Ginny kam gerade noch pünktlich im Weasleys' Wizard Wheezes an. Wie erwartet war nicht nur Hermine sondern auch Fred dort anzutreffen und so konnte sie den beiden gleich von Mrs. Woods Einladung erzählen, ehe sie mit Hermine loszog.
Ebenfalls wie erwartet war Fred aus dem Häuschen und sogar Hermine fand die Idee gut.
Würde sich etwa jeder so freuen, nur sie nicht?
Etwas später schlenderten Hermine und Ginny durch die Winkelgasse.
„Hm... ich war auch schon lange nicht mehr in einem Muggelbuchladen,"merkte Hermine an und Ginny musste mal wieder daran denken, wie ironisch das alles war: Sie, die in einer Zaubererfamilie aufgewachsen war lebte wegen ihres Freundes nun fast zu 100 als Muggel - sie tippte sogar ihre Artikel mit dem Computer, was ihren Redakteur zuerst doch etwas umgehauen hatte - und Hermine, die bei Muggeln aufgewachsen war, lebte seit sie mit Fred verheiratet war fast zu 100 ohne Muggeldinge.
Vielleicht hatte ihre Mutter recht und sie sollte sich doch einen Zauberer suchen, mit dem sie glücklich werden konnte.
Oh, warum musste ihr gerade jetzt ein gewisser Quidditchspieler mit haselnussbraunen Augen in den Gedanken herumspringen?
„Ginny?"
„Mhm?"
„Du bist blöd, weißt du das?"
„Mhm."
Sie hörte ihr also tatsächlich nicht zu. Hermine verdrehte die Augen.
„Weißt du was, Ginny?"
„Hm?"
„Was meinst du, ist George genauso toll im Bett wie Fred?"
„Mhm... HERMINE!" Sie schlug ihrer brünetten Freundin auf den Arm.
„Das ist nicht lustig, hör auf zu lachen!"
„Doch ist es. Du hast mir nicht zugehört, die Gelegenheit musste ich doch nutzen. Wo bist du bloß mit deinen Gedanken?"
„Unwichtig. Also willst du jetzt in einen Muggelbuchladen, oder nicht?"
„Ginny."Warnte Hermine: „Komm mir nicht mit der Unwichtig-Tour. Irgendwas hast du doch."
Als Ginny nicht antwortete, nahm Hermine sie beim Arm und zog sie in eine Seitenstraße, um den anderen Passanten nicht mitten im Weg zu stehen.
„Was ist los?"
Ginny seufzte: „Ich bin einfach komisch drauf heute. Vielleicht werde ich krank? Ja, das wird es sein. Das würde zumindest diese falschen Gefühle erklären."
„Wie war das?"Zum Schluss hin hatte Ginny nur noch geflüstert, so dass Hermine sich nun etwas zu ihr beugte.
„Also OK, aber versprich mir, dass du niemandem etwas sagst! Thomas darf nie etwas davon erfahren, versprich es mir!"
Hermine erschrak etwas bei der Heftigkeit, mit der Ginny nun sprach, aber sie nickte.
„Ich werde weder deinem Freund noch sonst wem was sagen, ist doch logisch."
„Gut... also ich hab doch heute Oliver gesehen und..."
„Er sieht immer noch so gut aus wie damals, wenn nicht sogar noch besser?"Stellte Hermine fest, als sei es das Normalste von der Welt.
Ginny riss die Augen auf: „Du findest er sah früher gut aus? Du hast ihn auch nur zweimal angeschaut?"
„Natürlich! Hör mal, auch wenn ich ständig hinter meinen Büchern gehangen hab, heißt das nicht, dass ich nicht auch mal den einen oder anderen Jungen genauer angeschaut habe."
„Jetzt sag mir bitte, dass dein Ehemann auch zu diesen Jungs gehörte."
„Ne."Hermine schmunzelte: „In der Schule fühlte ich mich eher von Percy angezogen."
Ginny brach in Gelächter aus. Das hätte wirklich gepasst, wenn die beiden zusammengekommen wären.
„Und was ist jetzt mit Oliver?"Zerstörte Hermine die heitere Stimmung abrupt.
„Er... oh Gott, ich traue mich kaum, das zu sagen, aber er ist einfach nur heiß."
„Sind wir wieder 16 und 17?"
„Wart ab, du siehst ihn ja nächstes Wochenende. Etwas anderes fällt einem da nicht zu ein."
