An Leonel und Meleth:
Im nächsten Kapitel wird es ganz, ganz spannend... Vielen Dank für euere lieben Reviews!
§§§§§
Kapitel 9: Das Attentat
Denethor hatte mit seinem Gefolge rasch Osgiliath erreicht. Man sagte ihm dort, dass es besser sei zu Fuß durch Ithiliens Wälder zu gehen. Doch der Truchseß hatte es furchtbar eilig. Er konnte es gar nicht erwarten, seinen jüngsten Sohn zur Rechenschaft zu ziehen. Endlich hatte er einen Grund gefunden, Faramir seines Amtes entgültig zu entheben. Er würde ihn vor all seinen Männern demütigen. Und dann wollte er ihn hinunter an die Küste von Belfalas versetzen, wo er als einfacher Soldat gegen die Korsaren kämpfen sollte. Dort unten sollte er bis an sein Lebensende bleiben.
Die Orks merkten natürlich schnell, dass Reiter durch die Wälder galoppierten. Die Pferde waren ja ziemlich laut und hinterließen deutliche Spuren. Schon bald sprach sich unter den Orks herum, dass der Truchseß persönlich in Ithilien unterwegs war. Shococ, der Hauptmann der Orks, bekam das mit.
„Wenn es uns gelingt, den Truchseß von Gondor zu ermorden, dann haben wir die Möglichkeit, Ithilien und Osgiliath zu erobern ," meinte er triumphierend zu seinen Kriegern. „Die Menschen werden schockiert sein über den Tod ihres Herrschers und vor Trauer nicht an uns denken."
Er entwarf mit seinen besten Bogenschützen einen gemeinen Plan.
§
Schon bald meldete ein Späher den Brüdern in Henneth Annûn, dass der Truchseß in Ithilien weilte. Faramir wurde blaß, als er das hörte.
„Er weiß über Lyraen Bescheid," sagte er tonlos zu Boromir. „Ich bin verloren."
„Das kann ich mir nicht vorstellen," versuchte dieser Faramir zu trösten. „Vater hat bestimmt einen trifftigeren Grund, zu uns herzureiten. Vielleicht ist in Minas Tirith etwas passiert."
„Ich wünschte, ich könnte dir glauben," erwiderte Faramir gequält lächelnd.
Boromir klopfte seinem jüngeren Bruder auf die Schultern. Er ahnte auch, dass Denethor höchstwahrscheinlich die Schildmaid entdeckt hatte.
Der Truchseß war lange nicht mehr in Ithilien gewesen. Irgendwann ging es tatsächlich nicht mehr zu Pferd weiter.
„Herr Denethor, wir müssen jetzt den steilen Weg zum Henneth Annûn emporsteigen," sagte Ondoher etwas verlegen. „Das müssen wir leider zu Fuß tun."
„Ich werde da nicht hinaufgehen," sagte der Truchseß kopfschüttelnd. „Ich bin kein junger Dachs mehr, der Berge im Handumdrehen erklimmt. Sie sollen alle herunterkommen: meine Söhne und ihre sogenannte Elite-Truppe. Schick einen Boten hinauf, Ondoher!"
Sofort wurde der Bote losgesandt. Denethor ließ sich ächzend ins Gras nieder. Seit Jahren hatte er keinen so anstrengenden Ritt mehr gemacht. Das Alter machte sich nun bemerkbar. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, als er in der warmen Mittagssonne so dassaß. Bald warf er sich den pelzbesetzten schwarzen Mantel von den Schultern.
„Wie lange dauert es denn noch, bis sie kommen?" fragte er Ondoher unwirsch.
„Bald, mein Fürst, bald werden sie da sein," meinte der Hauptmann tröstend.
Denethor ging die schleimige Art Ondohers ungeheuer auf die Nerven. Er wusste genau, dass dieser Speichellecker unbedingt der neue Heermeister Gondors werden wollte. Begeistert war er davon nicht, aber es gab nun keinen besseren Nachfolger für Faramir.
Endlich kamen sie den Berg herab. An der Spitze seine Söhne und die Waldläufer hinterdrein.
Boromir warf einen mitleidigen Blick auf seinen Bruder, der sichtlich Qualen litt.
