2. Kapitel

Cole stand in der Halle und ging auf den offenen Eingang zum Wintergarten zu. Er betrat den Raum langsam und sah in der Ecke ein Babybett stehen. Er ging darauf zu und betrachtete das Kind. Es schlief ganz friedlich mit einem kleinen rosa Stoffhasen im Arm. Cole setzte sich auf den Sessel, den Clara Jennings kurz zuvor verlassen hatte, auf der Armlehne lagen noch ihre Stricksachen. Cole legte sie auf den Tisch und schaute wieder auf das schlafende Baby. Seine Gefühle waren konfus, er konnte das alles noch nicht recht fassen, schließlich hatte er noch Minuten zuvor in der Zwischenwelt festgesessen. Plötzlich bemerkte er, wie der Kleine sich bewegte und langsam seine Augen öffnete, als habe er ihn bemerkt. Blaue Augen, die Coles eigenen so verblüffend ähnelten schauten ihn erwartungsvoll an. Phoebe hatte ihm nie erzählt, was mit ihrem Kind geschehen war. Cole hatte angenommen, dass es gestorben war, aber er hatte keine Chance gehabt, sie danach zu fragen. Phoebe hatte es offensichtlich nicht für nötig befunden, ihm eine Erklärung zu dem Verschwinden ihres Kindes abzugeben. Wahrscheinlich war sie froh gewesen, von dem Dämon befreit zu sein, dachte er grimmig und lächelte dem Jungen aufmunternd zu, der ihn weiterhin aufmerksam betrachtete, ohne einen Ton von sich zu geben.

Plötzlich überkam Cole eine unglaubliche Trauer über alles, was er verloren hatte. Seinen Sohn, seine Frau, seine Familie, hätte dies alles wahr werden können, wenn er stärker gewesen wäre, wenn er das böse besiegt hätte und nicht alles schief gelaufen wäre?

„Es tut mir leid."flüsterte Cole dem Jungen zu, der noch immer keinen Ton von sich gab. Doch für Verzweiflung war jetzt keine Zeit, beschloss er, er hatte diese Chance erhalten, und er würde sie nutzen. Er versprach seinem Sohn lautlos, immer für ihn da zu sein, ihm immer zur Seite zu stehen und zu beschützen, was auch passieren würde. Er würde ihm all seine Liebe geben und ihn nie wieder verlassen. Denn das war nötig, davon war Cole um so mehr überzeugt, als sein Blick auf das Stofftier fiel. Er verzog sein Gesicht, ein rosa Stoffhase, was hatte Prue mit seinem Sohn vor?

Als hätten seine Gedanken sie herbeigerufen, hörte Cole, wie sich die Haustür öffnete und jemand mit schnellen Schritten auf den Raum zuging.

Prue hatte den schnellst möglichen Weg nach Hause gewählt, aber trotz allem war sie in einen Stau geraten. Die ganze Fahrt hatte sie fast zur Weißglut gebracht, und als sie endlich vor ihrem Haus angekommen war, hatte sie den Wagen von Mrs. Jennings nicht in der Auffahrt entdeckt. In höchster Alarmstufe hatte sie die Haustür aufgeschlossen und war hineingestürmt.

Als sie das Zimmer betrat, waren ihre Befürchtungen wahr geworden, dort auf dem Sessel saß nicht Mrs. Jennings, um auf Daniel aufzupassen, sondern Cole.

Die beiden starrten sich an und keiner von beiden brachte einen Ton heraus. Schließlich war es Cole, der als erster den Mund aufmachte. „Prue, ich hätte dich fast nicht wiedererkannt, als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du ein Hund."Erklärte er ruhig, obwohl er eigentlich tausend andere Fragen hatte.

„Ach tatsächlich?"Prue sah ihn auffordernd an. „Und als ich dich das letzte Mal gesehen habe, da hattest du gerade eine Hexe umgebracht."

Cole zuckte mit den Schultern. „Es kommt mir vor als wäre das eine Ewigkeit her." „Ja, in der Zwischenzeit ist so einiges passiert, nicht wahr."erklärte Prue kühl und ging zu Daniels Bett um ihn auf den Arm zu nehmen und fort von Cole zu bringen. Doch als Prue den Raum verließ um in die Küche zu gehen, folgte er ihr.

„Wo ist eigentlich Mrs. Jennings?"fragte sie, als sie in der Küche niemanden vorfand und das Abendessen noch unvorbereitet auf dem Tisch stand.

„Ich habe ihr freigegeben."erklärte Cole gelassen.

„Wieso das?"fragte Prue und drehte sich zu ihm um.

