Leonel: Ich denke, Éowyn hatte tatsächlich ein glückliches Händchen mit Brégo. Warum, das wirst du gleich lesen...
gil-estel: Faramir nicht umbringen und nicht leiden lassen? Hm, mal sehen was ich für dich tun kann.
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Kapitel 16: In höchster Gefahr
Aragorn kam mit den Waldläufern schnell voran. Damrod und Mablung kannten jeden Baum und Strauch in Ithilien. Und die Spuren, die Korazirs Krieger hinterlassen hatten, waren nur zu deutlich. Offensichtlich hatte es der Haradhrim-Häuptling auf einmal sehr eilig und wurde unvorsichtig.
„Da sind Schleifspuren," meldete Damrod aufgeregt dem König.
Aragorn bückte sich: auch er kannte sich gut mit Spuren aus.
„Tatsächlich!" nickte er stirnerunzelnd. „Da wurde ein Mann geschleift, der offensichtlich nicht mehr laufen konnte."
Damrod und Aragorn blickten sich an, beide dachten dasselbe: Faramir!
„Rasch!" kommandierte der König besorgt.
Die Waldläufer und Soldaten folgten ihm. Es ging hier um den Truchseß, der einst ihr Heermeister gewesen war. Jeder von ihnen hätte sein Leben gerne für Faramir gegeben.
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Korazir sah ein, dass eine Pause vonnöten war. So konnte es unmöglich weitergehen. Auch die Männer, die Faramir mit sich zogen, waren jetzt erschöpft.
„Hier rasten wir!" entschied er, als sie in ein kleines Felsental kamen. „Aber zündet kein Feuer an, damit man uns nicht sieht."
Faramir sank schweratmend nieder. Endlich ausruhen! Seine Beine schmerzten entsetzlich und ihm war schwindelig vor Erschöpfung. Korazir ließ Wachen aufstellen, während sich die anderen Krieger gleich zum Schlafen hinlegten. Auch Faramir fielen sofort die Augen zu. Er registrierte noch im halbwachen Zustand, dass man ihm die Füße zusammenband. Korazir war ziemlich beunruhigt. Er hatte seine ganzen Pläne ändern müssen. Das Imrahil entkommen war, ärgerte ihn sehr. Ein hohes Lösegeld war ihm somit durch die Lappen gegangen.
„Fürst Korazir, wollt Ihr nicht etwas zu Euch nehmen?" fragte ein Krieger höflich.
„Nein!" bellte der Haradhrim-Häuptling mißgelaunt. „Mir steht jetzt nicht der Sinn nach Essen."
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Aragorn und seine Begleiter hatten das Lager der Haradhrim inzwischen entdeckt. Aber jetzt mussten sie sich einen Plan überlegen, wie sie Faramir unbeschadet aus dieser misslichen Lage herausbrachten.
„Wenn sie uns entdecken, ist Faramir so gut wie tot," sagte Aragorn ernst zu seinen Männern.
„Vielleicht sollten wir warten, bis alle schlafen," schlug Damrod eifrig vor. „Sie haben sicher nicht zu viele Wachposten."
„Wir müssen erst herausbekommen, an welcher Stelle des Lagers Faramir sich befindet,"überlegte der König laut.
Inzwischen war es dunkel geworden. Vorsichtig pirschten sich Aragorn und die anderen an das Lager der Haradhrim heran. Es gab mehrere Wachposten. Da kein Lagerfeuer brannte, konnte man sehr schlecht sehen, wie viele Männer es genau waren. Sie konnten auch Faramir nicht entdecken: da er die Kleidung von irgendeinem Haradhrim trug, war er unter den Schlafenden nicht auszumachen.
Es half nichts: Aragorn beschloß, sich noch etwas näher heranzuschleichen. Es war wichtig zu wissen, wo Faramir genau lag.
Der König war jetzt unmittelbar am Rande des Lagers: er hatte sich hinter einem Baum verborgen. Im Schutze der Dunkelheit robbte er zu der Reihe der Schlafenden hin. Dann sah er einen Mann mit Fußfesseln und er wusste jetzt, wo Faramir sich befand. Er lächelte kurz und robbte dann rückwärts. Doch dann packten ihn zwei starke Arme. Man hatte ihn entdeckt!
„Alarm!" schrie der Wachposten. „Jemand ist in unser Lager..."
Weiter kam er nicht, denn Aragorn hatte sich rasch aus seinem Griff entwunden und streckte ihn mit einem Faustschlag nieder. Leider zu spät, denn jetzt waren alle Schlafenden erwacht. Fackeln wurden entzündet, um zu sehen, was los war. Korazir, der in der Nähe von Faramir geschlafen hatte, zerrte diesen hoch und hielt ihm seinen Dolch an die Kehle. Im gleichen Augenblick stürmten Damrod, Mablung und die Soldaten aus ihrem Versteck hervor.
„Halt, wartet, damit Faramir nichts geschieht!" brüllte Aragorn außer sich vor Sorge den Männern zu.
„Ganz richtig, König Elessar," lächelte Korazir böse, und drückte den Dolch fester an Faramirs Hals.
Die Lage war momentan hoffnungslos. Trotzdem versuchte Aragorn vorsichtig zu verhandeln.
„Gebt Fürst Faramir frei!" forderte er ernst. „Dann könnt ihr auch unbeschadet in euere Heimat zurückkehren."
„Ich habe mit Faramir noch eine Rechnung offen," sagte Korazir kalt. „Ich werde nicht eher nachgeben, bis er seine Strafe bekommen hat."
„Das hat doch keinen Sinn!" fuhr Aragorn kopfschüttelnd fort. „Wenn ihr Faramir etwas antut, dann ist Euer aller Tod gewiß. Glaubt Ihr, ich werde jemals ruhen, bis Ihr alle tot seid? Denkt an Euere Männer, Korazir!"
