Als ich erwachte, bestand mein ganzer Körper aus Schmerzen. Ich hatte das Gefühl, mit glühenden Eisenstäben verprügelt zu werden, sollte ich auch nur mit meinem kleinen Finger zucken. Ich versuchte, die Pein zu ignorieren, hatte aber ziemliche Probleme damit.
Gedanklich zählte ich die Flüche auf, die mich bei meiner Flucht doch noch getroffen hatten. Ich kam auf zwei Avada Kedavra, fünf bis sechs Crucio und einen Knochenbrecherfluch. Die Flüche, die ich mir in der Schlacht um Hogwarts eingefangen hatte, zählte ich gar nicht erst mit.
Ob die Todesser, die keinen Fluch losgeschickt hatten, noch am Leben waren? Voldemort war bestimmt rasend in seinem Zorn. Und eine so kleine Streitmacht noch weiter zu reduzieren, um die Wut abzureagieren, war eigentlich Wahnsinn. Aber Voldemort würde ich nicht als normal bezeichnen.
Durch das Apparieren hatten mich die ganzen Sprüche nur gestreift, und dieser Tatsache verdankte ich mein Leben. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ich meinen Körper soweit unter Kontrolle hatte, dass ich mich wieder bewegen konnte. Seit ich das dunkle Mal hatte, musste ich soviel durchstehen, dass mein Körper Flüche innerhalb relativ kurzer Zeit verarbeiten konnte.
Doch ich musste zugeben, dass ich noch nie so viele Flüche auf einmal abbekommen hatte, und solche Schmerzen, wie ich sie jetzt durchlitt, hatte ich auch nie empfunden. Der Drang, die Pein einfach rauszuschreien, war groß, aber ich konnte ihn unterdrücken. Denn erstens wurde man davon nur heiser und zweitens könnte es unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns lenken
Nach einiger Zeit hatte ich die Schmerzen soweit unter Kontrolle, dass ich wenigstens meine Augen öffnen konnte.
Seitdem ich mit Harry Potter vor Voldemort geflohen war, mussten einige Stunden vergangen sein, denn die Sonne stand hoch am Himmel.
Vorsichtig, um keine Schmerzattacke zu riskieren, drehte ich meinen Kopf. Ich sah einen verwilderten Garten und ein halb verfallenes Gartenhaus in der Nähe. Wahrscheinlich waren wir auf Muggelgebiet gelandet. Es war das erste Mal gewesen, dass ich apparierte, ohne ein genaues Bild von meinem Ziel zu haben, und dann hatte ich es auch noch ohne Zauberstab machen müssen. Dieses Risiko war notwendig gewesen, denn wenn Voldemort einen Hinweis auf mein Ziel in meinen Gedanken gelesen hätte, wären seine Speichellecker schon längst hier gewesen und meine Chancen zu überleben gleich null. Deswegen hatte ich es gewagt. Auch wenn ich jetzt nicht wusste, wo wir waren. Das Wichtigste war, dass wir lebten und ich die Verfolger zumindest vorläufig abgehängt hatte.
Die Chancen, einen ungezielten Sprung zu überleben, waren auch für erfahrene Zauberer nicht sehr groß. Viele starben daran, dass sie sich in Gegenständen materialisierten, und noch mehr starben, weil sie ohne Ziel das ‚Dazwischen' nicht mehr verlassen konnten.
Aber ich hatte mich auf das sprichwörtliche Glück des Jungen-der-lebt verlassen und wohl Recht gehabt. Harry Potter hatte bisher alles überlebt, nur seine Weggefährten hatten nicht immer so viel Glück. Doch dieses Mal hatte es für uns beide gereicht.
Wo war er eigentlich? Ganz langsam und vorsichtig ließ ich meinen Blick weiterwandern und sah ihn nur wenige Schritte entfernt liegen. Sein Arm war immer noch seltsam verrenkt, und er war bewusstlos.
Ob Voldemort geahnt hatte, dass der Trank, den ich ihm hatte einflößen wollen, ein Heiltrank war?
Serverus Snapes spezielle Kreation, die die Folgen der schlimmsten Flüche linderte. Ganz besonders die des ‚Crucio'.
