Liebe Leonel! Endlich habe ich wieder ein wenig Zeit, an dieser Geschichte weiterzuarbeiten. Nun folgt ein neues Kapitel. Faramir hat dieses Mal wirklich einen hartnäckigen Gegner mit sehr viel Hass im Bauch. Vielen Dank für dein liebes Review! Knuddel
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Kapitel 4: Haradhrim und andere Gemeinheiten
Fürst Imrahil befand sich nun schon drei Tage in der Gewalt der Südländer. Sie gingen nicht gerade zimperlich mit ihm um: er war die ganze Zeit mit harten Stricken gefesselt, die ihm langsam aber sicher die Handgelenke wundscheuerten. Er hatte keine Ahnung, was Korazir mit ihm vorhatte. Fest stand, dass dieser Häuptling oder Fürst – wie er sich nannte - , irgendeine Gemeinheit gegen Faramir plante.
Auch heute, am dritten Tag waren sie wieder ein Stück durch Gondor geritten. Beim Reiten verband man Imrahil immer die Augen, damit er nicht mitbekam, wohin die Haradhrim mit ihm reisten. Doch der Fürst war erfahren genug, um zu merken, dass man Richtung Norden ritt. Die meiste Zeit schien ihm die Sonne auf den Rücken, und dass war ein Zeichen, dass sie den Süden Gondors allmählich verließen. Imrahil vermutete, dass die Haradhrim irgendwo in den Wäldern im Norden Gondors noch Schlupfwinkel hatten. Vermutlich sogar in Ithilien.
Die Haradhrim zerrten ihn vom Pferd und nahmen ihm die Augenbinde ab. Imrahil blinzelte und versuchte seine Augen an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen. Sie befanden sich in einer rauen, wild-schönen Landschaft mit Bächen und Wäldchen.
Ithilien, dachte der Fürst. Wir sind in Ithilien.
Die Haradhrim unterhielten sich in ihrer kehligen Sprache. Sie rechneten anscheinend nicht damit, dass ihr Gefangene ihre Sprache verstand.
„Faramir wird bald im Grauen Wald sein", meinte Korazir zufrieden. „Der Narr wird nie daraufkommen, dass wir seinen Onkel in Wirklichkeit in Ithilien verstecken".
„Das ist ein glänzender Einfall, Fürst Korazir!", lobte ein Unterhauptmann seinen Anführer. „Am Ende werdet Ihr zwei wertvolle Gefangene besitzen".
„Fürst Imrahil wird noch von großem Wert für mich sein", nickte der Haradhrim-Fürst. „Aber Faramir hat bereits jetzt sein Leben verwirkt. Er wird für den Tod meines Bruders bezahlen. Ich werde dafür sorgen, dass er eines Todes stirbt, den noch kein Mensch erlitten hat. Ich will, dass er mich anbettelt, ihn endlich zu töten."
Alle Haradhrim lachten und Fürst Imrahil schluckte hart. Die Botschaft an seine Söhne und Faramir war sicher längst angekommen. Vermutlich war der junge Truchseß auch schon unterwegs zum Grauen Wald. Dort würde die Falle dann zuschnappen.
Imrahil seufzte laut auf.
„Was ist mit dir, räudiger Hund von Dol Amroth?", spottete einer seiner Wächter. „Gefällt dir unsere Sonderbehandlung etwa nicht? Noch nie haben wir einen Gefangenen so lange durchgefüttert. Du darfst dich geehrt fühlen".
Der Fürst tat so, als hätte er nichts gehört. Aufrecht und stolz saß er da, soweit es ihm die Fesseln erlaubten, und blickte in eine andere Richtung.
„He, ich rede mit dir", begann der Wächter erneut.
„Aber ich nicht mit Euch", erwiderte Imrahil würdevoll.
Der Haradhrim versetzte ihm ein paar kräftige Ohrfeigen. Korazir fuhr zornig dazwischen und riß den Wächter zurück.
„Diesen Gefangenen rührt Niemand ohne meine Erlaubnis an, verstanden?"
