Teil 3: Vergangenheit
Geschwind reite ich durch die Nacht, treibe mein Tier zu immer größerer Eile an. Minas Tirith ist nicht weit von unserem Lagerplatz entfernt, nur eine Stunde wenn man sich kaum beeilt, so sollte ich die Distanz doch viel kürzer bewältigen können. Doch kommt es mir so vor, als würde die weiße Stadt nicht näher kommen, egal wie sehr ich mein Tier auch anflehe schneller zu laufen.
Doch endlich erreiche ich die Tore, reite geschwind hindurch, ignoriere die fragenden Blicke, die mir die Wächter zuwerfen. Selten haben sie eine des schönen Volkes gesehen und noch seltener in solcher Eile, doch kümmert es mich nicht.
Vor dem Palast zügele ich mein treues Ross und bringe es in den Stall. Zu dieser späten Stunde ist keiner mehr wach und so stelle ich es selbst in eine freie Box. Mein Herz schlägt in einem schnellen Stakkato und ich bemerke, wie ein leichtes Zittern mich durchfährt. Nervös betrete ich den Palast, ungesehen, heimlich, wie es nur mein Volk kann, schleiche ich durch die Korridore, auf der Suche nach seinen Räumen und endlich nähere ich mich ihnen. Die Türen sind kunstvoll verziert und ich lausche in die Stille hinein. Im ersten Raum befindet sich niemand und so schlüpfe ich heimlich durch die Tür, blicke mich nur kurz um. Diese Räume werde ich in den nächsten Jahren gut genug kennen lernen, doch jetzt bin ich wegen etwas anderem hier. Unhörbar nähere ich mich dem Schlafgemach, versuche ein Lebenszeichen dahinter zu erhaschen, und tatsächlich höre ich seine Stimme, so wie es dein Geliebter sagte.
„Nur noch dieses eine Mal", bittet er meinen zukünftigen Gemahl und ich lausche gespannt, wie dieser antworten wird. Noch ist es nicht an der Zeit meine Anwesenheit zu offenbaren.
„Dieses eine Mal", erklingt seine tiefe, raue Stimme und ich erzittere, erbebe regelrecht, bei dem Gedanken, dass er auf der anderen Seite sitzt und den Sohn Thranduils jetzt wohl gerade küsst. Mein Herz ruft nach ihm und ich weiß, ich sollte mich nun zu erkennen geben.
Die Tür fliegt auf und hocherhobenen Hauptes betrete ich den Raum, blicke in zwei überraschte, ja fast geschockte Gesichter. Sie haben nicht mit mir gerechnet, haben nicht geglaubt, gestört zu werden, und nun rücken sie voneinander ab, sehen mich betreten an und ich weiß, wenn ich nicht zuerst das Wort ergreifen werde, wird der Hüter meines Herzen sich stammelnd entschuldigen, nicht mehr hören, was ich ihm zu sagen habe. Oh ja, er hat ein schlechtes Gewissen, hat angst, ich könnte ihn nun, nachdem ich sah, wie er den blonden Elben küsste, ihn nicht mehr wollen. Doch für mich gibt es nichts zu verlieren, nur etwas zu gewinnen, und das möchte ich auch.
„Nein", flüstere ich, unterbinde mit erhobener Hand jegliche Äußerungen. „Ich bin hier um mit euch zu sprechen. Vielleicht sollte ich dir doch einfach die Wahrheit sagen." Deutlich kann ich sehen, wie überrascht er ist und ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken. Langsam schreite ich auf sie zu, knie vor meinem Zukünftigen Gemahl nieder und berühre seine Lippen mit den meinen. Sein Bart kitzelt mich ein wenig, es ist so anders, exotisch im Vergleich zu deinen weichen, glatten Wangen. Anmutig lasse ich mich dann zwischen beiden auf der Bettkante nieder, blicke in ihre überraschten, verschämten Gesichter und frage mich kurz, wie sie mich ansehen werden, wenn sie mein Geheimnis kennen.
„Wie empfindet ihr füreinander?", frage ich sanft und ergreife die Hand meines Verlobten, spüre sein Zittern.
„Wir sind Freunde, die einander oft Trost spendeten", flüstert er leise und sieht betreten zu Boden. Dies ist seine Wahrheit, doch wie sieht die des Sinda aus?
„Ja, Arwen, wir sind Freunde, aber auch mehr. Ich liebe deinen Elbenstein, auch wenn mein Herz nicht mit ihm verweilt, sondern längst in Lórien seine Heimat hat."
Nun ist es an mit überrascht zu sein, dies wusste ich nicht. Nie hörte man, dass der stolze Sohn des Düsterwaldes sein Herz verschenkte, doch wenn ich tief in seine Augen blicke, erkenne ich das gleiche Feuer, das auch in Erestor und Glorfindel geleuchtet hat. Das Bewusstsein, gebunden zu sein.