Eigentlich sollte ich das Rezept meistbietend versteigern und mich von dem Ertrag auf eine einsame Insel zurück ziehen; Bora Bora soll in dieser Jahrszeit sehr schön sein.
Wo war eigentlich die Phiole? Ein Schluck von dem Serum würde auch mir helfen. Bei unserer Flucht hatte ich sie in meiner rechten Hand gehalten.
Ich wollte die Hand heben, aber als eine weitere Schmerzattacke durch meinen Körper lief und mich Sterne sehen ließ, verzichtete ich darauf, mich ruckartig zu bewegen. Stattdessen senkte ich ganz vorsichtig den Kopf. Die Glassplitter, die noch in meiner Handfläche steckten, zeigten mir, dass ich diese Hoffnung auf Linderung begraben konnte.
Was sollte ich nur mit Harry machen? Ich konnte ihn nicht dort liegen lassen, denn dann würde er zu seinen sonstigen Verletzungen auch noch einen kräftigen Sonnenbrand bekommen. Und wenn ich ihn nicht aus dem Gras bekam, bevor die Nacht einsetzte, dann würde er garantiert eine Lungenentzündung bekommen.
Ich sah zum Gartenhaus. Konnte ich es schaffen, ihn bis dort zu bringen?
Mein Körper sagte eindeutig nein. Aber er war es gewohnt, dass ich seine Proteste ignorierte. Ich musste mich nur genügend motivieren, dann würde es schon klappen.
Aber womit? Dumbledore war wahrscheinlich schwer verletzt oder tot. Ich hatte gesehen, wie er während der Schlacht von einem Verräter niedergestreckt wurde. Er war neben Harry Potter der einzige, der wusste, dass ich nur als Spion bei den Todessern gewesen war. Und der Junge glaubte, dass ich nicht auf Dumbledores, sondern nur auf meiner eigenen Seite stand und deswegen jederzeit zu Voldemort wechseln würde, sollte es mir in den Kram passen. Ganz unrecht hatte er nicht, nur hatten Dumledore und ich das gleiche Ziel: Voldemorts Vernichtung.
Alle anderen hielten mich spätestens seit der gestrigen Schlacht für Voldemorts treuen Anhänger. Woher sollten sie auch wissen, dass ich niemals an diesen Verrückten geglaubt hatte, sondern seit meinem siebten Schuljahr für Dumbledore spioniert hatte? Jetzt schlug mein ewiges Misstrauen und die Sorge, von Mitwissern verraten zu werden, auf mich zurück. Aber hatte ich auch ahnen können, dass dieser verrückte Schwarzmagier und seine Gefolgsleute es schafften, Dumbledore und Harry Potter auszuschalten, ohne dass ich dabei starb?
Ich hatte mich noch keinen Zentimeter bewegt und brannte vor Schmerzen. Also musste ich mich anders motivieren.
Wie wäre es mit Zaubertränken? Ich versuchte, die Zutaten des Wolfbanntrankes aufzuzählen und mich dabei zu bewegen.
Mist, jetzt war ich zum zweiten Mal gestürzt. Ich konnte mich einfach nicht aufrecht halten, weil mein Körper unkontrolliert zitterte. Das war nur eine der netten Nebenwirkungen des ‚Crucio'. Der hatte mich ja oft genug getroffen, um jetzt solch extreme Reaktionen hervorzurufen.
Ich atmete einmal tief durch und versuchte, mich wieder aufzurichten. Doch ich spürte einen Widerstand. Mein rechtes Bein gab nach und ich konnte es auf einmal nicht mehr belasten. Vorsichtiges bewegen lokalisierte den Schmerzpunkt. Mein rechtes Knie war beim Sturz lädiert worden. Als ob der gebrochene Zeh vom Knochenbrecher-Fluch und das lahme linke Bein vom Kampf um Hogwarts nicht genug stören würden.
Aber nein, für Fortuna war ich ja nur Severus Snape, der absolute Glückspilz. Schließlich hatte ich überlebt, also kein Grund, mich zu beklagen. Besser noch: Weder Voldemorts Häscher noch die ‚Seite der Gerechtigkeit' hatten mich erwischt. Ich hatte also wirklich keinen Grund, mich zu beklagen, aber irgendwie empfand ich die Tatsache, dass ich durch diese Verletzung Harry jetzt nur noch kriechend erreichen konnte, als eine mittlere Katastrophe. Denn diese Fortbewegung war einfach nur würdelos.
