4. Kapitel
Als am nächsten Morgen das Telefon klingelte, war Cole noch im Halbschlaf. Ein paar Minuten später hörte er, wie es an seiner Zimmertür klopfte.
„Ja? Was ist."fragte er und stand auf, um sich schnell etwas überzuziehen. Er ging zur Tür und machte sie einen Spalt breit auf. Auf der anderen Seite stand Clara Jennings mit dem Telefon in der Hand.
„Da ist eine Mrs. Swallow für sie am Telefon."teilte sie ihm missbilligend mit und übergab ihm das Telefon.
Cole nahm es überrascht entgegen und ließ sich auf dem Sessel, der am Fenster stand nieder. „Ja!"
„Mr. Turner?"fragte eine Frau. „Ich bin Isabell Swallow, ich hoffe ich habe Sie nicht gestört." „Nein, keine Sorge."erklärte Cole und blickte auf die Uhr an der Wand, es war schon 9.30 Uhr, eigentlich stand er früher auf. Er musste sich unbedingt einen Wecker kaufen, aber er hatte leider kein Geld und Prue war so knauserig, vielleicht sollte er an dieser Situation wirklich etwas ändern. Er schob seine Gedanken beiseite, um zu hören, was Mrs. Swallow ihm zu sagen hatte.„Ich rufe im Auftrag von Mr. Wingrove an, er ist Teilhaber der Kanzlei Wingrove, Silberman und Davies. Ihm ist zu Ohren gekommen, dass Sie einen neuen Wirkungskreis suchen, und daher würde er sich gerne mit ihnen unterhalten."
„Gerne!" meinte Cole, der sich darüber wunderte, dass sich seine Suche nach einen neuen Job so schnell herumgesprochen hatte.„Fein, hätten sie womöglich heute noch Zeit? Mr. Wingrove hätte heute Nachmittag um 14 Uhr einen freien Termin."
„Kein Problem das kann ich einrichten."Erklärte Cole und hörte zu, wie ihm Mrs. Swallow erklärte, wo er die Kanzlei finden konnte. Nachdem sie aufgelegt hatte, schaute Cole nachdenklich aus dem Fenster. Er hatte nicht gedacht, dass David Morgan ihm so schnell einen Job besorgen könnte. Er hatte ihm noch nicht einmal seine Telefonnummer gegeben. Immer noch in Gedanken stand er auf, und musste feststellen, dass er sich ohne nachzudenken auf den Anzug gesetzt hatte, den er am Abend zuvor getragen hatte. So ein Mist, dachte er ärgerlich, dass war der einzige Anzug, den er zur Zeit besaß und jetzt würde er ihn bügeln müssen. Hoffentlich würde er Mrs. Jennings dazu bewegen können, es zu tun, dachte er genervt und beschloss, dass es vielleicht wirklich Zeit wurde, dass er wieder mal etwas Geld verdiente.Als Cole am Nachmittag ein Taxi bestellte, dass ihn zu seinem Termin mit Mr. Wingrove bringen sollte, stellte er erneut fest, dass es wohl unumgänglich war, wieder zu arbeiten. Er besaß noch nicht einmal ein Auto. Frustriert sah er zu Mrs. Jennings, die zufrieden vor dem Fernseher saß, um ihre Lieblingssoap zu sehen. „Aber erzählen Sie mir auf jeden Fall, welche ominöse Krankheit Helena nun hat."teilte er ihr mit und verabschiede sich von Daniel.
„Keine Sorge, ich werde ihnen alles erzählen."beruhigte ihn Mrs. Jennings. „Viel Glück bei Ihrem Gespräch."
„Danke." meinte Cole und verließ das Haus, als gerade das Taxi vorfuhr.Als er Minuten später das Bürohaus betrat, in dem sich die Kanzlei von Mr. Wingrove befand, kam ihm ein kalter Windstoß entgegen. Draußen war es an diesem Tag ziemlich heiß und die Klimaanlage in dem Gebäude war wohl etwas hoch eingestellt. Cole meldete sich beim Empfang und wurde in den obersten Stock geschickt. Cole betrat den gläsernen Fahrstuhl, der den Blick auf die umliegenden Gebäude frei gab.
Als der Lift oben ankam, begrüßte ihn eine dunkelhäutige Frau mit einem einstudierten Lächeln. Sie war nicht besonders groß und hatte ihre dunklen Haare glatt nach hinten frisiert. Sie trug ein schlichtes graues Kostüm und eine auffällige Brille. „Mr. Turner, nehme ich an."
„Erraten." meinte Cole. „und Sie sind sicher Mrs. Swallow. „Isabell Swallow."Sie reichte ihm die Hand. „Kommen Sie bitte hier entlang, Mr. Wingrove erwartet Sie bereits."Erklärte sie und drehte sich geschäftig um.Cole folgte ihr über den mit dicken Teppichen ausgelegten Gang und wunderte sich, wie sie auf ihren hohen Hacken in solch einer Geschwindigkeit den Korridor entlang eilen konnte. Vor einer Bürotür blieben sie stehen. Mrs. Swallow betrat den Raum als erste und kündigte Cole an. Dann ließ sie ihn vorbei und verließ den Raum wieder.
