Gil-estel : Keine weiteren Entführungen? Ich glaube, da muß ich dich „enttäuschen".

Leonel: So schnell lässt sich Denedreth nicht aus Minas Tirith vertreiben, keine Bange.

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Kapitel 14: Faramirs Gefangennahme

Vorsichtig ging Faramir auf den Wald zu, nachdem sein Pferd weggaloppiert war. Er sah aus der Ferne, wie Korazirs Männer brutal mit seinen treuen Gefährten umgingen. Er pirschte sich ganz leise an die Haradhrim heran. Damrod und Mablung wurden von den Haradhrim zusammengeschlagen. Sie waren gefesselt und konnten sich nicht wehren. Faramirs Zorn wuchs von Sekunde zu Sekunde: Korazir war ein Feigling!

„Halt!" brüllte Faramir plötzlich. „Laßt sie gehen und nehmt mich!"

Korazir lächelte listig. Genau das hatte er gewollt!

„Fesselt ihn," sagte er mit Genugtuung in der Stimme.

Unsanft wurden Faramirs Arme nach hinten gerissen und zusammengebunden.

„Was machen wir mit den beiden Waldläufern?" fragte einer von den Haradhrim.

„Die lassen wir hier," meinte Korazir zufrieden. „Ich bin ja kein Unmensch, der gefesselte Männer umbringt. Bindet sie an die Bäume! So wird es länger dauern, bis sie gefunden werden."

Damrod und Mablung blickten ihren Herrn traurig an.

„Das wollten wir nicht, Herr Faramir," flüsterte Damrod bedrückt.

„Ist schon gut," sagte Faramir gefasst. „So schnell wird man mich nicht töten."

Als Korazir das mitbekam, grinste er böse.

„Nein, schnell werden wir Faramir bestimmt nicht töten. Er wird ganz langsam sterben. So langsam, dass er uns zum Schluß anbetteln wird, ihn endlich von seinen Qualen zu erlösen."

Faramir schluckte, als er das hörte. Etwas anderes hatte er von diesem gemeinen Mörder auch nicht erwartet. Er war kein Feind mit Ehre im Leib, sondern ein mieser Feigling.

„Warum kämpfen wir nicht um Leben und Tod, Korazir?" fragte er tapfer. „Mann gegen Mann. Schwert gegen Schwert."

„Weil du hingerichtet werden sollst, und zwar nach Art der Haradhrim," erklärte Korazir arrogant.

Faramir schüttelte bitter lächelnd den Kopf.

„Du bist also zu feige, gib es zu!"

Daraufhin schlug ihm Korazir die Faust ins Gesicht. Blut tropfte aus Faramirs Nase. Damrod und Mablung schlossen entsetzt die Augen. Begann bereits jetzt die Folterung des jungen Truchsessen?

Faramir gab keinen Schmerzenslaut von sich, sondern blickte Korazir verächtlich an. Der Haradhrim-Häuptling ballte erneut die Faust, provoziert vom Verhalten seines Todfeindes.

„Da kommt jemand!" riefen plötzlich einige Krieger und zogen ihre Krummschwerter.

Korazir ließ von Faramir ab.

„Macht euch kampfbereit!" kommandierte er seine Männer und zog sein eigenes Schwert hervor.

„Wir sind es nur," riefen Stimmen von weitem.

Korazir sah seine Krieger verblüfft an. Was taten sein Hauptmann und die anderen, die er mit Imrahil gen Süden geschickt hatte, plötzlich wieder hier?

„Wo ist der Fürst?" fuhr Korazir seinen Hauptmann Murak barsch an.

„Verzeiht, mein Herr," stammelte Murak. „Imrahil ist entkommen. Er hat sich in einen Bach fallen lassen und ist davongeschwommen."

Faramir war erleichtert, als er das hörte. Er hoffte, dass sich sein Onkel bereits in Sicherheit befand.

Korazir jedoch brach in ein ohrenbetäubendes Wutgeschrei aus. Dann schlug er Murak zusammen, bis dieser reglos am Boden liegenblieb.

