Part III: Fears & soothing
Schweigend gingen die zwei Jungen nebeneinander her, wobei Kai Tyson jedoch aus den Augenwinkeln hin und wieder sorgenvoll betrachtete. Der jüngere Blader war uncharakteristisch still und schien tief in Gedanken versunken. Von Zeit zu Zeit lief ein Schauer durch den Körper des Blauhaarigen, doch Kai hätte nicht mit Bestimmtheit sagen können, ob diese Reaktion von der Kälte und der nassen Kleidung kam, die Tyson trug – oder, ob es nicht doch andere Gründe dafür gab. Wenn er sich den leicht melancholischen, abwesenden Ausdruck in den tiefblauen Augen seines Teamgefährten so betrachtete, neigte er eher zu letzterem.
Innerlich seufzte Kai auf, überrascht von dem Wechsel im Verhalten seines Freundes. Aber auch von dem starkem Schutzbedürfnis Tyson gegenüber, welches er seit einigen Tagen entwickelte – und das nun langsam und stetig in seinem Herzen wuchs. Am liebsten hätte er den Jüngeren einfach in die Arme genommen, doch schreckte er davor zurück.
Es war eine Sache, langsam seinem Team gegenüber freundlicher und offener zu werden – doch hatte Kai zu lange zu hören bekommen, daß Gefühle Schwäche bedeuteten, als daß er von heute auf morgen alle seine vergangenen Verhaltensweisen hätte ablegen können. Dennoch wurde ihm mit einem selbstironischen inneren Lächeln klar, daß er nicht mehr weit davon entfernt war. Der beste Beweis dafür war die Tatsache, daß er, als Max ihm vor ein paar Tagen im Überschwang um den Hals gefallen war, für einen Moment den Drang verspürt hatte, den Blonden ebenfalls zu umarmen. Es war ein so schönes Gefühl, von seinen vier Freunden die menschliche Nähe und Wärme zu bekommen, die ihm in seiner Kindheit verweigert worden war. Und sie alle gaben so willig, ohne sich je zu beklagen.
Kai seufzte leise auf, als ihn seine Gedanken wieder zurück zu Tyson führten. Dieser war derjenige von seinen vier Freunden, der ihm von Anfang an Wärme geschenkt hatte, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen. Tyson hatte stets nur seine Freundschaft haben wollen – und nun, wo Kai diese Gefühle endlich zuließ und sich nicht mehr hinter seiner Abwehrmauer versteckte, spürte der ältere Blader dieses Gefühl von Nähe noch viel deutlicher.
Und...es machte ihn glücklich.
Doch Kai war sich bewußt, daß Tyson zur Zeit nicht glücklich war.
Dies bewies das Verhalten des Blauhaarigen, seit sie von den World Champion Ships zurückgekehrt waren: Tyson war oft so still, wie es für ihn überhaupt nicht typisch war. Er aß auch nicht mehr so viel wie früher.
Doch das deutlichste Anzeichen war für Kai, daß das Leuchten in den ozeanblauen Augen kaum noch erkennbar war. Schatten standen jetzt oft in den seelenvollen Tiefen und verrieten die tiefen Sorgen, welche den Jungen belasteten. Alles zusammen gesehen, machte es deutlich, daß Tyson etwas schwer auf der Seele lastetet, worüber er jedoch anscheinend mit niemandem sprechen konnte oder wollte.
Dies wollte Kai jetzt jedoch nicht mehr mitansehen, denn es tat ihm weh, seinen jüngeren Freund so unglücklich zu sehen. Wenn sie in der Mansion angelangt waren und Tyson wieder trockene Sachen anhatte, so nahm sich Kai in diesem Augenblick fest vor, wollte er einen Versuch wagen, den Blauhaarigen dazu zu überreden, ihm von seinen Sorgen zu erzählen.
Wenige Minuten später, welche die zwei Jungen weiterhin schweigend und in ihre Gedanken vertieft, nebeneinander hergelaufen waren, gelangten sie schließlich zum Eingang von Hiwatari Mansion. Eintretend führte Kai seinen jüngeren Teamkameraden in den ersten Stock des Hauses hinauf und in das dortige Bad.
Tyson mit besorgtem Blick ansehend, welcher merklich am ganzen Körper zitterte, sagte Kai: „Ich hole dir ein paar trockene Sachen von mir, Ty. Du sieh zu, daß du unter die Dusche kommst und wieder warm wirst. Alles klar?"
Tyson sah ihn mit einem schwachen, dankbaren Lächeln an und nickte dann. Ihm war wirklich kalt, doch kam dies nicht nur von der klatschnassen Kleidung, die er trug. Auch die Ereignisse, die er vor etwa einer halben Stunde hatte aufhalten müssen, hatten ihm viel Kraft abverlangt und ließen ihn sich schwach und sehr verwundbar fühlen. Kais Gegenwart hingegen war sehr tröstlich, in mehr als nur einer Hinsicht.
Der Blauhaarige spürte, daß sein Teamchef sich Sorgen um ihn machte und auch sein verändertes Verhalten in den letzten Tagen mitbekommen hatte, obwohl sich Tyson viel Mühe gab, seine Traurigkeit und Probleme vor seinen Freunden zu verbergen. Er fürchtete, was sie sagen und tun würden, wenn herauskam, was er tun mußte. Und wer er wirklich war.
