Liebe Leonel! Vielen Dank für dein Review. Seit einigen Tagen besitze ich (endlich!) die Carroux-Übersetzung von HdR und ich habe schon ausgiebig darin geschmökert, was mich auf die Idee zu dieser neuen FF brachte. Da gibt es eine Stelle im 3. Buch, wo Éowyn Bedenken hat, ob Faramirs Verwandten sie auch akzeptieren werden. Außerdem wollte ich wieder Fürst Imrahil in eine Story miteinbinden, der mir seit dem Hörspiel von HdR auch sehr ans Herz gewachsen ist. Jammerschade, dass er in den Filmen nicht vorkommt.

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Kapitel 2: Denedreth

Éowyn blinzelte, als die Morgensonne in ihr Schlafgemach hereinschien. Sie tastete neben sich, aber der Platz neben ihr im Bett war leer. Sie lächelte verschmitzt: jede Nacht suchte Faramir sie in ihren Gemächern auf, um mit ihr leidenschaftliche Stunden zu verbringen. Und dann verschwand er wieder diskret im Morgengrauen, damit die Dienerschaft nichts merkte. Sie waren zwar verlobt, doch offiziell durfte Faramir mit Éowyn erst das Schlafgemach teilen, wenn sie verheiratet waren. Éowyn fragte sich, ob es überhaupt verlobte Paare gab, die sich ganz streng an diese Regel hielten.

Ihre Kammerzofe klopfte verhalten an die Tür.

„Du kannst hereinkommen, Isilya", sagte Éowyn, während sie ihren Morgenmantel anlegte.

Das junge Mädchen aus Gondor wünschte ihr einen guten Morgen, während sie einen Krug Milch, weißes Brot und Honig auf einem kleinen Tisch, der am Fenster stand, abstellte.

Während Isilya Éowyns Haar kämmte, erzählte sie ihr den neuesten Tratsch und Klatsch, den sich die Frauen immer morgens am Brunnen beim Wasserholen berichteten. Éowyn hörte jedoch nur halbherzig zu, während sie einen Becher Milch trank.

„Heute soll übrigens Faramirs Tante Denedreth aus Pelargir ankommen", sagte Isilya ganz beiläufig.

Éowyn verschluckte sich fast, als sie das hörte.

„Ist das die Schwester von Denethor?", wollte sie wissen.

„Ja, genau", fuhr das schwatzhafte Mädchen fort. „Sie hat nach Pelargir geheiratet. Aber die Ehe blieb kinderlos. Im Ringkrieg wurde Denedreth dann Witwe, als die Korsaren die Hafenstadt angriffen. Man erzählt sich, dass Denedreth ganz froh sein soll, endlich alleine zu sein".

„Isilya!", rief Éowyn halb empört, halb schmunzelnd, aus.

Als sie fertig angekleidet und frisiert war, verließ sie den Flügel des Palastes, wo die Gemächer des Truchsessen und seiner Angehörigen lagen. Sie wollte Faramir in seiner Amtsstube, die er als Truchseß innehatte, einen guten Morgen wünschen. Doch Faramir kam ihr bereits entgegen. Er trug eine vornehme rote Tunika aus Brokat und einen farblich passenden Umhang darüber.

„Guten Morgen, meine Blume", sagte er zärtlich und gab ihr einen innigen Kuss.

Die Palastdienerschaft verzog sich diskret.

„Hast du gut geschlafen?", fragte er leise und grinste dabei.

„Dannach sehr gut", erwiderte Éowyn und wurde rot.

Faramir nahm sie fest in die Arme.

„Ich muß gleich hinüber in den Thronsaal. Der König hält heute eine wichtige Besprechung mit all seinen Beratern ab. Ich fürchte, wir werden uns erst heute abend wieder sehen".

„Und bei mir kommen gleich die Schneiderinnen wegen meines Hochzeitsgewandes vorbei", erzählte Éowyn aufgekratzt. „Da bin ich wohl heute auch ziemlich beschäftigt".

Plötzlich wurde ihr Gesicht ernst.

„Stimmt es eigentlich, dass deine Tante Denedreth heute ankommt?"

„Ja, ich habe sie zu unserer Hochzeitsfeier eingeladen", erklärte Faramir. „Es musste leider sein".

„Du verstehst dich mit ihr nicht so gut?", hakte Éowyn nach.

