Draco Dormiens Nunquam Titilandus

- Schlafende Drachen soll man nicht wecken -

Harry Potter und das Geheimnis von Azkaban

Akt 1

Die Blutchroniken

Kapitel 3

Türen und Dementoren

„Freunde von dir?" fragte sie skeptisch und wollte aufstehen um die Tür zu öffnen. „Das gleiche wollte ich dich gerade fragen." antwortete Ron und folgte ihr. Hermine legte die Hand auf den Türknauf, öffnete aber noch nicht die Tür. Der Türknopf war kalt. Nicht etwa so kalt, aber nicht wie es für Metall natürlich war. Er war eiskalt, ganz so, als hielte man plötzlich einen Eisblock in der Hand. Hermine riskierte einen kurzen Blick durch die Linse in der Tür, lies den Türgriff los und trat einen Schritt zurück.

„Ron ..." begann sie langsam. „Wenn die Sonne aufgeht, ist es normalerweise draußen auch hell, nicht?" Ron schenkte ihr einen reichlich verdutzten Blick. „Eigentlich schon, ja ..." antwortete er verwirrt. Hermines Gesicht verlor wieder ein wenig an Farbe. „Wieso ist dann alles vor meiner Tür schwarz? Und nicht nachtschwarz sondern schwarz-schwarz."

Ron trat vor Hermine und schaute selbst durch das Guckloch. „Gibt es noch einen anderen Ausgang?" „Wie bitte?" „Gibt es noch einen anderen Ausgang, Hermine!?" „Ehm, nein. Warum auch? Höchstens noch durch den Garten und dann über den Zaun, aber -" „Dann sollten wir gehen!" „Ron, jetzt warte mal!? Wieso denn!?" „Weil da zwei Dementoren vor deiner Tür stehen!!" Den letzten Teil brüllte er, packte Hermines Tasche am Boden und schob sie zurück in die Wohnung. Er riss die Balkontüren auf, drückte Hermine ihre Tasche in die Hände und schubste sie nach draußen. Dann zog er seinen Zauberstab. Im selben Moment schoss etwas langes Schwarzes an seinem Ohr vorbei. Ron drehte den Kopf leicht nach rechts und erkannte eine Art überdimensionalen, langen, schwarzen Stachel auf dem ein Stück von Hermines Tür sauber aufgespießt war. Das Stück Tür war fein säuberlich herausgeschnitten; die Kanten waren absolut eben. Ron fuhr komplett herum und ehe er sich versah zog sich der Stachel zurück und eine Hand glitt nun durch das Loch in der Tür und griff zum Türknopf. Die Tür wurde geöffnet und schwang knarrend auf. Das war merkwürdig. Als Ron eingetreten war, hatte sich die Tür leise und ohne jeden Ton geöffnet.

„Ron, was zum Teufel ist da drinnen los!?" schrie Hermine und machte Anstalten wieder ihre Wohnung zu betreten, doch Ron fuhr herum und starrte sie jetzt mit aufgerissenen Augen direkt an. „Hermine!! LAUF!!!"

Hermines Augen weiteten sich vor Schreck, als hinter Ron zwei riesige Gestalten emporwuchsen. Sie trugen lange, pechschwarze, wogende Kapuzenroben, die ihren gesamten Körper komplett verhüllten. Tiefe, keuchend rasselnde Atemzüge drangen aus dem innern der schweren Gewänder hervor und es war deutlich zu spüren, wie in Sekundenbruchteilen die Temperatur in Richtung Null sank. Angstschweiß trat ihr auf die Stirn, als einer der Dementoren einfach an Ron vorbei glitt und einen seiner Arme erhob. Er richtete seine Hand auf Hermine, wollte sie packen. Die Hand war schleimig, von einem dunklen graublau und sah aus, als befände sie sich mitten im Prozess der Verwesung. Ein übler Geruch von Tod und Verfall stieg Hermine in die Nase, als sich der Dementor plötzlich direkt vor ihr befand und drohend auf sie hinab blickte. Eine unbeschreiblich tiefe Kälte erfüllte Hermines Körper. Sie zitterte, sie bebte vor Angst. Sie wollte schreien, sie wollte fortlaufen, doch sie konnte sich nicht rühren. Stimmen traten in ihren Kopf. Stimmen aus alten Zeiten. Es waren die Stimmen der Todesser aus der Mysteriumsabteilung. Hermine spürte den gleichen Schmerz wie damals, als ein Fluch sie genau auf der Brust traf und ihr den Atem raubte.

