trotz Verbot mit den Fingern in der Keksdose erwischt hatte. Es konnte doch nicht sein, dass mein Vater mich immer noch dazu bringen konnte, dass ich mich so fühlte! Ich war gottverdammte sechzehn Jahre alt!
„Ich weiß, dass ich im Moment nicht besonders oft zuhause bin", sagte er, „und dass ich von deinem Leben nicht so viel mitbekomme, wie ich gerne möchte …"
Na, fabelhaft. Da hatte er in seinem tragischen Alleinerziehenden-Leben mal wieder einen seltenen Anfall von Schuldgefühlen seinem armen, vernachlässigten Sohn gegenüber … und ich war nicht in die Stimmung das auszunutzen.
„… aber ich bin auch nicht blind. Ich weiß, dass irgendwas nicht stimmt. Du bist schon seit Wochen so merkwürdig."
Seit Wochen? In anbetracht der Tatsache, dass ich selbst erst seit heute wusste, was mit mir los war, war das eigentlich nicht möglich. Oder doch? Andererseits …
Man verliebte sich ja nicht über Nacht …
Ich war so ratlos. Was wusste ich schon von Liebe? Hey, das war ein Wort, dass ich bis vor wenigen Wochen noch im Lexikon hatte nachschlagen müssen um zu wissen wie man es schreibt. Andererseits - was wusste denn mein Vater schon von der Liebe? Der hatte ja nicht mal seine eigene Frau bei sich behalten können.
Trotzdem hätte ich in diesem Moment fast damit rausgerückt. Mit allem. Mit Ryo. Mit Taichi. Dass ich nicht mehr wusste, was ich tun sollte. Wie ich mich Taichi gegenüber verhalten sollte. Ob mein Vater immer noch so nett zu mir sein würde, wenn er wusste, dass ich … so war wie dieses Nervengift Ryo? Ein potentieller Homosexueller? Jemand, der es toll fand seinen besten Freund ohne Hemd zu betrachten?
Okay, jetzt war ich wieder zynisch. Es war mein Vater von dem ich hier sprach. Er musste mich doch lieb haben, egal was ich tat, nicht wahr? Gab´s da nicht eine Klausel im Elternvertrag, die Eltern verpflichtete ihre Kinder zu lieben??
„Ich …" hörte ich mich zu meinem eigenen Entsetzen sagen und sofort wieder anhalten, beinah luftlos vor Schreck. Beinah hätte ich was gesagt.
//Ich bin nicht einmal mit elf Jahren ein wirkliches Kind gewesen. Wieso soll ich jetzt damit anfangen mich bei Erwachsenen auszuheulen?// sprach die kleine ätzende Stimme in meinem Kopf.
Tatsache war, dass ich schon vor ziemlich langer Zeit aufgehört hatte, daran zu glauben, dass Erwachsenen alles wissen und immer eine Lösung parat haben. Die traurige Wahrheit war nämlich, dass sie zwar immer so taten, als ob sie alles besser wüssten, und das auch noch als dauernde Entschuldigung benutzten um sich in unser Leben einzumischen, mit dem Vorwand ja nur „unser Bestes" zu wollen - ohne wirklich jemals zu definieren, was es mit diesem mysteriösen „Beste" auf sich hatte … aber wenn man wirklich Probleme hatte, konnten sie dir doch nicht helfen und dann stand man damit eben doch ganz alleine da.
Nennt mich ruhig gefrustet oder zynisch – aber so war das nun mal.
„Es ist alles okay … wirklich", vollendete ich schließlich, und es klang sanfter und wesentlich weniger bissig als geplant. Aber ich glaube, er verstand wie es wirklich gemeint war. //Ich kann jetzt nicht … vielleicht später …//
Er seufzte und nahm die Hand weg. Die „alles-wird-gut-wir-können-doch-darüber-reden-Vater-und-Sohn-Gesprächs"-Stimmung, die eben noch gefährlich dicht und beklemmend in der Luft gelegt hatte, war plötzlich wie weggewischt. Und ich wusste nicht, ob ich darüber erleichtert oder enttäuscht sein sollte.