„Ich verstehe, was du meinst, denn auch ich kenne den Unterschied, zwischen der Liebe, die über den Tod hinaus geht, die alle Grenzen sprengt, und der, die nahe an der Freundschaft balanciert", antwortete ich leise auf die Unsicherheit der beiden und muss schmunzeln, als ich ihre verwirrten Blicke sehe. Nun ist es an der Zeit für mich zu sprechen.
„Vor vielen Jahrhunderten, ich war gerade erst zweihundertfünfzig Jahre alt, fragte ich in jugendlicher Neugier Glorfindel, wie es sich anfühlt zu lieben…
Nervös saß ich vor ihm, hibbelte ein wenig auf dem Schemel herum und versuchte die richtigen Worte zu finden, während er mich neugierig musterte.
„Was ist, Abendsternchen?", fragte er mich belustigt und so fand ich in dem kleinen Aufwall von kindlicher Wut, den Mut ihn zu fragen.
„Sag, Glorfindel, wie ist es zu lieben? Wie fühlt es sich an?", stieß ich hervor und er sah mich mit großen Augen an, schien nun seinerseits die richtigen Worte zu suchen. Lange wartete ich auf eine Antwort, harrte geduldig aus.
„Du willst mit demjenigen deine Zeit verbringen, fühlst dich frei und doch nervös in seiner Gegenwart. Dein Herz scheint schneller zu schlagen, wenn er dich anlächelt und selbst wenn du schon sehr viele Jahrhunderte gelebt hast kann dich dies dazu bringen, dich wie ein Kind zu benehmen. Du bist einfach glücklich in seiner Gegenwart. Schau dir deine Eltern an, wie ihre Augen aufleuchten, wenn sie einander ansehen."
„Oder so, wie die deinen aufleuchten, wenn Erestor dir eines seiner zerstreuten Lächeln schenkt?", fragte ich ihn und er sah mich erschrocken an. Sein Gesicht verlor jegliche Farbe, und er ließ mich versprechen es niemandem zu sagen.
Natürlich hielt ich mich nicht daran, denn ich wusste schon damals, dass auch Erestor einsam war, und so ging ich wenige Tage später zu ihm, beobachtete, wie er emsig einige Briefe beantwortete.
„Erestor, sei gegrüßt, hast du einen Moment Zeit für mich?", fragte ich ihn höflich und schmunzelte in mich hinein, als er aufblickte und ich erkannte, dass ein wenig Tinte den Weg auf seine Wangen gefunden hatte. Wenn er arbeitet, ist er sehr gründlich und geht völlig darin auf, das war schon damals so.
„Natürlich, was kann ich für dich tun?", erwiderte er mit gerunzelter Stirn und ich erkannte, dass er etwas ungehalten war über die plötzliche Unterbrechung. Etwas nervös ging ich zu dem großen Fenster hinter seinem Rücken und blickte hinaus auf die Gärten und hinaus auf den Platz auf dem ein liebeskranker Elb seine Gardisten durch die Gegen scheuchte.
„Sag, hast du jemals darüber nachgedacht, wie es sein könnte, einen Mann zu lieben?", versuchte ich ihn in ein Gespräch zu verwickeln und hörte amüsiert, wie er hinter mir begann vor Schreck zu husten. Es war nicht normal, dass eines der Kinder ausgerechnet mit dem strengen Lehrer über so etwas sprach.
„Wie kommst du auf eine solche Idee, Arwen?" Er war völlig verwirrt und ich drehte mich zu ihm um, lehnte mich an die Scheibe, sah ihn fragend an.
„Weil es jemanden gibt, der mehr für dich empfindet, und dies schon seit vielen Jahrhunderten", offenbarte ich ihm und sah, wie er mehr und mehr die Fassung verlor. Es schien ihn mehr als nur zu verwirren. „Ich weiß, dass du im zweiten Zeitalter eine Elbenmaid an deiner Seite hattest und auch deine Tochter kenne ich recht gut, auch wenn sie die meiste Zeit an den grauen Anfurten verbringt. Doch weiß ich nicht, wie du dazu steht, jemanden des gleichen Geschlechtes zu lieben."
Bei diesen Worten war er zurück in seinen Stuhl gesagt, schien ernsthaft nach zu denken, zu überlegen, wie er mir antworten sollte.
„Wenn es denn einen solchen gibt, warum sagt er es mir dann nicht?"
Mit dieser Gegenfrage hatte ich gerechnet und ich lächelte ihn triumphierend an. Damit hatte er mir sehr deutlich gesagt, dass er nicht abgeneigt war, sich tief im Inneren nach Gesellschaft sehnte.
