Gil-estel: natürlich habe ich die Bücher gelesen: in der Carroux – und in der Krege-Übersetzung. Warum diese Frage? Habe ich irgendetwas falsch gemacht? Mir ist beim besten Willen kein Fehler aufgefallen. Die Idee zu dieser Story stammt sogar aus dem Buch. Der folgende Satz von Éowyn hat mich inspiriert: „Wird deine hochmütige Sippschaft nicht sagen: ‚Seht mal, ein junger Mann aus gutem Hause, der sich eine Wilde aus dem Norden gezähmt hat! Hat er denn keine von númenorischem Geblüt gefunden?'"
Natürlich habe ich Charaktere wie Denedreth und Silinde frei erfunden. Aber genauso gut könnten die beiden zu Faramirs „hochmütiger Sippschaft" gehören.
Leonel: Ob sich das zwischen Éowyn und Faramir wieder einrenken wird, verrate ich nicht. Denedreth wird noch Ärger kriegen, verlass dich drauf! Aber im nächsten Kapitel noch nicht..
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Kapitel 12: Die Ereignisse überschlagen sich
Beregond hatte sich als einfacher Bürger von Minas Tirith verkleidet. In einem Kapuzenmantel gehüllt schlich er Denedreths treuem Leibdiener Harlond hinterher. Der breitschultrige Mann ging zu Silindes Haus. Beregond wunderte sich: was hatte der Diener dort zu suchen? Irgendetwas merkwürdiges ging hier vor. Der treue Leibwächter Faramirs versteckte sich hinter eine Säule.
Es dauerte nicht lange und Harlond verließ das Haus wieder. Auf seinem Rücken trug er einen schweren, länglichen Sack. Beregond ahnte nichts gutes. Jetzt wollte er dem Diener erst recht folgen. Harlond lud den Sack, der anscheinend recht schwer war, auf eine Karre. Dann ließ er sich von Silindes Knechten ein Pferd bringen und spannte dieses vor die Karre. Anschließend setzte er sich selbst auf die Karre und trieb das Pferd an. Beregond konnte ihm immer noch leicht zu Fuß folgen, da die Karre nur langsam durch die Zirkel der Stadt rollte. Es war viel Betrieb auf den Straßen, obwohl es schon dunkel war. Als Beregond merkte, dass Harlond die Stadt verlassen wollte, lieh er sich schnell von einem Wachposten ein Pferd. Der Soldat war ziemlich überrascht, als er Beregond in der merkwürdigen Verkleidung erkannte.
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Harlond hatte nicht vor, das junge Mädchen namens Orowingven, das betäubt in dem Sack steckte, bis in den Druadan-Wald zu bringen. Er wollte sie im Anduin ertränken. Das ging schneller und war sicherer. Beregond folgte ihm in einem sicheren Abstand. Doch irgendwann merkte Harlond, dass ihn jemand verfolgte und er griff zu seinem Bogen. Aber er wusste nicht, dass er an einem erfahrenen Soldaten geraten war. Beregond konnte den Pfeilen leicht ausweichen. Er zog sein Schwert. Harlond bekam es mit der Angst zu tun und sprang vom Wagen. Weit kam er nicht. Beregond sprang vom galoppierenden Pferd aus auf ihm und überwältigte ihn nach einer kurzen Rangelei. Ehe Harlond sich versah, war er gefesselt. Beregond öffnete rasch die Verschnürungen des Sacks. Hustend und würgend schälte sich das Mädchen daraus hervor. Beregond erkannte sie sofort: sie war zusammen mit Faramirs Verwandten heute morgen in der Zitadelle erschienen.
„Bitte helft mir!" flehte sie.
„Wie konnte das geschehen?"fragte der Soldat erstaunt.
„Faramirs Tante und diese Silinde sind hinterhältige Hexen!"stieß Orowingven unter Tränen hervor. „Sie haben mich nur benutzt. Und jetzt wollten sie mich umbringen, da ich zuviel weiß."
Beregond verstand so langsam, was vor sich ging: Éowyns überraschender Aufbruch und Denedreths Verhalten.
„Du wirst jetzt schön mit mir kommen, und Herrn Faramir alles erklären, wenn er zurückkommt,"befahl er dem Mädchen streng.
Zusammen mit Orowingven und dem gefesselten Diener kehrte Beregond nach Minas Tirith zurück, just im gleichen Moment, als Éowyn und Éomer mit ihrem Gefolge zurückkamen. Éowyn hatte sich nun doch entschlossen, in die Stadt zurückzukehren, nachdem sie mit Faramir gesprochen hatte. Éomer jedoch war nicht begeistert.
