Part I : Changes, Teil 2

Der Abend hatte sich mittlerweile über das sanft schaukelnde Kreuzfahrtschiff gesenkt und am Himmel funkelten unzählige Sterne. Es war eine romantische Sicht, welche eine verzauberte Stimmung schuf – wie gemacht war für frischverliebte Paare.
Doch Kai hatte im Moment keinen Blick für die Szenerie, auch wenn er sie zu einem anderen Zeitpunkt durchaus genossen hätte. Heimlich und ohne seinen Teamgefährten etwas davon zu sagen, natürlich. Denn sonst glaubten diese vielleicht noch, er würde weich werden und romantische Gefühle entwickeln.
Was er ganz gewiß nicht tat. Nicht Kai Hiwatari.
Der Teamchef der Bladebreakers war zur Zeit vielmehr auf der Suche nach einem – erneut – verloren gegangenen Teammitglied. Langsam machte er sich Sorgen, denn er hatte Tyson weder im Restaurant noch in der Blading-Halle des Schiffes angetroffen – zwei Orte, an denen am ehesten damit zu rechnen war, den blauhaarigen Jungen anzutreffen, wie Kai die Erfahrung gelehrt hatte.
Doch nun war er langsam ratlos.
Wo konnte Tyson nur sein?
Als er vor etwa einer halben Stunde von einem beunruhigten Gefühl geweckt worden war, hatte Kai sofort bemerkt, daß Tysons Bett leer war. Das an sich war schon ziemlich merkwürdig, denn der Jüngere hatte ein ausgeprägtes Schlafbedürfnis, wenn man die letzten Wochen, welche die Bladebreakers während der Champion Ships zusammen verbracht hatten, als Maßstab nehmen konnte. Daher war instinktiv Sorge in Kai emporgestiegen. Vor allem, da er sich unwillkürlich sofort wieder an den verängstigten Ausdruck erinnert hatte, den Tyson am Nachmittag Sekundenbruchteile in den Augen gehabt hatte.
Aus diesem Grund war Kai aufgestanden und hatte sich auf die Suche nach dem anderen Jungen begeben, auch wenn er sich nicht so recht zu erklären vermochte, warum er sich auf einmal solche Sorgen um Tyson machte.
Doch er konnte nicht anders, als nach dem Blauhaarigen zu suchen.
Langsam gingen ihm jedoch die Plätze aus, an denen er suchen konnte und für einen Moment verharrte Kai auf dem Gang, den er gerade entlanglief. Nachdenklich runzelte er die Stirn und überlegte, wo Tyson sich aufhalten konnte. Und im nächsten Augenblick blitzte vor seinem inneren Auge erneut die Szene vom Nachmittag auf – Tyson an die Reling gelehnt, wie er gedankenverloren in die Ferne starrte.
Das war es! Sicher war Tyson oben an Deck!
Am liebsten hätte sich Kai mit der Hand vor den Kopf geschlagen, daß er nicht gleich darauf gekommen war und statt dessen ziellos durch die Gegend lief. Was wiederum überhaupt nicht zu ihm paßte. Aber Tyson verhielt sich seit heute schließlich auch nicht typisch für ihn, daher lief Kai schnellen Schrittes die Treppe zum Außendeck hinauf und trat in die Nacht hinaus.
Nur wenige Menschen waren noch an Deck und flanierten dort Hand in Hand herum. Doch durch die langsam einsetzende Kühle verließen immer mehr von ihnen das Deck, um sich in die Geborgenheit spendende Wärme ihrer Kabinen zu begeben.
Dies ließ Kai freie Sicht über das gesamte Deck, welches er rasch aber gründlich nach Tyson absuchte. Zuerst glaubte er schon, sich geirrt zu haben und sein Teamgefährte wäre doch nicht hier oben.
Als er sich aber gerade entmutigt abwenden wollte, erregte ein Aufblitzen weißen Stoffes ganz am Ende des Oberdecks seine Aufmerksamkeit. Kai blieb stehen und spähte angestrengt durch die Dunkelheit, um auszumachen, ob es sich bei der Person, deren dunkle Umrisse er jetzt langsam erkennen konnte, wirklich um Tyson handelte. Er hatte nicht vor, aus Versehen jemanden Fremden zu stören.
Vielleicht ein Liebespaar, welches sich ein verstecktes Plätzchen unter dem Sternenhimmel gesucht hatte. Das wäre wirklich zu peinlich.
Um dies zu vermeiden, trat Kai langsam und geräuschlos auf die Stelle zu, an der er den weißen Stoff gesehen hatte – und wirklich, es war Tyson!