Ich durfte noch nicht mal meine Wut und meine Schmerzen herausschreien. Ich wollte nicht riskieren, dass mehr oder weniger harmlose Passanten auf mich aufmerksam wurden. Wenn das Ministerium mich fassen würde, dann würden sie mich ohne Federlesen oder gar Verhandlung den Dementoren vorwerfen, und wenn Voldemort mich in seine Finger bekam, dann würde ich erst gefoltert und anschließend auch von den übergelaufenen Dementoren vernascht werden.
Schöne Aussichten!
Wenn ich es nicht schaffte, Potter zu retten, würde ich sterben. Er war im Moment meine einzige Hoffnung. Das musste doch Ansporn genug sein.
Mit fest zusammengebissenen Zähnen zog ich mich auf Händen und Knien zu dem Jungen-der-lebt. Zentimeter für Zentimeter, eine Bewegung nach der anderen. Meine Augen hatte ich inzwischen geschlossen, denn ich sah vor Schmerzen nur noch Sterne. Um mich abzulenken, versuchte ich, herauszufinden, wie die Sterne, die um meinen Kopf schwirrten, wirklich aussahen.
Nun, sie waren gelb mit einem leichten Grünstich und hatten acht Zacken.
Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, und die wenigen Meter kamen mir wie Meilen vor. Doch ich schätzte, dass ich jetzt bei dem Potterjungen angekommen sein musst. Ich öffnete meine Augen und wartete, bis das Flimmern nachgelassen hatte und ich meine Umgebung wahrnehmen konnte. Ich hatte Potter fast erreicht. Berühren konnte ich ihn noch nicht, dafür musste ich mich noch etwas bewegen, aber ich konnte sein Gesicht sehen. Mit geschlossenen Augen hatte er keine Ähnlichkeit mehr mit Lily. Er glich so sehr seinem Vater.
So fies die Streiche der Rumtreiber damals auch gewesen waren, ich hatte es immer als eine Herausforderung gesehen, mich mit ihnen zu messen, und es ihnen mit gleicher Münze heimgezahlt. Wirklich gehasst hatte ich sie nie, auch wenn ich den Eindruck erweckt hatte.
Einer gegen vier hatte ich für ein angemessenes Verhältnis gehalten.
Nur nach dem Vorfall in der Hütte hatte sich meine Haltung ihnen gegenüber verändert, denn ich hatte niemals versucht, einen von ihnen umzubringen, und hätte so etwas niemals getan. Danach hasste ich Black, der mich in diese missliche Lage gebracht hatte. Und James Potter? Er hatte mich zwar gerettet, aber danach hatte er eine überhebliche gönnerhafte Art an sich gehabt, die mich einfach nur zur Weißglut gebracht hatte. Und doch, ich schuldete ihm mein Leben. Zudem war es ein feiner Charakterzug von ihnen gewesen, dass sie sich anschließend noch nicht einmal trauten, sich bei mir zu entschuldigen. Soviel zum Mut und zu der ach so tollen Aufrichtigkeit von Gryffindor. Durch diesen Streich war ich endgültig zu der Überzeugung gekommen, dass ich wirklich niemandem trauen konnte.
Es war zu schade, dass Black an seiner großen Klappe gestorben war, denn mit ihm hatte ich immer noch eine Rechnung offen gehabt. Nur Lupin hatte ich inzwischen verziehen, irgendwie war er ja auch ein Opfer des Streiches gewesen.
Damals hatte ich mich darauf vorbereitet, als Dumbledores Spion von Voldemorts Truppe aufgenommen zu werden. Wenn ich damals gewusst hätte, was mir bevorstand, ich bezweifle, dass ich es mit meinem heutigen Wissen noch einmal tun würde.
Aber damals war ich ein fünfzehnjähriger Zauberschüler gewesen, der auf Rache aus war, zu viele Muggelfilme gesehen hatte und unbedingt ein Spion wie James Bond werden wollte. Selbst Albus hatte mich nicht aufhalten können. Und er hatte es wirklich versucht.
