Der dritte Tag

Als ich erwachte, merkte ich direkt, dass die Schmerzen nachgelassen hatten, dafür war ich am Verdursten und meine Blase schien zu platzen. Meine Zunge schien nicht mehr mir selbst zu gehören und ein widerspenstiger Wurm in meinem ausgedörrten Mund zu sein.

Vorsichtig bewegte ich mich. Die erwarteten Schmerzen waren zwar da, aber nicht halb so schlimm wie befürchtet.

Wie lange hatte ich geschlafen, dass es mir schon wieder so gut ging? Das Gartenhaus war eigentlich nur eine Abstellkammer ohne Fenster. Im Raum war ein Dämmerlicht, das jede Zeitbestimmung unmöglich machte.

Ganz langsam stand ich auf und versuchte, das verletzte Knie zu belasten. Es tat zwar weh, aber es funktionierte. Und die Schmerzen waren wiederum erträglich.

Bevor ich die Türe öffnete, beugte ich mich zu Harry Potter. Sein Gesicht war rot und verschwitzt. Er fieberte und warf sich unruhig hin und her. Ich musste schnellstens Hilfe für ihn organisieren, bevor er innerlich verbrannte.

Ich wollte mich gerade von ihm wegbewegen, als er seine Augen öffnete. Mit fiebrigem Blick sah er mich an. Erst nach einiger Zeit schien er in die Realität zurückzufinden und mich zu bemerken. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, und er versuchte, vor mir wegzukriechen. Ich verstand seine Reaktion nicht wirklich: Ich hatte ihn als Lehrer ziemlich getriezt, aber er hatte mir gegenüber nie Angst gezeigt, ganz im Gegenteil. Er hatte mich bekämpft, wo es nur ging.

Beruhigend wollte ich meine Hand auf seinen unverletzten Arm legen, aber er wehrte mich ab, wollte etwas sagen, bekam aber nur ein panisches Gebrabbel heraus.

Dann wurde mir alles klar. Ich hatte ja noch immer diese verdammte Todessermaske auf. Harry konnte gar nicht wissen, wer sich dahinter verbarg.

Ärgerlich riss ich mir die Maske vom Kopf und sah ihn wieder an. Die Schmerzen, die diese hastige Bewegung verursachte, ignorierte ich. Wie konnte mir nur so ein Fehler passieren? Der Junge wäre beinahe vor Angst gestorben.

Ich wollte beruhigend auf ihn einreden, aber es ging nicht. Mein Hals war so trocken, dass ich nur ein Krächzen herausbrachte. Es war aber nicht nötig, noch etwas zu sagen, da Harrys Augen wieder einen abwesenden Glanz bekamen. Sie schlossen sich, und der Junge versank in Fieberträumen.

Ein Fleck auf dem Todessermantel zeigte mir, dass er in seiner Angst seine Blase entleert hatte. Und wenn ich nicht schnellstmöglich nach draußen kam, würde mir Ähnliches passieren. Das ließ mein Stolz nicht zu. Ich versuchte, mich zu beherrschen, und biss gedanklich die Zähne zusammen.

Mit einem kleinen Zauber beseitigte ich die Flecken auf dem Umhang und Harrys Kleidung. Ich war froh, dass es mir ohne zu große Anstrengung gelang. Dann öffnete ich die Tür, humpelte hinaus und wässerte die Wand. Das plätschernde Geräusch erinnerte mich wieder an meinen Durst.

Ich musste für den Jungen und mich schnellstens Flüssigkeit organisieren, am besten trinkbares Wasser, sonst würden wir dehydrieren und verdursten.

Ein Blick zum Himmel zeigte mir, dass es wohl später Nachmittag war. Kein Wunder, dass ich mich merklich erholt hatte, da ich fast vierundzwanzig Stunden geschlafen hatte.

Aber jetzt musste ich Wasser suchen. Normalerweise hatten die Muggel doch immer eine Wasserleitung in der Nähe ihrer Gartenhäuser. Hoffentlich war es hier genau so.

Prüfend drehte ich eine Runde um das Gartenhaus und wurde auch fündig. Wenn der Wasserhahn nicht abgesperrt war, dann hatten wir Glück. Ansonsten würde ich dafür unser Versteck verlassen müssen. Denn ich hatte bestimmt nicht die Energie, einen Verwandlungszauber zu wirken, der aus Erde wirkliches, trinkbares Wasser machte.