Er zog seinen Dolch und schnitt dem Wächter ohne Vorwarnung die Kehle durch. Imrahil wandte sich erschüttert ab. Wenn dieser Korazir schon so grausam zu seinen eigenen Leuten war, wie mochte er dann erst mit seinem Todfeind Faramir umspringen, wenn er ihn in die Hände bekam?
Fürst Imrahil betete im Stillen zu den Valar, dass sie seinen Neffen beschützten.
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Minas Tirith, am Morgen des gleichen Tages:
Éowyn sah besorgt zu, wie Faramir sich für den Ritt in den Grauen Wald vorbereitete. Er legte seine lederne Waldläuferrüstung mit dem Gondor-Wappen an und holte seinen Bogen. Währenddessen saßen seine Vettern Elphir und Erchirion bereits beim Frühstück. Auch Faramirs Tante Denedreth erschien zum Speisen. Missbilligend starrte sie auf Faramirs Verwandten aus dem Süden. Dol Amroth war für sie nichts mehr als ein lausiges Landadelsgeschlecht. Immerhin war sie die Tochter eines Truchsessen.
Éowyn und Faramir verspäteten sich zum Frühstück.
„Verzeih, Tante Denedreth, aber wir hatten noch wichtige Vorbereitungen zu treffen", erklärte Faramir entschuldigend.
„Ich habe schon gehört, was sich zugetragen hat", entgegnete Denedreth ungehalten. „Als Truchseß von Gondor obliegen dir wichtigere Aufgaben, als versprengte Haradhrim zu jagen."
„Aber es geht um Faramirs Onkel, den Fürsten von Dol Amroth!", warf Éowyn entrüstet ein, die Denedreths blasiertes Verhalten nicht länger ertrug.
„Ich weiß Bescheid, mein Kind", sagte Denedreth kühl und biß in ein Stück weißes Brot.
Faramir beriet sich während des Frühstücks leise weiter mit seinen Vettern. Éowyn schob ihren Teller von sich. Ihr war der Appetit längst vergangen. Die Aussicht, dass Faramir zu einer gefährlichen Mission startete und sie mit dieser verschrobenen Frau zusammen in der Zitadelle bleiben musste, missfiel ihr immer mehr.
„Wie bist du überhaupt angekleidet, Faramir", fuhr Denedreth schließlich fort. „Du willst doch nicht tatsächlich in dieser abgetragenen Lederrüstung losziehen. Das ist ein höchst unwürdiger Aufzug für einen Truchseß".
Allmählich drohte auch Faramir seine Beherrschung zu verlieren. Éowyn sah es an dem verräterischen Funkeln in seinen blauen Augen.
„Liebe Tante, du solltest dir nicht so viele Gedanken um mich machen", erwiderte er schließlich gefasst. „Du solltest deine Zeit hier in Minas Tirith besser nutzen und Verwandtenbesuche machen".
„Und das werde ich jetzt auch tun!", rief Denedreth empört und verließ den Speisesaal.
Alle atmeten auf, als sie weg war. Faramir ergriff Éowyns Hand und beide lächelten sich an.
„Denedreth ist deinem Vater allzu ähnlich", bemerkte Erchirion kopfschüttelnd. „Sie ist genauso unbeugsam und hat ähnlich veraltete Ansichten wie Denethor".
„Sie wird nicht ewig hier bleiben", seufzte Faramir und erhob sich. „Es ist Zeit".
Éowyn ging mit ihm hinunter in den sechsten Festungsring, wo die Ställe lagen. Sie mussten nun Abschied voneinander nehmen. Faramir gab seiner Verlobten einen innigen Abschiedskuß. Elphir und Erchirion blickten verschämt grinsend zur Seite. Schließlich tauchten auch Mablung und Damrod auf, Faramirs treueste Waldläufergefährten. Der junge Truchseß wollte sie unbedingt dabeihaben.
„Ich werde bald wiederkommen, meine Blume", versprach er Éowyn.
Sie hatte Tränen in den Augen, als er mit seinen Vettern und einigen Schwanenrittern von Dol Amroth davonritt.