„Hermine, verflucht!! HAU ENDLICH AB!!!" rief Ron. Seine eigene Stimme klang für ihn plötzlich unglaublich weit weg. Er brach je ab, als eine plötzliche Müdigkeit ihn zu übermannen schien, durchsetzt von einer eisigen Kälte, als würde jedwede Wärme und Barmherzigkeit aus seinem Herzen verschwinden. Er kämpfte gegen diese Müdigkeit an und versuchte seinen Kopf zu lehren. Er kannte dieses Gefühl von plötzlicher Kälte nur zu gut. Und er wusste, was er zu tun hatte. Langsam, noch immer gegen die Kälte und die Müdigkeit ankämpfend, der Versuchung widerstehend einfach der Ermattung nachzugeben und ohnmächtig zu werden, wand er den Kopf um und blickte in das schattenhafte Antlitz eines vermummten, gänzlich schwarz bewandten, drei Meter großen Dementors. Seine knochigen, verwesenden Hände hatte er auf Rons gelegt. Die Farbe war aus Rons Gesicht gewichen, so dass er mehr und mehr wie eine Leiche wirkte. Ron hörte aus der allmählich auftretenden Ferne einen dumpfen Schlag. Das rüttelte ihn wach. Er sah zur Seite. Hermine war ohnmächtig geworden und zu Boden gegangen. Der andere Dementor stand über sie gebeugt und war im Begriff seine Kapuze abzunehmen.

Die Hände an den Körper angelegt, spürte Ron plötzlich seinen Zauberstab in seiner Tasche. Der Dementor beugte sich zum ihm herunter und hob sein Kinn an. Die Kapuze fiel von Geisterhand vom Kopf des Dementors und gab sein Gesicht frei. Ron starrte in zwei schwarze, leere Augenhöhlen. Der ganze Schädel des Dementors war nur noch von verwesendem Fleisch umgeben, ansonsten konnte man teilweise die blanken Knochen des Schädels sehen. Ron hörte jetzt ganz deutlich das keuchende, rasselnde Atmen. Er presste seinen fleischigen, lippenlosen Mund auf Rons Lippen und war bereit ihm seine Seele durch die Mundhöhle zu saugen. Ron spürte wie die Eiseskälte urplötzlich zunahm und er seine Augen kaum noch offen halten konnte. Der Dementor setzte zu einem tiefen Atemzug an, da spürte er einen spitzen hölzernen Gegenstand durch seine Robe in seine Eingeweide drücken, sofern diese noch vorhanden waren. Er nahm seinen Mund von Rons und starrte ihn nur an. Die Müdigkeit und die Kälte wich von Ron, der jetzt einen festen, klaren Gedanken gefasst zu haben schien.

Expecto Patronum!" rief er und aus der Spitze seines Zauberstabs schoss ein gigantischer, aus weißem Nebel bestehender Strahl, der den Dementor packte, durch die Luft schleuderte und auf den Boden warf. Ron war sich sicher, so etwas wie einen Schrei gehört zu haben. Er starrte den Dementor an, wie er reglos am Boden lag. Ein Wiesel, gänzlich aus weißem Nebel bestehend stand mit seinen Vorderpfoten auf dem Dementor und sah Ron an. Ron zwang sich zu einem Lächeln. Das Wiesel verschwand. Ron fuhr herum und richtete seinen Zauberstab auf den zweiten Dementor.