„Weil er dir sein Herz schon im ersten Zeitalter schenkte." Seine Augen wurden immer größer, als er begann meine Worte zu verstehen, zu erahnen, von wem ich sprach. „Und er hat Angst, das zu zerstören, was an Freundschaft zwischen euch ist. Seine Seele und sein Herz würden das nicht überstehen." Aufmerksam beobachtete ich seine Reaktion, versuchte in seinem Gesicht zu lesen, doch ich war noch zu jung, auch wenn ich jetzt jedes seiner Gefühle lesen kann, wie in einem offenen Buch. Langsam erhob er sich, trat neben mich und blickte hinaus, auf das Feld, auf den blonden Noldo und ein Lächeln huschte über seine Züge. Ich wusste, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie beide zueinander finden würden…"
In den Gesichtern meiner beiden Zuhörer sehe ich die Verwirrung, sehe, dass sie nicht wissen, weshalb ich ihnen dies erzähle. Doch ich brauche eine Pause, muss nachdenken, wie ich nun fortfahre, und so küsse ich meinen überraschten Verlobten einfach, während ich meine Gedanken ordne. Als ich mich von ihm löse wirkt er nur noch Fassungsloser und ich lächele ihn zärtlich an. Ja, es ist wahrlich etwas anderes, den zu küssen, dem man das Herz geschenkt hat.
„Doch das ist nicht alles, was ich euch erzählen wollte. Dies ist nicht Erestors und Fins Geschichte, sondern auch meine, denn lange waren wir… Es begann viele Jahre später, sie beide hatten zueinander gefunden und ich freute mich für sie. Eines Abends jedoch…
Oft wanderte ich in den Gärten, auch so, an dem fünfhundertzwölften Jahrestag seit ich gezeugt wurde. Nie werde ich diesen Abend vergessen, denn ich wandelte durch die abgelegen liegenden Bereiche der Gärten, als mich ein Stöhnen aufmerksam werden ließ. Erstaunt hielt ich inne, lauschte in die Nacht hinein und als ich die Quelle ausfindig gemacht hatte, schlich ich in deren Richtung. Zuerst war ich einfach neugierig, wer sich der Liebe hingab, doch als sich sie sah, veränderte sich schlagartig alles. Wisst ihr, wie schön es ist, zwei zu sehen, deren Herzen einander gehören? Es gibt nichts Wundervolleres auf dieser Welt.
Es war Erestor und hinter ihm Glorfindel, verbunden und deutlich erregt. Völlig gefesselt war ich von ihrem Anblick, wie sie dort standen, das Mondlicht auf ihren nackten Leibern, in einem Rhythmus verbunden, die Augen geschlossen. Doch irgendwann öffnete Erestor seine, und sah mich an, blickte direkt in meine Seele. Ihre Einheit zerbrach, der Rhythmus ging verloren und ich wollte mich abwenden, in das Haus zurückeilen, als mich sein leises „Nein…" zurück hielt. Zitternd drehte ich mich wieder um, sah, wie er sich von Glorfindel löste, langsam auf mich zu schritt. Mein Herz schlug Saltos vor Nervosität und ich beobachtete ihn mit hektischen Atemzügen, wie er immer näher kam, schließlich vor mir stehen blieb. Glorfindel lehnte derweil an einem Baumstamm, betrachtete seinen Geliebten neugierig. Fast quälend langsam hob Erestor seine Hand, fuhr über meine Wange und beugte sich dann zu mir herüber, überwand die Distanz und küsste mich…"
Ich muss innehaltend, mich aus den Erinnerungen befreien und sehe in die Gesichter der beiden, die mir zuhören. Die Verwirrung hat etwas anderem Platz gemacht, etwas, das ich nicht zu deuten wage. Sie glauben eine Ahnung zu haben, was weiter passierte, doch das, was folgte übersteigt ihre Vorstellungskraft. Noch immer schweigen sie, sehen mich nur an und ich beginne nervös zu werden, bekomme ein wenig Angst vor ihren Gedanken. Verachten sie mich jetzt? Am ganzen Leib beginne ich zu beben, und sie spüren es beide, so eng, wie wir beieinander sitzen.
Zärtliche, liebevolle Arme legen sich um mich und seine tiefe Stimme ist es die mir Sicherheit gibt, meine Geschichte zu Ende zu erzählen.
„Du weißt, dass ich dich über alles liebe, und deine Vergangenheit ist unwichtig, denn unsere Zukunft beginnt erst morgen." Und so nehme ich alle Kraft zusammen und erzähle weiter.