Und was hatte es gebracht? Ich hatte noch nicht einmal Lily und James retten können. Schließlich schuldete ich James noch mein Leben, und es hätte mir eine unheimliche Genugtuung bereitet, wenn er in der Situation gewesen wäre, dass er sich bei mir bedanken musste. Doch so war es nicht gekommen, und ich musste ich Schuld nach seinem Tod auf den Potterjungen übertragen. Nur wusste es der undankbare Bengel gar nicht zu würdigen.
Ich hatte es geschafft. Ich hatte die letzten Meter zurückgelegt, war zu Harry Potter gekrochen und lag nun neben ihm. Ich brauchte nur einige Minuten Pause, und dann würde es weitergehen.
Aber erst untersuchte ich ihn. Soweit ich das feststellen konnte, hatte er einen gebrochenen Arm und litt unter den Auswirkungen verschiedener Flüche. Daran konnte ich im Moment nichts ändern. Ich war zu schwach, um die entsprechenden Heilsprüche anzuwenden.
Vorsichtig, um meinen geschundenen Körper nicht noch weiter zu verletzen, ging ich neben meinem Schüler zu Boden. Fünf Minuten Pause und dann musste ich mich wieder aufrappeln. Nur etwas Atem schöpfen. Jetzt wagte ich es nicht, meine Augen zu schließen, denn wenn ich es getan hätte, wäre ich sofort vor Erschöpfung eingeschlafen. Erst musste ich Harry in das Gartenhäuschen bringen.
Wie ich das fertig bringen sollte, war mir allerdings noch nicht klar. Vielleicht schaffte ich es ja, ihn mit einem 'Wingardium Leviosa' schweben zu lassen. Der Spruch war so einfach, dass ich es selbst in diesem Zustand zuwege bringen müsste.
Aber ohne Zauberstab würde nichts funktionieren.
Als ich meinen Kopf drehte, um danach zu suchen, fühlte er sich einfach nur scheußlich an, und ich musste erneut das Bedürfnis, meine Schmerzen herauszuschreien, unterdrücken. Aber das war ja nichts Neues. Ich wartete einen Moment, bis die schlimmsten Schmerzen nachließen. Jetzt musste ich mich nur noch daran erinnern, wo ich dieses bessere Essstäbchen hingepackt hatte. Da es mir nicht einfiel, durchwühlte ich systematisch sämtliche Taschen meines Umhangs.
Ich wusste gar nicht, dass meine Robe so viele Taschen hatte. Und das Abtasten jeder einzelnen erforderte Bewegungen, die glühende Nadeln in mein Gehirn versenkten. Doch ich konnte mir einfach nicht den Luxus leisten, auf meinen Körper zu hören und einfach nur still zu halten, bis die Schmerzen auf ein erträgliches Maß sanken, denn das wäre mein Todesurteil.
Endlich fand ich meinen Stab, heil und unversehrt. Auch Harrys Zauberstab war in der Tasche. Nachdem die anderen Todesser den Jungen vom Schlachtfeld entführt, dabei aber den Zauberstab zurückgelassen hatten, da hatte ich die Gelegenheit eines unbeobachteten Augenblicks genutzt und den Stab mit einem ‚Accio' zu mir gerufen. Aber jetzt benötigte ich mein Werkzeug.
Ich bewegte meine Hand langsam und vorsichtig und zog meinen Stab heraus.
Jetzt musste ich nur noch genügend Konzentration aufbringen, um den Zauber zu wirken, und dann konnte es losgehen.
Ich schaute noch einmal auf Harry, und mir fiel erst jetzt meine stark eingeschränkte Sicht auf. Das konnte doch nicht nur an meinen Verletzungen liegen. Ich hatte auch schon einen Verdacht, was es sein könnte. Aber es war einfach mit zu vielen Schmerzen verbunden, meinen Arm zu heben, als dass ich es jetzt ändern würde.
Später, wenn Harry sicher im Gartenhaus war, dann würde ich die verdammte Todessermaske abnehmen.