Würden sie verstehen, was ihn zu seinen Handlungen getrieben hatte? Würden sie ihn auch weiterhin als ihren Freund betrachten und ihm beistehen – oder würde er ihre Freundschaft verlieren...so, wie er schon einmal wegen seiner Herkunft alles, was ihm lieb war, hatte aufgeben müssen?
Tyson war sich nicht sicher über die Reaktion seiner Freunde und das machte ihm noch mehr Angst als seine schrecklichen Visionen. Diese konnte er nicht kontrollieren – doch er wußte, er mußte ihre Erfüllung verhindern. Und dazu mußte er zurückkehren. Dorthin zurückkehren, von wo er vor nunmehr drei Jahren weggegangen war, weil er es einfach nicht mehr ausgehalten hatte.
Und so hatte er den letzten Wunsch seines Bruders erfüllt und hatte sich ein neues Leben aufgebaut – ein Leben voller Freude, Lachen und Glück. Mit Leuten, die ihn liebten, ihm vertrauten und ihn um sich haben wollten – einfach, weil er so war, wie er war. Nicht wegen seiner Herkunft oder der Dinge, die er vorgesehen war, zu tun. Nein, seine Familie und die Freunde, die er sich geschaffen hatte, mochten ihn um seiner selbst willen.
Das war ein sehr schönes und befreiendes Gefühl für Tyson und er genoß es in vollen Zügen. Doch genau darum fürchtete er die Reaktion von Kai, Ray, Max und Kenny, wenn sie die Wahrheit über ihn erfahren würden. Denn daß sie diese früher oder später herausfinden würden, da war sich Tyson sicher. Seine Visionen wurden mit jedem Tag schlimmer und drängender, so daß er wußte, seine Zeit hier wurde immer knapper und knapper.
Unwillkürlich schlang Tyson schutzsuchend die Arme um sich, als er bei dieser traurigen Realität ankam. Seine Gedanken kreisten in letzter Zeit immer mehr um seine Zukunft und was sie ihm bringen würde. Er war sich der Tatsache bewußt, daß er nach Hause zurückkehren mußte – es war seine Pflicht. Nur er war in der Lage, die Erfüllung der Prophezeiung zu verhindern. Nur er konnte verhindern, daß sich seine Visionen erfüllten.
Doch was würde das für ihn bedeuten? Einsamkeit. Pflichten, die er nicht haben wollte. Und er würde wieder jemand sein müssen, der er in seinem Herzen nicht war. Der er sein mußte, weil es seine Herkunft so gebot.
Ein bitteres, aber auch resigniertes Lächeln legte sich auf Tysons Züge, als er daran dachte, wie man ihn zu Hause empfangen würde.
Dort würde es nicht die Wärme geben wie im Dojo – kein leicht verrückter Großvater, der ihn mit seinem Kendostab beim Training durchs Haus jagte. Kein Vater, der zwar recht häufig mal für mehrere Wochen wegen seiner Arbeit abwesend war – der aber, wenn er wiederkam, immer Zeit für Gespräche hatte und ihn immer zu verstehen versuchte.
Doch vor allem würde es dort nicht seine Freunde geben. Keinen Kenny, der für jedes technische Problem eine Antwort fand und stets die Stimme der Vernunft sprechen ließ. Kein Max, dessen wahrhaft sonniges Gemüt Tyson immer ein Gefühl von Wärme und Herzlichkeit vermittelt hatte. Max war wirklich sein bester Freund, voller manchmal leicht naiver Unschuld und doch wieder Weisheit, wenn es zu ihrer Freundschaft kam.
Es würde keinen Ray geben, welcher auf Max und ihn aufpaßte, damit sie nicht zuviel Unfug anstellten. Der aber doch immer zu einem Spaß bereit war – und in der letzten Woche aufgeblüht war, seitdem Max und er fast ununterbrochen Zeit miteinander verbrachten. Tyson spürte, daß sich zwischen den Beiden eine enge Bindung entwickelte und war froh darüber.
Doch der Blauhaarige wußte auch, daß ihm Kai am meisten fehlen würde.
Kai mit seiner Gelassenheit, seiner ruhigen Stärke und dem Wissen, wie man mit jeder Situation fertig werden konnte. Kais Aura gab Tyson immer ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, das ihn sich akzeptiert und Zuhause fühlen ließ. Und seitdem Kai ihrer Freundschaft endlich auch von sich aus eine Chance gab, hatte Tyson entdeckt, daß der Ältere einen Sinn für Humor hatte, welcher seinem eigenen entsprach und daß Kai viel Gefühl in sich verborgen hielt.
Tyson würde Kais Qualitäten gern näher erkunden, denn er selbst empfand sehr viel für den älteren Blader. Doch er wußte, er durfte sein Herz nicht allzu sehr an Kai hängen, denn die Gefahr war sehr groß, daß es dann gebrochen werden würde. Nicht unbedingt von Kai. Die Situation würde es vielleicht gar nicht anders zulassen, als daß sich ihre Wege trennen würden.
Bei diesem Gedanken wallten Tränen in Tysons Augen auf und er spürte tief in seinem Inneren einen stechenden Schmerz. ‚Zu spät mit dem Vorsichtigsein', fuhr es ihm durch den Sinn. ‚Als wenn es jemals einen Zeitpunkt gegeben hätte, wo es für mich die Wahl gab...ich mochte ihn von Anfang an so sehr.
