Leonel: Danke für dein liebes Review! Dafür kommt jetzt ein schnelles Update. Leider ist das Kapitel etwas kurz.
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Kapitel 4: Der Aufbruch
Der Weg zu den Soldatenquartieren fiel den beiden Brüdern nicht leicht. Madril, der Unter-Hauptmann, ahnte schon Schlimmes, als er die Zwei mit ernsten Mienen daherkommen sei.
„Was ist geschehen?" fragte er leise.
„Unser Vater will, dass wir bereits morgen nach Ithilien zu diesem Feldzug aufbrechen,"sagte Faramir bedrückt.
„Das kann er nicht machen!"stieß Madril kopfschüttelnd hervor. „Die Soldaten sind noch nicht soweit. Wie soll man in so kurzer Zeit eine Eliteeinheit heranbilden? Ich dachte, der Truchseß hat mehr Ahnung vom Soldatentum."
„Wir sind ja der gleichen Meinung,"meinte Boromir seufzend. „Aber Ihr kennt doch unseren Vater. Sein Befehle sind zu befolgen."
„Dann lasst uns die Truppe gleich zusammenstellen,"erwiderte Madril tonlos.
Zusammen mit den beiden Brüdern ging er auf das Übungsgelände. Lyraen versuchte sich gerade im Bogenschießen. Jeden Tag wurde sie geschickter darin. Aber ihre Stärke lag nach wie vor im Schwertkampf. Sie beobachtete, wie Faramir und Boromir durch die Reihen der übenden Soldaten gingen und sich einzelne Männer herausgriffen. Lyraen hatte schon von dem Gerücht gehört, dass eine Elite-Kampfeinheit gebildet werden sollte, die in Ithilien von den Orks säubern sollte. Mit klopfenden Herzen sah sie, dass Faramir in ihre Richtung kam.
Er blieb schließlich vor ihr stehen und sah sie prüfend an.
„Madril hält große Stücke auf dich, Lyraen. Ich denke, es ist die richtige Entscheidung, dich nach Ithilien mitzunehmen. Morgen früh geht es los."
Lyraen wollte vor Freude fast in die Luft springen. Endlich konnte und durfte sie sich bewähren.
Madril gab den Soldaten, die für den Feldzug nach Ithilien ausgewählt worden, für den Rest des Tages frei.
Das Mädchen suchte freudestrahlend seine Freunde Ivri und Aywen auf.
„Stellt euch vor, morgen darf ich auf einen Feldzug nach Ithilien mit!"
„Hast du denn gar keine Angst?"fragte Aywen erstaunt.
„Nein, bis jetzt noch nicht,"sagte Lyraen lächelnd. „Endlich darf ich zeigen, was ich gelernt habe."
„Ich beneide dich,"murmelte Ivri bedrückt.
„Wird Faramir auch mitkommen?"wollte Aywen neugierig wissen.
„Und sein Bruder Boromir!"ergänzte Lyraen begeistert.
„Ich glaube, sie haben es dir beide angetan, oder?"grinste Aywen.
Lyran wurde ein wenig rot.
„Naja...."
Ivri begann zu kichern.
„Nun hör schon auf, du dummer Junge!"fuhr ihn Lyraen an.
Aywen kramte in ihrer Schürze und zog einen kleinen Stein heraus. Er war weiß und sehr glatt, und sah fast aus wie ein Pferdekopf.
„Den habe ich mal vor der Stadtmauer gefunden,"erzählte sie. „Ich nenne ihn Rohan-Stein. Bis jetzt hat er mir immer Glück gebracht. Jetzt soll er dir Glück bringen im Krieg."
„Aber das kann ich doch nicht annehmen!"stotterte Lyraen verlegen.
„Nun nimm ihn schon!" drängte Ivri. „Das ist schließlich ein gefährliches Unterfangen. Da kann man schon ein wenig Glück gebrauchen."
„Danke!"sagte Lyraen lächelnd. „Ihr seid wirklich liebe Freunde. Ich werde euch vermissen."
Sie umarmte die beiden jungen Leute.
Als sie wieder zurück in ihre Schlafkammer in der Garnison kam, sah sie auf ihrem Bett eine lederne Rüstung liegen. Dazu einen Umhang und lederne Armschützer. Ihr Köcher war mit grüngefiederten Pfeilen gefüllt.