„Weil sie gestört hat, wir haben schließlich einiges zu bereden."

Prue schloss genervt die Augen. „Hör zu, das alles war ein Missverständnis, ich will dich hier nicht haben, und ich verstehe immer noch nicht, wieso dich der Engel des Schicksals überhaupt erreichen konnte."

„Nun er konnte es eben und darum bin ich hier und ich werde bestimmt nicht gehen."teilte Cole ihr unmissverständlich mit.

„Aber ich sehe keine Möglichkeit, hier zusammen mit dir zu leben." Erklärte Prue energisch, sie würde sich von keinem Engel zu so etwas zwingen lassen.

„Tja, dann musst du wohl ausziehen, schließlich ist dies mein Sohn und es ist mein Haus, also wenn du nicht mit mir zusammenleben kannst, dann ist es an dir zu gehen."fasst Cole die Tatsachen ruhig zusammen.

„Nie im Leben, ich überlasse dir doch nicht Phoebes Sohn."Wer wusste schon, was er mit ihm anstellen würde. Zu ihrem Missfallen erinnerte sie sich wieder, dass das Haus zuvor irgendwelchen Turners gehört hatte und daher alles so arrangiert worden war, dass Cole und damit Phoebes Mann dieses Haus von einer entfernten Verwandten Coles geerbt hatte. Turner war leider ein geläufigerer Name als Halliwell.

„Er ist auch mein Sohn, falls du das vergessen hast."klärte Cole sie kühl auf.

„Eine Tatsache die ich gerne vergessen würde."Sie starrte Cole an und bemerkte, dass Daniel auf ihrem Arm zu weinen angefangen hatte, die Streitereien der beiden Erwachsenen hatten ihn irritiert. „Ist schon gut,"versuchte sie ihn zu beruhigen, doch er wollte nicht aufhören.

„Gib ihn mir."meinte Cole und ging auf sie zu.

Prue sah ihn wütend an, doch sie musste feststellen, dass der Junge mit dem Weinen aufhörte, als Cole in sein Sichtfeld kam. Mit einem demonstrativen Seufzer gab sie das Baby an Cole weiter und schüttelte den Kopf. „Wir werden niemals zusammen leben können, das muss dir doch wohl klar sein."Versuchte sie es erneut, aber dieses Mal in einem ruhigen Tonfall.

„Soweit ich weiß, ist dies eine Welt ohne Magie. Also bin ich kein Dämon mehr."erklärte Cole und sah sie auffordernd an. „Du brauchst also keine Angst vor mir zu haben."

„Als ob ich die je gehabt hätte."Prue seufzte. „Doch Dämon hin oder her, du wirst ja wohl kaum abstreiten können, dass wir uns nie besonders mochten, wir werden nicht miteinander auskommen." erklärte sie bestimmt.

Cole wandte seinen Blick von seinem Sohn ab und sah sie an. „Wer weiß!" meinte er und zuckte mit den Schultern. „Das Haus ist groß, wir gehen uns einfach aus dem Weg."

„Es wird nicht funktionieren."Erklärte Prue fest überzeugt.

„Warum seid ihr Halliwells nur so pessimistisch? Immer seid ihr darauf aus, dass das Schlimmste geschieht."

„Tja wir haben halt so unsere Erfahrung mit Katastrophen."meinte Prue, aber da ihr im Moment auch keine andere Lösung einfiel, nickte sie. „Aber wir haben wohl keine andere Wahl, als es fürs erste miteinander auszuhalten, bevor mir etwas besseres einfällt."

„Okay!" erklärte Cole mit einem zufriedenen Lächeln. „Also welches Zimmer ist meins?"

Prue sah ihn zweifelnd an. „Komm mit."meinte sie schließlich und führte ihn geradeaus zu einem kleinen Raum, der zur Straße hinausging. „Dieses Zimmer ist noch frei."Sie öffnete die Tür und Cole schaute in einen Raum, der mit Gerümpel vollgestellt war.

„Tante Prue ist wirklich großzügig."erklärte er seinem Sohn, der ihn verständnisvoll anblickte. „Sie gibt mir die Besenkammer."

„Das ist nicht die Besenkammer." verteidigte Prue sich. „Wenn all die Sachen weggeräumt sind, ist der Raum ziemlich groß."

Cole sah sie skeptisch an, doch ehe er sich versah, hatte sie ihm das Kind vom Arm genommen und war zurück auf dem Weg in die Küche. „Warte!"rief ihr Cole hinterher. „Was hast du vor?"