„Keiner von uns hat bis heute verstanden, wie es damals seinen Anfang fand, doch in jener Nacht, auf jener Wiese verlor ich meine Unschuld an Erestor und auch Glorfindel. Wie ein Kreis der sich schloss wurden wir zu einer Einheit, teilten oft unser Lager, fanden Trost und Nähe, aber auch Lust, Leidenschaft und Liebe in den Armen der anderen. Bevor ihr fragt, nein, es waren nicht immer wir drei, teilweise auch nur zwei, wenn einer von uns zu müde war, oder auf Reisen unterwegs. Doch jetzt ist dies beendet", flüstere ich und bemerke nicht die Tränen, die meine Wangen hinab fließen. Warme Arme ziehen mich enger an die starke Brust des Sterblichen, den ich wahrhaft liebe, doch in diesem Moment weint mein Herz um die Liebe, die ich verloren habe, egal wie wichtig mir die ist, die ich dadurch gewann.
„Wenn du deine Entscheidung bereust…", höre ich ihn wispern und nun bricht es wirklich aus mir heraus. Fest klammere ich mich an ihn, nehme seinen Geruch war und vergrabe mein tränenasses Gesicht an seiner Schulter.
„Nein, ich bereue sie nicht, du bist alles, was ich mir wünsche." Würde ich in diesem Moment aufsehen, könnte ich die Erleichterung in seinen Augen sehen, und den leichten Spott in den Augen des Sinda aus dem Düsterwald.
„Hast du, alter Freund, doch nicht verstanden, was es für die unsrigen bedeutet ihr Herz zu verschenken?", fragt der Blonde kühl und ich schmiege mich enger an den, den ich liebe. „Liebe gibt es für uns in vielen verschiedenen Formen, und dir schenkte sich die höchste und seltenste. Du warst ehrlich, Arwen, danke."
Die Tränen sind versiegt und ich blicke auf in seine strahlend blauen Augen, die denen Glorfindels ähnlich sind, doch ist er so ganz anders als der stolze blonde Krieger, den ich so gut kenne. Und zum zweiten Mal in meinem Leben beginne ich diesen merkwürdigen Zauber zu spüren, der schon einmal von mir Besitz ergriff. Langsam löse ich mich von dem Mann, dem mein Herz gehört, beuge mich zu dem blonden Elben, berühre seine Lippen sanft mit den meinen, fordere Einlass mit meiner Zunge, die er mir erstaunt gewährt. Hinter mir spüre ich zärtliche Hände, die meinen Rücken hinab fahren und zärtlich über meine Schenkel gleiten. Ich weiß nicht, wie lange unsere Zunge miteinander spielen, doch irgendwann löse ich mich langsam von dem Blonden und erhebe mich. Es wird Zeit, ich muss zurück zu meinem Volk und ihr beide wisst es, versteht, warum ich mich erhoben habe.
„Geliebte, ich freue mich auf morgen", flüstert mein Verlobter und ich lächele ihn an. Auch wenn ich der Abendstern bin, so habe ich doch den Eindruck in seiner Gegenwart heller zu strahlen als die Sonne, denn er bringt mein Herz zum singen.
„Wir werden uns dann sehen, es kann eine interessante Ehe werden", kichere ich und küsse ihn ein letztes Mal um dann zu den Meinen zurück zu kehren.
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Lange bin ich durch die Nacht geritten, habe bei meiner Ankunft bereits die Hörner vernommen, die zum Aufbruch rufen und ein letztes Mal trete ich zu dem Zelt, erwarte euch, wie ihr herauskommt. Deutlich kann ich erkennen, dass ich nicht die einzige war, die heute Nacht geweint hat, doch wir kennen unser Schicksal, habe es gelernt zu akzeptieren und so umarmt ihr mich beide freundschaftlich und ich kann nicht anders, als unter dem sehr zweideutigen Blick Glorfindels zu lächeln, während auch deine Züge wieder weicher werden, du dich entspannst und das Schicksal annimmst. Ihr werdet glücklich sein, genau wie ich.
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Gwilith: Danke für dein Review, hat mich sehr gefreut ;). Naja, Fin und Erestor sind nun einmal mein Lieblingspairing… kann ich auch nichts dafür… (hat schon genug mit den beiden geschrieben). Ich hoffe dir hat dieser Teil auch gefallen ;).
Narwain: Danke für dein Review, fühl dich einfach umgeknuffelt ;). Wirklich dabei gewesen? Du glaubst ja nicht, wie gerne ich mit Arwen den Platz getauscht hätte ;). Jetzt aber eher nicht mehr so ;). (Eigentlich kann ich das Pairing Aragorn / Legolas nämlich nicht ab…). Der nächste Teil folgt dann in ein paar Tagen ;).
