Leonel: Es geht jetzt erst mal mit Imrahil weiter, dann trifft Éowyn auf Denedreth....
Gil-estel: Ich hatte schon befürchtet, ich hätte etwas falsch gemacht. Danke für dein großes Lob. Wie schon oben erwähnt, wird Éowyn im nächsten Kapitel erneut Denedreth treffen.
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Kapitel 13: Bauer Feril und Denedreths Feigheit
Ein Bauer, der einen großen Hof in der Nähe des Anduin besaß, fand den völlig entkräfteten Fürsten von Dol Amroth am Flussufer. Er ahnte natürlich nicht, welch hohen Herrn er da in sein Haus brachte.
Als Imrahil wieder erwachte, lag er in einem einfachen Bett, mit einem groben Leinenhemd bekleidet.
„Wo bin ich?" fragte er leise.
„Bei uns,"erklärte der Bauer Feril kurzangebunden. „Was ist Euch eigentlich zugestoßen?"
„Ich bin Fürst Imrahil von Dol Amroth und wurde von Haradhrim entführt," erzählte dieser dem Bauern.
„Das ist doch nicht möglich,"murmelte Feril kopfschüttelnd.
Er ging aus dem Zimmer und sah sich die Kleidungsstücke an, die seine Frau zum Trocknen vor dem offenen Kamin aufgehängt hatte. Als er jedoch die feinen Stoffe sah, wurde er blaß. Rasch lief er zurück in das Krankenzimmer.
„Es tut mir leid, mein...mein Fürst, dass ich an Euch zweifelte,"stammelte er verlegen.
„Schon gut," winkte Imrahil lächelnd ab. „Ich muß so schnell wie möglich nach Minas Tirith und den Truchseß informieren."
„Aber Euere Kleider sind noch nicht trocken,"sagte Feril bedauernd.
„Das macht nichts," meinte Imrahil freundlich. „Gebt mir etwas von Euch zum anziehen und Ihr dürft dafür meine Kleider behalten."
Feril riß die Augen staunend weit auf: so wertvolle Kleider hatte er noch nie besessen. Schnell ließ er seine Frau etwas zum Anziehen für den Fürsten aus seiner Kleidertruhe holen. Imrahil zog das grobe Hemd, die Hose und das abgewetzte Lederwams an, das ihm Feril gab.
„Habt Ihr auch ein Reittier?"
„Leider nur einen alten Esel,"sagte Feril bedauernd.
„Das genügt mir,"meinte Imrahil zufrieden. „Ich werde Euch den Esel alsbald zurückschicken und auch etwas Geld."
Feril verneigte sich vor dem Fürsten.
„Das ist fast zuviel der Ehre, mein Herr."
Wenig später ritt Imrahil Richtung Minas Tirith. In der einfachen Kleidung erkannte ihn natürlich niemand, was auch eine Art Schutz für ihn war.
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Éowyn erreichte rasch die Stadt. Ja, sie würde es dieser Denedreth schon besorgen! Dieses boshafte, alte Weib sollte seine Strafe bekommen. Als sie Windfola in den Ställen im sechsten Festungsring unterbrachte, ging gerade die Sonne auf. Die Wache am Weißen Baum wechselte gerade, als Éowyn grußlos an den Soldaten vorbeirannte. Sie hatte jetzt anderes im Kopf. Völlig außer Atem erreichte sie den Flügel des Palastes, wo Faramir und sie lebten. Mit Sicherheit hielt sich Denedreth dort auf und schlief selig. Wütend schlug Éowyn an die Tür des Schlafzimmers.
„Steht auf und legt mir Rechenschaft ab!"rief sie zornig.
Doch niemand rührte sich. Éowyn stieß die Tür grimmig auf. Doch das Bett war unberührt. Ebenso waren die Denedreths Sachen verschwunden. Hatte sich diese falsche Schlange also aus dem Staub gemacht! Die junge Frau verließ das Zimmer wieder. Im Flur lief ihr eine Dienerin über dem Weg.
„Wo ist Frau Denedreth hin?"wollte Éowyn wissen.
„Sie ist zur ihrer Base, Frau Silinde, gezogen,"erzählte die Dienerin.
„Das dachte ich mir fast!"knurrte Éowyn wütend und verließ rasch die Zitadelle.
