5. Kapitel
Als Cole am nächsten Morgen sein neues Büro betrat war, sah er sich nicht sonderlich begeistert um. Der Raum war klein und mit den einfachsten Möbeln ausgestattet. Ein winziges Fenster bot ihm keine Aussicht und ließ nur einen leichten Schimmer der morgendlichen Sonne in den Raum. Cole seufzte und ließ sich auf seinem unbequemen Schreibtischstuhl nieder. Auf seinem Schreibtisch lag ein Stapel Akten, die er bearbeiten sollte, und auf den Regalen an beiden Seiten des Raumes standen unzählige Wälzer über Vertragsrecht. Gelangweilt nahm Cole die erste Akte zur Hand. In früheren Zeiten hatte er die fachlichen Kenntnisse, die er für seine Arbeit benötigte, mit Hilfe von Magie aus den Büchern gezogen. Er schloss für einen Moment die Augen um zu überprüfen, ob er sich an die rechtlichen Fakten noch erinnern konnte. Zu seiner Erleichterung waren all seine Kenntnisse noch da. Er begann die Akte zu lesen und forschte in seinem Gedächtnis nach den richtigen Vorschriften für die Anträge.
Zwei Stunden später hatte Cole erst einen Bruchteil des Stapels erledigt. Genervt lehnte er sich zurück, früher war es einfacher gewesen, da hatte er mit einer einfachen Handbewegung solche Dinge erledigen können. Gelangweilt hob er seine Hand um es auszuprobieren, und sah zu seiner Verwunderung, dass sich plötzlich das Diktiergerät, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag, zu füllen begann. Neben den Akten lagen auf einmal Anträge und Notizen. Das konnte doch nicht wahr sein, mit einem zufriedenen Grinsen beugte Cole sich nach vorne, um die erste unbearbeitete Akte zu betrachten. Er hatte es doch gespürt, dieser ganze magielose Weltkram war absoluter Mist. Er hatte gewusst, dass er noch über magische Kräfte verfügte, auch wenn sie sich nicht ganz so anfühlten wie früher.
Er betrachtete den ersten neuen Antrag und stutzte. Überrascht blätterte er die Akte durch, dann sah er erneut auf den Antrag. Seufzend lehnte er sich wieder zurück. Der Antrag war kompletter Blödsinn, er konnte ihn nur in den Müll werfen. Cole schüttelte den Kopf und spulte das Diktiergerät zurück. Als er es abspielte erzählte ihm seine eigene Stimme völligen Schwachsinn, na großartig, er konnte es nur wieder löschen. Wenn jemand das hören würde, wäre er seinen Job sofort wieder los. Bedeutete das alles wirklich eine magielose Welt, oder war er einfach aus der Übung? Was es auch war, er musste sich wohl oder übel wieder selbst an die Arbeit machen.
Am späten Nachmittag hatte er erst einen Teil seiner Arbeit erledigt. Frustriert packte er die unbearbeiteten Unterlagen und seinen Laptop ein und beschloss am nächsten Tag zu Hause zu arbeiten. Er verließ sein Büro und begab sich zu seiner Sekretärin Erin Kelley, die er mit fünf anderen Anwälten teilen musste. Sie telefonierte gerade und sah ihn an, als würde er stören. Als sie ihr Privatgespräch endlich beendet hatte, wies Cole auf die fertigen Akten und das Diktierband, das er ihr auf den Tisch gelegt hatte. „Kümmern Sie sich bitte bis morgen darum."meinte er und teilte ihr mit, dass er sich um die restlichen Akten am nächsten Tag zu Hause kümmern würde. Erin nickte missbilligend und blickte ihm nach, bis er im Fahrstuhl verschwunden war.