„Nimm eine Jacke mit", sagte er und seufzte, „Sommer oder nicht, nachts wird es ziemlich kühl."
Ich nickte folgsam und wollte Richtung Tür entschwinden, doch ein letztes Mal hielt er mich noch auf.
„Warte mal kurz", murmelte er und betrachtete prüfend meinen misslungenen Versuch einer Frisur. Schneller als ich reagieren konnte, wuschelte er mit einer raschen Handbewegung durch mein Haar.
„Waah! Stopp! Was machst du denn …!" schrie ich entsetzt, aber unterbrach mich sofort, als ich einen Blick in den gegenüberliegenden Garderobenspiegel erheischte.
Irgendwie sah es anders aus. Alles fiel plötzlich … genau richtig. Wie hatte er das denn wieder gemacht?
„Schon besser", murmelte er zufrieden und drückte mir eine Jacke in die Hand. „Und nimm mein Fahrrad, wenn du hier schon im Dunkeln herumstreunen musst. Deine Klapperkiste hat ja nicht mal Licht."
„Hmh…", erwiderte ich und sah ihn an.
Ich kam mir durchschaut vor und lächerlich jung. Trotzdem fühlte ich mich aus unerfindlichen Gründen plötzlich besser.
„Danke…" murmelte ich schnell und fast unhörbar, und öffnete die Tür.
„Fahr vorsichtig", war alles was er sagte.
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Ich schloss das Fahrrad ausnahmsweise mal sorgfältig ab, als ich vor Taichis Haus stand, da es im Gegensatz zu meinem eigenen so was wie den Ferrari unter den Rädern darstellte. Dann lief ich die Treppe hoch und drückte mit klopfendem Herzen auf die Klingel.
Frau Yagami öffnete mir.
„Yamato, hallo!" Sie lächelte mich freundlich an und trat beiseite. „Wie nett, dass du kommst, während wir fort sind. Dann ist Taichi nicht so allein."
Allein? Na ja … wenn man die Horde betrunkener Fußballer ignorierte, die in einer knappen Stunde das Haus verwüsten würden - war er vermutlich wirklich allein heute Abend. Wie erwartet, hatte Taichi natürlich total „vergessen" seine Eltern von dem geplanten Überfall in Kenntnis zu setzen.
„Geht das mit Kari auch wirklich in Ordnung?" fragte sie besorgt und zog gleichzeitig ihren Mantel über. „Ich hätte es ja lieber gehabt, wenn sie heute hier übernachtet hätte, aber Taichi meinte, dass sie Takeru so wenig sieht in letzter Zeit und da wollten wir ihr den Spaß natürlich auch nicht verderben."
„Das ist wirklich kein Problem", beruhigte ich sie.
„Das ist schön" sagte sie und rief über ihre Schulter, „Schatz? Bist du soweit?"
„Oh, wie unhöflich von mir", wandte sie sich gleich darauf wieder an mich, „ich habe dir ja noch gar nichts angeboten. Möchtest du vielleicht etwas zu trinken? Oder zu essen?" Und wieder über die Schulter: „Schaaatz??"
„Nein!! Ich meine … danke, aber ich habe schon gegessen", erwiderte ich hastig und schlüpfte aus meinen Schuhen.
Und ich hatte vor meinen siebzehnten Geburtstag noch zu erleben, vielen Dank!
„Wirklich nicht? Ich habe hier irgendwo noch ein paar selbstgebackenen Kekse …"
„Bin ja schon da" grummelte Herr Yagami und errettete mich vor den Kochkünsten seiner Frau. „Tag, Yamato."
„Hallo."
„Geh ruhig schon nach oben, Taichi springt da irgendwo herum." Er warf seiner Frau einen schrägen Blick zu, „Ich verstehe sowieso nicht, wieso wir wegen dieser Angelegenheit unbedingt wegfahren müssen. Ich habe mir deswegen extra morgen frei nehmen müssen …"
„Also, bitte! Du weißt doch ganz genau …"
„Nein, weiß ich nicht! Es ist doch wohl ihr überlassen mit wem sie den Rest ihres frustrierten Lebens teilen möchte!"