Ich spürte eine verwandte Seele in ihm und wie Großmutter damals sagte, ist es dann auch geschehen. Sie hatte Recht, als sie mir sagte, man könne diese Seele dann nicht mehr verlassen, ohne auch einen Teil von sich selbst zu verlieren. Ich weiß, daß ein Stück von mir immer Kai gehören wird – ein Teil meiner Seele wird immer bei ihm sein. Auch wenn ich nicht mehr bei ihm sein kann, wird ihn dieser Teil von mir doch für alle Zeiten vor Unheil beschützen. Ich wünschte nur...'
„Tyson, du bist ja noch immer in deinen nassen Sachen!", riß Kais dunkle Stimme an dieser Stelle Tyson aus seinen Gedanken. Aufblickend erkannte der Blauhaarige, daß sein Teamcaptain in der Tür des Badezimmers stand und die versprochenen trockenen Sachen in der Hand hielt. Kais karmesinrote Augen waren besorgt und leicht tadelnd auf ihn gerichtet, was jedoch nur verständlich war, da der Ältere angenommen hatte, Tyson wäre inzwischen unter der Dusche und würde sich aufwärmen.
Kai hatte eigentlich nur die Sachen für seinen Freund ablegen wollen, nachdem er sich in seinem Zimmer ebenfalls andere Sachen angezogen hatte. Im Gegensatz zu Tyson war er nicht völlig durchnäßt gewesen, da ihn seine wasserfeste Jacke vor dem Regen geschützt hatte. So hatte er nur bequemere Sachen angezogen.
Als er das Badezimmer jedoch betreten hatte, war sein Augenmerk sofort auf den jüngeren Blader gefallen, der noch immer genau an der Stelle stand, wo Kai ihn Minuten zuvor zurückgelassen hatte. Tyson hatte die Arme um sich selbst geschlungen und starrte mit einem so traurigen, abwesenden Blick vor sich hin, als würde er sich von etwas geschlagen geben.
Dies schockte Kai sehr, denn Tyson war nicht der Mensch, der ohne zu kämpfen resignierte – vor welchem Problem auch immer. Doch dem Teamchef der Bladebreakers war klar, daß er, bevor er seinen Entschluß, Tyson zum Reden zu bringen, umsetzen konnte, dieser endlich wieder in trockene Sachen mußte. Daher sein etwas erschrockener Ausruf, als er seinen Teamgefährten noch an der gleichen Stelle vorfand.
Nun trat Kai mit raschen Schritten auf Tyson zu und legte die Sachen in seiner Hand auf einem Hocker ab, bevor er den Jüngeren aus seiner Jacke zu schälen begann. Diese tropfte vor Nässe, ebenso wie Tyson.
Doch durch Kais Handlung war Tyson aus seiner Versunkenheit aufgeschreckt und bemerkte nun wieder, wie sehr er zitterte. Daher ließ er sich zwar von Kai aus dessen dicker Jacke helfen, bedeutete diesem dann jedoch, daß er den Rest allein zustande bringen würde. Auf Kais Blick, der deutlich besagte, daß er dieses Mal nicht wieder in seinen Träumen versinken sollte, nickte er ein wenig schuldbewußt.
Beruhigt, daß Tyson jetzt wirklich Anstalten machte, sich aus seinen nassen Klamotten zu befreien, wandte sich Kai wieder der Tür zu, um seinem Freund seine Privatsphäre zu lassen. Über die Schulter hinweg sagte er: „Wir treffen uns dann unten im Kaminzimmer, wenn du fertig bist. In Ordnung?" „Alles klar", antwortete Tyson leicht undeutlich, da er sich gerade aus seinem am Körper klebenden Shirt befreite.
Leicht verwirrt von dem gedämpften Geräusch, drehte Kai sich herum. Sekundenbruchteile später spürte er, wie ihm leichte Röte ins Gesicht stieg. ‚Wer hätte gedacht, daß Tyson so muskulös ist?', fuhr es dem Jungen mit dem blaugrauen Haar durch den Sinn, bevor er sich schnell wieder der Tür zuwandte. Das Bild von Tysons nacktem Oberkörper, wo sich bei dessen Bewegungen deutlich wohlgeformte Muskeln abgezeichnet hatten, ging ihm jedoch nicht wieder aus dem Sinn, als er das Bad verließ und die Treppe ins Erdgeschoß hinabstieg.
Tyson hingegen hatte die Reaktion seines Teamchefs nicht mitbekommen und hörte nur, wie sich die Tür mit einem leisen Klicken hinter diesem schloß. Mit einem Seufzer schälte sich der Blauhaarige aus seinen restlichen Sachen und stieg in die Dusche, um sich wieder aufzuwärmen. Minutenlang ließ Tyson das warme Wasser über seinen Körper strömen und genoß, wie das Gefühl wieder in seine Glieder zurückkehrte und die von der Kälte und seinen Visionen ausgelöste Taubheit langsam nachließ. Dann drehte er schließlich das Wasser ab und schlüpfte aus der Dusche heraus, trocknete sich mit einem ebenfalls von Kai vorher bereitgelegten großen Handtuch ab und wandte sich dann den Sachen zu, die ihm sein Teamchef für den Augenblick überlassen wollte.
