Kapitel 4:

Sing für mich

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Harry sah ängstlich und verschreckt aus, als Sirius ihn auf eine der Bänke in der großen Halle setzte. Nachdem die beiden kurz in der Küche gewesen waren, hatte Sirius ihn hierher in diesen enorm großen Raum namens ‚große Halle' gebracht.

Es waren noch eine Frau und zwei Männer dort, einer von ihnen war der, der Harry aufgeweckt hatte.

„Wie geht es dir?"fragte die Frau freundlich und setzte sich an den Tisch. Ich bin Minerva McGonagall."

Harry mied ihren Blick und schaute auf seinen Schoß.

„Ich bin Albus Dumbledore,"sagte eine andere Person. Harry schaute immer noch nicht hoch. „Bist du hungrig?"

Harry wünschte sich, dass die anderen aufhören würden, mit ihm zu reden. Sirius legte sanft seine Hand unter Harrys Kinn und hob seinen Kopf hoch. „Du musst keine Angst haben, die tun dir nichts!"sagte er lächelnd.

„Ah!"sagte Dumbledore und klatschte einmal mit den Händen. „Hier kommt das Essen!"

Harry starrte den Tisch mit purer Faszination an. Platten über Platten reihten sich den ganzen Tisch entlang, Kelche und Krüge standen einfach überall. Eine große Platte mit Hünchen stand direkt vor ihm und dampfte. Der Geruch war atemberaubend. Harry hatte noch nie so ein Mahl gegessen. Bei den Dursleys hatte er immer nur Wasser und Brot während den 10 Jahren bekommen.

„Möchtest du etwas von dem Truthahn?"erkundigte sich Sirius.

Harry stockte. Tante Petunia hatte ihm einmal eine gescheuert, als er versucht hatte, eine von Dudleys übrigen Pommes zu stibitzen, die auf dem Teller lag, den er waschen sollte.

Harry schüttelte den Kopf.

Sirius runzelte die Stirn. „Was möchtest du denn essen? Such dir was aus!"

Harry schüttelte ängstlich den Kopf. Er wollte nicht noch einmal geschlagen werden. Jeder hatte aufgehört zu essen und starrte Harry verwundert an. Selbst Snape guckte überrascht.

„Harry?"

„Bitte nicht!"wisperte Harry.

„Was nicht?"fragte Minerva verwirrt.

„Nicht,"stotterte Harry leise. „Ich will nicht essen, bitte nicht!"

„Du musst aber etwas essen!"erklärte ihm Sirius, etwas lauter, als er es eigentlich vorgehabt hatte.

Harry schaute hoch, ein ängliches Glitzern lag in seinen wunderschönen Augen. „Schlägst du mich wenn ich es tue?"

Jeder erstarrte.

Sirius rieb sich wütend die Stirn. Zum Teufel mit diesen Muggeln! „Harry, ich würde dich NIE schlagen. Ich möchte, nein, ich will, dass du etwas isst, du bist viel zu dünn für dein Alter! Ich verspreche dir, dass ich nie etwas machen würde, dass dir weh tun würde."

Harry blickte ihn mit traurigen Augen an. „Wirklich?"

„Ich schwör es mit meinem Leben."

„Du wirst mich niemals schlagen?"fragte er flüsternd.

„Niemals."Bestätigte Sirius, musste sich jedoch sehr zusammenreißen, um nicht gleich in einem Wutanfall über die Dursleys auszubrechen.

Die Wahrheit schien glaubwürdig für Harry zu sein. „Okay!"

Sirius war erleichtert. „Essen wir weiter?"fragte er und blickte in die Runde.

„Ja, natürlich!"sagte Minerva, die sich gerade von ihrem Schock erholt hatte.

Sirius schaufelte ein paar Kartoffeln auf Harrys Teller. „Ess auf!"

Harry sah unsicher aus und spießte ein Stück der Kartoffel au seine Gabel. Er schaute zu Sirius, um festzustellen, ob der dagegen sei, aber er war es anscheinend nicht. Harry biss ein kleines Stück von der Kartoffel ab und schaute wieder zu Sirius.

