Raelynn ritt einen Hengst von der Farbe eines hellen Mondes. Seine Zaumzier war aus kostbarem Leder und lauterem Gold, vom Hals baumelten ihm Gehänge Opal- und Topaskugeln, die als Glücksbringer dienten.....
Raelynn aber trug keinen Schmuck ,nur die graue und schwarze Uniform der Krieger.
Ein einziger Ring saß an ihrer Rechten- ein kleiner goldener Schwan. Ein Geschenk ihrer Mutter zum Andenken an ihre Heimat. Auf den Satteltaschen des Hengstes war klein das silberne Wappen von Dol Amroth eingestickt, das Schiff mit dem Schwan.
Ihr schwarzes Haar war mit einem Band von heller Seide gerafft und in drei hüftlange Zöpfe geflochten.
Neben ihr Ritt Imrahil, in voller Rüstung, und um sie herum eine Schar der besten Ritter von Belfalas ,gefolgt wurden sie von etwa siebenhundert Mann zu Fuß.
Raelynn wandte ihren Kopf und blickte zurück. Zurück zu der großen schwarzes Festung auf den Klippen des Meeres, die sie niemals verlassen hatte. Es war ihr Gefängnis gewesen. Ihre Kette.
Was lag jetzt vor ihr?
Bald entschwanden die dicken Mauern aus ihrer Sicht, und sie richtete den Blick wieder nach vorne.
Immer weiter und weiter ritten sie gen Osten, dort wo sich dichte schwarze Wolken auftürmten und ihr Schicksal zu besiegeln schienen.
Sie kamen schnell voran; Schon am Ende des ersten Tages , an dem sie die ganze Zeit an den Füßen der Dor-en-Ernil entlang geritten waren, verliefen sich die Berge langsam und das Land wurde flacher.
Als die Nacht hereingebrochen war, lagerten sie kurz, nicht weit von den Ufern des Ringló entfernt.
Imrahils Plan war es, die Nacht durchzumarschieren und am nächsten Tag um die Mittagszeit schon den Sirith überquert zu haben.
So hatten sie bei dem hellen Schein des Mondes gute Sicht und kamen tatsächlich schnell voran.
Raelynn hatte die Hände ruhig über die Zügel gelegt und überließ ihrem Pferd den richtigen Weg zu finden. Der lange Ritt hatte sie, zu ihrer eigenen Überraschung kaum ermüdet und so lauschte sie jetzt aufmerksam in die Nacht hinein.
Die Fußsoldaten hatten begonnen alte Lieder zu singen. Imrahil, der die ganze Zeit neben ihr Ritt, sprach mit einem einer Ritter und lachte aus vollem Hals. Seine Rüstung schimmerte im Mondlicht.
Raelynns Gedanken verdunkelten sich. Wie konnte dieser Mann noch immer so gelassen sein? Die meisten aus diesem Heer, und das wußte sie mit Sicherheit, würden niemals wieder nach Hause zurück kehren, und auch das Schicksal des Fürsten stand auf Messers Schneide, denn schonen würde ihn niemand.
Sie betrachtete den Horizont. Schon seit mehreren Stunden hatte sie den rötlichen Dunst gesehen, der im Osten aufzusteigen schien.
Zum Glück hatte sie anderes zu tun, als sich in das Schlachtgetümmel zu werfen. Sie atmete tief durch und betastete ihr Hemd, unter dem sie ein Stück Pergament, gut verborgen wußte.
Ja, sie hatte besseres zu tun.
Es war eine schöne, warme Nacht, ohne Wolken. Der Mond schien hell und man hatte eine Gute Sicht.
Ein großes schwarzes Pferd galoppierte fast lautlos über die stillen Ebenen von Anfalas.
Das Meer rauschte und die Wellen schlugen mit lautem Tosen gegen die schwarzen Felsen. Die schwarzen Felsen. Dol Amroth war nah.
Das silberne Zaumzeug des Pferdes funkelte im Licht der Sterne, als der Reiter die Zügel anzog. Das Pferd schnaubte und schüttelte den stolzen Hals.
„Ruhig ,ruhig!" sagte der Reiter und strich dem Tier über die Flanken. „Bald kannst du ruhen!"
Der Reiter richtete sich in seinem Sattel auf und überblickte das stille Land und das glitzernde Meer.
Vor ihm sah er schon die Wasser des Morthond, er war bald an seinem Ziel; Vorübergehend.
Als der Mond schon weit im Westen stand, sah der Reiter, gegen den heller werdenden Himmel, die Silhouette einer großen Festung. Es waren vielleicht noch acht Meilen. Er trieb sein Pferd zur Eile an.
Und kaum eine halbe Stunde später öffnete sich das große eisenbeschlagenen Tor von Dol Amroth.
Ein schwarzes Pferd trabte über den gepflasterten Hof und hielt, Schweiß überströmt und mit Schaum vor dem Mund vor einer großen Treppe.
Jera, die Fürstin von Dol Amroth, stand am oberen Ende dieser Treppe. Sie sah das prächtige schwarze Pferd mißtrauisch an. Und natürlich der Reiter erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war, allem Anschein nach ein schwarzhaariger Elb.