Etwa eine Viertelstunde später verließ Tyson in frischen, trockenen Sachen, sich eindeutig wieder wohler fühlend, das Bad und schritt auf Socken die Treppe hinunter. Im Erdgeschoß angekommen, ging er in das Kaminzimmer, wo er sich mit Kai treffen wollte. Als er den Raum betrat, war von dem älteren Blader jedoch keine Spur zu sehen. Nur ein Feuer knisterte lustig im Kamin vor sich hin und zog Tyson unwillkürlich an.
Langsamen Schrittes näherte er sich dem Kamin und ließ sich dann mit einem leisen Seufzen vor dem Feuer nieder. Die Flammen zogen ihn in ihren Bann und so bemerkte Tyson nicht, wie wenige Minuten nach ihm Kai das Zimmer betrat.
Der Teamchef der Bladebreakers trug ein Tablett mit Tee und Suppe, welches beides heiß dampfte. Zum Glück für ihn war seine Köchin, Molly, so freundlich gewesen und hatte auf die Schnelle etwas Warmes gezaubert. Kai hatte zwar genug Ahnung in der Küche, um den Tee aufzubrühen – doch eine Mahlzeit brachte er so schnell nicht zustande. Doch Molly hatte nicht lange gefackelt und eine kräftige Suppe gekocht, welche sowohl Kai als auch Tyson sicher gut schmecken würde. Und sie würde dem Letzteren vielleicht auch helfen, sich einer drohenden Erkältung zu erwehren.
Als Kai das Kaminzimmer betrat und Tyson vor dem Feuer sitzen saß, stockte ihm für einen Moment der Atem. Der Jüngere war schon wieder völlig versunken und machte auf Kai einen fast verzauberten Eindruck. Während Kai seine Augen über Tyson gleiten ließ, als sähe er ihn zum ersten Mal, fühlte er sein Herz plötzlich stolpern, bevor es schnell zu schlagen begann.
Dies war Kai aber nicht zu verdenken, denn so wie gerade in diesem Augenblick hatte Tyson noch keiner von seinen Freunden je gesehen. Seine dunkelblauen Haare, welche er sonst stets in einem festen Zopf trug, fielen ihm nun offen wie ein schimmernder Wasserfall über den Rücken und hingen ihm teilweise ins Gesicht. Die Strähnen war teilweise noch feucht und glänzten daher in solch dunklen Blautönen, daß Tysons Haare fast schwarz wirkten.
Hinzu kam, daß der Blader in der Kleidung, welche Kai ihm gegeben hatte, richtig erwachsen aussah. Der Teamcaptain der Bladebreakers konnte nicht sagen, wie er auf die Idee gekommen war, Tyson ausgerechnet diese Sachen auszuleihen, doch ein Instinkt hatte es ihn einfach tun lassen. Und nun war er unwillkürlich dankbar dafür, denn das helle Grau der weiten Jeans und das Weiß des weichen langärmligen Pullovers ließen Tyson wie von innen heraus leuchten. Und die graue enge Weste über dem Pullover betonte die Schlankheit der Gestalt des Blauhaarigen, was Kai etwas überraschte, da er wußte, wieviel Tyson manchmal in sich hineinfutterte.
Jedenfalls standen Tyson die Sachen wirklich ausgezeichnet und Kai konnte war für ein paar Momente fasziniert von seinem Freund, dessen Gesicht von den flackernden Flammen beleuchtet wurde. ‚Was geschieht nur mit mir?', fragte sich Kai verwundert, als er seinem klopfenden Herzen lauschte. ‚Ich sehe Tyson in einem völlig neuen Licht...und es gefällt mir, was ich sehe. Aber was bedeutet das alles?'
Mit einem konzentrierten Anstrengung drängte Kai all die seltsamen, verwirrenden Gedanken und Gefühle beim Anblick seines Freundes in den letzten Winkel seines Verstandes, um sie erst dann wieder hervorzulassen, wenn er sie allein und in Ruhe durchdenken konnte. Jetzt mußte er erst einmal herausfinden, was Tyson so bedrückte und wie er ihm bei der Lösung dieses Problems helfen konnte.
Daher trat Kai mit lautlosen Schritten in das Zimmer herein und stellte das Tablett mit den Speisen auf den kleinen Tisch nicht weit weg von Tyson ab. Dann machte er diesen mit einer sanften Berührung an der Schulter auf sich aufmerksam.
Als Tyson aufsah und ihn anlächelte, schenkte ihm Kai als Antwort eines seiner seltenen Lächeln, um seinem jüngeren Teamkameraden ein Gefühl von Wärme zu geben. Instinktiv versuchte Kai, Tyson sich wohlfühlen zu lassen. Ein Aufleuchten in den dunkelblauen Augen des Jüngeren, welches diese wieder lebendig funkeln ließ, belohnte Kai für seine Mühe. Dann wies er jedoch mit einer Handbewegung auf das Essen hin und Tyson grinste.
„Ich sehe schon, ganz der formvollendete Gastgeber", lächelte er den Älteren an, der daraufhin die Augen rollte, jedoch ein leichtes Lächeln nicht ganz unterdrücken konnte. Doch der neckende Unterton in Tysons Stimme erleichterte ihn. Anscheinend hatte sich der Blauhaarige wieder etwas gefangen.