Gott, war ich stolz, dass der Levitationszauber auf Anhieb klappte. Dabei war es ein Spruch für Erstklässler.
Mit wenigen Bewegungen, die bedingt durch meine Schmerzen langsam und sehr unsicher waren, dirigierte ich den Körper zu der Hütte und ließ ihn sanft davor zu Boden gehen. Jetzt musste ich auch noch dahin bewegenkommen. Levitieren kam nicht in Frage, denn dafür hatte ich weder die Kraft noch die geistige Konzentration. Also war wieder kriechen angesagt.
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass es für einen Zaubertränkemeister demütigend ist, sich so fortzubewegen?
Auf halbem Weg zum Gartenhaus verzweifelte ich. Mein Körper wollte einfach nicht mehr. Mein ganzer Leib wurde von Schmerzschauern gequält, wenn ich mich auch nur um einen Zentimeter bewegte. Zum Glück war ich viel zu fertig, um zu schreien, denn ich hatte jetzt nicht mehr die Kraft, dieses Bedürfnis zu unterdrücken.
Sämtliche Energiereserven waren verbraucht. Wie sagten die Muggel es so schön? ‚Meine Akkus sind leer.'
Im Gegensatz zu Voldemort versuchte ich immer, mich über die Entwicklungen in der Muggelwelt auf dem Laufenden zu halten. Dieser Größenwahnsinnige hatte nie erkannt, wie gefährlich die Muggel werden könnten, sollten sie irgendwann einmal in der Lage sein, mit ihrer ‚Technik' unsere Abwehrzauber zu überwinden.
Schon seltsam, da lag ich vor Schmerzen zusammengekrümmt auf einer verwilderten Wiese und philosophierte über die Muggel.
Sollte ich so enden? Von Schmerzschaudern gepeinigt, nicht in der Lage, auch nur eine Handbewegung zu meiner Verteidigung zu machen? Ich hatte es mir irgendwie anders vorgestellt. Wenn, dann wollte ich einem grandiosen Kampf gegen Voldemort untergehen und allen beweisen, wie sehr sie sich in mir getäuscht hatten. So elend garantiert nicht.
Und wenn ich es nicht schaffen würde, Hilfe zu organisieren, dann wäre nicht nur mein, sondern auch Harrys Schicksal besiegelt. Und ohne Dumbledore und Harry Potter würde nicht nur die Zauberwelt in ein sehr dunkles Zeitalter eintauchen.
Oh ja, ohne mich würde die Welt zu Grunde gehen. Aber selbst dieser Gedanke reichte nicht, dass ich mich noch einmal aufrappelte.
So lag ich keuchend auf dem Boden und schaffte es einfach nicht mehr, mich zu motivieren. Selbst das Atemholen bewirkte inzwischen Schmerzwellen, die durch meinen Körper rasten. Und ich sah, ohne meine Augen zu öffnen, Sternchen, die um meinen Kopf rotierten. Die Sternchen hatten übrigens sieben Zacken, waren weiß und schienen zu pulsieren.
Nach einiger Zeit hörte ich ein Stöhnen von dem Potterjungen. Er kam wohl zu Bewusstsein und spürte wieder seinen Körper. Dank Voldemort und seinen Todessern musste er ähnlich schmerzgepeinigt sein wie ich. Und er hatte in seinem Leben noch nicht genügend Erfahrung gemacht, um diese Schmerzen zu ignorieren. Sollte er auch nicht. Selbst meinem ärgsten Feind - gut, Voldemort ist ein Spezialfall - wünschte ich nicht meine Erfahrung mit den dunklen Flüchen.
Ich wollte zu ihm, ihm sagen, dass er nicht mehr in Voldemorts Händen war und dass wir schon einen Weg finden würden, aus diesem Schlamassel rauszukommen. Also zwang ich meinen Körper, sich weiter zu bewegen.
Ob es nun an der neuen Motivation lag oder daran, dass ich eine längere Pause gemacht hatte, jedenfalls ging es weiter. Ich klappte mindestens fünf Mal zusammen und schaffte jedes Mal nur wenige Bewegungen, bis mich mein Körper wieder im Stich ließ. Aber mir gelang es. Dabei hatte ich das Denken schon lange aufgegeben und mich nur auf die nächste Bewegung konzentriert.
