Kapitel 10
Heilen
oooo
Der Portschlüssel brachte sie zurück nach Hogwarts in die große Halle, alle drei kamen zwischen dem Ravenclaw- und dem Hufflepuff Tisch an.
„Los," rief Snape aufgebracht.
Rasch eilten sie in Richtung Krankenflügel. Sirius überkam ein mulmiges Gefühl, als er an der Stelle vorbeikam, an der er am Vortag mit Remus gestanden hatte, der in beruhigt hatte, dass Harry nichts passieren würde.
Schuldgefühle überkamen ihn, und er blickte über die Schulter auf Minerva und Severus, die sich bemühten, mit ihm Schritt zu halten.
Severus hielt Harrys Körper, aber er traute sich nicht, nach unten zu sehen.
Sirius, der als erster die Tür erreicht hatte, riss sie auf und rannte in den Krankenflügel.
Severus hielt Harrys Körper enger an sich. Er wollte immer noch nicht herunterschauen. War er tot? War jede Rettung zu spät?
Severus legte Harry auf das erstbeste Bett und brachte ihn in die stabile Seitenlage, sodass Harry besser Luft bekam. Langsam begann er, die Handgelenke so hinzulegen, dass es aufhören würde zu bluten, als Minerva aus Madame Pomfreys Büro gestürmt kam, einen Zettel schwenkend.
‚Bin in Hogsmeade, neue Zutaten besorgen'
„Verdammt!" rief Minerva aufgebracht. „Gerade dann, wenn wir sie am nötigsten haben!" Sie rannte im Kreis umher und fuchtelte nervös mit den Händen herum. „Ich werde sie in Hogsmeade holen, schaut ihr, was ihr für ihn tun könnt!", sagte sie wieder einigermaßen gefasst und eilte aus dem Krankenflügel.
Sirius drehte sich zu Harry um und begann, ihn vorsichtig auszuziehen, als Severus, der hinter ihm stand, aufschrie: „Geh weg! Geh weg!"
Sirius machte einen erschrockenen Sprung nach hinten, als er sah, was Severus meinte: ein blauer Lichtschein hüllte Harry ein, und als der Lichtschein blasser wurde, war Harry nicht mehr blutverschmiert.
So faszinierend wie es auch war, Sirius sah jetzt die tiefen Schnittwunden an Harrys Handgelenken.
Warum war er nicht vorsichtiger gewesen? Warum hatte er nicht aufgepasst, dass Harry nichts passieren würde?
„Es hilft nichts, wenn du dir jetzt Vorwürfe machst," schnarrte Snape hinter ihm, als könnte er Sirius' Gedanken lesen. Er vergrub den Kopf in den Händen. „Denk nach, denk nach, denk nach," murmelte er zu sich selber.
„Was?" fragte Sirius barsch.
„Bluterneuernder Trank, Wundenheilende Creme..." Severus sprang auf und rannte zu dem Medikamentenschrank. Er riss die Türe auf und durchsuchte eilig alle Regale. Poppy war zu Recht nach Hogsmeade gegangen, in dem Schrank waren nur noch zwei Flaschen Skele-Wachs und einige Reste unbrauchbarer Tränke, sonst waren alle Fläschchen leer.
„Was zum Teufel ist das für eine Schule?" rief Sirius sauer aus, als er den leeren Schrank ebenfalls gesehen hatte.
„Ich muss die Tränke brauen," sagte Severus. Er ließ die Tür ins Schloss fallen und drehte sich zu Sirius um. „Aber das dauert..."
Beide sahen gleichzeitig zu Harrys Körper. „Also sollen wir hier nur dumm rumstehen?" schnappte Sirius. „Er könnte jeden Moment sterben! Er hat jede Menge Blut verloren!"
„Ich kann nichts machen, ich bin kein ausgebildeter Heiler!" schnappte Severus zurück. Er nahm das Buch ‚Magische Heilkunde für das Magische Blut' und warf es zu Sirius. Er sah sich schnell um und holte ein dickes Buch aus Poppys Bücherregal.
Er sah zu Sirius. „Versuche es auf Mugglart, es könnte funktionieren. Und jetzt muss ich dringend los gehen." Er rannte aus dem Krankenflügel in Richtung Kerker und beeilte sich, so schnell wie möglich die Tränke zu brauen.