„Sonst gehst du hinterher nach Hause und beschwerst dich, ich hätte dich hungern lassen", meinte er dann in gespielt grollendem Ton. „Apropos, ich habe deinem Großvater versprochen, anzurufen, wenn du hier auftauchst. Ich bin gleich wieder da, Tyson. Fang ruhig schon an zu essen."
Mit diesen Worten verließ Kai das Zimmer und trat in den Flur hinaus, wo ein Telephon stand. Mit geübter Leichtigkeit wählte er die Nummer des Dojos und informierte Gramps, daß Tyson in der Mansion war und dort auch bleiben würde. Tyson Großvater stimmte zu und wünschte ihnen noch einen angenehmen Abend, bevor er das Gespräch beendete.
Tyson hingegen hatte Kai ein wenig verwundert hinterher gesehen, nachdem dieser ihm gesagt hatte, er werde Kanimoya senior von Tysons Anwesenheit in der Mansion unterrichten. Doch dann zeigte sich ein warmes, dankbares Lächeln auf den Zügen des Blauhaarigen, als er über die Handlung seines Teamchefs nachdachte.
Kai hatte sich seit Rußland wirklich sehr verändert und Tyson gefielen diese Änderungen sehr. Endlich erlaubte sich der ältere Blader, Freunde zu haben und all die Dinge zu erleben und zu unternehmen, die Teenager in ihrem Alter als selbstverständlich ansahen. Er lächelte viel häufiger als früher und Tyson war aufgefallen, daß dabei stets aufrichtige Wärme von dem Älteren ausging. So wie vor wenigen Minuten, als er ihn auf sich aufmerksam gemacht hatte. Tyson war sich daher bewußt, daß die Anstrengungen, die Max, Kenny, Ray und er um Kai unternommen hatten, nicht umsonst gewesen waren. Vielmehr hatten sie – wenn auch nach vielen Mühen und Hindernissen – vielfach Früchte getragen.
An seinem Tee nippend, umfaßte Tyson die Tasse mit beiden Händen und sog die Wärme, welche von dem Getränk ausging, in sich auf. Er fühlte sich hier richtig wohl, obwohl ihm klar war, daß dies nicht von Dauer sein würde. Seine Visionen kamen in letzter Zeit immer häufiger und daher würde das Gefühl von Frieden, welches er gerade empfand, über kurz oder lang wieder von Angst vertrieben werden. Doch für den Moment wollte er die angenehme Atmosphäre genießen.
Daher sah er auf, als Kai das Zimmer mit geschmeidigen Schritten wieder betrat und sich dann Tyson gegenüber am Tisch niederließ. „Und, was hat Gramps gesagt?", wollte Tyson wissen, woraufhin Kai ihn mit seinen dunklen Augen musterte, bevor er antwortete: „Er war erleichtert, daß es dir gutgeht und dir im Sturm nichts passiert ist. Er erwartet dich morgen früh zurück im Dojo."
„Morgen früh? Wieso erst morgen?" Tyson runzelte die Stirn. Er hatte nicht damit gerechnet, bei Kai in der Mansion übernachten zu dürfen. Auch wenn Kenny, Max, Ray und er in der letzten Woche viel Zeit in Kais Haus verbracht hatten, so hatten sie bis jetzt noch keine Einladung zu einer Übernachtung erhalten.
„Weil ich ihm gesagt habe, daß du hier übernachten kannst. Es ist schon recht spät und in der Mansion ist viel Platz, so daß du nicht nach Hause laufen mußt. Ist das in Ordnung für dich?", endete Kai etwas unsicher. Ihm war nicht bewußt gewesen, daß Tyson vielleicht etwas dagegen haben würde, bei ihm zu schlafen. Er hatte einfach nur nicht gewollt, daß der Jüngere in der inzwischen eingebrochenen Dunkelheit den Weg bis zum Dojo der Familie Kanimoya zurücklegen mußte.
Im nächsten Augenblick nahm Tysons Antwort Kai seine Unsicherheit jedoch wieder. Der Blauhaarige lächelte seinen Teamchef an und meinte: „Natürlich ist das für mich in Ordnung, Kai. Ich hatte nur nicht erwartet, daß du mich bei dir schlafen läßt. Das ist alles."
Nachdem dieses Thema nun geklärt war, wandte sich auch Kai seinem Essen zu und die zwei Teamgefährten aßen in angenehmen Schweigen. Aber auch danach saßen sie ohne zu reden beieinander und genossen nur still die Anwesenheit des Anderen. Tyson blickte in das Feuer hinein und ließ die Atmosphäre und Kais auf den ersten Blick ungewohnte Fürsorge ihn einhüllen wie eine weiche Decke.
Kai hingegen beobachtete seinen jüngeren Freund und überlegte, wie er das Thema, welches ihm am Herzen lag, möglichst behutsam zur Sprache bringen konnte. Schließlich seufzte er lautlos auf und gab es auf, nach einem guten Anfang zu suchen.
„Tyson?", sprach er den anderen Jungen an. Als sich daraufhin dunkle Augen fragend auf ihn richteten, meinte er: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich die richtige Person bin, darüber zu sprechen... Doch mir ist in letzter Zeit aufgefallen, daß du oft abwesend bist und ich habe den Eindruck, daß du ein Problem mit dir herumträgst, Ty. Ich würde gern...", Kai stockte in seiner Rede und biß sich auf die Unterlippe, während er überlegte, wie er deutlich machen konnte, was er Tyson anbieten wollte. „Ich möchte dir helfen, Tyson, wenn ich kann."