Hermine dachte kurz nach: „Aber er ist nicht so „heiß", dass er eine Gefahr für Thomas werden könnte, oder?"
Die Rothaarige sah Hermine verzweifelt an: „Glaub mir, wären seine Mutter und die anderen Gäste im Café nicht gewesen, wäre ich auf der Stelle über ihn hergefallen."
Am nächsten Samstag sah Ginny sich im Esszimmer von Mrs. Wood direkt neben Oliver platziert und von dessen Fotos umgeben.
„Sie sind sicherlich sehr stolz auf Ihren Sohn,"bemerkte Hermine, der natürlich auch die vielen Fotografien von Oliver, die an den Wänden hingen, nicht entgangen waren.
Mrs. Wood nickte. „Außerdem ist er so selten mal zu Besuch hier, also muss ich ja irgendwas unternehmen, damit ich nicht vergesse, wie er aussieht."
Hermine lachte und warf Ginny, die neben ihr saß, einen Seitenblick zu: „Das passiert sicherlich nicht so schnell."Wie Ginny angekündigt hatte, waren außer Hermine, Fred, Harry und Ron auch Angelina, Katie und Alicia an diesem Abend anwesend. Während des Essens verfielen alle um sie herum schnell in angeregte Gespräche. Ginny spürte zwar, wie Hermine sie zwischendurch immer mal wieder am Arm anstupste, um sie dazu zu bewegen, sich an den Gesprächen zu beteiligen, aber sie ignorierte ihre beste Freundin einfach. Alles was sie wollte, war diesen Abend schnell hinter sich zu bringen, nach Hause zu fahren und... oder am Besten zu Thomas fahren und über ihn herfallen. Ja, das war besser.
Die Tortur war für Ginny nach dem Essen allerdings noch nicht beendet; die anderen wollten sich noch unbedingt zum Kaffee ins Wohnzimmer setzen. Während Ginny sich also missmutig auf den Weg ins Wohnzimmer machte, fragte sie sich wütend, warum die anderen sich nicht einfach einen Kaffee bei Starbucks holen und auf dem Nachhauseweg trinken konnten, wenn sie so scharf auf die Brühe waren. Aber halt. Wahrscheinlich kannten die anderen Starbucks gar nicht. Sie schien hier ja die Einzige zu sein, die auf die Annehmlichkeiten des Lebens als vollwertige Hexe verzichten musste und sich Tag für Tag in Muggellondon durchschlug.
Also konnte sie Starbucks wohl vergessen und musste sich statt dessen ins Wohnzimmer setzen und das alles weiterhin über sich ergehen lassen.
„Also ich muss ja ehrlich sagen, ich war ganz schön baff, als Ginny mir erzählt hat, dass ihr zwei geheiratet habt."Lachte Oliver.
„Nicht nur du warst baff,"bemerkte Angelina. Allerdings schien sie im Gegensatz zu Oliver toternst.
Bevor Hermine etwas zu Angelina sagen konnte, wandte sich Fred schnell an Oliver. „Na ja, wir sind seit fast zehn Jahren zusammen, da wurde es langsam Zeit zu heiraten."
„So lange schon? Aber das wär dann ja seit eurem fünften und siebten Jahr in Hogwarts!"Oliver sah ehrlich beeindruckt aus: „Junge, Junge. Und ich kann schon froh sein, wenn ich mal ne Beziehung von zehn Monaten zustande kriege."Er lachte wieder.
„Wie lange sind Sie denn schon mit Ihrem Freund zusammen?"Fragte Mrs. Wood Ginny mit einem zuckersüßen Lächeln.
Auf was setzte diese Frau bitte?
„Seit... eh..."
„1 ½ Jahre, Ginny."Half Hermine ihr aus.
„Das weiß ich auch."In Wirklichkeit hätte sie hier wohl noch bis zum nächsten Tag sitzen und nachgrübeln können und es wäre ihr nicht eingefallen. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, Oliver zu ignorieren, der neben ihr saß. Lächerlicherweise schien sie die Einzige von beiden zu sein, der das Sitzarrangement auch nur im Geringsten etwas ausmachste.
„So lange schon?" Mrs. Wood hob die Augenbrauen. „Dann sind Sie sich wohl nicht so sicher mit ihm?"
„Wie meinen Sie das?" Ginny fragte sich, ob sie auch die Einzige war, die den Widerspruch in dieser Aussage erkannte, denn die Anderen nickten weise.