Sirius reagierte darauf, indem er ein ganzes Stück auf einmal aß und Harry dann aufmunternd zunickte. Harry lächelte leicht.

„Kesselkuchen?"fragte Dumbledore und gab Harry ein Stück.

„Nierenpastete?"fragte Minerva und schaufelte eine große Portion auf Harrys Teller.

Harry versuchte zu protestieren, aber Sirius gab ihm noch mal eine große Portion Kartoffeln. „Besser, du nimmst die Gabel weg, bevor sie von dem Essen begraben wird."scherzte er.

Harry zerrte an der Gabel, und dabei stürzte der Berg mit Kartofflen zusammen und verteilte sich auf dem Tisch. Harry ließ vor Schreck die Gabel fallen, schaute Sirius mit Angst in den Augen an und duckte sich zitternd.

„Nein, es ist okay, Harry, es ist okay!"sagte Sirius, während er seine eigene Gabel und Messer fallen ließ.

Harry schaute ihn misstrauend an. Sirius Herz sank.

„Schau,"sagte Sirius plötzlich. Er nahm eine Creme-Torte und stülpte sie kopfüber auf den Tisch. „Siehst du? Es ist okay. Bei mir sieht es viel dreckiger aus als bei dir!"Er schnappte sich eins der Kartoffelstückchen, die auf dem Tisch lagen und aß es. „Siehst du? Keine Schweinerei mehr!"

Snape schnaubte in sein Hühnchen.

„Keine Schweinerei."Sagte Harry langsam.

„Keine Schweinerei!"rief Dumbledore gut gelaunt. Er schmiss sein Stück Kürbiskuchen in den nächstbesten Suppentopf. „Keine Schweinerei!"

Die Suppe spritzte auf Minervas Roben. „Schulleiter!"Sie stach ihre Gabel in den Truthahn und versuchte, ihre Kleider sauber zu bekommen.

„Keine Schweinerei!"strahlte Sirius. Er packte seinen Kelch mit Kürbissaft und verschüttete diesen über die Schale mit Spargel.

„Absolut!"grinste Dumbledore, zerdrückte die Pastete mit seinem Löffel und schaute Snape erwartungsvoll an.

„Keine Schweinerei."Murrte Snape nicht überzeugt. Als er aufsah, sah er Dumbledore und Sirius, die ihn beide strafend anguckten. „Oh, na gut, keine Schweinerei!" Er stieß einen Krug mit Kürbissaft um, der über eine ganze Platte mit Toast und Marmelade schwappte.

Harry fing an zu kichern.

„So ist es richtig!"sagte Sirius vergnügt. „Lasst uns weiteressen!"

„Schon wieder,"murmelte Snape.

McGonagall fischte in der Suppe herum, in die Dumbledore sein Stück Kürbiskuchen geworfen hatte. „Ich rage mich, wie es wohl schmeckt..."

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„Bist du wirklich mein Pate?"

Sirius hatte einen Stuhl vor ein Fenster des Krankenflügels gestellt und hielt Harry im Arm. Beide hatten still dagesessen und den Mond beobachtet, wie dieser immer wieder von dunkeln Wolken verschlungen wurde.

„Ja, natürlich bin ich das."Antwortete Sirius.

„Du bleibst bei mir und schickst mich nie mehr zu den Dursleys zurück?"

„Solange ich lebe musst du nie mehr auch nur einen Fuß in deren Haus setzen."

„Warum bist du nicht früher gekommen, um mich zu holen?"

„Es ist kompliziert, Harry, aber glaub mir, ich versuchte es."

Harry kuschelte sich tiefer in Sirius Arme. „Ich habe dieses seltsame Gefühl."

„Was für ein Gefühl?"fragte Sirius, nahm Harrys Hand in seine und bewunderte die kleinen zarten Finger.