Nach diesen Worten blickte Kai in Tysons sanfte Augen, die sich, überrascht von seinen Worten, geweitet hatten und einen Mix von Emotionen preisgaben. Doch sie wechselten so rasch, daß der Teamchef der Bladebreakers sie nicht genau identifizieren konnte.
Tyson hingegen spürte die Ehrlichkeit dieses Angebotes, auch wenn es ihn ziemlich überraschte, es von Kai so unerwartet unterbreitet zu bekommen. Er hatte geahnt, daß Kai sein verändertes Verhalten aufgefallen war, doch daß dieser sich solch große Sorgen um ihn machen würde, war eine Entwicklung, welche Tyson nicht erwartet hatte. Doch sie bedeutete ihm viel, denn die Sorge seines Teamchefs machte deutlich, daß Kai etwas an ihm lag. Und da Kai ihm seine Hilfsbereitschaft so großzügig angeboten hatte, konnte Tyson nicht verhindern, daß in ihm das Bedürfnis fast übermächtig wurde, dem Älteren alles anzuvertrauen, was ihn belastete.
Doch das durfte er nicht.
Er durfte Kai und ihre anderen Freunde nicht in Gefahr bringen.
Aber anlügen konnte und wollte Tyson Kai auch nicht und so beschloß er, dem älteren Blader wenigstens eine seiner Sorgen anzuvertrauen. Wahrscheinlich sogar die Sorge, die ihn am meisten belastete.
„Ich habe Angst", gab Tyson daher nach einer Weile des Schweigens leise zu, woraufhin Kai ihn erstaunt anschaute. Ja, er hatte die Furcht in den dunkelblauen Augen des Jüngeren manchmal gesehen, dennoch tat es ihm weh, es auch ausgesprochen zu hören. Tyson war stets so mutig und niemals bereit, zurückzuweichen oder gar aufzugeben – und jetzt hatte er Angst? Wovor konnte er nur solche Angst haben, nachdem, was sie gemeinsam schon erlebt hatten? Was konnte den Blauhaarigen da noch erschüttern?
„Angst?", fragte der Teamchef der Bladebreakers schließlich leise nach. „Wovor?"
„Zu verlieren – euch zu verlieren, Kai", war die kaum hörbare Antwort. „Ich habe Angst, eure Freundschaft zu verlieren. Und damit wieder allein zu sein."
„Warum solltest du unsere Freundschaft verlieren?" Nun war Kai wirklich am Ende mit seiner Weisheit. Er hatte nicht erwartet, daß dies Tysons Problem sein würde. Warum hatte er davor Angst, Kenny, Max, Ray und ihn als Freunde zu verlieren? Wie kam er nur auf eine solch unsinnige Idee?
Doch er faßte sich rasch wieder und legte Tyson die Hand auf die Schulter, damit er den anderen Jungen, welcher sich wieder dem Feuer zugewandt hatte, zu sich herumdrehen konnte. Ihm tief in die dunkelblauen Augen sehend, fügte Kai hinzu: „Davor brauchst du nun wirklich keine Angst haben, Ty. Gerade du nicht. Du hast so viel für uns alle getan. Hast soviel gegeben, damit aus Max, Ray, Kenny, mir und dir ein Team wird – du hast uns durch dick und dünn zusammengehalten, was eigentlich meine Aufgabe gewesen wäre. Unsere Freundschaft wirst du niemals verlieren, Tyson – das verspr..."
An dieser Stelle stoppte Kai ein warmer Finger an seinen Lippen und ließ ihn mitten in seiner Rede innehalten. Kais Lippen auch weiterhin versiegelnd, sah Tyson ihn mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Wehmut an, bevor er leise meinte: „Nein, versprich es nicht, Kai."
Kai griff mit seiner eigenen Hand nach der Tysons und zog sie von seinen Lippen weg, damit er wieder sprechen konnte. Die schlanken Finger des Jüngeren in einem festen, warmen Griff haltend, fragte er ihn verwundert: „Warum nicht?"
„Weil du deine Versprechen immer hältst, Kai", war die schlichte Erwiderung. „Ich möchte aus dir keinen Lügner machen, doch ich bin mir nicht sicher, ob du dieses Versprechen halten könntest, wenn erst einmal herauskommt, was...", Tyson verstummte und preßte seinen Lippen zusammen, wie um sich davon abzuhalten, weiterzusprechen. Seine tiefen, seelenvollen Augen verdunkelten sich traurig und Kais Herz verkrampfte sich voller Sympathie und Besorgnis angesichts des offensichtlichen Kummers seines jüngeren Teamgefährten.
„Was ist nur los mit dir, Ty?", fragte er kopfschüttelnd und besorgt. „Warum kannst du nicht sagen, was dir solche Sorgen bereitet – vielleicht kann ich dir helfen..."
Tiefblaue Augen blickten ihn für einen Moment lang durchdringend an, bevor sich Tyson auf einmal bewegte. Von einer Sekunde zur nächsten war er von seinem Platz am Feuer aufgestanden und hatte den Tisch umrundet, um sich in die Arme des Älteren zu werfen. Den Kopf an Kais breite Schulter legend, suchte der Blauhaarige offensichtlich nach Schutz und Hilfe in der Nähe seines Teamchefs.
