Berendis: Danke für dein Review! Tja, an Schlachtenbeschreibungen muß ich wohl noch etwas arbeiten. Ich finde das immer etwas unangenehm zum schreiben, weiß nicht wieso.
Leonel: Ja, Lyraen war schockiert und begeistert zugleich. Ziehen diese Kerle sich einfach vor ihr aus – tztztz! Danke fürs Reviewen!
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Kapitel 6: Henneth Annûn
Der Kampf mit den Orks hatte einen Soldaten das Leben gekostet und einige andere waren verwundet worden. Sie begruben den Toten nach gondorianischer Sitte.
„Miluth war ein tapferer Mann," sagte Faramir feierlich. „Möge seine Seele in die Hallen seiner Vorväter einziehen."
Lyraen vergoß einige Tränen. Sie lernte nun, dass Krieg nicht nur aus Ruhm, Ehre und Heldentum bestand, sondern auch aus Tod, Blut und Trauer.
Boromir beobachtete das Mädchen besorgt. Dann wandte er sich an seinen Bruder:
„Wir sollten Lyraen nach Minas Tirith zurückschicken. Siehst du nicht, dass sie das Ganze hier überfordert?"
„Das kommt nicht in Frage,"erwiderte Faramir energisch. „Sie hat tapfer gekämpft und drei Orks erschlagen. Ich brauche sie unbedingt."
„Sie ist und bleibt ein junges Mädchen," fuhr Boromir eindringlich fort. „Ich habe gesehen, wie sie nach dem Kampf zusammengebrochen ist. Es hat schon seine Gründe, warum wir normalerweise keine Schildmaiden in unserem Heer haben. Es war eine törichte Idee von dir, sie überhaupt mitzunehmen."
„Nein, es war eine kluge Entscheidung," beharrte Faramir, der allmählich zornig auf seinen Bruder wurde. „Wer von unseren Männern hat in diesem Kampf mehr Orks erschlagen als sie? Nenne mir Einen! Sogar ich konnte nur zwei Orks töten."
„Das war Zufall!" behauptete Boromir. „Du weißt selbst, wie es in Schlachten manchmal läuft. Ich bin jedenfalls dagegen, dass sie bei uns bleibt."
„Wenn du dagegen bist, dann kannst du ja gerne nach Hause gehen!" fuhr ihn Faramir gereizt an.
Die Soldaten merkten, dass die beiden Brüder miteinander haderten und zogen sich diskret zurück. Lyraen hatte jedoch mitbekommen, dass es in dem Streit der Brüder um sie ging. Sie wollte das nicht. Am liebsten wäre sie fortgelaufen: aber das durfte sie nicht. Sonst würde sie zum Deserteur. Und darauf stand die Todesstrafe.
„Wir sollten nun nicht länger streiten!" mahnte Boromir seinen jüngeren Bruder, der ihn weiterhin böse anfunkelte.
„Ich habe nicht damit angefangen,"sagte Faramir schlechtgelaunt. „Aber wir sollten jetzt schleunigst weitergehen. Ich möchte noch vor Sonnenuntergang Henneth Annûn erreichen."
Sie riefen ihre Soldaten zu sich und sie gingen jetzt weiter. Aufgrund der Verwundeten kamen sie jedoch nur langsam voran. Lyraen lief neben Damrod. Sie sah, dass der junge Waldläufer ein besorgtes Gesicht machte.
„Meinst du, wir erreichen Henneth Annûn noch vor Einbruch der Dunkelheit?" fragte sie Damrod.
Dieser seufzte leise.
„Darüber mache ich mir eigentlich keine Gedanken. Mir gefällt nur nicht, dass unsere beiden Heerführer miteinander streiten. Das bin ich nicht gewohnt von ihnen."
„Ich weiß, warum sie streiten," erwiderte Lyraen bekümmert. „Es ist wegen mir. Ich fürchte, Faramir wird noch mächtig Ärger bekommen wegen mir. Am liebsten würde ich weglaufen."
„Tu das nicht, Mädchen," warnte sie Damrod. „Du gehörst zu uns. Eine tapfere Kriegerin wie dich findet man nur selten. Viele Soldaten sind neidisch auf dich. Vielleicht hat jemand Boromir einen Floh ins Ohr gesetzt. Oder er ist eifersüchtig, weil Faramir dir mehr Aufmerksamkeit schenkt als ihm."
„Mit Boromir möchte ich mich lieber nicht anlegen," murmelte Lyraen erschrocken. „Ich glaube, ich sollte mal mit ihm reden."