Ein Mann in mittlerem Alter stand von seinem Stuhl hinter einem massiven Eichenschreibtisch auf, kam auf Cole zu und hielt ihm die Hand entgegen. „Edward Wingrove."
„Cole Turner, ich bin erfreut Sie kennen zu lernen."
„Ganz meinerseits, setzen Sie sich doch."Mr. Wingrove war groß gewachsen und hatte volle leicht ergraute Haare. Sein Teint und seine Fältchen verrieten, dass er sich viel an der frischen Luft aufhielt. Er ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder und wartete, bis Cole sich ebenfalls gesetzt hatte. „Sie wundern sich sicher, dass ich mich so schnell bei Ihnen gemeldet habe, aber ich habe heute morgen David Morgan im Gericht getroffen und er hat mir von Ihnen erzählt."Cole nickte, obwohl er sich wunderte, wieso David Morgan ihn erwähnt hatte, die beiden hatten den gesamten Abend kein Wort miteinander gewechselt.
„Er wusste, dass ich schon seit langem einen guten Anwalt suche." Edward Wingrove lächelte. „Ich muss Ihnen gestehen, dass ich bereits bei Ihren ehemaligem Arbeitgeber angerufen habe, und sie haben mir mitgeteilt, dass sie mit ihrer Arbeit immer sehr zufrieden waren und sie ungerne haben gehen lassen."
Cole sah ihn ungläubig an und versuchte seine Verblüffung zu verstecken. „Sowas hört man gerne."erklärte er mit einem unverbindlichen Lächeln.
Selbst wenn er davon ausging, dass es die Kanzlei Jackman, Kline und Carter in dieser Realität gab, er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie ihm ein gutes Zeugnis ausstellen würden. Ganz abgesehen davon, dass es an seiner Arbeit als Anwalt nichts auszusetzen gegeben hatte, war er dennoch zu den unpassendsten Zeitpunkten spurlos verschwunden, seine Unzuverlässigkeit war bekannt gewesen. Cole sah Wingrove skeptisch an. Es war ziemlich sicher, dass er niemals mit jemandem von der Kanzlei Jackman, Kline und Carter gesprochen hatte, aber warum sah er sich gezwungen zu lügen?
Wingrove nickte. „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir im Moment nur einen Anwalt benötigen, der Routinearbeiten erledigt. Es geht hierbei vornehmlich um Vertragsrecht. Sie können es sicher schon ahnen, Verfahren wegen Verletzung des Urheberrechts, unlauterem Wettbewerb, Vertragsbruch."Er sah Cole entschuldigend an. „Ich weiß das hört sich nicht sehr verlockend an, aber es ist möglich, einen Großteil Ihrer Arbeit zu Hause zu erledigen. Und ich kann Ihnen versprechen, dass sich hier in Zukunft einiges ändern wird. Bei Ihren Fähigkeiten haben Sie brillante Aufstiegschancen und die Bezahlung ist auch nicht zu verachten."Er lehnte sich vor und begann etwas auf einen Zettel zu schreiben. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich noch andere Angebote anhören wollen. Die Kanzleien dieser Stadt suchen immer gute Anwälte, aber ich will Sie nicht einfach so gehen lassen. Also wie wäre es hiermit." Er hielt Cole einen Zettel entgegen, auf dem eine Zahl geschrieben stand.
„Das hört sich fürs erste nicht schlecht an." meinte Cole ruhig, obwohl der Betrag weit über seinen Erwartungen lag, ja weit darüber, was ein einfacher Anwalt, der Routinearbeiten erledigen sollte, verdiente.
„Dieser Betrag bezieht sich natürlich nur auf das erste halbe Jahr, über die weitere Bezahlung werden wir dann sprechen. Zusätzlich dazu bekommen Sie einen Firmenwagen." Mr. Wingrove lächelte. „Sie könnten morgen hier anfangen. Also was sagen Sie?"
Cole lächelte, irgendetwas war faul an diesem Angebot, aber das scherte ihn im Moment herzlich wenig. Ein Vorschuss, ein Wagen. „Ich denke wir sind im Geschäft."Nachdem Mr. Wingrove Cole begeistert in seinem Team begrüßt hatte, brachte Isabell Swallow auch schon die unterschriftsreifen Verträge. Sie händigte Cole ebenfalls die Schlüssel für den Firmenwagen aus und übergab ihm einen Barscheck als Vorschuss.
Zufrieden betrat Cole eine halbe Stunde später die Tiefgarage des Gebäudes. Er hielt Ausschau nach dem Firmenwagen und stellte zu seiner Freude fest, dass es sich dabei um einen brandneuen BMW handelte.