Natürlich wusste Éowyn nicht, wo Silinde wohnte, und musste sich erst durchfragen. Es dauerte fast den halben Vormittag, bis sie an das große Haus kam, wo Silinde mit ihrem Mann wohnte.
Silindes Ehemann Nardil öffnete die Tür, als Éowyn energisch angeklopft hatte. Er hatte keine Ahnung von den ganzen Vorgängen und staunte nicht schlecht, die aufgebrachte Eorlinga vor sich zu sehen. Natürlich wusste er sofort, wen er vor sich hatte. Es gab in Gondor fast keine Frauen mit solch langem hellblonden Haar.
„Was wünscht Ihr, Frau Éowyn?"fragte er demütig.
„Ist Frau Denedreth in Euerem Haus?"wollte Éowyn wissen, die nur mühsam ihre Wut im Zaume halten konnte.
„Ja, sie weilt bei meiner Gemahlin,"erwiderte Nardil verwundert. „Wünscht Ihr sie etwa zu sprechen?"
„Allerdings," meinte Éowyn fast ein wenig zu barsch.
Nardil bat sie herein und sie folgte ihm durch einen düsteren Vorraum in das große Kaminzimmer. Dort saßen die beiden älteren Frauen und tranken Tee. Als Denedreth Éowyn erblickte, erhob sie sich erschrocken.
„Was tut Ihr noch hier?"fragte Silinde ungehalten an Denedreths Stelle.
„Wie redest du eigentlich mit der Verlobten von Fürst Faramir, Weib?"rief Nardil entsetzt aus, bevor Éowyn etwas sagen konnte.
„Ich habe etwas mit Denedreth zu klären,"sagte Éowyn gelassen und warf Silinde einen verächtlichen Blick zu.
Nardil packte seine Frau grob am Unterarm und führte sie aus dem Zimmer. Denedreth stand bebend da und griff mit der Hand an ihren Hals.
„Ich habe mit Faramir gesprochen,"sagte Éowyn mit blitzenden Augen zu der älteren Frau. „Und außerdem ist uns deine Maegweth begegnet. Das arme Ding hat alles gestanden! Wie konntet Ihr nur!"
„Ich bin unschuldig," log Denedreth. „Silinde ist schuld an allem. Sie hatte diesen Plan mit Maegweth. Traust du mir so eine schändliche Tat wirklich zu, Kind? Ich hatte eigentlich nie etwas gegen deine Heirat mit Faramir. Aber man wird wohl noch seine Bedenken äußern dürfen, oder? Ist das nicht das Vorrecht des Alters?"
„Ihr lügt ja schon wieder und feige seid Ihr noch dazu!"rief Éowyn zornig. „Ich kann mich noch gut erinnern, dass Ihr gestern morgen das große Wort geführt habt bei dieser Sache. Silinde hat Euch nur nach dem Mund geredet. Ich glaube, dass ich Euch schon gut kenne, Denedreth!"
„Faramir wird mir glauben, und nur das zählt,"erwiderte Denedreth böse lächelnd. „Er würde es niemals wagen, die Schwester seines Vaters aus der Stadt zu vertreiben. Er würde mir so eine Tat niemals zutrauen."
„Wir werden ja sehen, was nach Faramirs Rückkehr geschieht,"erwiderte Éowyn finster. „Ich rate Euch jedenfalls dringend, Euch nicht mehr in die Nähe der Zitadelle zu wagen."
Mit diesen Worten ließ sie Denedreth stehen und verließ mit erhobenem Kopf das Haus.
Als sie die Zitadelle erreichte, sah sie, dass erneut Besuch gekommen war: diesmal aus Dol Amroth. Imrahils Tochter Lothiriel und der jüngste Sohn Amrothos.
„Gibt es etwas neues von unserem Vater?"fragte Lothiriel Éowyn ängstlich.
„Leider nicht," erwiderte Éowyn seufzend. „Nun hat sich auch noch Faramir in Gefahr begeben. Wir befürchten, dass er nun ebenfalls von den Haradhrim gefangen genommen wurde.
„Oh weh!"stieß Amrothos entsetzt hervor. „Das hört sich gar nicht gut an. So schlechte Kunde! Was machen unsere Brüder?"
„Sie sind mit König Elessar und meinem Bruder Éomer losgeritten, um die Haradhrim zu jagen,"erzählte Éowyn.
Sie blickte die beiden Geschwister an, die recht betreten dreinschauten.
„Kommt erst mal mit in die Zitadelle!"