„Wie kannst du das sagen?? Rodriguez ist sechzig Jahre jünger als sie!! Er ist doch nur hinter ihrem Geld her!!"
„Wenn sie dumm genug ist sich auf ihn einzulassen …"
„Wir müssen sie aus den Klauen dieses Heiratsschwindlers befreien! Denk doch an ihr schwaches Herz!"
„Ach was. Der alte Drachen überlebt uns doch alle."
Beide schienen auf einmal zu bemerken, dass ich immer noch da war und ihnen höchst interessiert und mit kaum verhülltem Grinsen zuhörte, denn sie drehten sich gleichzeitig zu mir um.
„Äh, ich bin schon oben", sagte ich hastig. „Auf Wiedersehen! Gute Fahrt." Ohne auf eine Antwort zu warten sprintete ich eilig die Treppe hoch.
Laute Musik hallte mir schon entgegen als ich auf dem Treppenabsatz ankam. Und zwar so laut, dass mich der Schalldruckpegel fast Hals über Kopf wieder die Treppe runterpustete. Musik und eine Art seltsames Jaulen, das nur mit viel gutem Willen als Gesang durchging. Neugierig spähte ich in Taichis Zimmer.
„I keep looking for something I can´t get" johlte Taichi grade in seinen Fön, während er in nichts weiter außer schwarzen Hot Pants bekleidet auf seinem Bett herumsprang und versuchte dem Rhythmus der Bässe zu folgen. „Broken hearts are all around me! And I don´t see an easy way to get out of this … out of this."
Ich hob die Augenbrauen. Taichi hatte wirklich bemerkenswert viele Talente … aber singen gehörte definitiv nicht dazu, so leidenschaftlich er da auch in seinen Fön jaulte.
Es war albern … ER war albern … und mein Herz hätte nicht so schlagen dürfen, nur weil ich ihn sah …
„Oh-oh-oh Iiiiiiiiii!! I just died in your arms tonight! It must have been something you said! I just died in your arms toniiiiight!"
Endlich schien er mich zu bemerken, denn er strahlte mich an, meinen skeptischen Blick ignorierend und sprang vom Bett aus auf mich zu, während er weiter voller Inbrunst in sein improvisiertes Mikro plärrte.
„Oh-oh-oh Iiiiiiiii! I just died in your arms tonight!" Schneller als ich ausweichen konnte, packte er mich plötzlich und schleifte mich mit sich. „It must have been some kinda kiss! I should´ve walked away … I should´ve walked awaaay!!"
Ich zappelte und wehrte mich, aber er hatte seinen Arm fest um meine Taille geschlungen, während er mich wie eine widerwillige Ballkönigin quer durch sein Zimmer wirbelte.
„Taichi!! Lass dass!!" brüllte ich und versuchte nicht sehr Ballköniginnenhaft nach ihm zu schlagen, was schwer war, da er mich grade so schnell herumdrehte, dass mir fast schlecht wurde. Außerdem ging meine Stimme bei dem Krach sowieso unter.
Endlich hielt er abrupt an und bog meinen Rücken galant über seinen Arm nach hinten. Mir schwirrte schon der Kopf.
„Is there any just cause for a feeling like this?" sang er auf einmal eine Oktave tiefer und wesentlich sanfter, als er an eine ruhigere Stelle des Songs kam. Gleichzeitig schwebte sein Gesicht bedenklich dicht über meinem und er sah mir tief in die Augen. „On the surface I´m a name on a list. I tryyy to be discreet … but then blow it again. Blow it again …"
Kochendheißes Blut schoss von überall aus meinem Körper nach oben und überflutete ohne Vorwarnung mein Gesicht. Mein Herz raste plötzlich wie verrückt. Ich hatte das Gefühl, es war so laut, dass es sogar das verdammte Lied übertönte.
„Auf welchen Drogen bist du denn?" brüllte ich gegen die wummernde Musik an, in dem verzweifelten Versuch normal zu klingen. So als würde nicht alles in mir brennen und hämmern, bloß weil Taichi plötzlich so verdammt dicht bei mir war …
Er grinste. „Keine Lust mitzusingen?!"
„Nein!!!!"
„Sicher nicht?"
