Und weiter geht es…


Ich hatte mich noch nicht umgedreht, als Harry schon seinen Zauberstab gezückt hatte und ohne zu zögern "Avada Kedavra" rief. Ich konnte fast wie in Zeitlupe sehen, wie sich ein grüner Strahl von seinem Stab löste und auf den Todesser – ich vermutete Nott – zubewegte.

Dann erlosch der Strahl, und der Todesser gab ein heiseres Röcheln von sich. Fast schon in einer Pirouette drehte er sich einmal und fiel dann in sich zusammen.

In der Kategorie ‚elegantes Sterben' gab ich ihm eine 6,0.

Der andere Todesser hatte seinen Stab auf Harry gerichtet und sprach auch "Avada Ked---" – er kam aber nicht dazu, seinen Spruch zu vollenden, denn ich war mit meinem "Avada Kedavra" schneller.

Er war aber noch nicht mal eine 4,8 wert. Er fiel um wie ein Mehlsack.

"Sie waren zwar schon schnell, Potter, aber nicht schnell genug, um auch den zweiten zu erledigen. Wenn Sie Voldemort wirklich besiegen wollen, müssen Sie besser sein."

Erstaunlicher Weise hatte er heute Morgen die Intelligenz bewiesen, seinen Zauberstab einzustecken.

Der Junge starrte mich einen Augenblick mit offenem Mund an, dann wurde er sich der Tatsache bewusst, presste seine Lippen zu einem Strich zusammen und seine Augen funkelten mich wütend an.

Ich hatte nichts anderes erwartet.

Ein Schrei erinnerte mich daran, dass wir nicht allein in der Küche waren.

Nun, Petunia hatte nicht geschrieen. Sie war zwar sehr blass, hielt aber den Mund. Es war Vernon, der schrie und kein Ende zu finden schien.

Merlin, er war noch schlimmer als eine Erstklässlerin, die Zaubertrank über ihr wunderhübsches, neues Kleid gekleckert hatte.

Ich ging zu ihm – dabei musste ich über eine Leiche hinwegsteigen – und gab ihm eine kräftige Ohrfeige. Das wirkte. Er hielt den Mund und starrte mich einfach nur an. Ich wandte mich zu Harry, um ihn einige Instruktionen zu geben. Er schien nicht wirklich geschockt zu sein. Im Gegenteil, es schien ihn nicht zu kümmern, dass er gerade einen Menschen umgebracht hatte.

Wieso auch? Es war Krieg und Todesser waren Feinde. Ich war da auch nicht anders.

Aber eigentlich sollte er ein strahlender Held sein, und zu dessen Eigenschaften gehörte es, auch über den Tod des Feindes zu trauern, oder wenigstens betroffen zu sein.

Er hatte sogar die Ruhe, sich seine Kaffeetasse zu nehmen und sie zu leeren. Ein Todesser hätte sich nicht abgebrühter verhalten können. Und vielleicht gerade deswegen störte mich dieses Verhalten, und meine Anweisungen fielen etwas härter aus, als ich geplant hatte.

"Potter, gehen Sie nach oben und holen Sie unsere Sachen runter. Auf dem Schreibtisch in unserem Zimmer stehen auch noch zwei Flaschen, in denen ich einige Zaubertränke abgefüllt hatte. Vergessen Sie sie nicht. Und beeilen Sie sich. Wir müssen hier schnellstmöglich weg."

Erstaunlicher Weise muckte er nicht auf und sah ein, wie sinnvoll die Anweisung war. Er nickte nur kurz und verschwand dann.

"Denken Sie noch an das, was Sie mir gestern versprochen haben?"

Da konnte Petunia unbesorgt sein, ich hatte es nicht vergessen.

"Ja, aber dafür müssen Sie sowohl Ihren Mann als auch Dudley unter Kontrolle halten. In fünf Minuten ist Aufbruch, und wer dann nicht in der Küche ist, bleibt hier. Es wird zu gefährlich", setze ich als Erklärung hinzu.

Sie nickte nur, dann ging sie zu Vernon. Er sah sie nur mit einem unbeschreiblichen Blick an. Petunia packte ihn und schüttelte ihn so lange, bis er wieder zu sich gekommen war. Er wirkte sehr unglücklich.

"Vernon, geh' nach oben in unser Schlafzimmer. Im Wandschrank auf meiner Seite findest du einen Koffer. In den habe ich alles Nötige eingepackt. Ich kümmere mich um Dudley."

Vernon riss sich von ihr los und starrte sie an.