§
„Du bist völlig übergeschnappt!"fuhr Boromir seinen Bruder erzürnt an.
Er hatte Faramir bisher immer in seinen Entscheidungen unterstützt, aber dieses Mal konnte er ihm nicht zustimmen.
„Du weißt selbst, dass wir zu wenig gute Schwertkämpfer in unseren Truppen haben,"erwiderte Faramir starrsinnig. „Ich muß Lyraen mitnehmen."
Boromir schüttelte den Kopf und seufzte.
„Und du weißt, dass Vater uns morgen verabschieden wird. Wenn er das Mädchen unter den Soldaten entdeckt, wird er dich einen Kopf kürzer machen. Darauf kannst du dich verlassen. Und ich werde dich diesmal nicht vor ihm schützen, weil ich ihm im Grunde genommen recht geben muß."
„Und ich ahne, dass du meine Entscheidung noch gutheißen wirst, Bruder," entgegnete Faramir trotzig und ließ ihn stehen.
Boromir stieß einen lauten Fluch aus und ging in seine Gemächer.
Am nächsten Morgen versammelte sich die Kampfeinheit der beiden Brüder ganz unten im ersten Festungsring, wo die große Reitstatue stand. Auch viele Bürger von Minas Tirith waren herbeigekommen. Alle Soldaten trugen die tarnfarbene Waldläufertracht und waren mit Schwert und Bogen bewaffnet. Zuletzt stießen Faramir und Boromir zu der Truppe. Faramir trug ebenfalls Waldläuferkleidung. Seine Lederrüstung hob sich etwas von den anderen ab: er trug das Wappen von Gondor auf der Brust. Boromir trug keine Waldläufertracht: er trug einen langen ledernen Kampfrock der mit einem Pelz an den Rändern verziert war. Er war auch der Einzige, der keinen Bogen mit sich führte, dafür aber ein riesiges Rundschild, das er an seinem Rücken befestigt hatte. Sein berühmtes Horn baumelte an seinem Gürtel. Alle warteten jetzt auf Denethor, der eine Abschiedsrede halten sollte.
Endlich kam der Truchseß: er ritt auf seinem Schimmel herbei. Voll Stolz blickte er auf Boromir, seinen Erstgeborenen. Doch auch für Faramir empfand er heute so etwas wie ein bisschen Vaterstolz. Als Lyraen den Truchseß herannahen sah, bekam sie Angst. Sie wusste, dass er sie nicht entdecken durfte. Sie versteckte sich ein klein wenig hinter Madril.
Denethor hielt sein Pferd vor der Truppe an und begann zu sprechen. Er versuchte den Soldaten zu erklären, wieviel Vertrauen und Hoffnung das Volk von Gondor in sie setzte. Lyraen konnte vor lauter Aufregung gar nicht richtig zuhören. Sie hatte den Kopf gesenkt, so dass ihr die langen Haare ins Gesicht fielen. Zum Glück trugen fast alle Soldaten die Haare so lang wie sie, so dass sie wirklich nicht auffiel.
Denethor kam nun endlich zum Schluß seiner Rede und sprach den Segen der Valar über die Soldaten. Dann umarmte er seine Söhne kurz.
„Ihr werdet es schaffen!"sprach er leise zu Boromir.
„Und du enttäusche mich nicht,"mahnte er Faramir.
Boromir fühlte Wut auf seinem Vater hochsteigen. Warum konnte er Faramir nicht einziges Mal etwas freundlichere Worte sagen, wenn er zu einem Feldzug startete? Es konnte ja auch passieren, dass er vielleicht nicht mehr lebend zurückkam.
Langsam verließ der Reiterzug die Stadt unter dem aufmunternden Jubel der Menschen.
„Wie hältst du das eigentlich aus?"fragte Boromir fassungslos seinen Bruder.
„Was?"wollte Faramir gedankenverloren wissen.
„Vater Abschiedsworte an dich,"sagte Boromir kopfschüttelnd. „Sie sind stets ohne Liebe und Dank gesprochen."
„Es wird der Tag kommen, an dem er es bitterlich bereuen wird, mich ohne Dank und Segen in die Schlacht geschickt zu haben,"murmelte Faramir traurig lächelnd vor sich hin.