Ich schüttelte atemlos den Kopf. Er war so dicht … so nah … ging mir viel zu sehr unter die Haut, als das es gesundheitlich noch vertretbar war. Denn was mein Herz da grade veranstaltete, das fiel wohl kaum noch in den Bereich des Normalen. So schnell wie das grade hämmerte, hätte es sicher jeden Arzt dazu veranlasst, mich sofort samt Blaulicht in die Herzchirurgie einzuliefern.
Da ging er hin … mein Plan so zu tun, als sein alles wie immer …
Nichts war wie immer. Nie wieder.
Behutsam ließ er mich schließlich los und trat einen Schritt zurück. Ich schwankte wie einem Schiff auf rauer See, und musste mir Mühe geben aufrecht stehen zubleiben.
Mit beinah so etwas wie einem bedauernden Ausdruck auf dem Gesicht lächelte er mich an, warf den Fön aufs Bett und drehte endlich die Musik auf ein Ohren schonenderes Maß herunter.
„Hi", sagte er schließlich etwas verspätet.
Ich rang unauffällig nach Luft und erwidert ein geistreiches „Hi."
„Tut mir leid", sagte er und klang absolut nicht schuldbewusst, „ich war etwas … mitgerissen."
„Hier", erwiderte ich, während ich langsam meine Fassung wiedererlangte und mein Gesicht nicht mehr länger aussah wie der Gewinner des rötesten „Rote-Rosen"-Kontests der Welt. „Fünfzig Yen. Geh und kauf dir einen anständigen Musikgeschmack."
Er lachte bloß. „Sind meine Eltern schon weg?"
„Ja. Sind mir direkt über den Weg gelaufen, als ich kam."
„Ausgezeichnet."
„Nur aus Neugierde … was ist eigentlich mit deiner Großtante los? Sie haben so merkwürdige Andeutungen gemacht …"
„Och, die …", er zuckte mit den bloßen Schultern, „die ist aus ihrem Altersheim abgehauen um ihren spanischen Krankenpfleger zu heiraten. Superpeinlich für den Rest der Familie. Jetzt wollen sie sie für unzurechnungsfähig erklären lassen, bevor sie ihr komplettes Vermögen auf Francesco, oder wie immer der Knilch auch heißt, überschreibt. Was weiß ich."
„Rodriguez", verbesserte ich und verkniff mir ein Lachen.
„Wie auch immer …" Er legte nachdenklich den Kopf schräg und starrte mich forschend von oben bis unten an.
„Was ist?" fragte ich.
„Ach nichts." Er seufzte. „Bloß …"
„… bloß was?"
„DU siehst immer so toll aus."
„Ich … waaas?!!" Okay, das kam unerwartet.
Und wumm, da waren sie wieder - sieben Liter glühende Lava, die durch meinen Körper schossen und meinem Gesicht die Farbe überreifer Tomaten verlieh.
Gehet hin und nennt mich Yamato, den menschlichen Feuermelder.
„Du weißt schon … deine Klamotten und so. Ich meine, dir steht ja auch alles gut … aber deine Haare sehen auch immer perfekt aus."
„Stimmt doch gar nicht", hauchte ich schwach.
„Sieh mich doch mal an." Er deutete mit einem miserablen Gesichtsausdruck auf das braune Gestrüpp auf seinem Kopf. „Ich hab es schon mit Gel versucht, aber irgendwie … Es klappt alles nicht. Es sieht immer noch so aus wie vorher."
„Was hast du denn gegen deine Haare?" fragte ich und schluckte, während mir kurzfristig schwindelig wurde, als das ganze Blut wieder aus meinem Kopf floss, so dass ich mich am Bettpfosten festhalten musste. Es war schwer vorstellbar, dass irgendjemand (und sei es Taichi selbst) irgendetwas an seinem Körper nicht umwerfend und absolut atemberaubend finden könnte.
„Ich … hm … ich mag deine Haare", murmelte ich und sah verlegen zur Seite.
„Wirklich?" Er wurde rot.
Das war neu. Taichi wurde niemals rot. Was damit zusammen hing, dass ihm normalerweise nie etwas peinlich war. Aber immerhin war es so zur Abwechslung mal nicht ich, der aussah wie ein Ampelmännchen. „… danke."