Jera war erstaunt. Ein Elb in Dol Amroth?
Er trug eine kostbare Kleidung. An seinen Ärmeln und am Saum seiner Weste glitzerte Silber in der aufgehenden Morgensonne.
Jera warf ihren langen rotblonden Zopf über die Schulter. Die Sonne machte einzelne graue Strähnen sichtbar.
„Seit gegrüßt Fremder!" sagte sie, als sie fast am Ende der Treppe angekommen war. Der Elb verbeugte sich mit einem leichten Lächeln.
„Ich grüße euch Herrin von Dol Amroth." Sagte er mit lauter melodischer Stimme und sah ihr in die Augen.
Jera hielt den Atem an. Seine eisbaluen Augen schienen sie zu durchdringen
„Wer seit ihr, und was führte euch in diese Festung?" fragte sie rasch, damit er nicht ihre Verwirrung sehen konnte.
„Ich bin Curòn Uilos. Ich komme gerade aus Rohan, genauer gesagt von den Furten der Isen, und ich habe wichtige Nachrichten für den Fürsten Imrahil von Dol Amroth!"
Jera runzelte die Stirn. Sollte sie diesem Elben glauben schenken?
„Mein Gemahl ist nicht da. Er brach gestern Morgen auf, um meinem Bruder Denethor, dem Stadthalter von Minas Tirith zur Hilfe zukommen. Ich bedaure, dass ihr zu spät kommt!"
Das Gesicht des Elben wurde ausdruckslos. Niemand hätte je erraten können was sich ins einem Inneren abspielte.
Doch als er sprach, schwang ein Hauch von Enttäuschung in seiner Stimme.
„Ich danke euch für diese Auskunft. Für mich heißt es so bald wie möglich abzureisen, vielleicht kann ich ihn noch einholen. Könntet ihr bitte nur meinem Pferd versorgen. Die Reise war anstrengend?"
Jera nickte und gab einem Diener das Zeichen das Pferd fort zuführen.
„Ihr sollt Verpflegung bekommen, und sonst wünsche ich Euch eine gute Reise!" mit diesen Worten wandte sie sich um und eilte zurück in ihr Haus.
Über Curóns Gesicht huschte ein Lächeln, doch es war nicht herzlich.
Kurz darauf öffnete sich das große Tor wieder und entließ den Reiter auf seinem schwarzen Pferd.
Die Mittagsstunde war schon länger überschritten ,und die Sonne brannte gnadenlos vom wolkenlosen Himmel.
Gerade war eine leichte Brise aufgekommen, die die müden Soldaten etwas erfrischte.
Am Vormittag hatten sie schon die Wasser des Serni überquert und bewegten sich jetzt ,zwar langsamer als zuvor, doch stetig auf die Ufer des Sirith. Von dort waren es noch knapp siebzig Meilen bis nach Minath Tirith.
Imrahil war zufrieden. Er hatte sich in seinen Sattel zurück gelehnt und seine Rüstung etwas gelockert.
Sie würden Plan mäßig am Morgen des vierten Tages in Gondors Hauptstadt eintreffen.
Er hatte es geschafft einen anderen Übergang über die Wässer des Gilrain und des Serni zu finden, als den weiten Umweg über Linhir zu machen. Dadurch hatte er enorme Zeit gespart.
Der Fürst hatte sich dazu entschlossen am nächst besten Platz Rast zu machen und ihr Lager auf zuschlagen.
Er blickte übers eine Schulter und sah die schon müden Soldaten, die trotz der Hitze immer noch weiter marschierten.
„Germor!" Er winkte einen großen schwarz haarigen Ritter zu sich
„ Ich schlage vor, das wir ein wenig voraus reiten und das Gelände erkunden, und dann die Soldaten nachkommen lassen. Es hat keinen Sinn sie unnütz während der Suche nach einem geeigneten Lagerplatz zu ermüden!"
Germor nickte und wandte sich an die anderen Reiter. Imrahil zog seine Rüstung zu und überprüfte seine Steigbügel. Aus den Augenwinkel sah er den stechenden Blick seiner Tochter. Den ganzen Weg hatten sie kein Wort gewechselt, doch oft hatte er ihre grünen Augen auf sich ruhen gespürt.
Still wie ein Adler, der auf seine Beute wartet ritt sie neben ihm.
„Raelynn, was ist?" fragte er und stellte sich ihrem Blick. Sie hob wandte Kopf .
„Nichts, Vater!" sagte sie und zog ebenfalls die Gurte ihres Sattels enger. Imrahil wußte, was sie wollte.
Sie wollte mit reiten und ein geeignetes Lager finden, das stand außer Frage, und noch dazu würde wohl kein Wort darüber fallen, das sie es nicht tun sollte. Imrahils senkte seinen Blick und schalt sich selbst, das er so nachgiebig war.
Die Hufe der Pferde klangen dumpf auf dem dicken blätterbedeckten Boden des Waldes.
Es waren zwölf Ritter, der Fürst selbst und seine Tochter, die so durch den Wald jagten.
