Leonel: vielen Dank für dein Review! Im nächsten Kapitel geht es hauptsächlich um Denethor. Du kannst dir bestimmt vorstellen, was passiert ist....
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Kapitel 8: Denethors Wut
Bergils Leiche wurde nach Osgiliath gebracht. Lyraen und Marond bekamen dort Pferde und konnten so weiter nach Minas Tirith reiten. Hauptmann Ondoher begleitete die beiden mit einigen Soldaten.
„Wollt Ihr auch nach Minas Tirith?" wunderte sich Marond.
„Natürlich, ich werde dem Truchseß Meldung machen," erwiderte Ondoher arrogant.
Lyraen wurde blaß: sie ahnte, dass großer Ärger bevorstand, den wohl alleine Faramir abbekommen würde.
„Hauptmann," begann sie vorsichtig. „Der Truchseß hat sicher wichtigeres zu tun, als mit einer Meldung über unsere Rückkehr belästigt zu werden."
Ondoher lachte grimmig.
„Seit wann hat mir eine Schildmaid zu sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe? Du wirst jedenfalls nicht länger in Gondors Heer dienen, Mädchen."
Lyraen schluckte hart: sie sah sich im Geiste bereits wieder in Pen-Anaith Wäsche waschen.
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Denethor saß gerade im Thronsaal und speiste mit einigen Gästen aus Pelargir zu Mittag, als Ondoher eintrat.
Ungehalten blickte der Truchseß zu dem Hauptmann hin:
„Was für eine Botschaft habt Ihr für mich? Wenn es etwas belangloses ist, dann behelligt mich gefälligst erst nach dem Mahl damit."
„Es geht um eine Schildmaid, die in Gondors Heer dient,"sagte Ondoher sofort.
Denethor schob sofort den Teller weg und stand auf.
„Was, eine Frau dient in unserem Heer? Wer hat das erlaubt?"
„Euer Sohn Faramir," erwiderte Ondoher fast triumphierend.
Schon lange spekulierte der Hauptmann auf Faramirs Posten im Heer. Und er wusste, dass der Truchseß seinen zweiten Sohn nicht besonders mochte.
„Das hätte ich mir fast denken können!" rief Denethor empört. „Was ist mit dieser Schildmaid, sprich!"
„Heermeister Faramir hat sie zusammen mit zwei anderen Soldaten nach Minas Tirith zurückgeschickt," fuhr Ondoher rasch fort. „Womöglich hat er gemerkt, dass eine Frau nicht in das Heer Gondors passt."
„Wo ist sie?" bellte der Truchseß außer sich. „Ich will sie sehen."
„Sie ist in den Häusern der Heilung," erklärte der Hauptmann.
Denethor entschuldigte sich bei seinen Gästen und folgte Ondoher, der in zu den Häusern der Heilung führte. Wutschnaubend betrat der Truchseß das Gebäude.
„Wo ist diese Schildmaid Lyraen?" schrie er in den Gängen herum.
Furchtlos stellte sich ihm die alte Heilerin Ioreth in den Weg.
„Wie könnt Ihr es wagen, Truchseß, hier so einen Lärm zu veranstalten! Hier ist ein Ort der Ruhe, wo Kranke genesen sollen. Verlaßt sofort dieses Haus!"
Denethor stutzte: Ioreth war die einzige Person in Gondor, die so mit ihm reden durfte. Sie genoß so hohes Ansehen, dass sie sich diese Freiheit ihm gegenüber herausnehmen durfte.
Trotzdem wurde der Truchseß schrecklich wütend auf sie:
„Ich verbitte mir diesen Ton! Vor Euch steht der Truchseß und nicht irgendein Pfleger!"
Ioreth verschränkte die Arme und sah ihn gelassen an:
„Da draußen ist Euer Reich. Hier drinnen ist mein Reich. Laßt das Mädchen in Ruhe! Sie wurde verwundet."
Plötzlich kam Lyraen aus der Kammer geschlichen, wo man sie hineingelegt hatte. Sie trug jetzt ein schlichtes Gewand, das man ihr in den Häusern der Heilung angelegt hatte. Ihr verletzter Arm ruhte in einer Schlinge.
„Was wollt Ihr von mir, Herr Denethor?"fragte sie tapfer.
Denethor sah sie verblüfft an. Er wusste, dass er sie schon einmal irgendwo gesehen hatte. Er wusste nur nicht mehr, wo.
Plötzlich wollte er nicht mehr mit ihr sprechen. Er winkte schweigend ab und verließ das Gebäude.
Eilig lief er zu den Stallungen. Ondoher folgte ihm wie ein treues Hündchen.
„Sattelt mein Pferd – ich muß nach Ithilien!"schrie er den Stallburschen zu.
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Lyraen lag jetzt wieder in der Kammer. Ioreth hatte sie dorthin geleitet. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie wusste, dass Denethor Faramir furchtbar bestrafen würde für sein Handeln. Sie fühlte sich schuldig, weil sie ja der Grund dafür war. Sie holte den Rohan-Stein aus ihrem Bündel und drückte ihn an sich. Plötzlich ging die Tür auf und ihre Freunde, Aywen und Ivri, kamen herein. Lyran freute sich, sie zu sehen.
„Du bist ja richtig verletzt," stellte der junge Ivri fachmännisch fest. „Hast du gegen Orks gekämpft?"
Lyraen nickte und wischte sich die Tränen weg.
„Warum weinst du – ist es wegen Faramir?" fragte Aywen betroffen.
„Ich muß euch eine lange Geschichte erzählen," seufzte Lyraen.
Es dauerte fast eine Stunde, bis sie mit dem Bericht fertig war. Aywen schüttelte fassungslos den Kopf.
„Denethor ist wirklich ein Rabenvater! Hoffentlich tötet er jetzt Faramir nicht."
„Töten wird er ihn nicht," murmelte Lyraen vor sich hin. „Aber er wird ihn als Heerführer von Gondor absetzen. Das ist für Faramir vielleicht noch schlimmer als der Tod."
Aywen traten auch die Tränen in die Augen.
„Der arme Faramir. Er tut mir so leid!"
Sie sahen alle drei zum Fenster hinaus, als der Truchseß auf seinem Schimmel mit einigen Gefolgsleuten an ihnen vorbeigaloppierte. Seine entschlossene Miene sprach Bände.
Lyraen hielt es jetzt nicht länger im Bett.
„Ich kann nicht hierbleiben," sagte sie zu ihren Freunden. „Ich muß Faramir helfen."
Einige Minuten später war sie fertig angezogen. Ivri war bereits zu den Stallungen gelaufen, um ihr Lyraens Pferd zu satteln.
„Pass gut auf dich auf," sagte Aywen besorgt.
„Vor den Orks habe ich nicht so viel Angst wie vor Denethor," murmelte Lyraen finster vor sich hin.
