Draco Dormiens Nunquam Titilandus

- Schlafende Drachen soll man nicht wecken -

Harry Potter und das Geheimnis von Azkaban

Akt 1

Die Blutchroniken

Kapitel 2

Der Besuch

Der erste September war ein sonniger Freitagmorgen, als Hermine Granger auf ihrer Wohnzimmercouch aufwachte. Sie warf einen Blick über die Theke, die das Wohnzimmer von der kleinen Küche trennte. Die Küchenuhr sagte ihr, dass es kurz vor fünf Uhr morgens war. Hermine realisierte anhand der mollig warmen Wolldecke und dem Buch in der Hand, dass sie auf der Couch beim Lesen eingeschlafen sein musste. Sie roch außerdem die frische Luft von draußen durch das halb geöffnete Küchenfenster. Dies bedeutete ihre Nase war nicht mehr verstopft. Sie konnte wieder richtig durchatmen. Ihr Hals tat auch nicht mehr weh und die Kopfschmerzen waren auch wie weggeblasen. Es hatte wirklich gut getan, dass sie sich gestern geschont hatte und zu Hause geblieben war, auch wenn dies mit einiger Überwindung verbunden war. Hermine versäumte nicht gern Unterricht. Nachdem sie sich kurz gestreckt hatte stand sie auf und setzte Kaffee auf. Während der Kaffee durchlief legte sie sich ihre Klamotten zurecht und ging unter die Dusche. Erfrischt und mehr oder weniger wach trank Hermine ihren Kaffee und setzte sich an die Theke, aß einen Teller Cornflakes und vertrieb das letzte bisschen Schlaf aus ihrem Geist. Ein weiterer Blick auf die Küchenuhr sagte ihr, dass es inzwischen halb sechs war. Zeit um sich fertig zu machen. Sie schlüpfte in ein paar bequeme Jeans, darüber ein weißes T-Shirt und eine rosa Kapuzenjacke. Sie warf sich ihren nachtblauen Umhang um, steckte ihren Zauberstab in die Innentasche und vergewisserte sich, dass sie auch sonst alles bei sich trug. Schlüssel. Bücher. Reisetasche. Sie warf einen Blick auf die Reisetasche, die sie gestern Mittag noch in aller Eile gepackt hatte und seufzte zufrieden. Sie schaltete das Licht aus, öffnete die Haustür ihrer Wohnung und nahm die Tasche. Mit einem dumpfen Knall landete die Tasche wieder auf dem Boden, als ein großgewachsener, um zwanzig Jahre junger Mann vor ihrer Tür stand, die Hand erhoben und im Begriff zu klopfen. Der Mann starrte zurück. Er besaß flammend rotes Haar und einzelne Sommersprossen waren um die Nase verteilt. Er musterte Hermine kurz von oben bis unten und zu seinen geweiteten Augen stieg jetzt noch eine peinliche Röte in sein Gesicht und ging von einem Ohr bis zum anderen.

„Hermine -" begann er, brach jedoch ab als er erkannte, dass er immer noch die Hand zum Klopfen oben hatte. Schnell nahm er sie runter, räusperte sich und blickte verlegen zu Boden.

„Ron -" Nicht minder überrascht schaltete Hermine das Licht in ihrem Flur wieder an und musterte jetzt ihrerseits ihren alten Freund. Ronald Weasley war schon immer der größte unter ihnen gewesen, doch es schien als hätte er in den letzten zwei Jahren noch einmal einen Schuss gemacht. Jetzt war er fast zwei Köpfe größer als sie und Hermine musste den Kopf leicht in den Nacken legen, um ihn anzuschauen.

„Was machst du hier?" war die erste Frage die Hermine durch den Kopf schoss, doch stattdessen formten ihre Lippen ein unsicheres und überraschtes. „Hallo.", gefolgt von einer langen Ruhepause. „Hallo." erwiderte Ron nach einiger Zeit. „Kann ich vielleicht -?" „Willst du nicht -?" blubberten beide zur gleichen Zeit los und brachen wieder ab. Schweigend schob Hermine ihre Tasche mit dem Fuß zurück in den Flur, trat dann zur Seite und öffnete die Tür weiter.

„Komm bitte herein." Sie winkte ihn herein während sie die Tür aufhielt und er nickte kurz bevor er in den Raum dahinter trat. Der Flur war etwa zwei Meter lang und führte in einen größeren Raum. Ron hatte gewusst, dass Hermine seit zwei Jahren eine eigene Wohnung in London hatte. Er hatte sich im Ungefähren ausgemalt wie es wohl aussehen würde, doch er hätte so etwas nicht erwartet.