Als Cole am nächsten Morgen aufwachte, war es später, als er angenommen hatte. Obwohl er nicht ins Büro wollte, hatte er nicht vorgehabt, so lange zu schlafen. Er zog sich schnell etwas über und beeilte sich, ins Badezimmer zu kommen. In der Küche hörte er bereits Geräusche, und er nahm an, das Prue schon aufgestanden war und mit Danny und Mrs. Jennings beim Frühstück saß. Doch als er die Tür vom Badezimmer öffnete sah er sich einer nur halb bekleideten Prue gegenüber, die gerade dabei war, sich die Zähne zu putzen.
„Was soll das?"fuhr sie ihn undeutlich an und spuckte den Rest der Zahncreme ins Waschbecken.
„Du hast nicht abgeschlossen."teilte Cole ihr mit.
„Du weißt doch, dass das Schloss klemmt und wir hatten abgemacht wenigstens zu klopfen."erinnerte ihn Prue.
„Ich hatte angenommen du bist schon unten."meinte Cole und stand weiter seelenruhig in der offenen Tür und betrachtete Prue in ihrem extra kurzen Nachthemd.
„Und was soll das jetzt werden?"fragte Prue, um ihn aus seinen Betrachtungen zu reißen.
„Hm?"
„Wenn du genug von mir gesehen hast, dann mach die Tür bitte von außen zu."meinte sie kühl. „Ich würde mich gerne fertig machen."
„Kein Problem!"Cole schloss die Tür mit einem Grinsen. Und wartete draußen, bis Prue fertig war.Als sie das Badezimmer verließ, und ihn immer noch dort stehen sah, sah sie ihn kopfschüttelnd an. „So geht dass nicht weiter, wir brauchen ein zweites Badezimmer."
Cole sah sie zufrieden an. „Das hört sich an, als hättest du dich endgültig damit abgefunden, dass wir zusammenwohnen."„Habe ich eine Wahl?"fragte Prue und wollte an ihm vorbei.
Doch Cole hielt sie auf. Er wusste, dass sie eine Wahl hatte, und darum sagte er. „Danke Prue."
„Wofür? Es ist dein Haus."wiegelte sie ab. „Und darum wirst du dich auch darum kümmern, dass zuerst einmal das Schloss repariert wird."„Wie denn? Denkst du etwa ich bin Leo?"erkundigte er sich amüsiert.
„Keine Sorge, es besteht keine Gefahr, dich mit ihm zu verwechseln."Sie seufzte. „Na gut, ich werde jemandem Bescheid sagen, der sich sofort darum kümmern wird."
„Warum die Eile? Ich dachte du wolltest mich noch mal zufällig unter der Dusche überraschen."meinte er mit einem amüsierten Lächeln. „Träum' weiter Cole und jetzt lass mich endlich vorbei, ich muss zur Arbeit." sie quetschte sich an ihm vorbei und verschwand in ihrem Schlafzimmer.Cole sah Prue zufrieden hinterher, ein Geplänkel mit ihr hob seine Stimmung immer gewaltig, im Gegensatz zu der Arbeit, die unten auf ihn wartete. Er betrat das Badezimmer und sah sich das Schloss von innen genau an. Vielleicht sollte er probieren, es mit Magie zu reparieren, schoss es ihm durch den Kopf, aber nach seinem missglückten Versuch am Tag zuvor war das vielleicht keine gute Idee. Dennoch konnte er der Versuchung nicht widerstehen, es wenigstens zu versuchen. Er konzentrierte sich, aber nichts geschah, er fühlte keine Magie und das Schloss sah noch genauso aus wie vorher. Vielleicht hatte er sich alles nur eingebildet, aber nein, seine Stimme war auf dem Diktiergerät gewesen und hatte ihm völligen Blödsinn erzählt, davon war er überzeugt. Wahrscheinlich lag es daran, das er über diese Fähigkeit nicht verfügt hatte, bis er im Wasteland sämtliche dämonischen Kräfte gesammelt hatte. Was es auch war, er hatte jetzt keine Zeit sich damit zu beschäftigen.