Doch der Blauhaarige wirkte vollkommen anders, als Kai ihn bis jetzt jemals erlebt hatte. Gekleidet in eine lange dunkelblaue Hose und ein weißes T-Shirt machte er auf einmal einen viel erwachseneren Eindruck als sonst. Nur die blau-rote Baseballkappe erinnerte an den naiven, fröhlichen Jungen, den Kai seit ihrem ersten Zusammentreffen gewohnt war.
Aber nicht nur Tysons Kleidung vermittelte neue Aspekte von der Persönlichkeit des jüngeren Bladers. Auch die Ernsthaftigkeit in seinen Zügen und Melancholie in den dunklen Augen, welche Kai trotz der weiten Entfernung und der Dunkelheit bemerkte, verwunderten den Teamcaptain. Er konnte die Andersartigkeit an Tyson im Augenblick nicht recht beschreiben, doch er erkannte verwundert, daß er den Blauhaarigen wohl falsch eingeschätzt hatte. So ruhig und völlig ihn sich gekehrt wie gerade jetzt hatte er den anderen Bladebreaker noch nie zuvor erlebt.
Kai hielt sich im Schatten der Aufbauten, damit Tyson ihn nicht bemerkte. Er wollte herausfinden, was den Jüngeren hier mitten in der Nacht herausgetrieben hatte. Außerdem war es schon eine reife Leistung – vor allem für Tyson – völlig lautlos aus der Kabine, die sie sich teilten, zu verschwinden. Kai hatte einen sehr leichten Schlaf und daher war er verwundert, daß es Tyson gelungen war, ohne ihn aufzuwecken das Zimmer zu verlassen.
Wer konnte schon ahnen, wie lange er inzwischen hier oben an der Reling lehnte?
Minuten vergingen in völliger Stille, während Tyson versonnen in die Dunkelheit starrte und Kai ihn dabei nachdenklich beobachtete. Irgendetwas bedrückte den Jüngeren, das war dem Teamchef der Bladebreakers inzwischen klar.
Doch was? Und vor allem, warum sprach er nicht darüber?
Daß Tyson mit seinem Problem nicht zu ihm kommen würde, war Kai klar, auch wenn dieser Gedanke ihm einen unvermutet heftigen Stich versetzte. Doch sofort schalt sich der Junge mit dem graublauen Haar, daß er nicht erwarten durfte, daß die Anderen seines Teams Rat oder Hilfe bei ihm suchten. Schließlich hatte er sie lange genug immer wieder von sich gestoßen, wenn sie seine Nähe und auch seine Freundschaft suchten.
Erst während der letzten Wochen – vor allem nach dem Zwischenfall auf dem Baikalsee, wo die anderen Bladebreakers ihn trotz seines Verrates an ihnen vor dem sicheren Tod gerettet hatten – war Kai bewußt geworden, wie sehr er Max, Ray und Kenny mochte.
Doch es war Tyson gewesen, der ihm zuerst die Hand entgegengestreckt hatte. Tyson, der ihm auch vorher schon stets verziehen hatte, wenn er ihn kalt abwies und beim Training runtermachte.
Es war jedes Mal Tyson, der zur Stelle war, wenn Kai Hilfe gebraucht hatte – auch wenn dieser es natürlich nicht zugegeben hatte.
Doch Tyson hatte ihm Dranzer zurückgebracht – und ihm damit das Geschöpf wiedergegeben, welches für Kai in seinem Leben stets am wertvollsten gewesen war. Sein bester – einziger – Freund.
Bis jetzt.
An dieser Stelle schreckte Kai aus seinen Gedanken auf.
Erstens, weil ihm jetzt klarwurde, warum er sich solche Sorgen um Tyson machte, so daß er sogar in der Nacht nach ihm suchte.
Tyson war sein Freund. Und um seine Freunde machte man sich nun einmal Sorgen, dies hatten die Handlungen der anderen vier Bladebreakers Kai immer wieder deutlich bewiesen.
Warum sonst hätten sie zu der Abtei kommen sollen, um nach ihm zu suchen? Für sie war er schon damals ein Freund gewesen, auch wenn es ihm zu der Zeit selbst noch nicht bewußt gewesen war.
Doch nun, wo Kai akzeptiert hatte, daß ihre Freundschaft viel wert war – mehr als Macht oder auch das alleinige Gewinnen eines Blade-Kampfes – da spürte er die Gefühle, welche eine Freundschaft mit sich brachte.