„Ich wünschte, ich könnte mir tauschen," sagte er leise zu Faramir. „Pass auf, ich werde Vater sagen, dass das mit der Schildmaid mein Einfall war."
„Das hat doch keinen Zweck," murmelte Faramir bedrückt. „Sieh doch hin! Dieser Ondoher ist bei ihm. Er ist schon seit Jahren scharf auf meinen Posten. Er wird Vater schon das Nötige erzählt haben."
Denethor war jetzt aufgestanden. Seine Augen funkelten vor Wut, als er Faramir erblickte.
„Komm her zu mir, junger Mann!" herrschte er seinen Zweitgeborenen an.
Langsam ging Faramir auf ihn zu. Boromir schloß entsetzt die Augen. Er wusste, was jetzt kommen würde.
Doch es geschah etwas ganz anderes: denn in diesem Augenblick griffen die Orks an!
Faramir sah irritiert zur Seite und erblickte die Pfeile, die direkt auf seinen Vater zuflogen. Dann ging alles ganz schnell: Faramir warf sich schützend seinem Vater in die Arme und der tödliche Pfeil, der Denethors Herz treffen sollte, blieb in seinem Rücken stecken.
„Schützt den Truchseß!"brüllten die Männer.
Denethor war mitsamt seinem Sohn zu Boden gerissen worden. Er sah den schwarzgefiederten, dicken Orkpfeil in Faramirs Rücken und fing leise an zu wimmern.
Boromir hatte keine Zeit, sich um die Beiden zu kümmern. Es galt jetzt darum, die Orks so schnell wie möglich zurückzudrängen. Zu allem Überfluß tauchte jetzt auch noch Lyraen auf. Sie sah, was los war und zog ihr Schwert.
„Für Gondor!" schrie sie und sprang auf die Orks zu.
Die Waldläufer besannen sich rasch und zückten Pfeil und Bogen. Schon bald prassselte der erste Pfeilhagel auf die Orks nieder. Lyraen wühlte sich mit ihrem Schwert durch die Reihen der Feinde. Ihren verletzten Arm spürte sie kaum noch. Boromir kämpfte verbissen und wütend wie noch nie. Er wusste nicht, ob überhaupt noch jemand von seiner Familie am Leben war.
„Ihr feiges Gesindel!" brüllte er die Orks an und wütete wie ein Berserker unter ihnen.
Shococ wollte seine Krieger zur Flucht auffordern, aber er kam nicht dazu, weil in diesem Moment Boromir wie ein Racheengel auf ihn eindrang und ihm mit einem kräftigen Hieb den Kopf vom Rumpf abtrennte. Ondoher jedoch wurde von den Orks erschlagen, als er nicht schnell genug reagierte.
Rasch waren die Unholde besiegt und Boromir rannte zu der Stelle, wo sein Bruder und sein Vater lagen. Vorsichtig hob er Faramir von seinem Vater herunter und legte ihn auf die Seite. Er sah das Blut, das aus seinem Mund tropfte. Es sah nicht gut aus. Denethor dagegen war vollkommen in Ordnung. Leise schluchzend rappelte er sich hoch.
„Er ist tot, und wir gingen im Bösen auseinander," klagte er.
„Nein, Faramir lebt noch, aber ich habe wenig Hoffnung," sagte Boromir mit mühsam beherrschter Stimme.
Am liebsten hätte er selbst laut losgeweint, aber das konnte und durfte er nicht. Es reichte, dass sein Vater einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Der Truchsess saß neben Faramir und weinte. Madril untersuchte Faramirs Rückenwunde.
„Der Pfeil muß so schnell wie möglich heraus, Herr Boromir, sonst stirbt Euer Bruder in den nächsten Stunden tatsächlich."
„Und wer vermag es, den Pfeil aus der Wunde zu ziehen?" fragte Boromir den Tränen nahe. „Ich kann es nicht."
„Ich tue es!" rief Lyraen plötzlich.
Alle Blicke wandten sich dem mutigen Mädchen zu.
„Das ist doch die Schildmaid," murmelte Denethor geistesabwesend vor sich hin. „Kann sie ihm tatsächlich noch helfen?"