"Was ist los mit dir, Petunia? Du hasst und verachtest diese… diese… Und jetzt? Die beiden haben zwei Menschen umgebracht, und du denkst daran, mit diesem Abschaum zu gehen. Ich versteh' dich nicht."

Wenn der Anlass nicht so ernst gewesen wäre… Es machte mir Spaß, diese beiden beim Streiten zu beobachten. Denn Petunia war wirklich wütend. Ihre Stimme hatte einen richtig biestigen und ironischen Klang.

"Im Gegensatz zu dir habe ich aber immer einen guten Grund dazu gehabt, mein lieber Vernon. Du hast es nie kapiert, aber diese komischen und verschrobenen Wesen, die sich Zauberer nennen, sind viel gefährlicher, als du es dir in deinen wildesten Träumen vorstellen kannst. Sie haben meine Eltern und Lily getötet. Und wenn Harry und sein Begleiter nicht so schnell gewesen wären, dann wären wir jetzt auch tot. Und jetzt geh'! Wir haben keine Zeit zu streiten!"

Aua, Vernon sah aus wie ein geprügelter Hund, kein Wunder, hatte Petunia die letzten Worte gebrüllt.

Diese Szene kam mir sehr bekannt vor. Ich hatte einmal erlebt, dass Lily James so runtergeputzt hatte, als er dachte, einen besonders gelungen Streich ausgeheckt zu haben.

Vernon dachte gar nicht mehr an Widerstand und schlich fast schon aus dem Raum, direkt dahinter folgte Petunia, die zur Besenkammer ging, die Tür aufriss und Dudley herauszog.

Wieso brauchte sie mich, um den Jungen unter Kontrolle zu bekommen? Denn so wie sie jetzt aussah, erinnerte sie mich an einen wilden Drachen. Einen, der feuerspuckte.

Dudley empfand wohl Ähnliches, denn er folgte, ohne Widerstand zu leisten.

Harry traf fast gleichzeitig mit ihr in der Küche ein. Ohne ein Wort zu sagen, reichte er mir den Todesserumhang und die beiden Flaschen.

Am liebsten hätte ich den Umhang liegen gelassen, aber er hatte die letzten Tage gute Dienste geleistet, und vielleicht brauchte ich ihn noch mal. Aber damit er nicht zu auffällig wirkte, richtete ich meinen Zauberstab auf ihn, und mit einem Spruch sah er aus wie ein ganz normaler Umhang.

Die beiden Flaschen verstaute ich bruchsicher in der Innentasche, die auch die anderen Phiolen beherbergte. Dann legte ich den Umhang um und war fertig.

Vernon fehlte noch, aber ich konnte hören, wie er die Treppe hinunterpolterte.

Jede Sekunde, die wir hier blieben, war eine Sekunde zuviel. Voldemort hatte zwar nicht mehr viele Speichellecker, aber jetzt, wo Dumbledore tot war, musste er nur noch Harry Potter besiegen, um von England aus die Welt zu erobern.

Die beiden Toten hatten wohl das Pech gehabt, in dem Moment, als der Schutzbann brach, bei Voldemort zu sein. Bis er die anderen gerufen und zu uns geschickt hatte… es konnte nicht mehr lange dauern. Fragt sich nur, wie sie herausgefunden hatten, wo wir waren. Aber da Trelawney schon für Dumbledores Tod verantwortlich war, war es ein leichtes für sie gewesen, auch dieses Geheimnis auszuplaudern – Dumbledore hätte zusätzlich noch einen Geheimniswahrer einsetzen sollen, aber jetzt war es zu spät, darüber zu grübeln..

Es war Zeit, sich um die Zukunft zu kümmern und nicht, um in der Vergangenheit zu hängen. Ich sah Harry an.

"Potter, wissen Sie, wo Ihre Tante wohnt?"

Er schaute mich sehr misstrauisch an.

"Meinen Sie Tante Magda mit ihrer Hundezucht? Ja, ich weiß, wo sie wohnt."

So wie er aussah, liebte er sie heiß und innig. Ich mochte Magda jetzt schon. Doch es war keine Zeit, sich die Sache noch einmal zu überlegen.

"Kennen Sie den Ort gut genug, um mich beim Apparieren zu leiten?"

Der Junge wusste sofort, was das bedeutete: Um ihm folgen zu können, musste ich in seinen Geist eindringen und dem Bild in seinem Kopf folgen. Wenn es nicht ganz deutlich war, dann kam ich nicht in einem Stück dort an. Ganz zu schweigen von Vernon und Petunia.

