Germor, der schwarz Haarige Reiter, presste seinen Fuß auf die Brust des Orks, während die Anderen seine Hände umklammert hielten.
Imrahil, noch ganz weiß Gesichtig, trat ruhig vor seinen Feind.
„Ork!" rief er ihn an „ Was habt ihr in diesen Wäldern zu suchen!"
Der Orks wehrte sich, er strampelte , warf seinen hässlichen vernarbten Kopf zurück und versuchte freizukommen. Schwarzes Blut sickerte aus einer Wunde am Kopf.
„Der Fürst hat dich etwas gefragt!" zischte Germor.
„Azráhr u bagronk scha...!" knurrte der Ork und entblößte seine gelben spitzen Zähne.
„Antworte mir!" rief Imrahil wütend.
Der Ork schrie und wand sich unter den Händen der Ritter wie eine Schlange.
Raelynn hatte sich abgewandt, hastig versuchte sie sich die Hände von dem Blut zu reinigen, das wie Schuldmale an ihrer Haut haftete.
Sie wußte nicht was geschehen war. Woher war diese Sicherheit gekommen, als sie sich ohne weiteres zwischen den Ork und den Fürsten gestellt hatte?
Ihr Herz begann wild zu klopfen, als sie die Bilder der letzten Sekunden vor ihrem Inneren Auge sah. Wie leichtsinnig war sie mit ihrem Leben umgegangen.
Was war nur in sie gefahren?
Und der seltsame Blick, den der Fürst ihr zugeworfen hatte, als sie von dem Angreifer zurück getaumelt war:E r hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt.
Sie presste die Hand auf die Brust, und als sie unter dem dünnen Stoff das Pergament fühlte, wurde sie ruhiger. Bald würde sie alles wissen!
Unsicher drehte sie sich um und ging ein paar Schritte auf die Ritter zu, die im Kreis um den Orks standen.
Germor hatte mit der Hilfe der anderen Männer, den Ork gefesselt. Er lag jetzt , sich immer noch windend und spuckend auf dem Waldboden. Die Soldaten hatten sich einige Schritte entfernt und hörten dem Fürsten zu, der ihnen seine Pläne mitteilte.
Raelynn machte noch ein paar unsichere Schritte vor. Sie wußte nicht, ob sie den Ork wirklich sehen wollte. Jetzt ekelte sie sich vor ihm und dem schwarzen Blut, das in seinen Adern floss,
und doch war da etwas, das sie dazu bewegte immer weiter zu gehen.
Imrahil sah auf, als er seine Tochter langsam auf sich zukommen sah. Ihr schmales Gesicht war blass, und auf ihrer Kleidung waren schwarze Blutspritzer zusehen. Er schluckte.
Seine liebe kleine Tochter. Was war mit ihr geschehen?
Woher kam dieses Funkeln in ihren Augen, als sie den Ork getötet hatte. Und ihr Gesichtsausdruck dabei....er schauderte. Grausam, wild, nicht seine sanfte ruhige Tochter.
Und doch hatte sie ja damit sein Leben gerettet, er musste sich erkenntlich zeigen und ihr danken.
Der Fürst ging ein paar Schritte auf sie zu und hob die Hand.
Raelynn sah die Hand des Fürsten und seinen zutraulichen Blick, doch sie wußte, das er sich dazu überwand sie in den Arm zunehmen.
Sie zwang sich zu einem Lächeln und schmiegte sich kurz an den kalten Brustpanzer.
Imrahil strich ihr sanft über das tief schwarzes Haar. Sein Haar war braun, braun fast schon dunkelblond, wie fast alle Haare der Menschen aus Belfalas.
Seine liebe Tochter. Etwas an ihr hatte ihn schon immer dazu bewogen, sie zu lieben, obwohl sie nicht die Fröhlichkeit Lothiriels besaß. Sie konnte ihn, ohne das sie ein Wort sagte, Froh oder Traurig machen. Und jetzt spürte er wie sich langsam sein Schreck löste und Stolz in ihm aufstieg.
Seine starke Tochter....ihren seltsamen Blick verdrängte er.
Er spürte wie sie sich langsam von ihm löste und mit stummen Blick hinüber zu den Anderen sah.
„Jetzt ist ja alles vorbei!" flüsterte er und strich ihr über die Wange
„Gleich reiten wir zurück, und wir nehmen den da mit. Verhören können wir ihn auch später!"