Sie drehte sich um. „Da du Mrs. Jennings ja unbedingt frei geben musstest, bevor sie das Abendessen vorbereitet hat, habe ich jetzt in der Küche zu tun." „Und was soll ich mit all dem Zeug hier drinnen anfangen?"

„Ich weiß nicht, die guten Teile kannst du behalten und die übrigen Sachen kommen auf den Sperrmüll."Prue verschwand in der Küche und Cole wandte sich wieder dem kleinen Raum zu. Großartig, aber wenn Prue dachte, sie würde ihn mit dieser Abstellkammer abschrecken können, dann hatte sie sich geirrt. Tatkräftig machte er sich daran, Ordnung in das Chaos zu bringen.

Als er spät am Abend beinah fertig war, kam Prue noch einmal vorbei. Das Zimmer sah jetzt ganz passabel aus. Cole hatte einige Möbel unter anderem ein Bett und einen Schrank im Zimmer gelassen, und die übrigen Sachen in der Vorhalle platziert. Mit dem Sessel, den er vor das Fenster gestellt hatte, war der Raum jedoch übervoll und ließ kaum Platz zum Gehen.

„Siehst du, so klein ist es doch gar nicht."meinte Prue dennoch und drehte sich zu den Sachen in der Halle um. „Das andere Zeug kannst du morgen in die Garage neben dem Haus bringen, die benutze ich sowieso nie."Sie sah die Sachen skeptisch an. „Oder am besten gleich zum Sperrmüll."

„Zu Befehl."erklärte Cole und schüttelte den Kopf. „Ich hatte ganz vergessen, wie sehr du es liebst zu kommandieren."

„Und wenn du darauf hörst, dann kommen wir vielleicht sogar miteinander aus."Teilte sie ihm mit. „Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich jetzt nach oben gehen werde."

„Und was ist mit ..."Cole fiel auf, dass er noch nicht einmal den Namen seines Sohnes kannte.

Doch Prue wusste, wer gemeint „Er schläft bereits, er ist schließlich noch ein Baby."

Wütend starrte Cole sie an, sie hätte ihm wenigstens Bescheid sagen können, dachte er grimmig, und fragte. „Wie heißt mein Sohn eigentlich?"

„Daniel!"

Cole verzog ein Gesicht „Daniel? Das kann doch nicht dein Ernst sein? Wer ist denn auf den Namen gekommen, etwa du?"

„Wer sonst. Und er passt perfekt zu ihm."

„Daniel? Danny mit dem rosa Plüschhasen."Cole schüttelte den Kopf. „Ein Glück, dass ich jetzt da bin, wer weiß, was du sonst aus ihm gemacht hättest."

Am nächsten Morgen stand Prue früh auf, und zog Daniel an. Sie hatte am Abend zuvor noch Judy angerufen und sich zum Frühstück mit ihr in ihrem Lieblingscafe verabredet. Sie vernahm keinen Laut, als sie vorsichtig das Haus verließ. Sie lief zu ihrem Wagen und sah, dass die Vorhänge im unteren Stock noch zugezogen waren. Erleichtert machte sie sich auf den Weg.

Als Prue das Cafe erreichte, wartete Judy bereits auf sie. Sie saß an einem der Tische, die vor dem Cafe aufgestellt waren und streckte ihr Gesicht der Morgensonne entgegen. Judy war eine Frühaufsteherin und hatte bereits ihre allmorgentliche Joggingtour hinter sich. Nun freute sie sich darauf, sich einem ausgiebigen Frühstück widmen zu können. Auf dem Tisch türmten sich schon verschiedene Teller, doch trotz des guten Geruchs verspürte Prue keinen Appetit.

Als Judy Prue erblickte, bemerkte sie sofort, dass etwas nicht stimmt. „Hey, ist alles in Ordnung, du siehst aus, als hättest du schlecht geschlafen."

Prue platzierte Danny neben sich und ließ sich selbst auf einem der Stühle nieder. „Das kannst du laut sagen."meinte sie und seufzte. „Mein Schwager ist aufgetaucht."

„Welcher Schwager?"fragte Judy mit vollem Mund.

„Na Dannys Vater, Cole Turner." Judy stoppte beim Kauen und sah Prue überrascht an. „Dannys Vater? Aber .. aber ich dachte seine Eltern sind tot." „Nein, nur meine Schwester, Cole lebt leider noch."erklärte Prue frustriert. „Und wo war er die letzte Zeit."fragte Judy verwundert.

„Ach er hatte noch einiges in San Francisco zu klären,"redete Prue sich raus. „Doch nun scheint es, als wolle er sich in meinem Zuhause häuslich niederlassen."erklärte sie genervt.