Ich drehte den Hahn. Zuerst wollte er nicht, doch dann konnte ich ihn bewegen. Es quietschte so laut, dass ich mir Sorgen machte, ob uns dieses Geräusch verraten würde. Aber das Risiko musste ich eingehen. Und dann floss das Wasser.

Da ich keine Trinkgefäße hatte, verwandelte ich zwei Steine in einen Krug und einen Becher. Da ich nur die Form, aber nicht die Konsistenz änderte, brauchte ich dafür nur recht wenig magische Kraft. Wenn ein Schüler bei McGonagalls Unterricht so eine Verwandlung vorgewiesen hätte, wäre er durchgefallen. Aber McGonagall war nicht da, um mich zu tadeln, und mich interessierte nur, dass die Gefäße keine Löcher hatten.

Nachdem ich meinen Durst gestillt und mir das Gesicht gewaschen hatte, füllte ich den Krug und ging wieder in die Hütte.

Ich setzte mich zu Harry und hob seinen Kopf an. Er war bewusstlos und bekam nichts mit. Vorsichtig öffnete ich seinen Mund und ließ einige Tropfen Wasser hineinlaufen. Automatisch schluckte er und ersparte mir einige Probleme. Nach und nach flößte ich ihm zwei Becher Wasser ein, bis ich der Meinung war, dass er genug hatte.

Ich legte seinen Kopf vorsichtig auf die Unterlage zurück und lehnte mich kurz an die Wand, um mich wieder zu erholen. Unter normalen Umständen hätten mich in diesem Zustand keine zehn Zentauren von der Stelle bekommen, so erschöpft war ich schon wieder, aber ich musste etwas zum Essen und Zutaten für einen Zaubertrank besorgen.

Deswegen stand ich wider besseres Wissen auf und verließ das Gartenhaus. Ich füllte den Krug wieder auf und setzte ihn und einen gefüllten Becher in Reichweite von Harrys gesundem Arm ab. Sollte er doch erwachen, hatte er eine Möglichkeit, seinen Durst zu stillen. Mehr konnte ich leider nicht für ihn tun.

Dann machte ich mich auf den Weg.

Ich versuchte, sämtliche dunkle Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben. Was mir aber wie üblich nicht gelang. Was wäre, wenn ich von Voldemorts Leuten erwischt würde? Sie würden Harry zwar nicht finden, der Junge hatte in der einsamen Hütte aber kaum Chancen, von anderen entdeckt zu werden. Und ohne Hilfe würde er sterben.

Ich war allerdings noch zu geschwächt, um Schutzzauber aufzubauen, die mich unterwegs sichern würden. So musste ich also darauf achten, unter den Muggeln nicht zu viel Aufsehen zu erregen.

Ich verließ das verwilderte Grundstück durch ein ziemlich verrostetes Tor und kam auf einen kleinen unbefestigten Weg. Ich blickte prüfend den Pfad entlang, konnte aber nichts Verdächtiges bemerken. Kurz entschlossen bog ich rechts ab.

Eigentlich wollte ich den Ausflug so schnell wie möglich hinter mich bringen. Aber mein verletztes Knie ließ es nicht zu. Ich musste langsam gehen, um mein Hinken zu verbergen. Nach kurzer Zeit stieß der Weg auf eine befestigte Straße. Es war eindeutig eine Wohnsiedlung der Muggel. Nirgendwo sieht man sonst so hässliche uniforme Häuser mit ebenso hässlichen Gärten. Es war ziemlich ruhig, keine Autos fuhren auf der Strasse, und ich sah keine Muggel. So bog ich wieder rechts ab und folgte der Straße.

Vielleicht führte der Weg zu einem Einkaufszentrum. Dann könnte ich etwas zu essen und Muggelmedikamente besorgen. Muggelgeld hatte ich zwar keines, aber ich kannte die eine oder andere Methode, mir unbemerkt die notwendigen Gegenstände zu organisieren.

Ich hatte einige hundert Meter zurückgelegt, als mich auf einmal ein Stein am Rücken traf und eine grässliche Jungenstimme rief: "Verschwinde, du Penner! Abschaum wie dich wollen wir hier nicht haben! Wir sind eine anständige Gegend!"

‚NIEMAND bewirft mich ungestraft mit Steinen und NIEMAND nennt mich ungestraft einen Penner! Ganz egal, wie ich aussehen mag.'Ich drehte mich ganz langsam um, und auf mein Gesicht stahl sich ein Lächeln, vor dem sämtliche Schüler davonrennen würden.