„Wieso stören sie dich auf einmal?"
„Tun sie eigentlich nicht … aber … na ja … Ryo hat vorhin in der Umkleide gemeint, ich könnte ruhig versuchen mehr aus mir zu machen. Du weißt schon. Nicht immer nur Sportsachen anziehen. Und die Haare und überhaupt …"
„RYO??" Sofort war ich von schwummerig-locker-leicht auf Hundertachtzig geschossen. „Wieso hörst du denn auf den?? Natürlich muss der so was sagen!! Er ist ja auch schwul! Die hängen doch alle stundenlang vorm Kleiderschrank wie Mädchen!!"
Verdammt!
Mir wurde noch in derselben Sekunde, in der ich es aussprach klar, dass ich mir mal wieder selbst ans Bein gepisst hatte.
//Sehr schlau, Yamato, wirklich! Tapp in dein eigenes Klischee, wieso nicht!//
„Woher weißt du das?" fragte Taichi erstaunt.
„Dass alle Schwulen stundenlang vorm Kleiderschrank hängen? Haha … das war nur geraten … nicht, dass ich selbst damit Erfahrung hätte …"
„Nein, dass mit Ryo meine ich."
„Oh. DAS." Ich hatte eigentlich keine Lust jetzt über Ryo zu reden, aber da er mich so abwartend ansah, sah ich mich schließlich genötigt es zu erklären. „Tk und deine Schwester haben geplappert."
„Ach so." Er sah mich immer noch so angespannt an, als würde er auf irgendetwas warten. Als nichts mehr kam, fragte er schließlich: „Und?"
„Und was?"
„… stört es dich?" fragte er leise und ohne mich dabei anzusehen.
//Ob es mich stört, dass jemand schwul ist??? Soll das ein Witz sein? Abgesehen von mir selbst (denn das stört mich ganz gewaltig) … eher nicht!
Außer er zeigt übermäßiges Interesse an Taichi und kann seine Fingern nicht von ihm lassen …// Aber dass konnte ich natürlich nicht sagen.
„Nein. Natürlich nicht."
„Na dann …"
„Hm …"
Ein seltsames Schweigen breitete sich zwischen uns aus, nicht direkt unangenehm, nur einfach … seltsam. Ich stand immer noch neben dem Bett und spielte mit dem Lederbändchen um meinen Hals und Taichi zupfte in einem für ihn absolut ungewöhnlichen Anfall von Selbstzweifeln an seinen Haaren herum. Wir sahen uns beide nicht an.
So lange bis es mir schließlich zu doof wurde. Kurz entschlossen griff ich nach dem Fön, den Taichi eben auf seine Bettdecke gefeuert hatte. Mein eigenes Haardesaster von eben wurde dabei dezent vergessen.
„Hey, wenn dir wirklich soviel dran liegt … kann ich mich ja mal an deinen Haaren versuchen."
~tbc~
Anmerkung: Schluck, ja ich weiß! Das mit dem taitosexuell war total abgeschmackt, ich geb´s ja zu. Es war aber gar keine Absicht. Ich war so mitten am schreiben, in meinem Kopf hallten noch die Worte heterosexuell und homosexuell und völlig ohne mein Zutun, stand da plötzlich was von taitosexuell. Yamato hat es von ganz alleine gesagt!!
So war es, ich schwör´s!
Ich hab auch gar nicht an Taito im ursprünglichen Sinne gedacht, sondern mehr an HomO, HeterO – TaitO. Hat sich einfach aufgedrängt, mir zumindest. ^^
Und es passte irgendwie so schön, deshalb wollte ich es nicht mehr umändern. Aber falls irgendjemand hier das total doof findet oder ich deswegen verklagt werden könnte, werde ich es nicht mehr benutzen – Ehrenwort!
Über reviews freu ich mich wie üblich riesig (und ja, ich liebe wieder alle, die mir schreiben *g*) und die netten Kommis können auch ruhig ganz kurz sein, bin da nicht anspruchsvoll. ^^
Bei Kritik wäre es lieb, wenn es ein bisschen länger wäre. ^^