Sirius begutachtete das Buch in seiner Hand genauer: ‚Traditionelle Muggel-Medizin'.
„Was zum Teufel..." er öffnete es und überflog das Inhaltsverzeichnis. „...ist dieser Mist?"
ooo
Ein leises Geräusch erklang in seinem Büro, hallte an den Wänden wider; ein sanfter Ton. Sanft, aber stärker werdend, bevor er schwach nachließ.
Dumbledores Blick verhärtete sich. Er griff nach einer runden Dose auf seinem Schreibtisch, auf der ein Spiegel war. Er öffnete sie. Er hatte zwei Spiegel in der Hand. Der eine war klar, wie ein richtiger Spiegel, der andere jedoch bestand aus einer grauen, nebligen Masse, die herumwirbelte wie von einem Sturm geblasen.
„Das Herz des Verzauberten und Reinen."
Der Spiegel der Unschuld war das Herz des Todes-Reflektions-Spruches. Tief in den grauen Wolken kämpfte sich Vernon Dursleys Seele durch die Wolken der Qual, des Schmerzens und des Todes. Es waren nur zwei Wege bekannt, diese Seele zu befreien.
Bis jemand ihn befreien würde oder den Bann brechen würde, würde Vernon Dursley für immer im Kampf zwischen Leben und Tod verharren.
Dumbledore konnte sich nicht zum lächern bringen. Er war auch nicht erleichtert.
ooo
„Blut, Blut, Blut," Sirius überflog das Inhaltsverzeichnis verzweifelnd suchend nach einem Bluterneuernden Spruch. „Seite 78!"
Er blätterte hastig um, bis er die entsprechende Seite aufgeschlagen hatte. „Suchen sie die Herkunft und die Blutgruppe des Patienten. Daran können sie herausarbeiten, welcher Bluttyp er ist. Die vier Gruppen sind 0, A, B und AB. Das Blut wird... WAS ZUM TEUFEL SOLL DAS GESCHWAFEL!!!"
Er warf das Buch wütend von sich und holte sich das Nächste. Dort suchte er weiter, doch er konnte sich nicht konzentrieren. Er warf es ebenfalls weg und beschloss, das Problem mit seiner Logik zu lösen. (Auch wenn Severus oft sagte, er hätte keine).
„Okay.... Die Handgelenke zuerst." Er nahm vorsichtig Harrys eine Hand und legte die provisorischen Verbände ab, die sich mittlerweile mit Blut getränkt hatten. Er holte seinen Zauberstab hervor. „Accio Verbandskasten!"
Vorsichtig legte er frische Bandagen um Harrys Handgelenke. Dann legte er ein Ohr an Harrys Brust und spürte den schwachen Herzschlag. Wieder frischen Mut getankt, sagte er leise: „Okay, Harry Potter, stirb jetzt bitte nicht, okay?" Er kam sich recht albern vor, doch er musste unbedingt etwas sagen, damit er nicht die Nerven verlieren würde.
Er reinigte und bandagierte alle Wunden, die er finden konnte. Dann legte er Harry vorsichtig in eine bequemere Position und legte sich halb neben ihm aufs Bett.
Alles war still. Er konnte plötzlich seinen eigenen Herzschlag fühlen, stark und schnell. Er bekam es mit der Angst zu tun, denn es kam ihm so vor, als wäre er schon seit Stunden mit Harry allein im Krankenflügel, seit Minerva und Severus weg waren.
Ihm wurde schwindelig. Er schloss die Augen.
Eine Minute später spürte er nicht mehr die schwachen Atemzüge Harrys. Er riss erschrocken die Augen auf. Harry war bleich wie ein Gespenst, seine Gestalt lag schlaff da.
Blinde Panik ergriff Sirius.
Mit zitternder Hand fühlte er Harrys Puls.
Er spürte keinen Herzschlag.
ooo
„POPPY POMFREY!" kreischte Minerva aufgebracht dem alten Besitzer des Ladens „Alles für den modernen Haushalt" zu. „Die Krankenschwester von Hogwarts! Kräftig gebaut, gräuliche Haare..."
„Was?" Der alte Mann legte eine Hand hinters Ohr und fuchtelte mit der anderen herum, um ihr verstehen zu geben, dass sie den Satz wiederholen sollte.