Der Raum war leicht und luftig, die Decke lag selbst noch einiges über seinem Kopf. Es sah aus, als ob dieser Raum einmal in mehrere unterteilt gewesen war und dann die Wände eingerissen worden waren. Es schien zumindest nicht so, dass die Weite des Zimmers magischen Ursprungs wäre. Am anderen Ende des Raumes befand sich eine große Balkontür, die raus in einen kleinen Garten führte. Rote Vorhänge waren zurück gebunden und ließen das bisschen Licht herein, was die eben erst aufgehende Sonne zuließ. Irgendwo unter den Bergen an Papieren und Büchern an der Wand vermutete Ron einen Schreibtisch. Eine Maschine, die die Muggel Computer nannten, lugte unter den Papieren hervor.

Gleich zu seiner Linken fand er eine Kommode auf der ein Feleton, Fernophon, oder wie auch immer diese Geräte hießen, stand (Er würde seinen Vater fragen, wenn er zurück im Ministerium war). Daneben lagen Notizblock und ein Becher mit Stiften. Über der Kommode war ein Regal angebracht. Um genau zu sein, ringsum hingen Regale. Große und kleine, einige gingen vom Boden bis zur Decke, und alle waren sie voll gestopft mit Büchern. Manche Dinge änderten sich nie und für Ron erschien es, als hätte Hermine ihre eigene Version der Schulbibliothek von Hogwarts aufgebaut. Weiter links erkannte Ron eine halboffen stehende Tür, die Blick auf das Badezimmer gab. Im Eck stand ein kleines, gemütliches Bett mit Nachttisch. In der Mitte des großen Raumes befand sich ein eckiger, dicker, blauer Riesenteppich auf dem eine große bequeme Couch und ein ebenfalls großer Couchtisch stand. Die einzige räumliche Unterteilung die Ron noch erkennen konnte war eine Theke und dahinter eine kleine Küche mit Spüle, Kühlschrank, Arbeitsfläche und Herd. Auf der Theke stand eine Kaffeemaschine und ein kleiner Fernseher.

„Bitte, setz dich doch." unterbrach Hermine Rons Gedankengang. „Möchtest du einen Kaffee oder Tee?" Er sah sich weiter um. „Äh, also ... Ehm ... Tee, bitte."

Für einen Moment beobachtete er sie, wie sie einen Teekessel aus einem der kleinen Schränke holte, ihn mit Wasser füllte, aus einem anderen Schrank Tassen holte und dann das Wasser aufsetzte. Ron bemerkte, dass Hermine ihn still beobachtete während er sie förmlich anstarrte; sie lehnte gegen ihre Küchenschränke und wartete bis das Wasser zu kochen begann. Er sah schnell weg und bewegte sich Richtung der Couch und besah sich dabei die Bücherregale. Er stellte sich davor und begann sich unbestimmt umzusehen.

In den Regalen standen Bücher über mit viel sagenden Titeln wie: Zaubertränke für Fortgeschrittene, Das große Alchemie-Lexikon von A bis Z, Einführung in die tiefergehende Magie von Berthilda Boggles, eine Taschenbuchausgabe von Höchst Potente Zaubertränke, ein dicker und furchterregender Wälzer mit dem Titel Enzyklische Errungenschaften der Magie, Zauberspruchfibeln wie Enzyklische Magie leicht gemacht, dann einige Muggel-Texte über Chemie und Biologie bis zu alten Übersetzungen eines Alchemie-Leitfadens. Auf der Couch lag ein aufgeschlagenes Buch Auch Sammelbände zum Thema Verwandlung, sowie die komplette Sammlung von Schulbüchern, alles was sonst in der Hogwarts-Bibliothek zu finden war, alles was Ron in der Schule gehasst hatte, war vertreten. Hermine hatte es genossen, daran bestand kein Zweifel. Zwischen den ganzen Fachbüchern verteilt waren auch unzählige Romane, psychologische Texte, moderne Taschenbücher und lädierte Taschenkrimis.

Ron drehte sich ruckartig um, aus seinen Beobachtungen gerissen, als er bemerkte, dass Hermine direkt hinter ihm stand. Sie reichte ihm eine Tasse Tee.

„Danke." sagte Ron leise. Sein Mund war trocken. Er überlegte sich, wie er am Besten anfing. Er hatte sich ein dutzend Anfänge überlegt, doch im Moment fiel ihm kein einziger davon ein. Sie musste sich bestimmt schon fragen, was er hier wollte; Ron war überrascht, dass sie ihn noch nicht gefragt hatte.

„Bitte." sagte Hermine und setzte sich auf die Couch in der Mitte des Raumes. Ron empfand es im Moment als unangenehm sich zu ihr zu setzen, doch die andere alternative wären die Hocker an der Theke gewesen. Er entschied sich für die Couch und nahm einen Schluck von seinem Tee. Er verbrannte sich die Zunge und musste aufpassen nichts zu verschütten. Der Tee war so stark um Tote aufzuwecken, doch Ron ertrug es.