Judy sah sie forschend an. „Du scheinst ihn nicht besonders zu mögen." erkannte sie schnell.

„Da liegst du richtig, ich bin noch nie sonderlich gut mit ihm ausgekommen, und jetzt will er doch tatsächlich bei mir einziehen."ärgerte sich Prue.

„Aber ist es nicht sein Haus?"fragte Judy nach.

„Im Grunde schon."gestand Prue immer noch ärgerlich darüber, dass der Engel ihnen nicht ein Haus von irgendwelchen Halliwells ausgesucht hatte. Judy schüttelte den Kopf. „Selbst wenn du ihn nicht besonders magst, er ist Dannys Vater und ein Kind braucht seinen Vater." Stellte sie unmissverständlich fest. Sie hatte ihren Vater nie kennengelernt. Ihre Mutter und er hatten sich noch vor ihrer Geburt getrennt. Doch Judy hatte sich ein Leben lang nach einem Vater gesehnt und sie hatte sich selbst geschworen, dass sie, falls sie mal Kinder haben würde, was noch in den Sternen stand, ihnen so etwas nie antun würde. Selbst wenn die Eltern sich trennten, dann hatte das Kind ein Recht auf beide Elternteile, da kannte sie keine Kompromisse.

„Judy, du kennst ihn nicht. Nicht jeder Vater ist gut für sein Kind." erklärte ihr Prue.

„Aber ich dachte immer du hättest darunter gelitten, dass dein Vater euch so früh verlassen hat."meinte Judy nachdrücklich.

„Du hast ja Recht, und gerade darum weiß ich nicht, ob es gut für Danny ist, dass Cole jetzt auftaucht und sich bei ihm einschleimt und irgendwann in Zukunft einfach so abhaut, nachdem Danny sich an ihn gewöhnt hat."erklärte sie ärgerlich.

„Meinst du er würde das tun? Hat er deine Schwester nicht geliebt?" fragte Judy überrascht.

„Doch" musste Prue eingestehen.

„Aber dann wird er seinen Sohn genauso lieben."erklärte Judy. „Und er ist das einzigen, was ihm geblieben ist."

Prue starrte Judy an, wie sollte sie ihr auch nur annähernd die Beziehung von Phoebe und Cole beschreiben, das war einfach unmöglich. Daher beschloss sie, das Thema zu wechseln. „Ist schon gut, ich werde irgendwie versuchen, mit ihm auszukommen, um Daniels Willen." Prue betrachtete ihren kleinen Neffen, während Judy ihrem Blick folgte.

Sie lächelte den kleinen Jungen an. Obwohl sie mit Kindern normalerweise nicht zurecht kam, mochte sie Danny eigentlich ganz gerne. Er lächelte zurück und Judy fiel ganz plötzlich etwas ein. „Aber dann hast du ja heute jemandem der auf ihn aufpassen kann."erkannte sie zufrieden.

Prue sah sie fragend an. „Was?"

„Na unser Treffen heute Abend. Ich wollte dich doch mit Roberts Freund bekannt machen."erinnerte Judy sie.

„Ach ja,"fiel es Prue wieder ein. „Aber das geht wirklich nicht, ich kann doch Cole nicht alleine mit dem Kind lassen."

„Wieso nicht, er ist schließlich sein Vater."Judy schüttelte den Kopf. „Es ist doch gut wenn Danny mal mit seinem Vater allein ist, schließlich haben die beiden sich lange nicht gesehen." „Es geht nicht Judy."schüttelte Prue den Kopf.

„Natürlich geht es, sonst bist du doch auch keine Glucke. Paul ist wirklich ein toller Kerl, wenn du meine Freundin bist, dann tust du mir diesen Gefallen."

Als Cole am Morgen aufwachte, wusste er im ersten Moment nicht mehr wo er war. Erschreckt setzte er sich auf, bis plötzlich die Erinnerungen wiederkamen. Er lebte wieder und zwar zusammen mit Prue und seinem Sohn. Er sah sich um, und zwar in einer besseren Besenkammer. Zu seiner Überraschung war er am Abend zuvor sofort eingeschlafen und hatte bis in den späten Vormittag geschlafen. Er stand auf und zog die Vorhänge auf, um auf die Straße zu blicken. Er konnte sich nicht erinnern wann er das letzte Mal hatte schlafen können, es schien eine Ewigkeit her zu sein. Die Gedanken an Phoebe hatten ihn zu sehr gequält. Er wartete auf den bekannten Schmerz, aber er verspürte nur einen leichten Stich. Das Gefühl des Schmerzes, des Verlustes war einem Gefühl der Trauer gewichen. Tiefes Bedauern darüber, wie etwas, was zu Beginn alle unüberwindbaren Hürden genommen hatte, so hatte enden können. Plötzlich sah er ihr Gesicht vor seinem geistigen Auge, wie eiskalt sie geblickt hatte, als sie ihn das letzte Mal vernichtet hatte. Er zog schnell seine Sachen vom Tag zuvor an und trat aus dem Zimmer, er wollte nicht an Phoebe denken und zu seiner Überraschung stellte er fest, dass er froh war, dass sie nicht hier war.