„Was ist hier los?" staunte Éowyn. „Das ist ja Maegweth auf dem Wagen, Beregond."
„Verzeiht, Herrin," lispelte Orowingven verschämt. „Aber ich heiße nicht Maegweth. Es war alles nur eine Täuschung. Diese zwei alten Frauen sind daran schuld. Sie haben mich dazu gezwungen."
„Erzähl mir alles, Mädchen!"forderte Éowyn bestürzt.
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Elphir und Erchirion hatten inzwischen den gefangenen Haradhrim in den Kerker bringen lassen.
„Ich habe ein ungutes Gefühl wegen Faramir und unserem Vater,"meinte Erchirion zu seinem älteren Bruder. „Sollten wir nicht doch besser gleich dem König Bericht erstatten?"
„Du hast recht," nickte Elphir nachdenklich. „Komm mit!"
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Éowyn war schockiert, als sie Orowingwens Geschichte gehört hatte. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit so einer hässlichen Intrige seitens Denedreth. Den Tränen nahe drehte sie sich zu ihrem Bruder um. Auch Éomer war fassungslos über so viel Boshaftigkeit.
„Es ist, als ob diese Person bei Grima Schlangenzunge in die Lehre gegangen sei," murmelte er kopfschüttelnd.
Während sie immer noch im Eingangsbereich der Stadt standen und redeten, kam ein reiterloses Pferd herangaloppiert.
„Das ist Flammenmähne!"schrie Éowyn entsetzt.
Sie sprang von Windfola und eilte auf den Fuchs zu, um ihn zu beruhigen. Beregond und Éomer sahen sich das Sattelzeug genau an.
„Es sieht nicht so aus, als ob Faramir gestürzt wäre,"murmelte Éomer stirnerunzelnd. „Es ist alles ordentlich beisammen. Auch kein Kampf scheint stattgefunden zu haben."
„In den Wäldern Ithiliens ist ein Pferd manchmal hinderlich,"erklärte Beregond eifrig. „Sicherlich hat Faramir sein Pferd aus freien Stücken nach Hause geschickt."
Ein Reitertrupp näherte sich aus den oberen Zirkeln der Stadt.
„Macht Platz für den König!"schrie ein Soldat.
„Aragorn!"stießen Éowyn und ihr Bruder gleichzeitig erleichtert hervor.
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Aragorn hatte nicht schlecht gestaunt, als ihn Faramirs Vettern aufgeregt im Thronsaal aufsuchten. Doch als er die ganze Geschichte erfuhr, schritt er sofort zur Tat: die zwei wichtigsten Männer nach ihm in Gondor befanden sich in den Händen der Haradhrim. Das duldete keinen Aufschub. Der König hatte viel von den grausamen Foltermethoden der Südländer gehört, und er hoffte, dass Imrahil und Faramir noch unversehrt waren.
Elphir und Erchirion starrten ihn verblüfft an, als er in einfacher Waldläufertracht aus seinen Gemächern zurückkam. In Windeseile stellte Aragorn einen Rettungstrupp zusammen. Dann zogen sie los. Der König ritt an der Spitze des kleinen Zuges. Als er unten am Tor den Menschenauflauf sah, wunderte er sich zunächst. Und als er Éomer und Éowyn darunter erblickte, noch mehr.
„Was ist geschehen?" fragte Aragorn Éowyn, die immer noch Faramirs Pferd an den Zügeln hielt.
Auch der König erkannte jetzt das Pferd. Erschrocken fuhr er sich mit einer Hand über den Mund.
„Die Haradhrim haben Faramir wahrscheinlich jetzt auch in ihrer Gewalt,"sagte Éowyn mit mühsam beherrschter Stimme.
„Dann haben wir keine Zeit mehr zu verlieren,"murmelte Aragorn.
„Ich reite mit!" rief Éowyn sofort.
„Nein!"schrien Aragorn und Éomer wie aus einem Munde.
Die junge Eorlinga zuckte zusammen, als die Beiden sie so laut anschrien.
„Hast du nicht mit jemanden noch ein Hühnchen da oben zu rupfen?"fragte Éomer und deutete hinauf zur Zitadelle.
Éowyn lächelte grimmig:
„Allerdings!"
Sie trieb Windfola voran und verschwand alsbald zwischen den Häusern.