„Nun, wenn Sie daran denken würden, Ihr restliches Leben mit ihm zu verbringen, dann müssten Sie doch nicht mehr dieses Versteckspiel durchhalten und könnten ihm sagen, dass Sie eine Hexe sind, oder? Der einzige ersichtliche Grund, warum Sie ihm noch nichts gesagt haben wird wohl sein, dass Sie genau wissen, dass er bald aus ihrem Leben verschwinden wird."
Diese erschreckend einleuchtende Erklärung hatte Ginny so eiskalt erwischt, dass sie nun für den Rest des Abends erst Recht nichts mehr zum Gespräch beisteuern konnte und wollte.
Erst als Mrs. Wood Sie aus ihr unerfindlichen Gründen bat, zusammen mit Oliver das Geschirr in die Küche zu bringen, kam wieder Leben in sie. Sie stand auf, schnappte sich so viele Tassen und Unterteller wie sie sicher tragen konnte und ging steifbeinig hinter Oliver her.
Als sie wieder aus der Küche kamen, ging alles so schnell, dass es Ginny unmöglich war, irgendetwas zu unternehmen:
Fred, Hermine und die Anderen stürzten sich auf Oliver und verabschiedeten sich herzlichst von ihm. Danach stürmten sie noch kurz auf Ginny zu und in der nächsten Sekunde waren sie verschwunden.
Das durfte doch wohl nicht wahr sein, dachte Ginny. Diese Schweine waren einfach auf und davon appariert, als hätten sie sich abgesprochen.
„Apparieren Sie auch?"Fragte Mrs. Wood Ginny.
Irgendetwas an dem Lächeln auf ihrem Gesicht sagte Ginny, dass sie diesen überstürzten Aufbruch mit den Anderen abgesprochen hatte und dass sie die Antwort auf ihre Frage schon längst wusste. Sie schaute kurz zu Oliver und auch ihm schien zumindest Ersteres klar zu sein.
„Nein... ich nehme die Bahn und laufe dann noch ein Stück."
„Aber doch nicht um diese Uhrzeit!"Rief Mrs. Wood entrüstet.
Ginny schaute auf ihre Uhr. Es war halb zehn, wozu also der große Aufriss?
„Gut... dann... appariere ich vielleicht doch?"Ginny hörte sich an wie ein Schauspieler, der nicht wusste, was er als nächstes sagen sollte und vergebens auf die Suflöse wartete.
Anscheinend hatte sie das Falsche gesagt, denn Mrs. Wood schüttelte energisch den Kopf: „Kindchen, Sie wollen es doch als Muggel schaffen, sagten Sie das nicht irgendwann?"
Hatte sie?
„Also werden Sie auch wie ein Muggel nach Hause kommen."
Würde sie?
„Oliver wird sicherlich hocherfreut sein, Sie nach Hause zu bringen, damit Ihnen nichts passiert."
Wird er?
Oliver, der bis dahin einfach nur stumm das absurde Theater beobachtet hatte, das seine Mutter da aufzog, zuckte zusammen.
„Aber das dauert doch viel länger, Ginny will sicherlich nicht noch mit mir durch die Gegend tapern. Wenn sie appariert, ist sie doch viel schneller zu Hause."Außerdem war sie ohne ihn wohl sicherer als mit ihm.
Ginny nickte euphorisch, Mrs. Wood hingegen schüttelte wieder den Kopf, als wolle sie beiden sagen, dass sie den falschen Text aufsagten.
„Ginny will es als Muggel schaffen, das ist wichtig für sie."
Ginny schüttelte den Kopf.
„Immerhin ist ihr Freund ein Muggel."
Nicken und ein angedeutetes „Aber"das allerdings sofort abgewürgt wurde.
„Du solltest sie da unterstützen und sie nach Hause zu bringen ist ja wohl das Mindeste. Du willst doch sicherlich nicht, dass ihr etwas passiert."
Ginny winkte ab.
„Mir passiert schon nichts. Was soll mir schon in der Bahn passieren? Und diese paar Minuten, die ich zu Fuß gehen muss."
Wurde bereits erwähnt, wie lächerlich Ginny diese Unterhaltung fand?
Mrs. Wood zog ihre Augenbrauen zusammen und wedelte mit einem Zeigefinger in der Luft herum: „Falls Sie es noch nicht gehört haben: London ist voller Wahnsinniger. Ich werde nicht das Risiko eingehen, morgen in der Zeitung zu lesen, dass sie zerstückelt in einer Mülltonne gefunden worden."