„Ich glaube, dass ich dir vertraue."

„Das ist gut, Harry."

„Ich habe bis jetzt noch nie jemandem vertraut."

Sirius Kehle war trocken. „Harry..."

„Verlass mich nicht!"

„Nie!"sagte Sirius leise und sein Rachen fühlte sich nicht mehr so trocken an. „Ich liebe dich, kleiner Sonnenschein!"

Harry stockte. „I-Ich kann nicht das gleiche sagen..."

„Das ist okay,"sagte Sirius sanft. „Das ist okay. Lass dir Zeit, Harry."

„Tante Petunia hat Dudley immer ein Schlaflied gesungen. Ich habe immer versucht ihr zuzuhören, und dann habe ich mir ihre Stimme vorgestellt, wenn ich schlafen gegangen bin. Singen alle Mütter ihren Kindern Schlaflieder vor? Hat jeder eine Mutter?"

„Ja, alle singen ihren Kindern etwas vor. Und jeder hat eine Mutter." Sirius spürte, wie seine Augen nass wurden, gepaart mit einer nicht zu bändigenden Wut auf die Dursleys.

„Und meine? Ich meine, wo ist sie? Warum ist sie weg?"

Sirius legte vorsichtig eine Hand auf Harrys Kopf. „Sie ist an einem Ort weit, weit weg. Sie ist dort, wo es Felder über Felder mit Blumen gibt und wo jeder glücklich ist. Sie singt für dich, weit oben im Himmel. Du kannst sie nur nicht hören."

„Hat sie einen Namen?"

„Lily. Eine Lilie im Garten des Himmels."

„Das ist ein schöner Name."

„Hey, Kleiner!"versuchte Sirius das Thema zu wechseln. Er wollte Harry noch nichts darüber erzählen. Es gab so viel zu erzählen. So viel Leid, so viel Schmerz, so viel unbekanntes über die magische Welt. Und er bezweifelte stark, dass die Dursleys ihm etwas darüber erzählt hatten. Hölle, er musste Harry das alles innerhalb der nächsten Wochen möglichst schonend beibringen! „Paten können auch singen! Soll ich?"

Harry kicherte. „Paten können singen?"

Sirius fing an, ein Wiegenlied zu singen. Harry schloss seine Augen und als sein Atem gleichmäßig wurde, wusste Sirius, dass die nächsten paar Tage kritisch für ihre aufbauende Beziehung werden würden. Das bisschen Vertrauen, dass Harry ihm schenkte, würde entweder wachsen oder zersplittern und nie mehr wiederkommen. Sirius wollte sicher gehen, niemals zurückzufallen. Er wollte sicher gehen, dass Harry ihm eines Tages voll vertrauen würde und selbstsicher sagen könnte „Ich liebe dich auch". Er sollte mit Sirius das glückliche Leben eines 10-jährigen Jungen leben und ein toller junger Mann werden. Sirius würde der Vater und die Mutter sein, die Harry nie gehabt hatte.

Sirius hielt den warmen Körper des Jungen immer noch an sich, bis er auch einschlief. Er verpasste Poppy, die die beiden etwas missbilligend, aber auch lächelnd ansah, Harry vorsichtig in sein Bett legte und Sirius Stuhl in eine weiche Ledercouch verwandelte.

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Ich weiß, es hat schon wieder so lange gedauert, aber bei mir war jede Menge los diese Woche (ne Ralley für die nervigen Fünft-Klässler organisieren [Gell, Schnecke? ;-)], Wandertag,...). Ich hab noch eine Woche Schule, dann übersetze ich schnell weiter! Es waren nur hier einige sehr schwierige Stellen drin, bei denen es etwas länger dauert... Vor allem die „Keine Schweinerei"-Nummer! Ich wusste nicht wie ich es anders formulieren sollte!

Vielen, vielen Dank an alle Reviewer:

ShadeFleece, Schnecke, Truemmerlotte, hgjgj, Kara, Nobody..., Pe, VamHex, Liz Black