Stupor!" Ein roter Lichtblitz schoss von der Spitze seines Zauberstabs los und riss den Dementor von Hermine herunter. Hermine hustete und ging auf die Knie, jappste nach Luft. Ihr war nach Übergeben zu Mute, doch dafür blieb keine Zeit. Der Dementor erhob sich vor ihr. Drohend, wie ein einziger, lebendiger schwarzer Schatten hob er beide Hände und versuchte Hermine erneut zu packen. Jetzt war sie allerdings vorbereitet. Bevor er seine Kräfte erneut auf sie wirken lassen konnte, hatte sie ihren eigenen Zauberstab gezückt und richtete ihn mitten in das undurchdringliche tiefe Schwarz seiner Robe.

Expecto Patronum!!" rief sie und ein Ball aus Licht bildete sich an der Spitze ihres Stabs, der zu Boden fiel und sich dort zu einem Otter aus weiß leuchtendem Nebel entwickelte. Der Otter lief auf den Dementor zu. Mit jedem Schritt den das Geschöpf auf den Dementor zutrat wurde das weiße Leuchten stärker und der Dementor wich mehr zurück. Schließlich fuhr der Dementor herum und floh über den hohen Zaun aus dem kleinen Garten.

Ron blieb kurz still stehen um das Geschehene noch einmal Revue passieren zu lassen und um Luft zu holen. Zwei Dementoren hatten gerade eben versucht Hermine und ihn zu töten. Vermutlich waren es auch sie gewesen, die Sarah umgebracht haben. Die zwei Dementoren und -

Ron fuhr herum, hob seinen Zauberstab und hielt Ausschau nach der dritten Person die mit den Dementoren erschienen war. Verdammt! Er hatte sie vollkommen vergessen und jetzt war sie schon längst über alle Berge und damit auch jedwede neue Spur. Es half alles nichts. Hermine brauchte Schutz und den bekam Ron nur mit Beweisen gestellt. Beweise. Jetzt hatte er keine Beweise mehr. Keine bis auf ...

„Hermine." sagte Ron mit ernster Stimme und sammelte das Stückchen Tür auf, dass die dritte Person fein säuberlich entfernt hatte, um die Tür zu öffnen. „Ich muss dich leider bitten mitzukommen. Es ist zu deinem eigenem Besten." „Ron, ich habe keine Zeit! Professor Flamel verlässt sich auf mich!" „Jetzt noch? Obwohl eine seiner Assistentinnen bereits tot ist und die andere es gerade beinahe auch gewesen wäre!?"Jetzt war es an Ron mit gebotener Skepsis Hermine anzusehen. Sie hielt seinem Blick stand, trat ihm entgegen und besah sich das Chaos in ihrer Wohnung.

„Gerade jetzt mehr denn je." sagte sie bestimmt, ohne ihn dabei anzusehen und befand dass ihre Wohnung sich noch in einem Zustand befand, der für einige Zeit so belassen werden konnte, bis sie wieder kam.

„Herr Gott! Was kann jetzt noch so wichtig sein, dass du dafür dein Leben weiterhin aufs Spiel setzt! Solltest du es immer noch nicht mitbekommen haben, aber das war gerade ein Mordanschlag auf dich gewesen!" „Oh, ich bitte vielmals um Verzeihung, Herr Inspektor, aber hier geht es um meine Zukunft!" „Du HAST keine Zukunft mehr, wenn derjenige, der dir an den Kragen will irgendwann Erfolg haben sollte!! Kapierst du das nicht!?" „DU kapierst nicht!! So eine Chance werde ich nie wieder so schnell bekommen!!" „Eine Chance für WAS!?" „DIE CHANCE LEHRER IN HOGWARTS ZU WERDEN!!"