Als Cole gefrühstückt hatte, sah er sich dem nächsten Problem gegenüber, er musste einen geeigneten Arbeitsplatz finden. Er beschloss den Tisch im Esszimmer zu versuchen, und legte seine Unterlagen dort ab. Er ließ sich auf einem der Stühle nieder und versuchte mit der Arbeit zu beginnen, doch er konnte sich nicht konzentrieren. Die Tür zum Wintergarten war offen, wo sich Mrs. Jennings und Daniel befanden. Cole musste immer wieder einen Blick auf seinen Sohn werfen und kam von seiner Arbeit ab. Außerdem schnitt ihm die Stuhllehne in den Rücken und der Esszimmertisch war zu niedrig. Er seufzte, das alles war nicht optimal, er würde für die Zukunft eine andere Lösung finden müssen.
Er hörte wie Mrs. Jennings Handy klingelte und schloss die Augen, hier würde er niemals arbeiten können. Fünf Minuten später kam eine aufgelöste Mrs. Jennings ins Esszimmer. Sie teilte ihm mit, dass sie dringend weg müsse.
Sie sah ihn bittend an. „Können Sie sich so lange um Danny kümmern? Ich wäre gegen Nachmittag wieder zurück."
Cole war nur allzu gerne bereit von seiner Arbeit wegzukommen und stimmte sofort zu. Zufrieden machte er es sich mit Danny im Wohnzimmer bequem. Im Fernsehen lief Mrs. Jennings Lieblingssoap und Cole hatte ihr versprochen, ihr später alles zu erzählen. Doch als gerade die erste Werbeunterbrechung begann, klingelte es an der Tür. Verwundert stand Cole auf und ging barfuß zur Tür, es würde schon nichts wichtiges sein, davon war er überzeugt. Doch als er die Tür öffnete, stand ihm auf einmal Edward Wingrove gegenüber.„Mr. Wingrove."sagte Cole überrascht. Wollte er etwa überprüfen, ob er tatsächlich zu Hause arbeitete fragte sich Cole genervt.
„Sagen Sie doch Edward."meinte Wingrove mit einem smarten Lächeln. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie so überfalle, aber ich hätte ein dringendes Anliegen, darf ich hereinkommen."„Sicher." erklärte Cole und trat beiseite, um Mr. Wingrove in die Halle zu lassen. Er entschied sich, ihn ins Esszimmer zu führen, wo noch die gesamten Akten auf dem Tisch lagen. Das machte einen geschäftigeren Eindruck als der laufende Fernseher im Wohnzimmer.
„Setzen sie sich doch schon mal, ich muss noch kurz etwas erledigen." erklärte Cole und ging ins Nebenzimmer. Dort stellte er den Fernseher aus und öffnete dann die Verbindungstür zum Esszimmer, damit er Daniel beobachten konnte.
Mr. Wingrove sah ihm entgegen. „Ihr Sohn?"fragte er überrascht.
„Ja, Daniel, ich passe gerade auf ihn auf, weil unsere Haushälterin einen wichtigen Termin hat."Erklärte Cole. „Er wird nicht stören."
„Kein Problem,"meinte Wingrove lächelnd. „Ich habe selbst zwei Kinder, zwei Mädchen, sie sind aber schon älter." Cole nickte. „Also was wollen Sie von mir." „Oh ja, es ist etwas heikel. Es geht um die Tochter eines guten Freundes Donald Carey."erklärte Wingrove vorsichtig. „Amy war schon immer etwas schwierig und jetzt hat sie sich in Schwierigkeiten gebracht. Sie ist vor zwei Tagen in der Nähe eines Tatortes aufgegriffen worden und jetzt ist Anklage wegen Mordes gegen sie erhoben worden."Wingrove schaute betrübt drein. „Don ist nun an mich herangetreten, er will dass unsere Kanzlei sie vertritt und da habe ich sofort an Sie gedacht."„An mich?"fragte Cole mehr als überrascht. „Sie kennen weder mich noch meine Arbeit."