Als der Mond über dem Schattengebirge aufging, erreichten sie die Grotte hinter dem Wasserfall. Die riesige Höhle war wie eine Festung eingerichtet. Es gab Vorräte, Decken und Waffen. Faramir gab den Männern frei, damit sie sich ausruhen und etwas zu sich nehmen konnten. Er selbst verschwand im hinteren Teil der Höhle. Boromir ließ sich auf einem Holzfaß nieder und starrte finster vor sich hin. Lyraen fasste sich jetzt ein Herz und trat vor ihm hin.
„Verzeiht, Herr Boromir," sagte sie etwas kleinlaut. „Ich möchte gerne mit Euch reden."
Boromir sah sie erstaunt an, und lächelte dann.
„Aber sicher, Lyraen. Was hast du denn auf dem Herzen?"
„Ich habe leider mitbekommen, dass Ihr Euch mit Herrn Faramir streitet –wegen mir."
„Dafür kannst du persönlich am wenigsten," sagte Boromir sanft. „Mach dir bitte keine Gedanken darüber. Du hast nur die Befehle meines Bruders ausgeführt."
„Wenn Ihr es möchtet, dann gehe ich nach Minas Tirith zurück," schlug Lyraen vor. „Ihr beide seid einfach zu wichtig für Gondor. Ich will nicht der Anlaß für einen Bruderzwist sein."
„Dein Verhalten ist wirklich sehr ehrenhaft, kleines Mädchen," sagte Boromir und schmunzelte.
„Aber Faramir und ich vertragen uns bereits wieder. Es war nur harmloses Wortgefecht. Leute, die uns besser kennen, wissen, dass wir uns niemals ernstlich streiten. Dafür lieben wir uns zu sehr."
Lyraen war halbwegs beruhigt, als sie diese Worte von Boromir hörte. Sie ging zu den anderen Waldläufern und ließ sich etwas zu essen geben.
Doch auch zum Essen erschien Faramir nicht. Lyraen beschloß, ihn ebenfalls aufzusuchen. Vorsichtig begab sie sich in den hinteren Teil der Höhle. Sie kam schließlich zu einer kleinen Nebengrotte, die recht wohnlich eingerichtet war: es gab ein Bett, einen Tisch und und ein paar Holzschemel. Faramir lag auf dem Bett und starrte nachdenklich vor sich hin. Das erinnerte Lyraen stark an Boromirs Miene vorhin, und sie musste wieder einmal feststellen, wie ähnlich sich die Brüder sahen.
„Heermeister Faramir?" fragte sie leise.
Der Angesprochene setzte sich auf. Erstaunt blickte er das Mädchen an.
„Was willst du denn hier?"
„Ich habe gemerkt, dass ich die Ursache Eueres Streites mit Herrn Boromir bin. Das möchte ich nicht," erklärte Lyraen tapfer.
Faramir lächelte und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter.
„Zwischen meinem Bruder und mir schwelt schon lange etwas," sagte er schließlich wieder ernst. „Ich denke nicht, dass es unbedingt mit dir zu tun hat. Boromir hat vielleicht nur einen Aufhänger gesucht, um mit mir einmal wieder hart ins Gericht zu gehen."
„Aber warum tut er das?" wollte Lyraen wissen.
Sie wusste, dass es ihr eigentlich nichts anging, aber sie hatte großes Mitleid mit Faramir, der offensichtlich nicht nur mit seinem Vater Probleme hatte.
Faramir jedoch begann dem Mädchen sein Herz auszuschütten.
„Vor längerer Zeit war Mithrandir, der Graue Pilger, in Minas Tirith, zu Besuch. Boromir und ich kennen ihn von Kindesbeinen an. Während mein Bruder sein Interesse für die die Bibliothek Gondors müde belächelte, folgte ich ihm neugierig wie ein Hündchen überall hin. Schließlich wurden Mithrandir und ich Freunde. Irgendwann belauschten Boromir und ich einen Streit zwischen dem Zauberer und unserem Vater. Dem alten Mann rutschte dann wohl aus Versehen heraus, dass er der Meinung sei, ich sei viel intelligenter als Boromir. Anschließend wurde er von Vater aus dem Thronsaal geworfen. Ich weiß noch gut, wie sehr meinen Bruder diese Aussage traf. Seitdem versucht er mir immer wieder zu beweisen, dass er doch der Klügere von uns beiden ist. Und heute fand er wieder so eine Gelegenheit."
„Es tut mir so leid," murmelte Lyraen betroffen.
„Ich würde alles dafür tun, um diese Rivalität ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen," erwiderte Faramir leise. „Ich liebe Boromir doch über alles."
Er sah so traurig aus, dass Lyraen nicht anders konnte, als ihn zu umarmen. Sie erschrak vor ihrer eigenen Dreistigkeit. Doch Faramir ließ die Umarmung zu. Er erwiderte sie sogar. Und plötzlich geschah das, was eigentlich nicht geschehen hätte sollen: Faramir begann Lyraen zu küssen.