Aber nicht so dieser Bengel. Er hatte den Stein von seinem Grundstück aus geworfen und dachte wohl, dass er hinter diesem Zaun in Sicherheit war. Denn wegrennen konnte er nicht, dafür war er viel zu fett. Er glich einem dicken Fass auf zwei Beinen. Gedanklich berichtigte ich mich, er glich zwei neben einander gestellten Weinfässern auf zwei Beinen; jeder normale Stuhl würde unter ihm zusammenbrechen, so schwer war er.

Mit einer einzigen gleitenden Bewegung trat ich an den Zaun. Zu schade, dass ich keinen Umhang trug, dies würde den unheimlichen Effekt noch verstärken. Die Schmerzen waren mir egal, es kam auf den Eindruck an, den ich machte.

Dem Jungen hatte ich wohl auch so schon etwas wie Angst eingejagt, denn er rückte ein wenig von der Begrenzung ab, so dass er außer Reichweite war.

Als ob mich diese kurze Distanz aufhalten konnte.

"Wie heißt du?" Meine Stimme hatte sich schon wieder soweit erholt, dass ich die Frage in meinem besten Tonfall stellen konnte. Niemand, der noch halbwegs klar im Kopf war, würde es wagen, nicht zu antworten, selbst wenn mein Äußeres noch so heruntergekommen war.

"Dudley, Dudley Dursley!"

Sofort änderten sich meine Pläne. Die Dursleys waren doch die Familie, bei der Harry Potter regelmäßig seine Sommerferien verbrachte. Zum ersten Mal musterte ich das Grundstück mit meinen magischen Fähigkeiten.

Sie waren noch vorhanden. Wenn man nicht darauf achtete, dann bemerkte man sie nicht. Nur wenn man wusste, worauf man achten musste, dann konnte man sie erahnen und doch ging eine unheimliche Macht davon aus. Schutzzauber um das ganze Haus gewoben, die es Voldemorts Leuten unmöglich machten, dieses Gelände zu orten oder gar zu betreten.

Dieser Schutzzauber existierte nur, wenn Dumbledore lebte. Also hatte der alte Mann das Attentat überlebt.

Dieser Ort war das ideale Versteck, um Harry wieder aufzupäppeln.

Niemand rechnete damit, dass ich mich bei Muggeln einquartieren würde.

Kommentarlos drehte ich mich um und ließ den verwirrten Jungen hinter mir zurück. Rache ist süß, und diesem Bengel würde ich die nächsten Tage persönlich das Leben zur Hölle machen.

Irgendwie verstand ich jetzt, warum der Potterjunge sich immer wehrte, die Sommerferien bei seinen Verwandten zu verbringen. Wenn der Junge schon so ekelig war, wie würden erst dessen Eltern sein? Aber sollten sie nur ein falsches Wort sagen, dann würden sie mich kennenlernen.

Ich ging wieder zurück zum Gartenhaus, um Harry zu holen.

Sein Fieber war stärker geworden. In seinen wirren Fieberträumen hatte er sich wohl heftig bewegt und dabei den Wasserkrug umgestoßen. Dieser war aber so umgefallen, dass Harry nicht nass geworden war. Ich holte frisches Wasser und flößte ihm noch zwei Becher ein. Dann kümmerte ich mich um mein Äußeres.

Dudley hatte mich als Penner beschimpft. So sah ich bestimmt nicht aus. Gut, durch den Kampf und meine Verletzungen hatte meine Kleidung gelitten, aber ein Penner sah anders aus.

Aber um bei den Dursleys Eindruck zu schinden und für nächste Zeit Ruhe zu haben, musste ich an meiner Erscheinung arbeiten. Ich zückte meinen Zauberstab, brachte mit einem kleinen Spruch meine Kleidung auf Vordermann und befreite mich mit einem anderen Spruch vom Blut, Dreck und Schweiß.

Warum diese Sprüche keine Auswirkungen auf mein Kopfhaar haben, habe ich nie herausgefunden. Also ging ich noch einmal zum Wasserhahn und wusch mir die Haare. So gut es eben ohne Shampoo funktionierte.

Danach musste ich mich einige Minuten ausruhen. Auch wenn ich nicht weit gelaufen war, mein Körper meinte schon wieder, protestieren zu müssen, und zeigte mir Sternchen. Dieses Mal hatten sie allerdings nur sechs Zacken und einen strahlenden Gelbton. Es dauerte einige Minuten, bis ich meinen Körper wieder unter Kontrolle hatte.