„Halt mich fest, Kai", flüsterte Tyson kaum hörbar und schmiegte sich an den älteren Jungen, der für einen Moment zu überrascht war, um zu reagieren. Doch als er das Flehen in den wenigen Worten des Jüngeren hörte, warf Kai alle Bedenken oder Widerstand gegen den nahen Körperkontakt über Bord und umarmte Tyson mit all seiner Kraft, als könne er ihn so beschützen.
„Halt mich einfach nur fest", hörte der Teamcaptain der Bladebreakers Tyson leise wispern und sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen wegen der Einsamkeit und dem Schmerz, der in den Worten verborgen lag. Als stumme Antwort auf das Flehen seines Teamgefährten festigte Kai seinen Halt an Tyson, zog den schlanken Körper des Jüngeren an sich und umgab ihn mit all der Wärme und Freundschaft, die er für Tyson empfand.
Seine Geste schien Erfolg zu haben, denn der blauhaarige Junge entspannte sich fühlbar in Kais Umarmung und schlang seinerseits etwas zögernd seine Arme auch um den Älteren, wie, um sich an ihm festzuhalten.
Kai wußte nicht genau, was er nun machen sollte, doch er entschied sich dafür, diesmal nur seinem Gefühl zu folgen und nicht seinem Verstand. Tyson brauchte ihn jetzt – mehr als jemals jemand Kai zuvor gebraucht hatte. Er suchte Schutz bei ihm vor dem, was ihn bedrückte – auch wenn er weder Kai noch ihren anderen Freunden bis jetzt erzählt hatte, was genau ihn belastete. Doch hier, in diesem Augenblick, offenbarte Tyson vor Kai seine Angst, seine Hilflosigkeit und Traurigkeit angesichts dessen, was ihn bedrückte.
Und Kai würde ihn nicht von sich stoßen. Nicht mehr.
Nein, niemals wieder würde er zurückweisen, was ihm angeboten wurde – oder würde wegsehen, wenn seine Freunde seine Hilfe brauchten.
Niemals wieder.
Mit diesem Entschluß im Herzen tauchte Kai aus seinen Gedanken wieder auf und bemerkte ein wenig erstaunt, daß er anscheinend ganz instinktiv damit begonnen hatte, Tyson tröstend über den Rücken zu streicheln. Seine rechte Hand lag noch immer eng um Tysons schlanke Taille und hielt den Jüngeren in einer sicheren Umarmung, doch Kais Linke fuhr in beruhigenden, sanften Bewegungen über den Rücken des Blauhaarigen und spielte behutsam mit den langen Strähnen weichen dunkelblauen Haares, welches in Wellen über Tysons Rücken fiel.
Tyson hingegen fühlte sich ungemein geborgen in Kais Umarmung. So sicher, daß für einen Augenblick seine Stärke in sich zusammenbrach und er die in ihm aufsteigenden Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Viel zu lange hatte er sich nicht erlaubt, zu weinen. Hatte versucht, trotz der Visionen, welche ihn seit jenem ersten Mal auf dem Kreuzfahrtschiff vor nunmehr über einer Woche regelmäßig heimsuchten, stark zu sein. Er wollte niemandem zur Last fallen mit seinen Problemen...doch auch für ihn gab es eine Grenze der Belastbarkeit.
Und als Kai ihn erst besorgt um seine Gesundheit gesucht und dann so fürsorglich behandelt hatte – und ihn nun sogar fest und tröstend umarmte, als er bei ihm Schutz suchte vor seiner Angst...das war einfach zuviel gewesen. So drängte sich Tyson schweigend an Kais kräftigen Körper, welcher ihm in diesen Augenblicken soviel Geborgenheit verhieß und ließ den Tränen freien Lauf.
Er hätte sie sowieso nicht mehr zurückhalten können.
Ohne einen Laut von sich zu geben, weinte Tyson in Kais Umarmung und ließ all den Schmerz aus sich heraus, der sich bei der Gewißheit, was in naher Zukunft geschehen würde, in ihm angesammelt hatte. Der Blauhaarige weinte wegen seiner Furcht vor der Reaktion seiner Freunde, die er nicht vorhersehen konnte. Wegen der Dinge, die ihn seine Herkunft zwingen würde, zu tun. Wegen der Gefühle, die er in sich trug und doch nicht zeigen durfte. Vor allem nicht, wenn er dorthin zurückkehrte, wo eigentlich sein Zuhause war.
All diese aufgestauten Gefühle flossen mit den silbrigen Tränen aus Tyson heraus und ließen ihn sich ausgelaugt, aber auf eine seltsame Weise auch gereinigt und von einem großen Druck erlöst fühlen. Er spürte, eine Umarmung wie diese war genau das gewesen, was er gebraucht hatte. Und auch wenn er Kai – noch – nicht alles erzählen konnte, was ihn belastete, so hatte ihm dessen Reaktion sehr wohl getan. Kai war ein wahrer Freund.
Der Ältere hingegen machte sich ziemliche Sorgen um den Jungen in seinen Armen, als er spürte, wie dessen lautlose Tränen sein Shirt durchnäßten. Doch er spürte auch, daß Tyson im Augenblick nicht über sein wirkliches Problem reden konnte – vielmehr brauchte der Blauhaarige jetzt nur jemanden, der für ihn da war und ihn festhielt. Ganz so, wie er es gesagt hatte.