Wingrove winkte ab „Ihr Ruf eilt ihnen voraus. Ich habe Donald schon von Ihnen erzählt und er ist einverstanden."Sein Ruf eilte ihm voraus, ganz bestimmt. „Sie können doch nicht wirklich glauben, dass ich Ihnen das abnehme."meinte Cole und schüttelte mit einem ironischen Lächeln den Kopf. „Sie haben in Ihrer Kanzlei doch bestimmt nicht nur Stümper."
Wingrove seufzte. „In unserer Kanzlei beschäftigen wir uns vornehmlich mit Wirtschaftsrecht, danach suche ich meine Kollegen aus. Strafrecht kommt bei uns an zweiter Stelle."Er sah Cole eindringlich an. „Ich irre mich selten und ich wusste einfach sofort, dass Sie der richtige Mann für diesen Fall sind. Hören Sie, die ganze Sache sieht schlecht für Amy aus, dennoch will ich ihr die bestmögliche Verteidigung zukommen lassen. Ich weiß nicht wieso, aber ich vertraue Ihnen und ich weiß, dass Sie einer Herausforderung nicht aus dem Weg gehen." Cole nickte. „Nein,"erklärte er, obwohl ihm immer noch nicht in den Kopf wollte, warum Wingrove ausgerechnet ihn ausgesucht hatte. Wingrove seufzte. „Amy will mit niemandem reden, sie hat bisher zu dem gesamten Vorgang geschwiegen. Es wird nicht leicht werden, das verspreche ich Ihnen, aber wenn Sie mir diesen Gefallen tun, dann wäre ich Ihnen unendlich dankbar."Er schaute auf den Tisch. „Und diese Akten könnten Sie dann fürs erste auch vergessen." „Hm," Cole betrachtete Wingrove nachdenklich, er wurde nicht schlau aus ihm. Dennoch erschien es ihm verlockender sich anstatt mit den Akten auf seinem Tisch mit einem Mordfall zu beschäftigen. „Ich muss erst einmal wissen, wie die Fakten in diesem Fall sind, bevor ich mich darauf einlasse." Wingrove nickte „Das ist verständlich."und legte ihm eine Akte auf den Tisch. „Das sind die Polizeiberichte. Sie sollten sie natürlich vor der Anklageerhebung lesen, aber machen Sie sich keine Sorgen, das ist nur eine Routineangelegenheit. Niemand rechnet damit das Amy gegen Kaution freigelassen wird. Dennoch ist es nötig, das sie sich heute vormittag mit Amy treffen. Ihre Anklageerhebung ist in zwei Stunden angesetzt, also bleibt uns keine Zeit."Cole nickte und blickte gedankenverloren ins Nebenzimmer, wo Daniel friedlich spielte.
„Ich werde organisieren, dass Sie Amy in einer Stunde im Gericht treffen können,"erklärte Wingrove und betrachtete Coles Aufzug. „Dann haben Sie noch genug Zeit, sich umzuziehen."Er lächelte Cole an. „Also sagen Sie zu?" „Einverstanden." erklärte Cole.„Sehr schön."meinte Wingrove und stand auf. Er nahm die Akten vom Tisch und erklärte. „Diese Unterlagen nehme ich wieder mit. Ich weiß nicht wie sich der Fall entwickeln wird, aber er soll bei Ihnen oberste Priorität haben."
Cole nickte, „Kein Problem."
Nachdem Wingrove sich verabschiedet hatte, ging Cole zurück ins Wohnzimmer zu Danny. „Was mach ich jetzt nur mit dir?"fragte er den Jungen, der ihn mit großen Augen anschaute. Es war aber auch zu dumm, dass Mrs. Jennings gerade heute kurz weggemusst hatte. Tja, dann würde sich Prue eben um ihn kümmern müssen, beschloss Cole.Eine halbe Stunde später stand Cole im Anzug und mit Danny in Prues Büro.
„Ich habe auch keine Zeit, Cole. Ich habe zu tun."teilte sie ihm gerade mit.
„Ach komm schon, bitte Prue, es ist doch nicht für lange, nur bis Mrs. Jennings wieder da ist. Dieser Termin ist wirklich wichtig." Cole sah sie flehend an, doch Prue war unerbittlich.