Diese Gefühle ließen Kai jetzt sorgenvoll auf Tyson blicken, dessen Gestalt sich plötzlich versteift hatte und welcher nun krampfhaft die Reling umklammerte. Sekunden später begann der jüngere Blader kaum merklich zu zittern, als sei ihm kalt. Doch der laue Wind, der wehte, konnte Tyson kaum dieses Zittern entlocken, wurde Kai bewußt. Vor allem nicht so plötzlich, wo er vorher doch wer weiß wie lange schon in der frischen Luft gestanden hatte.
Nein, es mußte etwas Anderes sein, was Tyson so zum Beben brachte und als Kai einen Schritt vortrat, sah er auch den Ausdruck im Gesicht des Jüngeren. Die blauen Augen schreckhaft geöffnet, sah Tyson scheinbar ins Leere hinein, doch Kai spürte, daß sein Teamgefährte irgendetwas erblickte, was ihm Angst machte. Es war wie am Nachmittag, wo Tyson schon einmal völlig gefangen gewesen war in einem Traum, der, da war Kai sich inzwischen hundertprozentig sicher, nichts mit einem Blade-Sieg über Robert zu tun hatte.
Gerade wollte Kai auf Tyson zutreten und den jüngeren Blader aus seiner Starre reißen, als ihn etwas aufhielt. Ein hellblaues Licht gleißte auf, welches seinen Ursprung in Tysons Hosentasche hatte. Irritiert blinzelte Kai in das helle Licht, bevor ihm klarwurde, was passierte.
Dragoon erschien! Doch wie konnte das geschehen?
Tysons Blade ruhte offensichtlich in seiner Hosentasche, doch gerade daher war es erstaunlich, daß der Drache so einfach erschien. Sonst war es dazu nötig, den entsprechenden Blade in Bewegung zu haben und das Bit-Biest zum Herauskommen aufzufordern.
Dragoon schien diese Regel im Moment jedoch nicht zu interessieren, denn der mächtige Drache materialisierte sich aus dem hellblauen Licht heraus zu seiner vollen, beeindruckenden Größe. Sekundenlang schwebte das Bit-Biest über dem Schiff und Kai blickte es verwundert an, sich fragend, was nun weiter geschehen würde.
Und wie um diese unausgesprochene Frage zu beantworten, begann Dragoon im nächsten Augenblick auf eine geringere Größe zu schrumpfen, bevor er dann auf Tyson zuglitt und sich um dessen schlanke Gestalt herumwand. Es war ein seltsamer Anblick, aber irgendwie auch sehr berührend, wie der Drache offensichtlich versuchte, seinem menschlichen Partner beizustehen.
Kai hätte nicht sagen können, woher er wußte, daß Dragoon Tyson Hilfe anbot, doch für ihn war dies eine Demonstration der engen Verbundenheit zwischen dem blauhaarigen Jungen und seinem geliebten Bit-Biest. Diese Verbindung zwischen den Beiden ging aber offensichtlich noch weit tiefer, als jeder bisher angenommen hatte, wenn Dragoon sofort auf Tysons Kummer reagierte und ihm durch seine Anwesenheit Beistand anbot.
Nachdem Dragoon sich vollkommen um Tyson herumgewunden und seinen Schädel auf dessen Haar abgelegt hatte, breitete der Drache seine noch immer beeindruckend weiten Schwingen aus und faltete sie um den schlanken Körper seines Partners zusammen. Es wirkte wie eine tröstliche Umarmung auf Kai, der noch immer schweigend und verwundert dieser Interaktion zwischen dem Bit-Biest und Tyson zuschaute. Und Dragoon hatte mit seiner freundschaftlich sorgenden Geste auch Erfolg, denn als Tyson die Berührung des Drachens spürte, kehrte er aus seiner Erstarrung zurück und zuckte von der Reling zurück, als hätte er sich an ihr verbrannt.
Dann bemerkte der Blauhaarige jedoch offensichtlich, was ihn zu seiner Rückkehr bewegt hatte, denn er entspannte sich wieder etwas und hob seine Hand, um sanft über die Schuppen von Dragoons Körper zu streichen.
"Ich danke dir, daß du mich zurückgeholt hast, Dragoon", konnte Kai Tyson kurz darauf sagen hören. Der blauhaarige Blader sprach leise, doch in der Stille der Nacht trug der Schall recht weit und Kai hatte feine Ohren.