Ich rappelte mich wieder hoch, nahm meinen Umhang und zog ihn an. Dann hob ich Harry auf den Arm und machte mich auf den Weg zu seinen Verwandten. Ich war überrascht und erleichtert, wie leicht der Junge war. Wäre er schwerer gewesen, hätte ich ihn nicht tragen können.

Dieses Mal ging ich quer durch die Gärten. Und das Haus der Dursleys war genau so nah, wie ich vermutet hatte. Ich brauchte nur zwei Zäune zu übersteigen und befand mich auf der Rückseite ihres Hauses.

Ich positionierte meinen Umhang so, dass Harry von ihm verdeckt wurde und jeder mich für ziemlich korpulent halten würde; die einbrechende Dämmerung verbesserte meine Verwandlung. Dann begab ich mich zum Eingang. Als ich ihr Türschild sah, musste ich trotz der Umstände grinsen, selten hatte ich etwas Kitschigeres gesehen. Die Vornamen waren mit Blümchen geschmückt. Entschlossen drückte ich den Klingelknopf. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich hörte Stimmengemurmel und dann näherten sich Schritte. Sie waren leicht und energisch, also auf keinen Fall Dudley. Dann öffnete sich die Türe einen Spalt und gleichzeitig stieg mir der Duft eines guten Bratens in die Nase.

Ich wusste sofort, wer heute auf seine übliche Portion verzichten und sie mir freiwillig überlassen würde.

"Wer sind Sie und was wollen Sie um diese Uhrzeit?" Was für ein Besen. Nicht nur die Stimme war schrecklich, sondern das Gesicht, das ich hinter der Sicherheitskette sehen konnte, war sehr unsympathisch. Eigentlich würde ein kleiner Schlenker mit dem Zauberstab reichen, um hineinzukommen, aber da ich den Potterjungen in meinen Armen hielt, konnte ich darauf nicht zurückgreifen. Also griff ich in die Trickkiste.

"Mein Name ist Trelawney, Professor Trelawney. Ich bin ein Lehrer von Harry, und Direktor Dumbledore hat mich in einer... ähm... delikaten Angelegenheit hergeschickt."

Meine Stimme hatte jetzt einen sonoren, angenehmen Ton, mit einem gewissen Timbre, bei dem garantiert jede Frau schwach würde. Nicht aber dieser Drachen. Mrs. Dursley schaute zwar nicht mehr ganz so ekelig, war aber noch nicht bereit, mir die Tür zu öffnen.

"Und wie können wir Ihnen weiterhelfen, Mr. Trelawney?"

Eigentlich sollte ich darauf bestehen, dass sie mich mit Professor anredete, aber Harry wurde in meinen Armen immer schwerer und ich hatte keine Zeit für Diskussionen.

"Wie schon gesagt, es geht um Harry Potter, und wenn Sie Ihren Ruf wahren wollen, wäre es sinnvoll, das Ganze nicht zwischen Tür und Angel zu besprechen, wo Ihre Nachbarn alles mithören können."

"Was hat der Bengel denn jetzt schon wieder angestellt? Nichts als Ärger hat man mit ihm. Wenn er der Schule verwiesen worden ist, dann kann er sich auf etwas gefasst machen! Das hat man nun davon, dass man sich eines verwaisten Jungen annimmt. Allein, was er immer anstellt, wenn er im Sommer hier ist. VERNON! Kommst du bitte, wir haben Besuch."

Währenddessen öffnete sie mir die Tür, ließ mich hinein und schloss sie wieder, nicht ohne einen misstrauischen Blick nach draußen zu werfen.

Dann hörte ich auch schon die schweren Schritte, die sich dem Flur näherten. Es war wohl Vernon Dursley. Ich wollte mit meiner Fracht beladen und unbewaffnet eine Auseinandersetzung vermeiden, also schob ich mich an Petunia Dursley vorbei, ignorierte ihren Protest und eilte die Treppe hoch. Ich machte die erste Tür auf, ging hinein und legte Harry in das dort befindliche Bett. Beinahe hätte ich dabei das Gleichgewicht verloren und mich neben ihn gelegt, aber das konnte ich so gerade eben noch verhindern. Ich stand wieder kurz vor einem Schwächeanfall, aber die Aussicht auf ein gutes Essen hielt mich aufrecht. Mir fiel auf, dass ich seit zwei Tagen nichts mehr gegessen hatte.