„Du ... siehst gut aus." sagte er schließlich um irgendwie das Gespräch ins Rollen zu bringen. „Danke. Du auch." antwortete sie kurz und blickte dann in ihre Tasse. Sie lehnte sich in die Couch zurück, die Tasse in beiden Händen. Es sah aus als ob sie sich auf eine längere Unterhaltung vorbereitete.

„Was ... machst du hier?" fragte sie. „Ich ... muss mit dir reden." Hermine lächelte. „Für einen Freundschaftsbesuch kam mir das ohnehin etwas komisch vor." Ron wurde wieder rot, doch er beherrschte sich.

„Nicht, dass ich mich nicht freuen würde." setzte sie fort. „Es ist nur etwas ... überraschend. Ich muss für einige Zeit verreisen. Ich wollte gerade gehen." „Ich weiß, das war nicht zu übersehen ..." sagte Ron schließlich. „Ich wollte dich auch gar nicht stören, aber es ist da etwas passiert, über das wir reden müssen." Jetzt wurde sie unruhig.

„Ist ... etwas passiert? Geht es dir nicht gut? Geht es vielleicht um Harry??" „Nein, nein, mir geht es gut und mit Harry ist auch alles in Ordnung. Es geht um etwas anderes. Du ... solltest dich vielleicht lieber setzen." „Ich sitze schon, Ron." stellte sie fest und suchte jetzt direkten Blickkontakt mit ihm. „Worum geht es?" Ron atmete tief durch. „Du kennst eine gewisse Sarah Gambon?" Hermine nickte. „Ja. Wir studieren beide an der CUM Alchemie bei Professor Flamel. Wir sind seine Assistentinnen." Ron seufzte. „Man hat Sarah heute Morgen tot aufgefunden."

Hermine wich alle Farbe aus dem Gesicht. Kreidebleich lies sie ihre Tasse fallen und schlug die Hände auf den Mund.

„Sie ist -" Ron senkte den Kopf. „Es tut mir leid. Ich weiß ihr wart befreundet." Er zögerte erst, dann rückte er zu ihr und nahm sie in den Arm. Wie auf Befehl war der Schock vorbei und Hermine begann zu schluchzen. Nervös tätschelte Ron ihren Kopf und streichelte ihr beruhigend über den Rücken.

„Es tut mir leid." wiederholte er. „Aber - Aber wie -" stammelte Hermine und weinte. „Wir wissen es nicht. Alles was wir bisher sagen können ist, dass sie auf dem nach Hause weg überfallen wurde."

Ron war der erste gewesen, der davon erfahren hatte. Ein Muggel, der auf dem Heimweg von der Nachtschicht war, hatte die Leiche entdeckt und die Polizei alarmiert. Die Meldung hatte das Zaubereiministerium erst erreicht, als die Spurensicherung einen Umhang sowie einen merkwürdigen Holzstock bei der Toten entdeckt hatte. Die Abteilung zur magischen Strafverfolgung wurde eingeschaltet und Ron Weasley wurde mit dem Fall betraut. Als frischgebackener Inspektor stand er nun am Beginn der Ermittlungen und überbrachte Hermine die schlechte Nachricht.

„Ich ... schlage vor du legst dich noch etwas hin und ruhst dich aus." sagte Ron und reichte ihr ein Taschentuch. Hermine schüttelte schniefend den Kopf. „Nein. Unmöglich. Ich habe einen sehr wichtigen Termin, ich kann nicht hier bleiben!" „Hermine, sei nicht dumm!" rief Ron jetzt ein wenig lauter und schaute sie direkt an. „Wir wissen nicht wer sie umgebracht hat, wir wissen nicht wieso man sie umgebracht hat, wir wissen nur absolut sicher, dass sie jemand umgebracht hat! Es wurde nichts gestohlen, wir können einen Raubmord also ausschließen! Wer oder was sie auch immer angegriffen und getötet hat, könnte auch hinter dir her sein!" „Ach und dann soll ich hier bleiben!?" gab sie genauso laut zurück. Dass musste Ron ihr lassen. Sie hatte schon immer einen Blick für das Wesentliche gehabt und sie hatte Recht. Wenn jemand auch hinter ihr her sein sollte, dann war sie überall sicherer, als in ihrer Wohnung.

„Also gut, also gut! Schön!" murrte er und rieb sich die Stirn. „Wohin ... Was ist das für ein wichtiger Termin der keinen Aufschub duldet?" Gerade als Hermine Luft holte um zu antworten klopfte es an der Tür. Hermine wandte ihren Blick zu Ron.