Er atmete einmal tief ein, dann nickte er und berührte Dudley. Ich tat das gleiche mit Vernon und Petunia, schloss meine Augen und konzentrierte mich auf Harry. Zuerst stieß ich in seinem Geist auf eine sehr dicke, undurchdringliche Mauer, sie war selbst für Voldemort ein unüberwindbares Hindernis. Wie hatte der Jung das ohne Unterricht hinbekommen?

Ich machte mir schon Gedanken, ob er mir wirklich den Zugang erlauben würde - schließlich hatten wir ein sehr inniges Verhältnis zueinander - doch dann erschuf Harry in dieser Mauer eine kleine Tür. Ich öffnete sie und konnte sehen, wo wir hin mussten. Doch nicht mehr, alles andere war immer noch abgeschirmt. Harry hatte wohl nur auf diesen Augenblick gewartet und apparierte. Ich folgte sofort.

Ich spürte die übliche Kälte, die das Apparieren mit sich brachte, und acht Sekunden später kamen wir an. Ich öffnete die Augen und blickte mich um. Petunia stand noch neben mir und hatte ihre Hand in meinen Arm verkrampft. Ihre Augen waren geschlossen, und sie war recht blass. Doch bevor ich irgendetwas unternehmen konnte, öffnete sie ihre Augen, blickte mich an, und mit einem schuldbewussten Lächeln löste sie ihre Finger von meinem Unterarm. Ich war mir sicher, dass ihre Nägel Abdrücke hinterlassen hatten.

Vernon hatte das Apparieren nicht annähernd so gut überstanden. Auch seine Augen waren geschlossen, doch sein Gesicht war leichenblass, und Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er schien kurz vor einer Panikattacke zu stehen. Doch mich interessierte es nicht, denn von Dudley ging wieder einmal ein ekelhafter Geruch aus, er hatte sich nass gemacht. Auch Potter hatte es gemerkt, denn er gab ein abfälliges Schnauben von sich und entfernte sich von Dudley, er war doch intelligent genug, es gegen den Wind zu tun. Der Platz zwischen den Hundezwingern war weit genug.

Ich wollte ihm schon nachfolgen, als mein Blick blieb an einem recht großen, kräftigen Hund hängen blieb, der mich irgendwie an Black erinnerte. Das Tier stand genau vor mir und knurrte mich an. Und dann machte er noch einen Schritt auf mich zu, als ob er mich angreifen wollte. Das war zu viel. Was bildete sich dieses Vieh nur ein?

Ich ging einen halben Schritt auf den Köter zu. Das Wehen meines Umhangs ließ den Hund stocken, und als ich mich auch noch vorbeugte und meine Zähne fletschte, da hatte er genug. Er zog seinen Schwanz ein, duckte sich und ging leise jaulend einige Schritte zurück. Ich folgte ihm, denn das reichte mir nicht. Den Zauberstab hatte ich inzwischen gezückt, um mich notfalls mit einem ‚Stupor' gegen ihn wehren zu können. Aber das brauchte ich nicht. Der Hund gab sich endgültig geschlagen, legte sich hin und präsentierte mir seinen Bauch. Hach, wie schön wäre es gewesen, wenn dieses Tier wirklich Black gewesen wäre! Zufrieden richtete ich mich wieder auf und drehte mich um. Höchste Zeit, mit Harry nach Hogwarts zu apparieren!

"Was haben Sie mit meinem Hund gemacht?"

Konnte in dieser Familie niemand eine halbwegs normale Stimme haben? Von diesem Gekeife bekam ich bestimmt noch Kopfschmerzen. Mir reichte es.

Also drehte ich mich wieder um und sah mir die Frau an. Ja, die Verwandtschaft mit Vernon war unübersehbar. Sie war fett und hässlich. Und sie nervte.

Sie blickte mich an, und ich grinste. Ich weiß ja, dass ich eine besondere Wirkung auf Frauen habe, aber dass sie meinetwegen direkt in Ohnmacht fallen... Musste sie vorher auch noch so laut schreien? Jedenfalls war das Letzte, was sie sah, bevor sie umkippte, mein Lächeln.

Dann hörte ich hinter mir ein Glucksen. Zum wievielten Mal drehte ich mich jetzt wieder um? Es war Harry, der sich mit der Hand seinen Mund zuhielt und doch nicht verhindern konnte, dass er laut lachte. Lachte er mich etwa aus? Ich wollte ihn schon anbrüllen, als ich sah, dass er mich gar nicht ansah, sondern diese Magda.