Ich stand gerade wieder, als sich auch schon zwei Gestalten hinter mir in den Raum quetschten, und eine von ihnen machte das Licht an. Ich sah in zwei zornige Gesichter, die wohl glaubten, einen Einbrecher vor sich zu haben. Wenn sie wüssten, was ich wirklich war, dann würden sie jeden Dieb willkommen heißen und ihm ihr ganzes Geld geben.

"Was fällt Ihnen ein! Erst behaupten Sie, Harry Potters Lehrer zu sein, und als meine Frau Sie arglos rein lässt, bewegen Sie sich in unserem Heim, als ob es Ihr eigenes wäre. Sie verlassen jetzt auf der Stelle mein Haus!"

Vernons Gebrüll ließ die Wände erzittern, aber mich interessierte das herzlich wenig. Was konnten mir diese Muggel schon antun?

Ich bewegte mich auf die beiden zu und setzte meine ‚Longbottom hat mal wieder einen Kessel explodieren lassen'-Miene auf.

Es wirkte. Sie warfen noch nicht einmal einen Blick auf das Bett hinter mir, bemerkten auch nicht, dass ich plötzlich viel schlanker war als noch vor wenigen Augenblicken, sondern wichen nur erschrocken zurück und machten mir den Weg frei. Ich brauchte noch nicht mal ein Wort zu sagen.

Dudley hörte ich auf der Treppe schnaufen, er wollte wohl auch schauen, was los war. Ich freute mich schon auf sein Gesicht, wenn er den ‚Penner' wiedererkennen würde.

Ich verließ das Zimmer und schaute mir die anderen Räume der oberen Etage flüchtig an. Im Badezimmer machte ich einen längeren Halt. Ich durchwühlte den Medizinschrank und fand fast alles, was Harry im Moment brauchte. Auch für mich fand ich einige Medikamente, die ich sofort einnahm. Normalerweise bevorzugte ich meine Tränke, die wesentlich besser wirkten als diese chemischen Mixturen und auch wesentlich weniger Nebenwirkungen hatten, aber wir beide brauchten jetzt die Mittel und nicht erst, wenn ich wieder in der Lage war zu brauen.

Nachdem ich alles zusammengesucht hatte, was ich zur medizinischen Versorgung benötigte, öffnete ich die Badezimmertür, die ich abgeschlossen hatte. Wie erwartet standen direkt vor mir die beiden Dursleys, die ängstlich zurückschreckten. Petunia hatte wohl versucht, durch das Schlüsselloch zu erkennen, was ich machte. Mich wunderte nur, dass sie nicht gegen die Tür gehämmert hatten, um den Einlass zu erzwingen.

Da sie mir gefolgt waren, hatten sie natürlich auch nicht mitbekommen, dass ihr Ziehsohn in einem ihrer Betten lag.

Was für eine jämmerliche Bande.

Ohne sie weiter zu beachten, ging ich wieder zu Harry.

Als ich den Potterjungen versorgte, kamen sie wieder hinter mir ins Schlafzimmer. Jetzt waren sie zu dritt, da Dudley es doch noch geschafft hatte, die Stufen hochzukommen. Bei seinem Gewicht war das Treppensteigen bestimmt ein Kraftakt.

"Das ist mein Zimmer! Was treibt der Typ in meinem Zimmer? Vater, sag ihm, dass er verschwinden soll!"

Diese weinerliche Stimme bereitete mir Kopfschmerzen. Ich war nah dran, Dudley einen Knebel zu verpassen, ließ es aber, da es eigentlich ein Wunder war, dass ich noch nicht zusammengeklappt war.

Ich drehte mich um und musterte den Bengel. ‚Mann, brauchte der lange, um mich zu erkennen.' Aber schließlich ging Dudley doch noch ein Licht auf. Erstaunlicher Weise hinderte ihn die Erinnerung nicht daran, einen eklatanten Fehler zu begehen. Er kam auf mich zu und versuchte, mich aus dem Zimmer zu zerren, was natürlich zwecklos war. Kein Muggel kann einen Zauberer vom Fleck bewegen, wenn der es nicht will. Ich gönnte mir den Spaß und sah zu, wie er sich dabei abmühte, doch schon nach einigen Sekunden nervte es einfach nur, wie er an mir rumdrückte. So blickte ich ihn einfach nur an. Er schien den Blick zu spüren, schaute mich an, erbleichte, ließ mich los und trat zur Seite.