Irgendwann, ich kann nicht sagen, wie viel Zeit ich dafür brauchte, hielt mich etwas auf. Eigentlich hatte ich nicht vor, meinen Kopf zu bewegen, aber um das Hindernis anzuschauen, musste ich ihn ein kleines Stückchen heben.
Beinahe wäre ich an dieser Herausforderung gescheitert. Doch dann besiegte ich meinen störrischen Körper und sah mir das Hindernis an. Es war gleichzeitig mein Ziel. Ich lag vor der Tür des Gartenhauses.
Wenn ich es schon schaffte, die Hütte anzuschauen, dann konnte ich auch einen Blick auf Potter werfen – ganz langsam und vorsichtig. Er hatte inzwischen wieder sein Bewusstsein verloren. Für ihn war es gnädiger, ohnmächtig zu sein.
Jetzt musste ich die Tür nur noch aufbekommen. Wo ich schon mal dabei war, blickte ich nun auch hoch. Das was ich sah, ließ mich fast verzweifeln. Der Eingang wurde von einem verrosteten Schloss gesichert.
Scheiße, Mist, verfluchter Dreck… Als die Schimpfwörter meiner Muttersprache nicht mehr ausreichten, um meinen Frust loszuwerden, wechselte ich erst zu Latein, dann Französisch, Altgriechisch, Zentaurensprache und Deutsch. Beim Hauselfenkauderwelsch fand ich keine Schimpfwörter, und das beruhigte mich wieder soweit, dass ich mich auf meine Aufgabe konzentrieren konnte.
Woher ich die Energie für diesen Ausbruch hernahm, wusste ich nicht.
Es war nicht so, dass ich keinen Öffnungszauber beherrschte, als Spion musste man mehr Sprüche beherrschen als jeder andere, aber ich war so unendlich erschöpft. Wie sollte ich es nur schaffen? Ich gönnte meinem Körper erst einmal eine weitere Pause, sank auf den Boden und schloss die Augen.
Als ich wieder die Kraft hatte, meine Augen zu öffnen und nach oben zu schauen, war ich überrascht, wie tief die Sonne gesunken war, es war fast Abenddämmerung. Ich hatte wohl mehrere Stunden in Bewusstlosigkeit verbracht. Vorsichtig versuchte ich eine Bewegung, um an meinen Zauberstab zu kommen. Die Schmerzen hatten etwas nachgelassen und es funktionierte.
Ich richtete ihn auf das Schloss und sprach leise "Alohomora". Es klappte, zum Glück fiel dass Schloss auch auf den Boden, so dass ich es nicht mehr entfernen brauchte.
Fortuna hatte wohl doch ein Einsehen.
Vorsichtig berührte ich die Tür und schob sie auf. Ein Blick in das Innere zeigte, dass ich wenigstens einmal an diesem verdammten Tag Glück hatte. Das Dach des Gartenhauses schien dicht zu sein und auf dem Holzboden lagen mehrere alte Säcke, die ich als Unterlage für Harry nehmen konnte. Wieder levitierte ich den Jungen, dirigierte ihn in die Hütte und ließ ihn auf das provisorische Bett hinab.
Dann kroch ich auch in die Hütte, vergaß aber nicht, die Türe wieder zu verschließen. Bis auf das niedergetrampelte Gras deutete nichts darauf hin, dass sich jetzt jemand im Gartenhaus aufhielt. Bevor ich mich neben dem Jungen an die Wand lehnte, nahm ich meinen Umhang ab und deckte Harry damit zu. Eigentlich hätte ich auch die Maske abziehen können, aber ich hatte nicht die Kraft dafür.
Ich überzeugte mich, dass er einigermaßen bequem lag. Versorgen konnte ich seine Verletzungen nicht, aber morgen würde ich für Hilfe sorgen
‚Morgen, wenn mein Körper nicht mehr so rebellisch ist, werde ich einen besseren Unterschlupf organisieren, wo ich auch einige Heiltränke brauen kann.'
Mit diesen Gedanken fiel ich in einen erschöpften Schlaf.
Das war's für heute. Über Kommentare von euch würde ich mich sehr freuen.