Es war vorbei, das spürte er, selbst wenn sie in dieser Welt leben würde, dann würde er sie nicht wiedersehen wollen. Er hatte endlich akzeptiert, dass es die Phoebe, die er geliebt hatte, die ihn mit ihrer Liebe vor seinem dämonischen Ich gerettet hatte, nicht mehr gab. Sie hatte sich in eine Person verwandelt, die ihm fremd geworden war, die er nicht mehr kannte und nicht liebte. Er wusste, dass er ihre gemeinsame Zeit und ihre Liebe ein Leben lang vermissen würde, doch ganz gleich, ob sie in seiner Welt lebte, oder nicht, für ihn war sie tot und nichts würde sie wieder zum Leben erwecken. Und plötzlich fühlte Cole sich frei, frei von allem Bösen, frei von dieser qualvollen Liebe, er hatte die Tatsachen endlich akzeptiert und war bereit für sein neues Leben.

Er betrat die Halle und ging in das Badezimmer, das Prue ihm am Abend zuvor gezeigt hatte. Zu ihrem Bedauern gab es nur das eine Badezimmer in diesem Haus, aber sie hatte schon vorgeschlagen, die Zeiten genau aufzuteilen.

Nachdem Cole fertig war, ging er in die Küche, er hatte im ganzen Haus keinen Laut vernommen und als er aus dem Fenster blickte, musste er feststellen, dass Prues Wagen nicht da war. Wie hatte sie ohne etwas zu sagen, einfach so weggehen können, fragte er sich wütend, während er im Kühlschrank nach etwas zu essen suchte.

Nachdem er nicht allzuviel essbares gefunden hatte, nahm Cole an, dass Prue einkaufen gefahren war. Er begab sich wieder in die Halle und da ihm nichts besseres einfiel, beschloss er das Gerümpel, welches die Halle versperrte in die von Prue erwähnte Garage zu transportieren.

Als Prue am Nachmittag wieder nach Hause kam, war die Halle leergeräumt. Sie sah sich überrascht um, als Cole aus der Küche auf sie zukam.

„Wo bist du gewesen?"fragte er.

„Aus!" erklärte sie resolut. „Ich habe dir ja wohl keine Rechenschaft abzulegen."

„Doch, du hattest schließlich meinen Sohn dabei und ich hatte angenommen, dass wir versuchen wollten miteinander auszukommen." „So ist es, und ich glaube es war dein Vorschlag, dass wir uns aus dem Weg gehen."erinnerte ihn Prue.

Doch bevor sie weiter streiten konnten, klopfte es an der Glastür zum Garten. Prue war froh über diese Ablenkung und ging durch den Wintergarten darauf zu. Vor der Tür stand ihre Nachbarin Dianne McCormack mit ihrer Tochter auf dem Arm.

„Hallo, Prue,"begrüßte Dianne sie. „Ich bin nur vorbeigekommen, um dir zu sagen, dass ich wieder zurück bin. Scott ist noch für ein paar Tage bei seinen Eltern geblieben, aber ich habe es dort nicht mehr ausgehalten und ihnen erzählt, dass ich Zuhause noch wichtiges zu erledigen hätte."Sprudelte es aus Dianne heraus. „Meine Schwiegermutter und ich, das ist einfach die Hölle. Ich denke immer, ich als Psychotherapeutin müsste eigentlich besser damit klarkommen, aber Pustekuchen." Dianne blickte auf und sah hinter Prue einen Mann stehen, der sie interessiert betrachtete. „Oh Prue, ich wollte dich nicht stören, wie ich sehe hast du schon Besuch, also verschwinde ich am besten gleich wieder."meinte sie mit einem Lächeln und wollte schon wieder durch die Tür verschwinden, als Prue sie aufhielt.

„Nein warte, halt."meinte sie. „Ich habe Zeit für dich."

„Aber..." Dianne sah Cole an.

Prue folgte ihrem Blick und meinte. „Ach das ist nur Cole."