Das sind die Momente im Leben, die mir einfach nur Spaß machen. Ein Blick und jeder weiß, was ich will.

Dudley schien aber noch nicht wirklich genug zu haben. Er sah sich wohl zum ersten Mal an diesem Abend in seinem Zimmer um und entdeckte Harry auf seinem Bett. Seine Kinnlade klappte runter und dann ließ er wieder ein weinerliches Gejammer ertönen. "Mum, Harry darf nicht in mein Zimmer, sorg' dafür, dass er woanders hinkommt, sein Bett steht doch noch in der Besenkammer. Bringt ihn doch da hin. Er blutet mir sonst noch mein ganzes Bett voll."

Petunias Antwort bekam ich nicht mit, da ich mich zu Harry ans Bett gesetzt hatte und anfing, ihn zu behandeln. Ich musste mich darauf konzentrieren, die Muggelmedizin mit Zauberkraft zu unterstützen. Aber das letzte Wort hatte ich mit dem Dursleyjungen noch nicht gewechselt. Bestimmt nicht.

Dann war ich fertig mit Harrys Versorgung. Den Bruch hatte ich geschient, einige Platzwunden desinfiziert und verbunden und Harry mit einer fiebersenkenden Tablette versorgt. Da er immer noch bewusstlos war, verzichtete ich darauf, ihm etwas zu essen zu besorgen. Harry brauchte nur noch etwas zu trinken und Ruhe, damit die Medikamente wirken konnten. Aber ich musste jetzt etwas essen. Denn wenn ich nicht bald Nahrung bekam, würde ich ziemlich großes Problem haben. Heilzauber empfand ich als extrem kräftezehrend. Und in meinem Zustand hatte ich schon mehr gemacht, als meiner Gesundheit zuträglich war.

Ich erhob mich von Harrys Bett und verließ das Zimmer. Nebenbei packte ich Dudley, der direkt hinter mir stand, an einem Ohr und schob ihn aus dem Raum. Mit seiner Masse gelang es mir auch, seine Eltern aus dem Zimmer zu drängen. Dann schob ich ihn die Treppe runter. Bei seinem Gewicht folgte er mehr dem Gesetz der Schwerkraft, als dass er aus eigener Kraft die Stufen hinab stieg. Ich musste ihn bremsen, damit er nicht hinfiel. Nicht, dass es mich gekümmert hätte, aber in meinem Zustand wäre ich garantiert hinterhergefallen. Das musste ich verhindern.

Als wir unten ankamen, war mein Körper der Meinung, dass diese Aktion doch ein bisschen zu viel des Guten war; ich merkte, wie meine Arme zitterten. Gleichzeitig wurden meine Schmerzen wieder stärker. Aber im Vergleich zu dem, was ich gestern durchgemacht hatte, war es immer noch harmlos. Deswegen ignorierte ich es und folgte meiner Nase. Ich zerrte den Bengel solange mit, bis wir die Küche und den gedeckten Tisch erreicht hatten. Dann ließ ich Dudley los und setzte mich hin. Was der Junge jetzt machte, war mir ziemlich egal. Mich hätte es nicht gewundert, wenn er heulend nach seiner Mutter geschrien hätte. Aber er beließ es dabei, sein Ohr zu reiben und mich anzustarren.

Ich musste etwas essen, um keinen Schwächeanfall zu bekommen. Ich griff den Zauberstab aus meinem Umhang, packte mir magisch aus den Töpfen eine nicht zu große Portion auf den Teller und fing an, in aller Ruhe zu essen. Levitationszauber sind einfach und sehr spektakulär.

Und die Dursleys standen um mich herum und gafften mich an. Ich hatte großen Hunger, aber nach den Entbehrungen der letzten Tage war es ratsam, nur wenig zu essen. Ich hatte keine Lust, alles wieder zu erbrechen. Deswegen aß ich auch langsam, um meinen Magen wieder an die Nahrung zu gewöhnen.

Währenddessen machte ich mir meine Gedanken, was das für eine Familie war, bei der Harry Potter lebte. Irgendwie bezweifelte ich, dass der Junge eine glückliche Kindheit hatte. Und ich fragte mich, ob ich den Jungen in meinem Unterricht wirklich richtig behandelt hatte, besonders in den Sonderstunden.