„Ich werde euch alle dafür büßen lassen!" schrie er die Soldaten an, die Murak begleitet hatten.

„Und jetzt nichts wie weg nach Harad, bevor uns ganz Gondor auf den Fersen ist."

Die Haradhrim holten ihre Pferde. Sie zerrten Faramir auf eines von den Pferden, dann galoppierten sie los, Richtung Süden.

Damrod und Mablung sahen dem Trupp besorgt nach, bis er zwischen den Bäumen verschwand.

§

Imrahil hatte inzwischen Minas Tirith erreicht. Auf schnellsten Wege begab er sich hinauf zur Zitadelle. Dort oben hatte er zunächst Schwierigkeiten, Einlaß zu finden. In der einfachen Kleidung sah er wirklich nicht wie ein hoher Herr aus. Doch endlich erkannte ihn einer der Wachsoldaten.

„Verzeiht, mein Herr!" sagte der Soldat beschämt. „Natürlich dürft Ihr zur Zitadelle gehen."

Der Fürst eilte am Weißen Baum vorbei und lief seinem jüngsten Sohn Amrothos in die Arme.

„Vater, ist es möglich?" rief er freudig aus. „Du bist zurück. Wie ging das vor sich?"

„Ich muß unbedingt zum König," sagte Imrahil gehetzt. „Korazir führt etwas Böses gegen Faramir im Schilde. Womöglich hat ihn der Schurke bereits gefangengenommen."

„König Elessar ist losgeritten, um Faramir und dir zu helfen," erzählte Amrothos rasch. „Auch Elphir und Erchirion sind bei dem Hilfstrupp."

Jetzt kamen auch Éowyn und Lothiriel hinzu.

„Fürst Imrahil, habt Ihr Faramir gesehen?" fragte Éowyn hoffnungsvoll.

„Leider nein," berichtete Imrahil. „Korazir hat mich von einem kleinen Trupp Richtung Süden bringen lassen wollen, aber ich konnte den Kerlen entkommen. Es war eine recht abenteuerliche Flucht, die ich aber jetzt nicht in allen Einzelheiten erzählen will. Ich möchte jetzt erst mal ein heißes Bad, etwas anständiges zum anziehen und etwas zum Essen."

Lothiriel lachte leise, als sie das hörte. Ihrem Vater ging es also den Umständen entsprechend gut. Nur Éowyn konnte nicht lachen. Die Sorge um Faramir schnürte ihr schier das Herz zu.

Während Imrahil mit seinen Kindern zu Abend aß, saß sie still daneben. Sie hasste es, jetzt untätig in Minas Tirith sitzen zu müssen und die Hände in den Schoß zu legen.

„Entschuldigt mich!" sagte sie plötzlich zu den drei Verwandten Faramirs und verließ das Speisezimmer.

Sie spürte, dass sich Faramir in Lebensgefahr befand. Sie konnte einfach nicht länger warten.

Éowyn ging in ihr Schlafgemach und öffnete ihre Kleidertruhen. Endlich fand sie das, was sie suchte: ihre Dernhelm-Rüstung aus dem Ringkrieg. Rasch schlüpfte sie in das Kettenhemd und die in die Hosen. Dann band sie ihr langes Haar zu einem Zopf. Im Schutze der Dunkelheit huschte sie zu den Stallungen. Windfola wirkte erschöpft von dem langen Ritt heute. Éowyn beschloß, ein anderes Pferd zu nehmen. Ihr Blick fiel auf Brégo, der in der königlichen Box stand. Sie hatte schon bemerkt, dass Aragorn vorhin auf Hasufel geritten war. Langsam ging Éowyn zu Brégo hin. Der braune Hengst schnaubte auf, als sie in seine Nähe kam. Doch die junge Eorlinga hatte keine Angst vor ihm. Sie wusste, dass Brégo sie auf sich reiten lassen würde.

„Komm, mein Guter," sagte sie leise und führte ihn aus der Box.

In Windeseile war Brégo gesattelt. Dann verließ sie die Stallungen und ritt davon.