Dianne sah sie erwartungsvoll an.

„Dannys Vater."erklärte Prue und drehte sich zu ihm um. „Das ist Dianne McCormack, sie wohnt in dem Haus auf dem Grundstück geradeaus."

Dianne warf Prue einen überraschten Blick zu und ging dann auf Cole zu, um ihm die Hand zu geben. „Ich freue mich Sie kennen zu lernen. "

„Ganz meinerseits."meinte Cole mit einem unverbindlichen Lächeln.

„Und das ist meine Tochter Sarah,"stellte ihm Dianne hier Baby vor. „Sie und Danny sind schon die besten Freunde."erklärte sie mit einem Lächeln. „Wahrscheinlich werden sie einmal heiraten."meinte sie lachend und wandte sich wieder an Prue.

Aus ihrem Blick konnte Prue schließen, dass sie tausend Fragen hatte und bevor Dianne anfangen würde, Cole auszufragen, beschloss Prue, ihn fürs erste los zu werden. Sie ging auf ihn zu und reichte ihm Daniel. „Kannst du ihn nach oben in sein Zimmer bringen?"fragte sie auffordernd. „Ich war den ganzen Tag mit ihm unterwegs und er ist sicher müde."

„Kein Problem."Cole nahm das Kind und warf beim Hinausgehen seiner neuen Nachbarin einen letzten Blick zu. „Auf Wiedersehen Dianne."

Dianne sah ihm hinterher und ließ sich dann auf dem Sofa nieder. „Warum hast du mir nie etwas von ihm erzählt, ich dachte Dannys Eltern seien tot."

„Das habe ich nie gesagt, und es gibt auch gar nichts über ihn zu erzählen."erklärte Prue kühl.

„Wo war er denn die letzte Zeit, wieso hat er das Kind bei dir gelassen, ist er nur zu Besuch oder bleibt er jetzt gleich hier?"

„Dianne, bombardierst du deine Patienten auch immer mit so vielen Fragen?" „Tut mir leid, ich bin nur so neugierig und ich verstehe das ganze nicht." erklärte Dianne.

„Er hatte ganz einfach noch in San Francisco zu tun."teilte Prue ihr so gelassen wie möglich mit. „Und ja, es sieht leider so aus, als würde er für länger bleiben."

„Das ist schön, ein Kind braucht beide Elternteile,"erklärte Dianne mit einem zufriedenen Nicken. „Und wenn Dannys Mutter schon nicht mehr für ihn da sein kann, dann sollte wenigstens sein Vater das tun."

Prue seufzte, „das habe ich heute schon einmal gehört, aber du wirst mir sicher auch bestätigen können, dass sich ein Kind in einem Haushalt, in dem sich die sogenannten 'Elternteile' die ganze Zeit streiten, nicht besonders wohl fühlen wird." „Du streitest dich mit ihm?"fragte Dianne überrascht. „Er ist doch deine Familie." „Er war mit meiner Schwester verheiratet, das würde ich kaum als Familie bezeichen."Sie sah Dianne mit einem Lächeln an. „Deine Schwiegermutter ist schließlich auch Familie und ihr könnt euch nicht ausstehen." Dianne seufzte. „Du hast ja Recht, aber ihr solltet wirklich einen Weg finden, es nicht zu tun. Allein schon wegen Danny." „Ich weiß, aber das ist leichter gesagt als getan." Die beiden schwiegen, als Prues Telefon anfing zu klingeln. Es war Judy, die sie erneut dazu überreden wollte, am Abend mit ihr auszugehen. Prue dachte angestrengt nach, in ihrem Kopf hatte sie schon die Bilder vor Augen, wie sie den ganzen Samstag Abend versuchte, Cole aus dem Weg zu gehen. Sie blickte zu Dianne hinüber und ihr erschienen ähnlich unangenehme Bilder, wie sie versuchte, Diannes Fragen nach Cole und Phoebe zu entgehen, da war ein Abend mit einem wildfremden Mann doch vielversprechender, selbst wenn er ein Freund von Judy war. „Okay, ich komme."teilte sie ihrer Freundin schließlich mit, was diese mit Begeisterung zur Kenntnis nahm. Nachdem Prue wieder aufgelegt hatte, fragte sie Dianne, ob sie an diesem Abend auf Daniel aufpassen könnte.

„Sicher," meinte Dianne. „Aber warum kann sein Vater das nicht tun?"