Aber diese Gedanken hielten mich nicht vom Essen ab. Es war ein gutes Gefühl, einen vollen Magen zu haben. Dabei ich hatte den Eindruck, dass meine Schmerzen nachließen, je voller mein Bauch wurde. Ich aß langsam und kaute sorgfältig, und es schmeckte himmlisch. Aber es konnte auch daran liegen, dass ich so lange nichts mehr gegessen hatte.

Als ich fertig war, nahm ich ein Glas vom Küchentisch, füllte es mit Wasser, griff mir Dudley, der den Fehler gemacht hatte, in meiner Nähe zu bleiben, am Ohr und zerrte ihn zur Treppe. Als ich vor den Stufen stand, ließ ich ihn kurz los, nahm meinen Zauberstab, ignorierte das angstvolle Wimmern des Jungen, und mit einem Wingardium Leviosa ließ ich ihn die Treppe hochschweben. Ich wollte keine halbe Stunde warten, bis er es geschafft hatte, die Stufen zu erklimmen. Ich folgte ihm die Treppe hoch und dirigierte ihn in das Badezimmer. Dort ließ ich ihn nicht allzu sanft zu Boden gehen. Es lag nicht so sehr daran, dass ich ihn quälen wollte, sondern daran, dass ich vor Erschöpfung eine falsche Bewegung gemacht hatte.

"Du hast fünf Minuten." Ob er etwas mit diesem Spruch anfangen konnte, war mir egal, nach dieser Frist war für den Bengel Schlafenszeit, und er würde keine Chance bekommen zu jammern.

Ich ließ nicht zu, dass er die Tür verrammelte, sondern stellte meinen Fuß in den Eingang, so dass er nicht abschließen konnte. Als Dudley nach vier Minuten die Toilette verließ, bugsierte ich ihn in das Schlafzimmer, in dem Harry lag. Dort kümmerte ich mich zuerst um Harry und flößte ihm das Wasser ein. Der wachte während dieser Prozedur nicht auf.

Dudleys Eltern hielten sich die ganze Zeit in meiner Nähe auf, doch ich ignorierte sie und ihr Geschwafel vollkommen. Aber ohne eine Erklärung würden sie wohl die ganze Nacht keine Ruhe geben. Deswegen drehte ich mich um und sah sie einfach nur an. Dies wirkte und sie hielten endlich ihren Mund.

"Dudley bleibt die Nacht über bei mir. Er ist mein Garant, dass ihr nichts Unüberlegtes anstellt. Morgen früh schauen wir, wie es weiter geht."

Ihren schockierten Gesichtern entnahm ich, dass ich sie so überrannt hatte, dass sie bisher noch nicht daran gedacht hatten, etwas zu unternehmen. Sie waren vollkommen verwirrt. Aber ich rechnete fest damit, dass sie früher oder später auf die Idee kommen würden, die Muggelpolizei zu holen.

Mit Dudley als Geisel würden sie es sich jedoch gründlich überlegen. Als sie keine Anstalten machten, das Schlafzimmer zu verlassen, schob ich sie aus dem Raum und machte ihnen die Türe vor der Nase zu.

Jetzt belegte ich den Dursleyjungen mit dem Petrificus Totalus-Zauber. So gefesselt und geknebelt lag er ziemlich unbequem auf dem Boden.

Ein kurzer Blick auf Dudley überzeugte mich, dass die Fesseln nicht zu stark waren. Dann drehte ich ihn um. Er würde die ganze Nacht mit seinem Gesicht zur Wand schlafen, denn ich hatte keine Lust, seinen vorwurfsvollen Blick auf mir zu spüren, wenn ich einschlafen wollte. Albträume hatte ich auch ohne ihn genug.

Ich beugte mich zu Harry, der in einen ruhigen Heilschlaf gefallen war, und entschied, dass das Bett groß genug für uns beide sein würde. Ich zog meinen Umhang aus, nahm aber vorher die Zauberstäbe heraus und legte sie auf den Nachttisch. Dann schob ich Harry ein kleines Stück zur Seite und legte mich neben ihn. Wirklich schlafen würde ich nicht können, aber ich hatte in den letzten Jahren viel Erfahrung gesammelt, mich auch im Dämmerschlaf zu erholen.


Wie wird es Dudley ergehen und was passiert mit Petunia und Vernon, wenn Snape auf sie losgelassen wird? Wollt ihr es überhaupt wissen?