Leonel: Nachdem du mich so nett gebeten hast, den Anfang der Story zu posten, konnte ich einfach nicht mehr länger warten. So, und jetzt gibt es ein Update...

Stareyes: Ja, es gibt wirklich nicht viel Stories mit den beiden Brüdern. Ich habe mich in letzter Zeit auch sehr auf die Epoche nach dem Ringkrieg konzentriert. Aber jetzt ist Boromir wieder dran! Wo Lyraen das Schwertkämpfen erlernt hat, wirst du im nächsten Kapitel erfahren.

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Kapitel 2: Minas Tirith

Bereits am nächsten Morgen brachen sie auf in die Felsenstadt am Mindolluin. Boromir ging es so weit wieder gut, dass er reiten konnte. Lyraen saß auf einem Maultier, denn ein Pferd besaß die Familie nicht. Faramir hatte ihrer Mutter viele Goldstücke dagelassen. Damit würde sich die Heilerin sogar eine Magd leisten können.

„Ich bin mal gespannt, wie du das unserem Vater beibringen wirst,"meinte Boromir, der an der Seite seines Bruders ritt.

„Ich habe nicht vor, ihm davon zu erzählen,"erwiderte Faramir mit einem leichten Lächeln.

„Wenn das herauskommt, dass du eine Frau in deiner Truppe kämpfen lässt, möchte ich nicht in deiner Haut stecken,"sagte Boromir kopfschüttelnd.

„Meine Männer sind verschwiegen,"erklärte Faramir zuversichtlich.

Lyraen saß mit großen Augen auf ihrem Maultier und starrte auf das riesige Stadttor, das gerade geöffnet wurde. Im untersten Ring der Stadt liefen die Leute zusammen und jubelten den Statthaltersöhnen zu.

Dann geschah etwas, womit Faramir nicht gerechnet hatte: Denethor kam seinen Söhnen entgegengeritten. Er kam auf einem prächtigen Schimmel die Festungsringe herab. Sein schwarzer, pelzbesetzter Umhang wehte hinter ihm. Seine Miene wirkte sehr besorgt.

„Boromir!"rief er. „Ich hörte, du bist verwundet."

Er stieg rasch vom Pferd und lief zu seinem ältesten Sohn hin, der den rechten Arm in einer Schlinge trug.

„Es ist alles halb so wild, Vater,"sagte Boromir beruhigend. „Es ist nur ein kleiner Kratzer. Du weißt doch, dass ich hart im Nehmen bin."

„Trotzdem,"meinte Denethor bedrückt. „Du bist doch so wichtig."

Er half Boromir vom Pferd herab und umarmte ihn vorsichtig, um seine verletzte Schulter nicht zu berühren. Faramir sah mit versteinerter Miene zu. Er war es gewohnt, von seinem Vater wie Luft behandelt zu werden.

„Laßt uns hinauf zur Zitadelle reiten,"meinte Boromir schließlich. „Ich bin erschöpft und möchte mich ausruhen."

„Natürlich," nickte Denethor heftig. „Ja, du musst dich hinlegen."

Dann wandte er sich endlich an Faramir.

„Wie konnte das geschehen? War es etwa dein Verschulden, dass dein Bruder verwundet wurde?"

Diese Anschuldigung traf Faramir bis ins Mark. Entsetzt sah er seinen Vater an. Denethor wertete das sofort als Schuldeingeständnis.

„Das habe ich mir doch gleich gedacht,"murmelte der Truchseß finster. „Du bist ein Schwächling. Falls tatsächlich jemand aus unserer Familie einmal in einer Schlacht fallen sollte, dann wirst du derjenige sein, Faramir."

„Vater, so hör doch auf!"zischte Boromir dem Truchseß zu. „Du kannst ihn doch nicht vor all den Leuten hier so erniedrigen. Faramir konnte wirklich nichts dafür, er kämpfte alleine gegen eine Übermacht von Orks, und ich kam ihm mit meinen Soldaten zur Hilfe. Er ist der tapferste Krieger, den Gondor hat."

Denethor stieg wieder auf sein Pferd, und der kleine Zug setzte sich in Bewegung.

„Es ist rührend, wie du deinen Bruder verteidigst, Boromir. Doch ich weiß um seine Schwächen."

Lyraen hatte das Ganze entsetzt mitbekommen. Ihr tat Faramir unendlich leid. Er war so ein guter Mensch und wollte ihr dabei helfen, ihren Wunschtraum zu verwirklichen. So einen Rabenvater hatte er wirklich nicht verdient. Sie hatte eine mächtige Wut auf dem Truchseß im Bauch.

„Wie kann Herr Denethor seinen Sohn nur so behandeln?", fragte sie den Soldaten, der neben ihr ritt, leise.

Anborn seufzte tief.

„Der Truchseß hat niemals den Tod seiner Frau verwunden, die nach der Geburt Faramirs starb. Er gibt ihm bis heute die Schuld daran. Faramir weiß, dass wir alle, die Soldaten und das Volk von Minas Tirith, ihn lieben – und das gibt ihm Kraft, sonst würde er verzweifeln."

Der Truchseß war inzwischen mit Boromir davongeritten. Faramir atmete ein wenig auf: er hatte befürchtet, sein Vater würde sich erkundigen, warum Lyraen bei den Soldaten weilte.

Er brachte das Mädchen in den vierten Festungsring, wo die Unterkünfte der Soldaten lagen. Hauptmann Madril, ein alter und erfahrener Soldat, blickte skeptisch auf Lyraen.

„Eine Schildmaid, Faramir? Euer Vater wird Euch grausam strafen, sollte dies an seine Ohren dringen. Schon seit altersher dienen keine Frauen in Gondors Heer."