Raelynn löste sich von ihm und nickte. Imrahil lächelte sie an, dann drehte er sich um und half seinen Soldaten die verschreckten Pferde zu beruhigen.
Raelynn trat jetzt sicherer auf. Sie hob den Kopf und straffte ihre Schultern.
Sie atmete tief durch. Der Ork , der sich gerade noch erbittert gegen seine Fesseln gewehrt hatte, verstummte auf der Stelle. Seine schlitzartigen gelben Augen weiteten sich; seine Hände gruben sich in den weichen Erdboden.
Raelynn stand einige Sekunden schweigend vor ihm. Blätter fielen von den Bäumen über ihnen.
Fast konnte sie den schnellen Herzschlag des Orks hören.
„Wie ist dein Name!" sagte sie in einem gebieterischen Ton, der ihr fremd vorkam.
Der Ork öffnete sein grässliches Maul und stockte.
„Azráhr!" zischte er. Seine braun geschuppte Brust hob und senkte sich schnell. Er legte seinen Kopf auf die Seite und wich Raelynns Blick aus als ob sie ihn schmerzen würden.
„Was hattet ihr hier in diesen friedlichen Wäldern zu suchen!?" fragte Raelynn und sah das Geschöpf zu ihren Füßen hart an.
Der Ork wand sich; Bäumte sich auf, als ob es eine Qual war, auf ihre Frage zu antworten.
„Schh àk......Grischlock!" sein Gesicht vorzog sich „Das Auge...ahr u svha ...wir ..spionieren!" winselte er.
Raelynn verstand. Sie wußte was er meinte. Sie wollte nicht länger dieser grausigen Sprache lauschen, die ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Es lag ja auf der Hand, was diese Geschöpfe tun sollten. Eigentlich war es sinnlos diesen Ork mitzunehmen, vielleicht würde es eher Schaden...
Der Ork wälzte sich jetzt auf dem Boden hin und her. Es schien, als ob er versuchte davon zu robben, doch weit würde er mit seinen Fesseln eh nicht kommen.
Mit Abscheu sah sie ihn an.
„Du wirst später verhört, und ich hoffe für dich , du sagst dann mehr!" sagte sie , und mit einem letzten Blick wandte sie sich ab.
„Grèmlock sch à ka rezkàa !" der Ork schrie. Raelynn hob die Hände um sich die Ohren zuzuhalten.
„Azráhr...kez ah Iûliell!" der Ork hinter ihr Keuchte. Raelynn wollte seine Worte nicht mehr hören, wollte ihre Bedeutung nicht mal erdenken, und doch brannten sie sich in ihr Gedächtnis.
Schwarze Wolken zogen von Osten herauf.
Der Himmel sah bedrohlich aus, und die Hitze, die über dem Land hing machte eine Reise nicht gerade angenehm.
Curón Uilos ritt immer noch auf seinem Pferd über Gondors Ebenen hinweg.
Gerade hatte er bei Ethring den Ringlo überquert und galoppierte nun über Dor-en-Ernil hinweg.
Er selbst rechnete sich aus, das Imrahil bis jetzt, nur knapp einen Tag Vorsprung hatte.
Er musste ihn erreichen, am besten noch bevor er überhaupt die weiße Stadt betreten hatte.
Curón treib sein Pferd zur Eile an. In einer oder zwei Stunden würde er Linhir erreichen.
Genau zwei Stunden später trabte er schwarze Hengst über die Hölzerne Brücke von Linhir, einem kleinen Fischerort. Curón hätte sich nicht die Mühe gemacht, sein Tempo innerhalb des Ortes zu verringern, doch sein Pferd war müde. Beide, Reiter und Pferd hatten in den letzten Tagen kaum eine ruhige Minute gehabt.
Curón ließ den Hengst jetzt im Schritt gehen. Hochmütig ertrug er auch die gaffenden Blicke der umhergehenden Menschen, die hier unten, im Süden Gondors, kaum je einen Elben zu Gesicht bekommen hatten.
„Werter Herr, darf ich Ihnen behilflich sein?" sprach ihn einer der Fischer an.
Curón blickte zu ihm hinunter und wartete einige Augenblicke bis er Antwortete.
„Vielleicht könnt ihr das wirklich!" sagte er schließlich leise. „Sagt mir, Fischer, ist in den letzten Tagen, hier ein größerer Tross aus Dol Amroth vorbeigekommen?"