Sie schüttelte mit dem Kopf. „Keine Chance, ich muss selbst gleich weg, ich kann ihn nicht nehmen."
Seufzend sah Cole sich um und entdeckte auf einmal Judy, die ihn aufmerksam betrachtete. „Prue hat uns gar nicht vorgestellt."erklärte er ihr mit einem charmanten Lächeln. „Cole Turner." Judy stand auf und kam auf ihn zu. „Judy Howard, angenehm."Sie lächelte. „Ich habe schon so einiges von ihnen gehört." „Ach tatsächlich."Cole sah sich nach Prue um, die mit verschränkten Armen zurückgelehnt auf ihrem Schreibtischstuhl saß und keinen Ton von sich gab. „Ich hoffe nur das beste."Erklärte Cole ironisch und wandte sich wieder an Judy.„Ja klar."erklärte Judy.
„Gut." er sah sie aufmerksam an. „Sie hätten doch bestimmt Lust, für ein paar Stunden auf meinen Sohn aufzupassen."meinte er und es war offensichtlich, das dies nicht als Frage gemeint war.
„Wie kommen Sie denn darauf?"fragte Judy überrascht.
„So etwas sehe ich."erklärte er und gab ihr Danny auf den Arm. „Sie haben so etwas mütterliches an sich."erklärte Cole.
„Was?" Judy verschlug es die Sprache. Sie sah auf den Jungen in ihrem Arm, der sie zufrieden anlächelte.
Cole nickte. „Sehen Sie wie wohl er sich fühlt, ich habe doch gleich gesehen, dass Sie ein mütterlicher Typ sind. Okay, ich verschwinde dann."Mit einem letzten Grinsen verschwand er aus der Bürotür.
Judy starrte ihm immer noch verdattert hinterher. „Mütterlicher Typ?"Sie sah Prue kopfschüttelnd an. „Ich glaube ich bringe ihn um."
Prue lachte. „Viel Spaß, meinen Segen hast du."Judy setzte Daniel zurück in seinen Sitz und stellte ihn neben sich. „Na toll!"meinte sie „Wie soll ich denn arbeiten, wenn der Kleine hier ist?"fragte sie Prue wütend.
Prue zuckte mit den Schultern. „Da musst du dich nicht bei mir beklagen."
„Aber ich habe doch keine Ahnung von Kindern."meinte Judy unsicher.„Er ist eigentlich ganz lieb, du weißt doch, was für ein pflegeleichtes Kind er ist. Ganz im Gegensatz zu seinen Eltern." teilte Prue ihr grinsend mit.
„Ja ist ja schon gut. Ich kriege das schon irgendwie hin. Wird schon nicht so schwer sein."meinte Judy, deren Ärger auf Cole schnell verflogen war. Nun sah sie Prue aufmerksam an. „Du hast mir gar nicht erzählt, dass er so attraktiv ist."
„Findest du?"fragte Prue gelangweilt.
„Natürlich, hast du keine Augen im Kopf?"
Prue zuckte mit den Schultern. „Mein Typ ist er jedenfalls nicht."
Judy grinste. „Bist du dir da so sicher?"
Prue sah sie verwundert an. „Absolut, ich kenne ihn einfach zu gut. Außerdem war er mal mit meiner Schwester zusammen."„Na und?"für Judy, die keine Geschwister hatte, war dies kein akzeptabler Grund. Sie sah zu Danny hinüber, der mit seinem Mobile über dem Sitz spielte. „Meine Oma hat immer gesagt, Männer mit dunklen Haaren und blauen Augen sich gefährlich."