Auf seinem Weg nach Hause hielt Cole bei der erstbesten Bank an und löste den Scheck ein. Dann sah er sich um und fand neben der Bank einen Spielzeugladen. Nachdem er den halben Laden leergekauft hatte, machte er auf seinem Weg zurück zum Wagen noch in einem Delikatessladen halt.
Als Prue am Abend nach Hause kam, stolperte sie erst einmal über ein rotes Spielzeugauto. Sie sah sich überrascht um. „Was ist das denn hier, hast du einen Spielzeugladen ausgeraubt?" fragte sie Cole, der gerade aus dem Wintergarten kam.
„Nein, keine Sorge ich habe alles bezahlt und zwar nicht mit deinem Geld." teilte er ihr mit.
„Tatsächlich, denkst du nicht er ist ein bisschen jung für das rote Auto?" fragte Prue und betrachtete skeptisch die Spielsachen.
Cole zuckte die Schultern. „Er war jedenfalls sehr begeistert."
„Tatsächlich?" meinte Prue und ging ins Wohnzimmer, um ihren Neffen zu begrüßen, der gar nicht glücklich aussah. „Also ich finde er sieht nicht besonders glücklich aus." „Das liegt nur daran, dass ich ihm diesen grässlichen rosa Hasen weggenommen habe." Danny sah ihn grollend an. „Danny Schatz, dieser blöde Stoffhase ist nicht das richtige für dich." Cole hielt ihm ein grünes Stoffkrokodil hin.„Nimm wenigstens dies hier, wenn es denn unbedingt sein muss." bat er ihn.
Doch der Junge fing an zu weinen und interessierte sich nicht für das Krokodil. Cole sah Prue grimmig an, die ihn zufrieden anlächelte. "Dieser blöde Hase war bestimmt ein Geschenk von dir." stellte er fest.
„Richtig geraten, wo hast du ihn hingelegt." fragte Prue und sah sich um, sie erblickte das Stofftier auf dem Sofa am anderen Ende des Raums. Sie ging darauf zu und brachte es Danny zurück, der sich mit einem glücklichen Lachen bei ihr bedankte.
Cole betrachtete die ganze Aktion und schüttelte den Kopf. „Verräter." meinte er leise und sah seinen Sohn wütend an. Sofort streckte Danny eine Hand nach dem grünen Stoffkrokodil aus. Als der Junge schließlich zufrieden mit seinen zwei Stofftieren im Bett lag, führte Cole Prue in das Esszimmer. Die Türen zum Garten standen offen und auf dem Tisch türmten sich die besten Delikatessen.
Prue sah Cole überrascht an. „Also jetzt sag mir endlich war los ist." forderte sie ihn auf.
„Ich habe eine Job." erklärte er schlicht.
„Das ging aber schnell." meinte Prue überrascht und setzte sich auf den Stuhl, den Cole für sie vom Tisch gezogen hatte.„Ich weiß," meinte er und schenkte ihr ein Glas Wein ein. Zu seiner Enttäuschung sah sie weniger begeistert aus, als er erwartet hatte.
„Und woher hast du das ganze Geld?" fragte sie misstrauisch.
„Ich habe einen Vorschuss bekommen." erklärte er.
„Ohne überhaupt einen Tag gearbeitet zu haben?" wunderte sich Prue.
„Genau, darum heißt es ja Vorschuss!"er erzählte ihr von seinem Gespräch mit Mr. Wingrove.Prue sah ihn zweifelnd an. „Du verdienst dort so viel Geld? Was ist das denn für eine Kanzlei?"
„Ich weiß nicht, und das ist mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal." Erklärte Cole. „Ich bin schlimmeres gewohnt." Prue zuckte die Schultern. „Es gibt sogar ein paar Dämonen unter den Menschen."„Das musst du mir nicht sagen, der einzige Unterschied ist, dass man sie nicht töten darf."
„Was?" Prue sah von ihrem Teller auf.
„Vergiss es." Winkte Cole ab und kam zum eigentlichen Problem zurück. „Wirklich Prue, was sollen sie da schon machen? Es ist eine normale Anwaltskanzlei und du musstest gestern ja unbedingt damit anfangen, dass ich Geld verdienen soll. Ich hätte auch weiter mit Mrs. Jennings Soaps geguckt, aber jetzt bin ich eigentlich ganz zufrieden."
Prue sah ihn aufmerksam an. „Ich dachte einfach, du würdest eher etwas sinnvolles tun wollen." „Nein, wenn ich Leuten helfe, dann hilft mir das auch nicht weiter." Er sah Prue an. „Es ändert nichts an den Dingen, die ich getan habe." „Vielleicht wäre es gut um etwas Buße zu tun." schlug sie vor. „Ich bereue meine Taten und ich muss damit leben, ist das nicht Buße genug?"