Daher festigte er seine Umarmung nur schweigend und fuhr damit fort, Tyson sanft und beruhigend über den Rücken zu streichen. Seine andere Hand vergrub er in dem samtweichen mitternachtsblauen Haar und drückte damit den jüngeren Blader nur schutzverheißend näher an sich heran. Und obwohl es ihm das Herz abdrückte, zu wissen, daß er den Grund für Tysons heiße Tränen nicht kannte und daher nichts dafür zu tun imstande war, eben dieser Furcht die Grundlage zu nehmen, war ihm doch gleichzeitig warm ums Herz, daß Tyson ihm so sehr vertraute, daß er vor ihm Schwäche zeigte und ihn um Hilfe bat. Auch wenn diese Hilfe nur in einer Umarmung bestand. Doch menschliche Nähe konnte viel bewirken. Diese Tatsache begriff Kai langsam.
Minutenlang saßen die zwei Jungen in ihrer Umarmung verbunden auf dem Boden, während Tyson sich erlaubte, seine Ängste vor der Zukunft in Tränen auszudrücken, die er zu lange in sich aufgestaut hatte. Nach einer Weile spürte Kai jedoch, wie sein Freund völlig still wurde und auch dessen Tränen mit der Zeit aufhörten. Tyson Atemzüge wurden langsamer und gleichmäßiger, als er völlig erschöpft von seinem emotionalen Ausbruch in Kais Armen einschlief.
Selbst als der Ältere dies bemerkte, löste er seine Umarmung jedoch nicht, sondern hielt Tyson vielmehr weiterhin sicher umschlungen. Er wußte nicht wieso, aber irgendwie fühlte Kai, daß er dem Jüngeren damit Sicherheit vermittelte.
Mit der Zeit wurde die Position auf dem Boden jedoch ziemlich ungemütlich, so daß Kai sein Gewicht verlagerte. Vorsichtig, um Tyson nicht zu wecken, änderte er seinen Griff um die Gestalt seines Teamgefährten und hob diesen dann behutsam auf seine Arme. Mit leisen Schritten trat er an die Couch heran, welche ganz in der Nähe des Kamins stand und legte seinen Freund sanft darauf ab.
Als er das tat, murmelte Tyson im Schlaf leise vor sich hin und ein Strähne seines Haares fiel ihm ins Gesicht. Mit einem unbewußt weichen Lächeln strich ihm Kai die Haare wieder weg und nahm dann eine Decke vom Fußende der Couch, mit der er den Blauhaarigen fürsorglich zudeckte.
Dann richtete sich Kai wieder auf und betrachtete Tyson eine Weile, während er über die Geschehnisse der letzten Stunden nachdachte. Viele verwirrende Dinge waren am heutigen Tag geschehen, nicht zuletzt seine Reaktionen auf Tyson. Kai wußte nicht genau, was er für seinen Freund zu empfinden begann, doch er hatte nicht vor, diese Gefühle zu verdrängen. Das hatte er lange genug getan – und seine Freunde hatten ihn gelehrt, daß dies nicht gut für ihn gewesen war. Gefühle waren keine Schwäche und auch wenn er dies erst langsam verinnerlichte, so stand sein Entschluß doch fest, von nun an Gefühle als etwas Positives zu betrachten und sie zuzulassen. Auch wenn sie ihn verwirrten.
Viel mehr besorgte ihn jedoch Tysons Zustand und der Teamchef der Bladebreakers nahm sich vor, den Rest ihres Teams darauf anzusprechen, was sie von Tysons verändertem Verhalten hielten. Er war sich nämlich sicher, daß auch die drei anderen Jungen davon etwas mitbekommen hatten und vielleicht war Ray, Max oder Kenny klar, was ihren blauhaarigen Teamgefährten belastete. Auf jeden Fall war ihre Meinung sicher hilfreich in Bezug darauf, was sie unternehmen konnten, um Tyson beizustehen und wieder fröhlich zu machen. Kai vermißte das glückliche, abenteuerlustige Leuchten in den dunkelblauen Augen sehr, die in den letzten Tagen so oft dunkle Schatten enthalten hatten.
Mit einem leisen Seufzen ging Kai neben Tyson in die Knie und strich dem Jüngeren nochmals sanft über die Wange, bevor er leise sagte: „Hab keine Angst, uns zu verlieren, Ty. Wir werden immer für dich da sein, so, wie du von Anfang an für uns dagewesen bist. Was auch immer du uns bis jetzt nicht sagen konntest – es wird nichts an unseren Gefühlen für dich ändern. Wir werden immer deine Freunde sein. Das verspreche ich dir."
Wie als Antwort auf dieses leise Versprechen schien Tyson sich im Schlaf noch ein wenig mehr zu entspannen und ein kleines Lächeln glitt über seine Züge. Dies ließ auch Kai ein wenig lächeln, bevor er sich wieder erhob und zu einem der Sessel nahe des Sofas schritt und sich darin zusammenrollte. Er hatte nicht vor, Tyson während der Nacht alleinzulassen.
Uff! Endlich wieder ein Kapitelchen geschafft! Sorry für die lange Wartezeit, doch ich hatte viel zu tun und daher keine Zeit, um diese Story weiterzuschreiben. Das nächste Kapitel kommt schneller! Hoffentlich.
Vielen Dank an NebulaUmbra für den Kommi! (smile)
Bis denne,
Dragon's Angel