Stille. Ron starrte zu Hermine, den Mund halb geöffnet. Beide hatten hochrote Köpfe vom gegenseitigen Anschreien, aber das kümmerte niemand. Sie hatten sich schon so oft gestritten, dieser Streit hier gehörte also schon zur Routine. Auch wenn das Ende überraschend anders war, als sonst immer. Wenn sie sich in Hogwarts gestritten hatten, dann waren es Nichtigkeiten gewesen, wie etwa die Rechte von Hauselfen. Hier ging es tatsächlich um Hermines Zukunft, alles andere als eine Kleinigkeit. Nach einigen Minuten des Schweigens tat Ron den ersten Schritt.

„Lehrerin ... Hogwarts ... Du? ... Aber ... Wie?" Mehr brachte er noch nicht zustande, aber jeder halbwegs gebildete Mensch konnte sich aus diesen fünf Worten einen Reim machen. Hermine seufzte.

„Es ist nicht üblich dass blutjunge Hexen ohne jede Erfahrung in solchen Dingen eine Möglichkeit hätten Lehrer zu werden. Dazu fehlten Sarah und mir etliche Jahre an nötigen Kenntnissen. Wir hatten beide erstklassige Noten, sowohl in Hogwarts als auch auf dem College. Professor Flamel hat sich für uns stark gemacht und nach vielen Gesprächen mit Dumbledore, McGonagall und dem Zaubereiministerium uns eine Stelle besorgt. Nenn es eine Probezeit, wenn du willst. Ron, ich kann mir so eine Chance nicht entgehen lassen! Nirgendwo sonst habe ich die Möglichkeit mehr zu lernen und anderen wiederum etwas beizubringen, als in Hogwarts."

Überwältigt von der Fülle an neuen Informationen und Sachverhalten und weil er vermutlich immer noch den aufdringlichen Gestank von verwesenden Knochen in der Nase hatte, verspürte Ron den unweigerlichen Drang sich zu übergeben. Er widerstand, doch die Versuchung war groß. Sich übergeben und dann für eine Woche vom Dienst freistellen lassen. Er wollte einfach nur noch raus. Raus aus dieser Situation. Es war genauso unüblich, dass ein frisch gebackener Hogwarts-Absolvent einen Platz in der Abteilung für magische Strafverfolgung bekam und nach nur drei Jahren mit zwanzig schon den Posten eines Inspektors inne hielt. So was ging nur mit Beistand der richtigen Personen und den passenden Möglichkeiten. Und in derselben Situation befand sich jetzt Hermine. Sie hatte die Unterstützung und die Gelegenheit. Der Einzige, der ihr jetzt dabei war einen Strich durch die Rechnung zu machen war er und das nur, weil er sich um das Leben seiner ältesten und besten Freundin sorgte. Oh, das Leben war ja so verflucht unfair. Und Harry war auch nicht da, wenn man seinen Beistand brauchte. Ron seufzte, kniete sich vor den reglosen Dementor am Boden und legte das Stück der Tür auf seine schwarze Robe.

„Komm her." sagte er und versuchte dabei nicht ganz so müde zu klingen, wie er sich gerade fühlte. Hermine zögerte, ging dann zu ihm und kniete sich ebenfalls neben den Dementor. Ron hatte seinen Zauberstab gezogen und ihn auf das Stückchen Tür gerichtet.

„Ron, was wird das?" fragte Hermine, doch Ron wich ihrem Blick aus. „Wenn du nach Hogwarts musst, dann musst du nach Hogwarts. Und dann gehen wir auch nach Hogwarts!" „Wir?" Ron antwortete nicht. Er griff nach Hermines Hand und legte sich auf das Stück Tür. Ron tippte mit seinem Zauberstab gegen das bisschen Holz und murmelte: „Portus!" Das Holzstück begann in blauem Licht zu glühen und vibrierte leicht. Einen Augenaufschlag später waren Ron, Hermine und der Dementor verschwunden.