„Dann wird es Zeit, dass dies sich ändert,"erklärte Faramir starrsinnig. „Sie ist eine exzellente Schwertkämpferin. Davon gibt es nicht viele in unserem Heer. Die meisten unserer Männer sind gute Bogenschützen, aber es werden auch gute Krieger in Nahkampf gebraucht. Du wirst sehen, dass mein Einsatz für das Mädchen sich lohnen wird."

„Wo hat sie das Schwertkämpfen gelernt?", fragte Madril argwöhnisch, während er das zartgebaute Mädchen musterte.

„Mein Vater hat es mir beigebracht, als ich noch ein Kind war,"erklärte Lyraen schnell, bevor Faramir etwas sagen konnte. „Mein Vater hatte einst in Gondors Heer gedient. Er war ein sehr guter Schwertkämpfer."

Madril runzelte die Stirne.

„Wie hieß dein Vater?"

„Er hieß Ilthimir und kämpfte in Osgiliath,"erwiderte das Mädchen stolz.

„Ilthimir von Pen Anaith,"murmelte Madril bedächtig. „Ich kannte ihn. Er konnte tatsächlich exzellent mit dem Schwert umgehen. Leider nahm er seinen Abschied, als er heiratete. Wir konnten ihn nicht im Heer halten."

„Wie gut, dass jetzt Ilthimirs Tochter, die seine Fähigkeiten geerbt hat, in Gondors Heer dienen wird,"meinte Faramir begeistert.

„Mögen die Valar Euch vor dem Zorn Eueres Vaters schützen,"seufzte Madril kopfschüttelnd.

„Gib ihr eine Unterkunft und laß eine entsprechende Rüstung für sie anfertigen,"befahl Faramir.

Dann ritt er hinauf zur Zitadelle. Er war müde und freute sich auf ein heißes Bad.

Denethor erwartete seine Söhne zum Nachtmahl. Ein Gong ertönte in der Festung. Einige enge Berater, die mitspeisen durften, saßen bereits an der Tafel. Faramir und Boromir betraten zusammen die Halle. Es duftete nach Gänsebraten.

„Mein Leibgericht," grinste Boromir und gab seinem Bruder einen freundschaftlichen Rippenstoß.

Faramir lächelte auch, aber als er die strenge Miene seines Vaters sah, erstarb sein Lächeln sofort. Er dachte an Lyraen und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Ahnte sein Vater bereits etwas?

„Setzt euch!"sagte Denethor barsch, der am Kopfende der Tafel thronte.

Boromir nahm rechts von ihm Platz und Faramir links. Wie immer beachtete Denethor seinen jüngeren Sohn nicht. Von Boromir jedoch wollte er einen genauen Bericht über den Ork-Angriff haben.

„Wieviele Orks sich in den Wäldern Ithiliens tummeln, kann ich dir nicht sagen, Vater,"meinte Boromir schließlich, während er sich ein weiteres Stück Gänsebraten auf den Teller lud. „Da musst du schon Faramir und seine Waldläufer fragen."

Denethor warf einen verächtlichen Seitenblick auf Faramir, der schweigend neben ihm aß.

„Bist du wirklich in der Lage, mir darüber genaue Auskunft zu geben, Sohn?"

„Momentan wimmelt es in Ithilien von Orks,"erklärte Faramir bedrückt. „Immer öfters geraten meine Männer in einen Hinterhalt."

„Waldläufer, die in einen Hinterhalt geraten?"höhnte Denethor. „Ich glaube, ich traue meinen Ohren nicht."

„Die Orks sind wie Ratten,"fuhr Faramir unbeirrt fort. „Sie verstecken sich in Löchern, Sümpfen und im Unterholz. Sie sind zäher als wir Menschen. Orks kommen oft tagelang ohne Nahrung, Wasser und frische Kleidung aus. Das ist ein gewaltiger Vorteil."

„Du willst mir doch nicht weismachen, dass du mit Orks nicht fertigwirst,"meinte Denethor grimmig. „Mir scheint es, dass ich einen anderen Heermeister nach Ithilien schicken sollte."

„Vater, Faramir hat recht!"warf Boromir jetzt ein, der sich gewaltig über das Verhalten Denethors ärgerte. „Die Orks sind heimtückisch. Mordor weiß, warum es dieses Natterngezücht nach Gondor schickt. Wir werden noch unser ganzes Heer aufreiben, wenn das so weitergeht."

Denethor schlug auf den Tisch, so dass das ganze Geschirr klirrte. Die Berater hörten ängstlich auf zu essen und sahen den Truchseß bange an.

„Das muß ein Ende haben!"grollte Denethor finster. „Es kann nicht angehen, dass die Orks uns in unserem eigenen Land abschlachten wie die Hasen. Ich will, dass ihr beide, Boromir und Faramir, eine Soldatentruppe mit besonders geschickten Leuten zusammenstellt, und dann in Ithilien mit diesem Mordorgezücht aufräumt. Ich gebe euch ein Vierteljahr Zeit, diese Eliteeinheit zu bilden, dann schicke ich euch nach Ithilien."

§

Madril führte Lyraen in eine winzige Kammer, die neben den Quartieren der anderen Soldaten lag.

„Es ist zwar sehr klein und eng, aber ich kann dich nicht bei den Männern schlafen lassen,"erklärte der alte Hauptmann streng.

„Danke, Hauptmann Madril,"sagte Lyraen erleichtert.

Madril verließ die Kammer wieder und das junge Mädchen legte seine Habseligkeiten auf die Schlafpritsche. Die Kammer hatte sogar ein Fenster. Lyraen sah hinaus und genoß die wundervolle Aussicht auf den Pelennor. Der Mond ging gerade über dem Schattengebirge auf.