Es war immer dasselbe: Ich bezog jede negative Äußerung direkt auf mich. Wenn ich ehrlich zu mir war, dann war es ein ziemlicher Minderwertigkeitskomplex, den ich mir in den letzten Jahren zu gelegt hatte.

Bei meinem Job als Spion und so, wie Voldemort mich behandelt hatte, war es kein Wunder, dass ich ihn hatte. Doch mitbekommen sollte es keiner, denn dazu war ich zu stolz. Und Albus wäre vielleicht auf die Idee gekommen, sich in einer Art und Weise um mich zu kümmern, die ich einfach nur als Krone der Demütigung empfand.

Der Gedanke schmerzte, schließlich war er gerade erst ein paar Minuten tot. Und doch hatte ich mich schon mit der Tatsache abgefunden.

Aber wir mussten weiter und ich konnte bestimmt nicht meinen Gedanken nachhängen.

"Petunia!"

Sie wirkte recht amüsiert und blickte abwechselnd von dieser Magda zu ihrem Mann, denn der lag auch auf dem Boden und war aus Solidarität zu seiner Schwester auch in Ohnmacht gefallen. Darüber konnte ich nur den Kopf schütten.

Im Gegensatz zum Rest ihrer Familie, den ich einfach nur schrecklich fand, hatte ich einen Respekt Petunia gegenüber entwickelt.

Sie war keine Frau, die ich wirklich mögen würde, dafür war sie viel zu Slytherin und mir in einigen Sachen viel zu ähnlich, als dass wir uns lange vertragen würden. Aber sie kennen zu lernen, war eine interessante Erfahrung gewesen, die ich nicht missen wollte.

"Ja, Mister?"

Stimmt, ich hatte den Dursleys immer noch nicht meinen Namen genannt!

"Ich heiße Snape. Serverus Snape. Aber Sie können mich Serverus nennen."

"Ja, Serverus?"

Sie sah mich an, als ob ihr dieser Name etwas sagen würde, nicht wirklich etwas Positives, und am liebsten hätte ich ihr einen Fluch an den Hals gehetzt. Sie schien es auch zu merken und setzte zu einer Erklärung an.

"Lily hat früher von Ihnen erzählt."

Ein Hochziehen meiner Augenbraue reichte.

"Nicht besonders gut, aber auch nicht wirklich schlecht. Sie erzählte nur, dass Sie James' Erzfeind waren, aber Lily war der Meinung, dass ihr Verhalten nur eine einstudierte Show war, und sie sich fragte, wie Sie wirklich waren."

Schade, dass Lily so früh gestorben war, sie war eine fantastische Frau gewesen und hätte noch viel mehr bewirken können. Nicht, dass ich jemals Interesse an ihr gehabt hätte. Wir waren noch nicht mal befreundet gewesen.

Dafür hing Harry an Petunias Lippen, es schien, dass er wirklich nicht viel über seine Eltern wusste. Inzwischen wunderte es mich nicht mehr.

Es war lächerlich und es war kitschig und doch, um mich zu verabschieden, nahm ich Petunias Hand und hob sie hoch, dann verbeugte ich mich vor ihr und gab ihr einen Handkuss.

Als ich mich aufgerichtet hatte, sah ich, dass sie errötet war. Und ich verbiss mir ein Lächeln, das von tief aus meinem Inneren aufgestiegen war.

"Es wäre eine Schande, wenn Sie ein Opfer dieses Krieges würden. Nehmen Sie Ihren Mann und verlassen Sie die Insel. Und Dudley... Stecken Sie ihn in ein Internat. Vielleicht wird doch noch ein brauchbarer Mensch aus ihm. Ich kann Ihnen nicht auf Wiedersehen sagen, denn das werden wir nicht. Leben Sie lang und glücklich."

Ihre Hand hielt ich immer noch. Nur gab ich ihr jetzt einen festen Händedruck. Sie lächelte und erwiderte ihn.

Das Ganze hatte schon viel zu lange gedauert.

"Potter, Sie kennen die Stelle am Verbotenen Wald, wo der Weg zu Hagrids Hütte abgeht?"

Er hatte sich wieder beruhigt und sah mich ernst an.

"Ja, ist das unser nächstes Ziel?"

"So ist es."

Ich nahm seine Hand und gemeinsam apparierten wir.


Tbc?????

Ihr wisst ja, wie ihr es beschleunigen könnt