Einige Haradhrim-Krieger hatten Aragorns Worten beeindruckt gelauscht. Sie fürchteten und respektierten ihren Anführer, aber sie hatten keine Lust wegen seines Starrsinns zu sterben. Sie hatten mitbekommen, dass Korazir über Leichen ging, um seine Pläne durchzusetzen. Der Tod des jungen Kriegers Harek hatte die Haradhrim zutiefst geschockt. Und sie wussten alle, dass es mit das Verschulden ihres Anführers gewesen war.
Korazir merkte die Unruhe unter seinen Männern und wurde nervös.
„Glaubt ihm nicht!" rief er ihnen mit etwas zitternder Stimme zu. „Er wird euch in Minas Tirith alle hinrichten lassen."
„Nein," erwiderte Aragorn besonnen. „Wenn Faramir freikommt, so dürft alle nach Harad zurückkehren."
Die Haradhrim wandten sich Korazir zu und begannen auf ihn einzureden. Dieser stand immer noch da und hielt Faramir das Messer an die Kehle.
Aragorn drehte sich seufzend zu seinen Männern um. Faramirs Leben lag nach wie vor in Korazirs Händen.
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Éowyn war den ganzen Tag durch die Wälder geritten. Jetzt wurde es allmählich dunkel und sie begann die Orientierung zu verlieren.
„Brégo, vielleicht kannst du mich zu deinem Herrn bringen," seufzte sie und klopfte den Hals des klugen Hengstes.
„Bring' mich zu Aragorn!" sagte sie und betonte den Namen des Königs.
Brégo wieherte leise auf und begann weiter zu traben. Éowyn hoffte, dass er sie verstanden hatte.
Sie kamen schließlich zu dem Felsental. Die Eorlinga hielt Brégo an: sie sah die Fackeln und die Männer in der Ferne. Es waren Haradhrim und Waldläufer aus Gondor. Éowyn nahm ihr Schwert und pirschte sich an das Lager heran. Hinter einem Busch blieb sie hocken. Direkt vor ihr stand Korazir. Er hielt einem Gefangenen in Haradhrim-Kleidung ein Messer an den Hals. Éowyn erkannte Faramir und erschrak.
Korazir wurde immer nervöser. Jetzt waren auch seine Männer plötzlich gegen ihn. Er wusste, dass es so gut wie vorbei war. Aber noch hatte er Faramir. Er wollte unbedingt seinen Racheschwur erfüllen, auch wenn er selbst dann getötet würde. Aber Hauptsache, Faramir war tot.
Éowyn übersah schnell die Lage. Korazir war in den Enge gedrängt. Jeden Augenblick konnte er Faramir töten. Sie musste jetzt schnell handeln.
Korazir wich noch ein wenig weiter zurück.
„So, jetzt könnt ihr alle zusehen, wie der letzte Truchseß von Gondor stirbt!" rief er höhnisch.
Faramir schloß entsetzt die Augen. Es gab wohl keine Rettung mehr für ihn. Doch Korazirs Hand erschlaffte plötzlich. Das Messer fiel herunter. Er selbst brach mit einem gurgelnden Laut zusammen. Faramir sprang rasch zur Seite, so gut er es mit seinen Fesseln konnte. Éowyn trat aus dem Gebüsch mit ihrem blutigen Schwert in der Hand.
„Faramir!" schrie sie nur und umarmte ihn stürmisch.
Der junge Fürst konnte vor Verblüffung überhaupt nichts sagen. Korazir lag am Boden und gab noch ein paar unartikulierte Laute von sich. Dann starb er.
Aragorn sprang jetzt hinzu und löste rasch Faramirs Fesseln.
„Sonst könnt ihr euch gar nicht richtig umarmen," sagte er scherzhaft.
Doch in seinen Augen standen Tränen. Es war so knapp gewesen. Plötzlich hörte er ein bekanntes Wiehern.
„Brégo!" rief er erstaunt aus. „Wie kommst du hierher?"
„Verzeih," murmelte Éowyn verschämt lächelnd. „Windfola war erschöpft, aber ich denke, es war die richtige Entscheidung, Brégo zu nehmen. Er hat mich hierhergeführt."
„So habe ich mein Leben als auch einem Pferd zu verdanken," meinte Faramir schmunzelnd und riß sich endlich die Haradhrim-Kopfbedeckung vom Kopf.
Er beugte sich über seinen toten Erzfeind.
„Sein Bruder war ein ehrenvollerer Mann als er gewesen," sagte er leise.
„Laßt uns nach Minas Tirith zurückkehren," drängte Aragorn.
Die Haradhrim wurden, wie versprochen, freigelassen. Rasch machten sie sich auf den Weg nach Süden. Faramir war nicht besonders begeistert davon: schließlich hatten sie den Freund seines Onkels getötet. Aber Aragorn war gewillt, sein Versprechen zu halten.
„Ich denke, der wahre Schuldige wurde bestraft," sagte er besonnen zu seinem Statthalter und deutete auf Korazirs Leiche.
§
Nachdem man Korazir rasch verscharrt hatte, machte man sich auf den Rückweg nach Minas Tirith. Faramir und Éowyn saßen zusammen auf Brégo. Der junge Truchseß hielt seine Braut fest in den Armen.
„Ich will dich nie mehr loslassen," flüsterte er ihr zärtlich zu.
Éowyn lächelte, doch plötzlich musste sie an Denedreth denken.
„Was wirst du mit deiner Tante machen, Liebster?"
Faramir starrte nachdenklich vor sich hin.
„Was Denedreth angerichtet hat, ist unglaublich boshaft und hinterhältig gewesen. Ich werde diese Sache nicht auf sich beruhen lassen."
