Date: 14. Dezember
Author: Maxine
Category: Short Story
Characters/Pairing: Neville
Genre: Sad
Rating: PG
A/N: Sorry, wenn ich ein bisschen arg auf die Tränendrüse drücke, aber ich mag Neville und mir war gerade so danach. Gewidmet all denen, die kein Friede-Freude-Eierkuchen-Weihnachten vor sich haben, so wie Neville.
Ohne dich
(title inspired by Rammstein)
"Mum?"
Wie immer versuche ich mir einzureden, dass du mich hören kannst. Versuche die erschreckende Leere deiner dunklen Augen zu ignorieren. Augen, die ich von dir geerbt habe.
"Ich bin bei dir, Mum."
Meine Worte hallen von den kalten, weißen Krankenhauswänden wider. Es riecht streng nach Desinfektionsmittel. Ich halte deine Hand, wie ich es so oft in den langen Jahren getan hab.
Wie immer tu ich so, als wärst du noch hier bei mir und nicht in dieser für mich nicht greifbaren Welt, in die sich dein Geist zurückgezogen hat. Eine Welt, in die ich dir nicht folgen kann. Oft habe ich mich gefragt, wie es dir dort wohl ergehen mag. Der Gedanke daran, dass du längst vergessen haben könntest, dass ich überhaupt existiere, bringt mich jedes Mal wieder fast um den Verstand.
Gerade jetzt zu Weihnachten sind die Erinnerungen an meine früheste Kindheit sehr klar. Dann kann ich wieder den Duft von deinen selbstgebackenen Plätzchen riechen. Sehe Dad vor mir, wie er unter dem geschmückten Tannenbaum ein paar Akkorde eines Weihnachtsliedes auf seiner alten Gitarre anschlägt. Und höre dich, wie du leise die Melodie dazu summst und mich dabei sanft in den Schlaf wiegst.
Dann wird mir wieder mit schmerzlicher Deutlichkeit bewusst, wie sehr ich euch beide vermisse. Und dass es vermutlich nie wieder ein gemeinsames Weihnachten geben wird, auch wenn ich es mir noch so sehr wünsche.
Draußen vor den Fenstern rieselt der Schnee zur Erde. Großmutter hat oft erzählt, wie sehr du den Schnee geliebt hast und dass du dich immer, wenn es schneite, gefreut hast wie ein kleines Kind.
Der Gedanke daran tut weh. Wie konnten sie dir das nur antun? Wie konnten sie zulassen, dass du nichts mehr fühlen kannst, dich nicht mehr freuen kannst? Egal, wie viel du in deinem Leben vielleicht falsch gemacht haben magst. Du hast es nicht verdient, in diesem seelenlosen Körper gefangen zu sein.
Was würde ich geben für ein Zeichen von dir. Nur ein winziges Zeichen, dass du mich hören kannst. Dass du merkst, wie ich gerade deine Hand drücke. Doch in deinen Augen ist nichts. Kein noch so kleines Funkeln des Verstehens. Du erkennst mich nicht. Weißt noch nicht mal, wo du dich befindest.
"Neville!"
Meine Großmutter hat leise gesprochen, trotzdem zucke ich heftig zusammen.
"Lass uns gehen, Neville. Onkel Algie und Tante Enid warten bestimmt schon längst mit dem Gänsebraten auf uns." Sie sieht alt und müde aus, obwohl sie sich sehr aufrecht hält.
Ich küsse dich auf die Wange und streichle sanft über deine Hand. Ich weiß, dass du nicht auf meine Berührung reagieren wirst. Und trotzdem fühle ich jedes Mal, wenn du es nicht tust, wieder diese endlose Enttäuschung.
"Fröhliche Weihnachten, Mum", flüstere ich dir leise ins Ohr, bevor ich Großmutters Arm nehme und mit ihr nach Hause zurückkehre.