„Wir hatten in den letzten Jahren kaum Kontakt", sagte Faramir. Man merkte, dass es ihm unangenehm war, über seine Tante zu sprechen.

„Ich hoffe, sie bleibt nicht so lange", murmelte Éowyn vor sich hin.

Die Hochzeit würde erst in einer Woche stattfinden. Vielleicht war diese Witwe auch ganz erträglich.

Doch Éowyn sollte eine böse Überraschung erleben.

Als sie am Nachmittag von einem kleinen Ausritt auf Windfola wieder in die Stadt zurückkam, sah sie eine vornehme Kutsche bei den Stallungen stehen.

„Wem gehört dieses Gefährt?", fragte sie den Stallburschen verwundert.

„Frau Denedreth ist vorhin angekommen", erklärte der Junge.

Éowyn eilte sofort zu den Truchseß-Gemächern, um Denedreth ihre Aufwartung zu machen.

Im Kaminzimmer stand eine große, stattliche Frau, Anfang sechzig. Ihre Haare waren noch dunkel und ihre grauen Augen blickten wachsam umher. Ihre große, gebogene Nase ähnelte der eines Habichts. Streng und gebieterisch sah sie Éowyn an.

„Ich grüße Euch, Frau Denedreth", sagte die junge Frau höflich und reichte ihr die Hand.

Doch Denedreth ergriff Éowyns Hand nicht, sondern musterte sie von oben bis unten.

„Ihr seid also Faramirs Braut", sagte sie hochnäsig. „Ich habe gehört, Ihr stammt aus Rohan, dem wilden Norden".

Éowyn blickte sie erstaunt an. Das mit dem „wilden Norden"klang ziemlich verächtlich. Vielleicht hatte sie sich auch nur verhört. Sie wollte doch, wenn es irgendwie ging, mit dieser Frau, die doch so nah verwandt mit Faramir war, Freundschaft schließen.

„Ihr seid gerade ausgeritten, wie ich sehe", fuhr Denedreth fort. „Ihr riecht nach Stall und Pferd. Das ist unschicklich für eine hohe Dame Gondors, die Ihr werden wollt".

„Ich bin in Rohan mit Pferden aufgewachsen", erwiderte Éowyn ruhig. Doch innerlich brodelte es bereits in ihr.

„Hoffentlich seid Ihr nicht in einem Pferdestall aufgewachsen", meinte Denedreth naserümpfend und ließ sich in einem Sessel am Kamin nieder.

Éowyn war kurz davor zu explodieren.

Ich habe den Hexenkönig besiegt, dachte sie trotzig. Ich werde auch mit dieser unausstehlichen Alten fertigwerden.

Faramir betrat jetzt das Kaminzimmer. Seine blauen Augen leuchteten auf, als er Éowyn erblickte, die ihm glücklich um den Hals fiel.

Denedreth jedoch räusperte sich im Hintergrund. Faramir löste sich sanft von seiner Verlobten und begrüßte seine Tante höflich.

„Faramir, wie siehst du denn aus?", meinte die alte Dame echauffiert. „Ist es jetzt Mode in Gondor, solch einen verwilderten Bart zu tragen?"

„In Rohan tragen alle Männer Bärte und es ist absolut schicklich", platzte Éowyn dazwischen.

„Ach, gewöhnst du dich jetzt bereits an die wilden Sitten der Rohirrim, Neffe?", fragte Denedreth gehässig.

„Liebe Tante", entgegnete Faramir besonnen. „Selbst der König von Gondor trägt einen Bart. Würdest du ihn etwa auch als verwildert bezeichnen?"

Jetzt verstummte Denedreth erst einmal. Gegen den König durfte und wollte sie nichts sagen.

Sie verzog sich schweigend in ihr Gast-Gemach.

Éowyn atmete auf, als sie fort war.

„Faramir, diese Frau ist einfach furchtbar", stieß sie entsetzt hervor.

Faramir strich ihr behutsam über das blonde Haar.

„Wir werden gemeinsam diese Zeit überstehen", versprach er ihr. „Ich werde dafür sorgen, dass wir nur während der Essenszeiten meiner Tante begegnen."

„Ich liebe dich", flüsterte Éowyn und schmiegte sich an ihn.

„Ich liebe dich auch", sagte Faramir sanft und küsste sie.