So schnell wurde eine Komödie also zum Drama, interessant.
Oliver verdrehte die Augen. „Ist schon OK, Mutter. Ich bringe sie mit dem höchsten Vergnügen nach Hause, ehe du noch zu einem Vortrag über dunkle Gassen und die Gefahren von ausländischen Taxifahrern hingerissen wirst."
Also marschierten die brav zur Haustür und zogen ihre Jacken an.
„Jetzt werde ich auch viel besser schlafen können, weil ich sicher sein kann, dass Sie sicher nach Hause kommen."Seltsamerweise klang Mrs. Wood nun ehrlich erleichtert, als sie Ginny umarmte. Nachdem sie sich auch noch von ihrem Sohn verabschiedet und ihn ermahnt hatte, bald wieder vorbeizuschauen, machten sie sich auf den Weg zur nächsten Bahnstation.
Jeder in seinen Gedanken versunken sprachen beide kein einziges Wort.
Was will Mom bitte erreichen? Besorgnis gut und schön, aber langsam wird das echt auffällig. Würde ich sie nicht besser kennen, könnte ich glatt denken... Sekunde... Nein, unmöglich.
Beim Gehen achtete er darauf, genügend Abstand zu ihr zu halten. Das kam ihm selbst zwar etwas lächerlich vor, immerhin war er ein erwachsener Mann und kein hormongeplagter Teenager mehr, aber sicher war sicher. Eigentlich, wenn er jetzt so darüber nachdachte, war er seit er Ginny mit seiner Mutter im Teapot getroffen hatte,
eher ein hormongeplagter Teenager als ein erwachsener Mann. Er wusste nicht, wie das kam und warum gerade sie; alles was er wusste war, dass er besser Abstand zu ihr hielt, ehe diese seltsame Anziehungskraft die Oberhand gewann. Sie war war fünf Jahre jünger als er, er war ... fünf Jahre älter als sie - wie auch immer - sie hatte einen Freund, er hatte seinen Sport. Verdammt, sie hatte einen Freund, das war der springende Punkt hier.
Nicht denken,Ginny, nicht denken, nicht denken... verdammt, warum kommt er nicht näher? Argh. Gut, also doch denken. Denk an deinen Freund, an... an... Thomas! Genau, Thomas war's. An den Mann mit dem du seit... ehm, langer Zeit eine glückliche Beziehung führst. An den Mann dem du seit so langer Zeit immer noch nichts über deine wahre Herkunft erzählt hast. An den Mann den du nie deinen Eltern vorstellen wirst können, weil er ja etwas herausfinden könnte, an den Mann wegen dem du seit langer Zeit lebst wie ein Höhlenmensch ohne jeglichen Komfort. ... Nein, nicht denken. Liegt das an mir, oder sieht Oliver heute Abend noch besser aus als das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe?
„Ach, halt die Klappe."
„Was?"Oliver blieb stehen und schaute Ginny verstört an. „Ich soll die Klappe halten? Ich sag doch gar nichts."
Ginny lief knallrot an. Jetzt sprach sie also schon mit sich selbst.
„Entschuldige, ich meinte nicht dich... ich... ich hab nur manchmal...äh, Tinnitus."
Er runzelte die Stirn. „Warst du mal beim Arzt deswegen?"
Ginny lachte nervös und winkte ab, als sie wieder anfingen, zu laufen.
Ah, da war ja schon die U-Bahn Station. Herrlich, bald wäre sie zu Hause, weit weg von Oliver. Die U-Bahn war schon eine tolle Erfindung.
Ginny hasste die U-Bahn.
Lauter alte Leute, die die Sitzplätze blockierten - wo kamen die um diese Uhrzeit alle her? - junge Leute die sich zwischen den Sitzen breit machten und überhaupt: kein Platz.
Die Beiden, die vorher, mehr oder weniger freiwillig, so viel Abstand zueinander gehalten hatten, wurden nun durchgeschüttelt und aneinander gepresst. Ginny verfluchte innerlich den Autor dieses komödiantisch angelegten Dramas ('hem hem...'). Da sie noch nie zu den Größten gehört hatte, konnte sie sich nicht einmal dadurch ablenken, durch eines der Fenster zu sehen. Entweder sie schaute nach vorne direkt auf Olivers Brustkorb... nein, Kopf lieber nach links. Urgh. Etwas Asexuelles war zwar jetzt ganz nützlich aber der Rücken eines übergewichtigen Mannes im beinahe aufplatzenden Flanellhemd war zu viel des Guten. Also doch lieber rechts. Dekolleté einer fröstelnden Frau in den Vierzigern. Umdrehen? Der Zug bog um eine Kurve und sie wurde noch näher an Oliver gedrückt. Also auch nicht umdrehen. Frustriert starrte sie geradeaus auf diesen breiten... auf Olivers Brustkorb.