„Weil ich noch nicht weiß, inwieweit ich mich auf ihn verlassen kann."Erklärte Prue und stoppte Dianne mit einer Handbewegung, bevor diese ihr eine Moralpredigt über Vertrauen und Eltern und so weiter halten konnte. „Tu mir einfach diesen Gefallen."

„Gut, kein Problem. Ich komme dann mit Sarah rüber, dann kann ich auch deinen Schwager näher kennen lernen."erklärte Dianne zufrieden.

Prue zuckte die Schultern, sollte sich Cole doch gegen Diannes Neugier wehren.

Als Prue in ihrem Abendoutfit, die Treppe herunterkam, fand sie Cole im Wintergarten vor. „Ich gehe aus."Teilte sie im kurz mit.

Cole warf ihr einen überraschten Blick zu. „Du läßt mich mit Danny allein?"Fragte er erfreut.

Als Prue die Freude darüber in Coles Augen sah, musste sie unerklärlicher Weise nach unten sehen. Sie sah ihre Handtasche an und meinte. „Dianne kommt gleich vorbei, um auf Danny zu achten."

„Hm, schon klar."meinte Cole kalt. „Ihr Halliwells traut mir ja nie, als ob ich es zulassen würde, dass ihm etwas passiert." „Du bist gerade mal einen Tag hier, und du kennst dich mit Babys nicht aus, und ..." Cole hob seine Hand. „Bemüh dich nicht, du hast sicher tausend gute Gründe."

Bevor Prue noch etwas erwidern konnte, klopfte es an der Tür und Dianne erschien. Als sie den Raum betrat, bemerkte sie die schlechte Stimmung, die in der Luft lag. Sie sah Prue nachdenklich an und wandte sich dann an Cole. „Ich kann auch wieder gehen, wenn sie lieber allein sein wollen."teilte sie ihm mit.

„Nein, ist schon okay, wir wollen doch schließlich nicht Prues Seelenheil zerstören."Er wandte sich wieder an seine ehemalige Schwägerin. „Ich wünsche dir einen schönen Abend Prue."meinte er sarkastisch.

„Danke." Erklärte sie, als hätte sie den Sarkasmus in seiner Stimme nicht gehört und drehte sich auf dem Absatz um, um das Haus zu verlassen. Dass sie vorsichtig war, war doch schließlich ihr gutes Recht, wieso fühlte sie sich dann nur wie eine Verräterin. So ein Blödsinn. Sie ging auf ihren Wagen zu, um zu ihrer Verabredung zu fahren.

Nachdem Dianne ihre Tochter in das Zimmer von Danny gebracht hatte, kam sie wieder die Treppe hinunter und suchte nach Cole. Sie fand ihn im Garten vor, er saß vor dem Eingang auf den Stufen der alten Veranda. Sie ließ sich ein Stück neben ihm nieder. „Prue macht sich Sorgen um Danny. Daran ist doch nichts schlimmes, sie liebt ihn und will ihn einfach beschützen."

„Oh, sie finden es also normal, dass sie ihn vor seinem eigenen Vater beschützen will?"fragte Cole ironisch.

„Sie würde ihn vor jedem beschützen, so ist sie einfach. Ich denke es wäre unerträglich für sie, ihn auch noch zu verlieren."

„Und für mich nicht?"fragte er leise.

Als Dianne diese Frage hörte, wunderte sie sich, wieso er seinen Sohn die letzten Monate alleine gelassen hatte, sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, das er dies freiwillig getan hatte. Sie sah ihn von der Seite aus an. „Hören Sie, wenn sie irgendwann das Bedürfnis haben, über ihre Trauer zu reden, dann bin ich für sie da."

Cole sah sie irritiert an, und sein Gesichtsausdruck zeigte schon, was er von ihrem Angebot hielt. „Nein danke!" „Sie sollten wissen, dass ich als Psychotherapeutin auch Trauerbetreuung mache. Manche Menschen kommen mit dem Tod eines geliebten Menschen nicht zurecht, sie ergeben sich ganz ihrer Trauer oder nehmen Drogen, oder sie verdrängen ihre Trauer ganz einfach. Dabei ist die Bewältigung der Trauer ein Prozess und dabei kann ich helfen."

„Nein danke, so etwas brauche ich nicht."Cole schüttelte den Kopf, wie kam sie nur auf so eine Idee?

„Okay, das bleibt ganz ihnen überlassen."Dianne sah geradeaus auf ihr Haus. „Ich werde jetzt nach Hause gehen und irgendeinen Film gucken."teilte sie Cole mit und stand auf. „Sarah kann ich ja bei ihnen lassen."