Tysons Bit-Biest stieß etwas aus, was wie eine gedämpfte Mischung aus rollendem Donner und sacht plätscherndem Regen klang. So hörte es sich jedenfalls für Kai an, welcher erneut an sich halten mußte, als sein Teamgefährte seinem Drachen nun antwortete.
"Ja, es war schrecklich", stimmte Tyson dem zu, was er offensichtlich Dragoons ‚Rede' entnommen hatte. „Schlimmer noch als heute nachmittag. Die Zeit wird knapp, mein Freund. Doch ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll...was ich überhaupt tun kann..."
Hier verstummte Tyson und richtete seinen Blick erneut auf das Meer hinaus, als suche er dort nach einer Antwort. Seine Sicht wurde ihm kurz darauf jedoch von Dragoon versperrt, der seinen Schädel von Tysons Kopf genommen und so gedreht hatte, daß es ihm möglich war, dem blauhaarigen Jungen in die Augen zu sehen. Wieder erklang das Schnauben des Drachen und wieder schien Tyson es genau zu verstehen, denn er antwortete erneut.
"Du hast Recht, Dragoon. Es wird geschehen, was geschehen soll. Doch ich mache mir Sorgen...große Sorgen..." Tysons Stimme klang beunruhigt und für Kai war dies eine weitere Überraschung in Folge. Sonst wirkte der Jüngere stets so frei von allen Kümmernissen und Sorgen auf dieser Welt, so daß es völlig unerwartet für seinen Teamchef war, mitzuerleben, daß Tyson durchaus in der Lage war, tiefe Besorgnis zu verspüren.
Augenblicke lang herrschte Stille, dann seufzte Tyson auf. Daraufhin neigte sich ihm Dragoons Schädel noch ein wenig mehr entgegen und dann pustete der blaue Drache dem Jungen plötzlich ins Gesicht. Der Luftstoß ließ Tysons lange, dunkelblaue Haare tanzen und ein sanftes Lächeln glitt über seine Züge, bevor der Junge die rechte Hand ausstreckte und diese zärtlich an das Maul seines Bit-Biests legte.
"Danke für deine Ermunterung, mein Freund", flüsterte Tyson Dragoon zu, während er den Drachen sanft kraulte. „Was würde ich nur ohne dich machen."
Das Drachen-Bit-Biest genoß die Zuwendung sichtlich, denn es schmiegte seine Schnauze in Tysons Hand und grollte leise und wohlwollend. Dann legte es seinen mächtigen Schädel auf der Schulter seines Bladers ab, der daraufhin seinen Kopf gegen Dragoons neigte.
Gemeinsam blickten Bit-Biest und Mensch auf die ruhige Oberfläche des Meeres hinaus, deren Wellen sanft gegen den Bug des Kreuzfahrtschiffes schlugen und weiße Schaumkronen bildeten.
Es war ein Bild, welches Kai so rasch nicht wieder vergessen würde – vollkommene Harmonie zwischen zwei so unterschiedlichen Wesen, welche sich bedingungslos vertrauten und unterstützten. Leise und bemüht, kein Geräusch zu machen und damit vielleicht die Aufmerksamkeit des Duos auf sich zu lenken, verließ Kai den Schatten der Schiffsaufbauten und zog sich zur Treppe zurück, die ins Innere des Schiffes führte.
Er bemerkte nicht, wie Dragoons weise, stahlblaue Augen ihm folgten, bevor das Bit-Biest erneut seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit Tyson zuwandte.

Kommentar: Leutz, nehmt es bitte einfach hin, daß ich manche Dinge aus dem Anime verändere. Das hier ist eine Fanfic, daher kann ich mit ‚schriftstellerischer' – oder besser fanficschreibender – Freiheit einfach Bits und Pieces aus dem Anime nehmen und das, was ich nicht brauche oder nicht gut fand, einfach weglassen. Daher wundert euch nicht, lest einfach drüber hinweg.
So finde ich z.B. Tysons Klamotten in der 1.Staffel bis zu den WCS in Rußland einfach nur grausig. Sorry, aber da schrie mein Farbempfinden schrill auf – wie kann man nur alle drei Grundfarben zugleich tragen! Der arme Junge – bei mir kriegt er eine andere Zusammenstellung, wie ihr oben schon andeutungsweise mitgekriegt habt. Die Farben, die er bei mir trägt, haben übrigens auch eine besondere Bedeutung, doch das wird in den entsprechenden Kapiteln noch näher erläutert. Doch ich mußte das hier schon mal loswerden!

Wenn ich bald einen Kommi kriege, schreibe ich auch schnell weiter! (hint, hint)

CU, Dragon's Angel