Minerva rang mit der Fassung. Sie wollte am liebsten ihren Zauberstab holen und den Mann verhexen. Wie auch immer, nicht die Nerven zu verlieren war schon immer eins ihrer Merkmale gewesen. „P-O-P-P-Y P…"
"WAS?"
Minerva explodierte fast. „Sonorus! MADAME POPPY POMFREY!"
Alle Leute in Hogsmeade zuckten zusammen, als das Echo Minerva's Worte durch das Tal dröhnte.
Der alte Mann, der sehr nahe an Minerva herangetreten war, um sie zu verstehen, zuckte zusammen und steckte sich dir Finger in die Ohren. „Ist ja gut, ist ja gut, sie müssen nicht so schreien! Pomfrey hat das Geschäft vor wenigen Minuten verlassen, sie wollte Tee trinken oder so ähnlich!"
„IN WELCHEM GESCHÄFT?"
„Ich weiß es nicht!" sagte der Mann kleinlaut, der langsam wirklich Angst vor Minerva bekam. „Würden sie bitte ihre Lautstärke senken?"
Minerva ignorierte ihn und stapfte aus dem Geschäft. Sie stand mitten in der Einkaufsstraße von Hogsmeade. Es gab im ganzen Dorf mehrere Cafés, das würde ewig dauern, die alle abzuklappern. In ihrer Verzweiflung rief sie: „POPPY!!! WIR BRAUCHEN DICH!"
Einige Sekunden verstrichen, bevor sie von weit entfernt eine dumpfe Stimme hörte: „WER SIND SIE?"
Jeder nahm vor Minerva reiß aus, um nicht taub zu werden. Ihre Stimme war immer noch magisch verstärkt.
Minerva bahnte sich ihren Weg in die Richtung, aus der Poppys Stimme kam. Sie rief: „GEH NACH HOGWARTS! DU WIRST DORT DRINGEND GEBRAUCHT!"
„WAS IST DENN LOS?"
„GEH SOFORT!"
Ohne auf eine Antwort zu warten lief sie los, zurück nach Hogwarts.
ooo
Severus eilte durch die Gänge von Hogwarts. Er hielt verschiedene Flaschen in seinen Armen. Zwei der Tränke hatte er gerade in aller Eile gebraut, die paar anderen hatte er aus seinem Vorrat mitgenommen, wie könnten nützlich sein. Er beeilte sich.
Er hatte ein Leben zu retten.
Er war schon fast am Krankenflügel angelangt. Er beschleunigte seine Schritte und lief geradewegs in eine gestreifte Katze, die agressiv fauchte und sich verwandelte.
„Wie geht es Harry?"
„Ich weiß nicht," sagte Severus, der nervös seine Flaschen aufsammelte. Zum Glück hatte er Unzerbrechlichkeits-Flaschen.
Beide rannten los und erreichten außer Atem den Krankenflügel.
Sirius hielt Harry an sich geklammert, den Kopf in seinen Schulten vergrabend, schluchzend und wimmernd.
Minervas Herz hammerte scherzhaft gegen ihre Brust.
Severus schauderte.
Sirius hob den Kopf. „Er ist fort."
ooo
Dumbledore stoppte auf seinem Weg zu dem Krankenflügel, als ein berauschendes Gefühl durch seinen Körper ging. Er schauderte leicht. Dann lächelte er. Der Zauberspruch wirkte.
ooo
Er war allein. Überall war alles blau und weiß, als wäre er auf einer Wolke. Er fühlte, dass es hier friedlich war.
Er hörte einen Ton. Noch einen. Und noch einen. Eine Melodie ertönte. Er entspannte sich. Er drehte sich um und sah ein großes, schwarz schimmerndes Objekt.
„Hallo?" wisperte er nervös.
Die Musik hörte auf. Dann erschien eine wunderschöne Frau, eingehüllt in ein weites weißes Gewand, mit cremefarbenen Locken, die leicht auf ihre Schultern fielen.
„Du bist jung," sagte sie lächelnd. „Warum bist du hier?"
„Ich bin müde. Ich will, dass alles endlich aufhört."
„Du hast gerade eine Familie gefunden, willst du sie jetzt verlassen?" entgegnete sie freundlich.