Cole lächelte vor sich hin und schüttelte den Kopf. Dieses vorgetäuschte Vertrauen in ihn, weil sie ihre Tochter hier bei ihm ließ, war so offensichtlich, dass es schon fast lächerlich war. Klar, jetzt fühlte er sich schon viel besser, sie war bestimmt eine lausige Therapeutin.

Als Prue nach ihrem Date wieder nach Hause kam, fand sie Cole alleine im Garten vor. „Wo ist Dianne?"fragte sie alarmiert.

„Sie ist schon nach Hause gegangen. Sie hatte sogar ihre Tochter oben gelassen, unter meiner Aufsicht."er sah Prue auffordernd an.

Prue sah ihn überrascht an. „Wieso das?"fragte sie und setzte sich neben ihn auf die Stufen.

„Unvollstellbar für dich, nicht wahr? Aber sie wollte mir nur zeigen, dass es auch Leute gibt, die mir vertrauen. Nehme ich jedenfalls an."Er grinste. „Ich bin überzeugt, dass sie keine besonders gute Therapeutin ist."

Prue zuckte mit den Schultern. „Soviel ich weiß, ist ihre Praxis immer voll."

„Wirklich? Also ich weiß ja nicht was du ihr von mir erzählt hast, aber sie denkt tatsächlich, dass ich, nach dem Tod meiner Frau, zum Säufer geworden bin."teilte er ihr mit einem amüsierten Lächeln mit.

Prue sah ihn überrascht an. „Wie ist sie denn darauf gekommen?" fragte sie verwundert. „Ich habe ihr noch nie irgendetwas von dir erzählt." Cole zuckte die Schultern. „Tja ich habe auch nichts erzählt, aber ich denke die Wahrheit würde sie wohl ziemlich schockieren." Prue sah ihn von der Seite aus an. „Und wie ist die Wahrheit?" „Wieviel hast du denn mitbekommen?"fragte Cole vorsichtig.

„Oh den ganzen Schlamassel, dass du die Quelle des Bösen warst und meine Schwestern dich getötet haben, habe ich im Groben verfolgt. Aber nach dem Angebot des Engels haben sie beschlossen, dass ich mich auf mein neues Leben vorbereiten soll und mein altes und damit auch meine Schwestern hinter mir lasse."Sie sah Cole auffordernd an. „Also was ist danach passiert?"

„Das willst du gar nicht wissen."meinte Cole, irgendwie erleichtert, dass sie die letzten Monate nicht mitverfolgt hatte. Er hatte sich schon gewundert, warum gerade Prue so gelassen mit ihm umging, im Gegensatz zu dem Verhalten, das ihre Schwestern ihm gegenüber zuletzt an den Tag gelegt hatten. Aber im Vergleich zu denen hatte sie weder seine Zeit als Quelle, noch als unbesiegbaren Dämon miterlebt.

„Oh, ich denke schon, dass ich das will."meinte Prue schließlich und sah ihn argwöhnisch an.

„Tja, von mir wirst du es nicht erfahren."Cole stand auf um ins Haus zu gehen. „Aber keine Sorge, deine Schwestern waren, als ich sie das letzte mal gesehen habe, obenauf, wie immer."

Prue sah im hinterher, wie er durch die Tür ins Hans verschwand, dann drehte sie sich wieder um und schaute in die Nacht hinaus. Obwohl es erst April war, war die Nacht sehr warm, Prue wollte sich gar nicht vorstellen, wie dies im Hochsommer werden würde. Sie erinnerte sich daran, wie sie sich im Winter diesen Garten vorgestellt hatte, und er hatte ihre Erwartungen noch übertroffen. Als im Frühling die ersten Blumen angefangen hatten zu blühen und die Bäume ihre Blätter bekommen hatten, war er so schön gewesen, dass sie sich kaum davon hatte trennen können. Sie hatte ganze Filme verschossen, aber seinen Zauber nie ganz einfangen können.

Auch heute Nacht zog sie nichts ins Haus. Sie dachte über den vergangenen Abend nach. Paul Hennen hatte sich als ein wirklich angenehmer Mann herausgestellt. Er war witzig und klug, so dass das Gespräch mit ihm nicht langweilig geworden war. Er war Polizist und kam aus New York. Doch aufgrund seiner kürzlichen Scheidung hatte er sich dazu entschlossen, zurück in seinen Heimatort zu ziehen. Prue hatte einen netten Abend verbracht, und dennoch hatten sie ihre Gedanken an Cole und Daniel nicht ganz los gelassen. Sie seufzte, sie machte sich einfach zu viele Sorgen, das hatte sie schon immer getan, es würde sich schon alles wieder einrenken.