Das Dämmerlicht, das dort herrschte, ließ ihre Konturen fast mit dem dunklen Erdboden verschwimmen.
Die Bäume standen hier dicht, und Imrahil musste sein Pferd zügeln. Erdrosselte es, bis es zum stehen kam und drehte sich nach seinen Reitern um.
Raelynnn stand schon neben ihm, wie ein Schatten, der ihm gefolgt war. Die anderen Ritter folgten allmählich .
„Hier kommen wir nicht weiter!" sagte Imrahil und sah sich um.
„Nach was suchen wir eigentlich?" fragte einer der Ritter.
„Nach einer Lichtung ,nehme ich an" antwortete ein anderer Ritter auf Imrahils rechter Seite und sah den Fürsten an. Der nickte und strich sich über den kurzen Bart.
Eine Pause trat ein, in dem alle dem Rauschen des Waldes lauschten
„Warum ist es plötzlich so still?" fragte ein anderer Ritter und sah über seine Schulter.
Auch Raelynn hatte die Veränderung der Umgebung gespürt. Sie setzte sich auf und blickte umher. Auf den Gesichtern der Ritter konnte sie eine Spur von Furcht erkennen, doch sie fühlte eher das Gegenteil.
Sie wußte nicht wieso, doch sie hatte keine Angst, ja, sie verspürte sogar ein Hauch von Sicherheit und Überlegenheit, vor dem was da kommen sollte, und es kam.
Ein vielstimmiges Zischen drang durch die Luft und im nächsten Moment hörte man das schwirren von Pfeilen.
Instinktiv hoben die Ritter ihre Schilde, Imrahil zog sein Pferd zurück und hob sein Schild so, dass es auch seine Tochter schützte. Aber Raelynns Gesicht huschte ein überhebliches Lächeln. Wieso sie es lächerlich fand, das der Fürst sie schützen wollte konnte sie in diesem Moment selbst nicht sagen.
„Orks!" rief Imrahil laut und riss sein Pferd herum.
Die Ritter brachen die Pfeile aus ihren Schilden und zogen jetzt Ihrerseits die Waffen.
Orks
strömten nun aus allen Löchern und Spalten, hinter Bäumen
und Felsen kamen sie hervor und griffen die Gruppe an.
Raelynn sog
scharf den Atem ein, als sie unter einem Schauer von Orkpfeilen ruhig
auf ihrem, Pferd sitzen blieb.
Sie hatte schon viele Geschichten über diese wüsten geknechteten Kreaturen gehört. Doch eigentlich waren sie nur Fabelwesen in ihrer kleinen Welt gewesen, und sie hatte ihnen früher nur die unwirkliche Angst eines Kindes zuteil kommen lassen, doch jetzt, da sie Auge in Auge ihnen gegenüberstand spürte sie keine Spur dieser Angst, mehr eine große Überlegenheit dieser bemitleidenswerten Rasse.
Während die Ritter mit erhobenen Schilden und präzise geschwungenen Schwerthieben die Angriffe der Orks abzuwehren versuchten, saß Raelynn immer noch auf ihrem Pferd.
Es sah so aus, als ob die Orks bald besiegt werden würden. Viele lagen schon Tod oder verwundet auf dem mit schwarzem Blut befleckten Boden. Sechs kämpften noch.....drei vielen. Imrahil schlug einen mit seiner Faust zu Boden , und sein Pferd trat den nächsten nieder.
Stille kehrte ein, nur das Keuchen der Ritter, und das Schnauben der aufgeregten Pferde war zuhören.
Imrahil sprang aus dem Sattel um sich um einen am Boden liegenden Reiter zu kümmern.
Raelynn sah es wie in einem Traum. Aus dem Gebüsch rechts neben dem Fürsten tauchten plötzlich zwei weitere Orks auf. Ihre schwarzen Gesichter zu gräßlichen Grimassen verzogen und mit ihren spitzen, primitiven Waffen um sich schlagend. Der Fürst wandte ihnen den Rücken zu.
Raelynn ließ sich langsam aus dem Sattel gleiten. Der Blätter bedeckten Boden federte unter ihren Füßen. Ein Windstoß fuhr durch ihre Haare und zog an ihrem Umhang.
Sie bückte sich, und entriß einem Toten seine Waffe. An der Spitze glänzte rotes Blut.
Die Orks waren nur noch einen Meter von Imrahil entfernt, als dieser langsam den Kopf drehte und die tödliche Gefahr erkannte.
Er öffnete den Mund, und das Entsetzten war auf seinem Gesicht zuerkennen.
Doch noch ehe er auch nur daran denken konnte, seine Waffe zu ziehen, wurde ein Schwert , mitten in den Rumpf des Angreifers gerammt.
Der Ork machte ein kreischendes Geräusch und häßliche Laute gurgelte aus seinem Mund, seine vor Schmerz weit aufgerissenen Augen fixierten die junge Frau, die vor ihm stand und ihn mit ihren unergründlichen Augen zu Boden gehen sah, und sein Maul verzerrte sich zu einem lautlosen Todesschrei.
Über Raelynns Hände rann schwarzes Blut.