Familie. Er wollte nicht an seinen Paten denken. Er hatte ihn hintergangen. Er hatte ihm versprochen, dass er nie wieder zu den Dursleys zurückmusste. Tief in seinem Herzen wusste er, dass er es nicht gewollt hatte, er hatte es in Sirius' Augen gesehen.
Aber Vertrauen war etwas, was er nie gehabt hat und was ihm nie jemand gegeben hatte. Er hatte es zum ersten mal bekommen und gleich wieder verloren. Er wollte nicht mehr jemandem vertrauen. Nie mehr.
Die Sachen, die Onkel Vernon ihm erzählt hatten, taten ihm weh. Es schmerzte und er wünschte sich, nie wieder in diese Welt zurück kehren zu müssen. Seine Schuld, sein Ärger und sein Schmerz brodelten in ihm wie eine Flamme, die man nicht löschen konnte. Es war ihm egal, ob er lebte oder nicht. Er wollte, dass alles endlich vorbei war. Er war erschöpft und müde. Es sollte enden.
„Es ist ein Muggel Objekt," sagte sie sanft, denn sie bemerkte, dass Harry nichts mehr sagen würde. Sie berührte den schwarzen Gegenstand. „Es ist ein Piano. Diese Instrumente reflektieren unsere Seele, denn was du fühlst, wird in Noten wiedergegeben. Leise Töne, wenn du traurig bist, laute Töne, wenn du wütend bist.
Sie griff vorsichtig Harrys Hand und legte sie auf die Tasten des Pianos. Sie setzte sich neben ihn hin.
„Das ist das C." Sie drückte seinen Finger vorsichtig auf die eine Taste. Ein klarer Ton erklang. „Hier sind wir gerade."
Dann kam die nächste Note. „Das D. Dein erster Schritt in die Zukunft. Dein Verlangen, dein Wunsch, deine Sehnsucht, deine Zukunft, deine Hoffnung. Wo deine Familie ist. Deine wahre Familie, Menschen, die dich lieben, sich um dich kümmern, und dein Herz zum strahlen bringen. Wo du das Leben lebst, das du willst."
Sie legte Harrys Finger zwei Tasten zurück. „Das B. Deine Vergangenheit. Du hast verloren, gelitten, gelernt und du hast es geschafft. Das war einmal. Lass es Vergangenheit sein. Schau nach vorne. Deine Wunden werden mit der Zeit heilen. Verlier nicht den Glauben an dich. Gib dir – und den anderen - eine zweite Chance."
Langsam fing sie ganz hinten an zu spielen, immer einen Ton höher. In der Mitte, bei dem C, blieb sie stehen.
„Möchtest du weitermachen?"
„Du bist mein Patensohn, und ich will auf dich aufpassen bis in alle Ewigkeit."
„Wir werden dir helfen. Ein Schritt nach dem anderen."
„Ich weiß nicht," sagte Harry, Tränen in den Augen.
„Hab keine Angst," sagte sie mit beruhigender Stimme. „Sie werden dir helfen. Sie werden dich begleiten und mit dir sein durch deinen Lebensweg."
Sie schaute ihn an. Er schaute in ihre blauen Augen. Er konnte erkennen, dass sie die Wahrheit sagte.
Er wisperte „Okay."
Die Frau lächelte und half ihm, den Rest der Noten zu spielen, hinein in eine glückliche Zukunft.
oooo
ooo
oo
o
So, das neue Kapitel ist da. Es tut mir Leid, dass es einen Monat gedauert hat, aber ich habe ja schon angekündigt, dass ich in der Schule viel Stress hatte. Das nächste Kapitel kommt wahrscheinlich am 29. und das letzte Kapitel an Sylvester. Ich werde die Fanfic 100 noch in diesem Jahr fertig machen.
Vielen Dank an alle Reviewer: Miss Granger, Samantha Potter, Cho, Truemmerlotte, GefallenerEngel, auxia, StarHeyoka.
An StarHeyoka: Kommt drauf an was du meinst: Von dieser Geschichte kommen noch zwei Kapitel. Dann ist es aus (und es gibt keine Fortsetzung). Falls du auch andere Geschichten meinst, ich habe mir schon einige ausgesucht, die ich übersetzen will. (Ich bin nur der Übersetzer dieser geschichte, geschrieben hat sie jemand anderes. Siehe erstes Kapitel.)