Der Mann schüttelte seinen Kopf. „Nein, Herr Elb, nicht hier über Linhir." Curón warf gereizt seine langen schwarzen Haare zurück. Wie sollte das möglich sein?
„Aber, werter Herr Elb," fuhr der Fischer hastig fort, als er Curóns Gesichtsausdruck sah „ Aber einige der Männer aus dem Dorf berichteten, das eine große Gruppe, wohl weiter im Norden den Gilrain überquert hat, vor etwa einem eineinhalb Tagen!"
Curón hob seine geschwungenen Brauen. Das war keine Gute Nachricht. Imrahil hatte jetzt einen noch größeren Vorsprung, da er nicht den Weg über Linhir gemacht, sondern direkt durch die Flüsse gegangen war. Curón blies verdrossen eine Strähne aus dem Gesicht. Das bedeutete wohl eine noch schnellere Reise, wenn er sie je einholen wollte.
„Werter Herr Elb, es wäre mir eine Ehre euch für einige Stunden in meinem Haus bewirten zu können!" begann der Fischer vorsichtig „Wenn ihr mögt....!"
Curón sah ihn herablassend an. Eigentlich hatte er keine Zeit sich in diesem Dorf länger aufzuhalten, und ihm war bewusst, das er dort wohl auch keine ruhige Minute haben würde, da er jetzt schon wie eine Attraktion behandelt wurde. Doch sein Pferd war müde.
„Ich nehme euer Angebot an!" sagte er und sprang leicht aus dem Sattel. Ein Raunen ging durch die Menge, die sich schon um den Neuankömmling geschart hatte. Curón überragte die Menschen um fast eineinhalb Köpfe .Im Süden Gondors war eine solche Größe eine Seltenheit.
Das Haus des Fischers war das größte und wahrscheinlich auch beste im Dorf. Doch für Curón war es kaum mehr als eine Baracke. Es war klein, dunjle und stank; Nach Fisch und Mensch gleichermaßen, doch konnte der Fischer und seine Familie wenigstens das Pferd versorgen.
Zu der Familie des Fischers gehörte noch seine Frau, eine Magd, und vier Kinder im Alter von drei bis sechzehn Jahren. Sie alle hatten sich im größten Raum des Hauses eingefunden und waren wohl ganz hingerissen von der Erscheinung des Elben.
Die Frau des Fischers, eine kleine dickere Gestalt verschwand sogleich in der Küche, aus der bald ein wunderbarere Geruch ausströmte. Curón verschwieg es höflicher Weise, das er keineswegs Hunger verspürte.
Seine Satteltaschen wußte er noch prall gefüllt mit Lembas.
Als schließlich die dampfenden Speisen auf dem Tisch standen, scharte sich die gesamte Familie noch näher um den Gast.
Curón probierte mal hier mal da und ließ sich zu einem Kopfnicken herab.
„Schmeckt es euch, Herr Elb?" fragte der Fischer erwartungsvoll
Curón nickte nochmals.
„Habt ihr noch einen Wunsch?" fragte der Fischer
Curón schüttelte den Kopf
„Ehm.... was treibt einen Elben in diese abgelegene Gegend?" fragte der Fischer immer noch versucht ein Gespräch zu beginnen.
„Geschäfte!" sagte Curón schließlich etwas genervt von der Fragerei, und als er merkte, das diese Antwort seinen Wirten zu dürftig war fügte er huldvoll hinzu
„ Ich folge dem Fürsten von Dol Amroth in die Hauptstadt, um ihm wichtige Neuigkeiten zu berichten!"
Der Fischer machte große Augen „Dem Fürsten ...in die Hauptstadt?"
„Ja so ist es!" sagte Curón trocken
„Ein wichtiger Botschafter also!" Der Fischer sah seine Frau an. „ Es ist uns wirklich eine Ehre sie hier zuhaben, Herr Elb. Gerade in diesen Zeiten sind wir froh über jegliche Nachricht. Was geht dort vor, hinter den schwarzen Bergen?"
Curòn schwieg und aß.
Die Sonne ging gerade flammend rot am Horizont unter, als Curón über den staubigen Hof ging.
Unter dem Vorwand frische Luft zu brauchen, hatte er sich aus dem Haus gestohlen.
Bald würde er wieder abreisen.
Als er um die Hausecke bog, stoben einige Mädchen kichernd davon. Die Nachricht eines gutaussehenden Mannes, der noch dazu ein Elb war, hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen.
Curón schnaubte verächtlich. Er musste so schnell wie möglich von hier verschwinden.