Oliver erging es nicht viel besser, auch wenn er groß genug war, um aus einem der Fenster zu schauen: Das Wechselspiel von schwarzem Tunnel und Haltestellen war nicht fesselnd genug, um sich von dem kleinen Rotschopf abzulenken, der da gegen seinen Körper gepresst wurde. Also zwang er sich dazu, seinen Blick auf die Frau neben sich zu konzentrieren. Im Gegensatz zu Ginny hatte er zwar ihr Gesicht im Blickfeld, aber wirklich ansprechend war auch dieser Körperteil von ihr nicht. Sie war wohl so fest entschlossen davon, sich ihr Alter nicht anmerken zu lassen, dass sie einen Frontalzusammenstoß mit einem Tuschkasten provoziert und ihre Haare zu lange im Wasserstoffbad gelassen hatte. Perfekt. Genau das was er jetzt brauchte. Gerade in dem Moment, in dem er neue Hoffnung geschöpft hatte, diese Fahrt doch zu überstehen, schien die Frau zu bemerken, dass er sie anstarrte. Sie zwinkerte ihm, lasziv wie sie wohl hoffte, zu. Also doch lieber die Fenster.
Das überstrapazierte Flanellhemd stieg an der nächsten Station aus und Ginny trat einen Schritt zur Seite, nur um sofort wieder von einem jungen Kerl zurück in die Falle gedrückt zu werden. Wütend starrte sie zu dem Jungen hoch und sah sich einem paar belustigt funkelnder, brauner Augen und einem anzüglichen Lächeln gegenüber. Was sollte das denn bitte, der Kerl war höchstens achtzehn und versuchte hier, sie anzumachen?
Unbewusst drängte sie sich ein Stück weg von dem Bengel und an Oliver, womit sie nun erst recht seine volle Aufmerksamkeit hatte.
Oliver sah verwundert auf Ginny hinunter und folgte dann ihrem Blick. Er musterte den Jungen skeptisch und legte dann einen Arm um Ginnys Schultern, um ihm zu signalisieren, dass er sein Grinsen getrost wieder wegstecken konnte. Diese Geste dir ihr eigentlich helfen sollte wurde zu einer Art Todesurteil. Sofort stellten sich ihre Nackenhaare auf, als beide kleine Stromstöße durchzuckten.
Was passierte, nachdem sie zehn Minuten später die Bahn verließen, bezeichnete Ginny später als eine Art Black Out. Sie wussten zwar genau, was sie taten, aber es kam ihnen eher vor, als hätten sie selbst nicht die Kontrolle darüber. Als würde jemand anderes die Zügel in die Hand nehmen, die Fäden ziehen, oder was auch immer.
Seit ihrer kurzen Unterhaltung über Ginnys plötzlichen Tinnitus hatten sie kein Wort mehr gewechselt und so schwiegen sie auch, als sie durch die Straßen zu ihrer Wohnung gingen. Der einzige Unterschied zu vorher war, dass sie nun fast rannten. Als sie das Wohnhaus erreichten, hatte Ginny bereits den Schlüssel aus ihrer Handtasche gefischt und sie joggten ins Treppenhaus. Nicht zum ersten Mal wünschte Ginny sich, dass sie im ersten und nicht im vierten Stock wohnte. Als sie endlich vor ihrer Haustür standen, fummelte sie einige Sekunden ungeduldig am Türschloss herum, ehe sie die Tür öffnen konnte. Sie trat in den dunklen Flur und drehte sich erst um, als sie hörte, wie Oliver die Tür hinter sich schloss. Sie spürte, wie Oliver eine Hand auf ihre Wange legte und sie zu sich zog. Sie hob ihr Gesicht und eine Sekunde später berührten ihre Lippen seine. So eilig sie es vorher gehabt hatten, her zu kommen, so viel Zeit ließen sie sich nun, den Mund des Anderen zu erkunden. Langsam glitt Olivers Hand von ihrer Wange auf ihre Schulter und er streifte ihr die Jacke ab...
A/N: So, das war der zweite Teil, ich hoffe, er hat gefallen. Danke für die Reviews! :)
