Kapitel 1: Ein böses Erwachen

„Ich habs gewusst. Ohhh ich hab gewusst das das eine dumme Idee war, aber hat er auf mich gehört? NEIN! Hat er nicht! Natürlich nicht, warum sollte er auch dieser, dieser…"

Es war eine wahre Schimpftirade, die der dickliche Mann, der mitten in der Nacht durch die Flure des Schlosses eilte, von sich hab. Und seiner Meinung nach hatte er auch allen Grund sich zu ärgern, schließlich wurde er vor ein paar Minuten äußerst unsanft aus seinem wohlverdienten Schlaf gerissen.

„Und warum?", murrte Herr von Unruh, seines Zeichens Haushofmeister am Schloss des Prinzen Adam.

„Weil dieser unmögliche Kerl im Regen rumtanzen musste und sich NATÜRLICH was weggeholt hat! Und was habe ich eigentlich damit zu tun?"

Immer noch schimpfend und mit vor Wut hochrotem Gesicht eilte er weiter, bis er schließlich an seinem Ziel ankam. Er wollte schon ins Zimmer stürmen und seine Wut an der Person auslassen, die für all dies verantwortlich war, doch er besann sich eines Besseren. Immerhin war er der Haushofmeister, Höchster Bediensteter des Prinzen. Er hatte seine Würde zu bewahren, auch wenn ihm eher nach einem Wutanfall war. Das Ganze war so unnötig, nervend und…

Lumiere.

Es war einfach Lumiere.

Mal wieder…

Die Hand bereits auf der Türklinke, hielt Herr von Unruh inne und atmete tief durch. Auch wenn ihn das alles Aufregte, er musste ruhig bleiben. Zuallererst musste er sehen, wie ernst die ganze Situation überhaupt war. Er konnte Lumiere später immer noch zurechtweisen.

Nach einem weiteren Moment in dem der Haushofmeister sich bemühte seine Fassung zurückzugewinnen, klopfte er schließlich. Einen Augenblick später hörte die Stimme der Haushälterin Madame Pottine die, wie er mit leichtem Entsetzen feststellte, sehr besorgt klang. Und als er das Zimmer betrat, welches nur mit ein paar Kerzen beleuchtet war, wusste er auch warum.

Madame Pottine, eine freundliche, ältere Dame, die alle im Schloss geradezu mütterlich umsorgte, saß am Bett von Lumiere, seines Zeichens Koch und Diener des Prinzen und dieser sah alles andere als gut aus. Der Schweiß rann ihm von der Stirn, auch wenn die Haushälterin immer wieder mit einem feuchten Tuch versuchte den Strömen Einhalt zu gebieten. Er atmete flach und schnell, wobei ihm deutlich anzumerken war, wie schwer ihm dies viel. Seine eh schon helle Haut war besorgniserregend blass, doch all dies war nicht einmal zusammengenommen so erschreckend, wie ein weiteres Detail, das von Unruh soeben auffiel.

Es war still.

Viel zu Still für die Tatsache das Lumiere anwesend war.

Der junge Franzose erfüllte mit seiner Überschwänglichen (und für von Unruh allzu übertriebenen) Art zu reden und sich zu benehmen jeden Situation und lies so nur selten Raum für Stille. Doch jetzt war es still. Nur sein schwerer, hastiger und rasselnder Atmen war zu hören und das, so musste sich der Haushofmeister eingestehen, behagte ihm, gelinde gesagt, überhaupt nicht. Er stand für einen Moment schweigend am Ende des Bettes, ehe er sich an Madame Pottine wandte.

„Wie… Wie geht es ihm?"

Die Frage war angesichts dessen was er sah Überflüssig, doch es viel ihm zu seiner Schande nichts Besseres ein. Madame Pottine seufzte schwer, ehe sie das Tuch zur Seite legte und von Unruh ansah.

„Überhaupt nicht gut. Das Fieber ist gestiegen, das Atmen fällt ihm immer schwerer und jeder Hustenanfall bereitet ihm Schmerzen."

Als wenn er das gesagte bestätigen wollte, durchschnitt ein heftiges Husten die Stille.

Lumiere wand sich sichtlich vor Schmerzen, während er verzweifelt versuchte Luft zu bekommen. Panisch sah er zuerst Madame Pottine an, dann bemerkte er von Unruh.

Japsend, die Hand auf seiner Brust in das Nachthemd gekrallt, sah er den Älteren an, einen flehenden Ausdruck in den blauen Augen. Dann ein weiterer Anfall, der den jungen Mann so sehr erschütterte, dass er drohte aus dem Bett zu fallen. Im nächsten Augenblick war von Unruh an seiner Seite, einen Arm stützend hinter Lumieres Rücken, die andere Hand an dessen Schulter.

„Ganz ruhig, mein Freund, ganz ruhig…"

Nur mit Mühe gelang es Lumiere seinen Atmen wieder unter Kontrolle zu bringen, ehe er völlig erschöpft wieder auf sein Kissen zurück sank. Er sah den Älteren kurz an, ein kleines, dankbares Lächeln auf den Lippen, dann schloss er die Augen und war kurz darauf in einen Dämmerschlaf gefallen. Der Haushofmeister stand für einen Moment still und sichtlich erschüttert da, dann sah er zur Haushälterin und meint bestimmt, wenn auch mit sichtlicher Sorge in der Stimme: „Er braucht einen Arzt. Und zwar schnell!"

„Ist es doch so ernst?"

Erschrocken fuhren von Unruh und Madame Pottine herum und sahen Prinz Adam und seine Frau Prinzessin Belle im Raume stehen. Keiner von ihnen hatte bemerkt wie die beiden hereingekommen waren, oder wann.

Der Prinz sah von einem Bediensteten zum anderen, sichtlich nervös auf eine Antwort wartend. Von Unruh räusperte sich und verbeugte sich kurz vor den Herrschaften ehe er antwortete.

„Es sieht nicht besonders gut aus, wenn ich das so sagen darf und sein Zustand…"

„Es wird mit jeder Minute schlimmer!", mischte sich die Haushälterin ein, als sie nun wieder ans Bett herantrat und Lumiere betrachtete. Sie hatte erneut das Tuch ergriffen und wischte den Schweiß von Lumieres Gesicht, ehe sie den Handrücken auf seine Stirn legte. Betrübt schüttelte sie den Kopf, ehe sie sich wieder dem Prinzenpaar zuwandte. Ihre Stimme war Tränen erstickt, als sie wieder sprach.

„Das Fieber steigt immer schneller…"

„Dann sollten wir keine Zeit verschwenden! Mit Eurer Erlaubnis, Eure Majestät, werde ich sofort jemanden ins Dorf schicken um den Arzt…"

In diesem Augenblick unterbrach ein Donnergrollen wie tausend Kanonenschläge den Satz des Haushofmeisters und lies alle im Raum zusammenzucken. Lumiere wimmerte im Schlaf und wälzte sich unruhig herum, ehe er sich wieder beruhigte. Der Prinz ging eiligen Schrittes zum Fenster und zog einen der schweren Vorhänge zurück, so dass im Schein einen Blitzes das ganze Ausmaß eines heftigen Sturmes zu sehen war, der draußen tobte.

Belle schlug entsetzt die Hände vor den Mund, und murmelte nur, „Ein Unwetter…",

während der Prinz Madame Pottine ansah, die ebenso entsetzt und erschrocken aussah.

Herr von Unruh aber, der es rigoros ablehnte in der Anwesenheit anderer zu Fluchen und wenn doch, dies meist nur in seiner Muttersprache Englisch tat, entglitt nur ein einziges Wort.

„Merde…"