Prue lächelte. „Da hatte sie bei Cole sogar vollkommen Recht. Und das ist einer von tausend Gründen, die Finger von ihm zu lassen."Als Cole das Gerichtsgebäude betrat, hatte er noch keine Zeit gehabt, sich mit den Polizeibericht zu beschäftigen. Es hatte länger gedauert, das Gebäude zu erreichen, als er gedacht hatte, und nun war es dafür zu spät. Seine neue Mandantin wartete bereits auf ihn. Als Cole den kleinen Raum betrat, in den der Beamte ihn führte, saß eine junge Frau dort hinter einem Tisch. Sie blickte nicht auf, als er das Zimmer betrat. Der Beamte, verließ wieder den Raum und Cole setzte sich Amy gegenüber an den Tisch.
„Hallo, ich bin Cole Turner und wenn sie wollen bin ich ihr Rechtsanwalt."
Die junge Frau blickte auf und Cole sah einen tiefen Schmerz in ihren Augen. Sie sah jünger aus, als er gedacht hatte. Mit einem kurzen Blick auf die Unterlagen stellte er fest, dass sie gerade erst 20 Jahre alt geworden war, doch die junge Frau ihm gegenüber sah aus wie ein kleines Mädchen. Sie hatte langes schwarzes Haar, das ihr ungekämmt über die Schultern fiel und sie war sehr blass. Ihre grünen Augen betrachteten ihn eingehend und ihm kam es vor, als würde sie damit bis in sein tiefstes Inneres blicken, kein sehr angenehmes Gefühl.
Plötzlich sah sie ihn überrascht an und nickte. „Gut."meinte sie leise und hielt ihm ihre schmale Hand entgegen. „Amy Lavreux."
Cole nahm ihre kalte Hand und sah überrascht auf seine Akte. „Lavreux? Hier steht Sie heißen Carey."
Amy schüttelte den Kopf. „Das ist der Name meines Stiefvaters, er hat mich adoptiert, aber ich benutze lieber den Namen meiner Mutter." Erklärte sie und sah ihn auf einmal herausfordernd an.„Okay," meinte Cole, na das war doch schon mal eine Neuigkeit, Edward Wingroves alter Freund und seine Stieftochter, schienen wohl kein so gutes Verhältnis zu haben. Aber das war im Moment nicht so wichtig, darum könnte er sich später kümmern. „Also Amy, ich darf dich doch Amy nennen?"
Sie nickte und sah ihn nachdenklich an. „Und wie soll ich Sie nennen?"
„Wie du willst, du kannst Cole zu mir sagen oder Mr. Turner, wenn dir das lieber ist."Er lächelte sie aufmunternd an und wandte sich dann endlich der Akte zu. „Gegen dich wird Anklage wegen Mordes erhoben, wofür bekennst du dich?"Cole sah auf und spürte wie sie zögerte.Dann meinte sie vorsichtig. „Nicht schuldig?"
Es hörte sich an, wie eine Frage, aber Cole ignorierte das. „Gut," meinte er. „Der Prozess wird wahrscheinlich erst in ein paar Monaten stattfinden, aber ich befürchte, dass du nicht auf Kaution freikommen wirst."
„Ich weiß."erklärte sie äußerlich völlig ruhig. „Damit habe ich mich schon abgefunden."
Cole sah sie überrascht an. Er hatte grob die Fakten überflogen und bat sie nun ihm zu erzählen, was in der Nacht des Mordes geschehen war.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht darüber reden."
„Amy." Cole sah sie eindringlich an. „Ich bin dein Anwalt, ich muss wissen, was passiert ist, sonst kann ich dir nicht helfen."Amy schüttelte weiterhin den Kopf und starrte auf den Tisch. „Du weißt doch, dass ich alles was du mir sagst für mich behalten werde, nichts davon wird diesen Raum verlassen. Und selbst wenn du schuldig bist, ist das für mich nicht von Bedeutung."
Sie blickte auf und sah ihn fest an. „Sie denken also, dass ich schuldig bin?"„Das habe ich nicht gesagt."wiegelte er ab.
„Nein aber gedacht."sie sah ihn traurig an. „Wie kann es Ihnen egal sein, ob ich schuldig bin oder nicht? Wie können Sie überhaupt jemanden verteidigen, der schuldig ist?" Cole zuckte mit den Schultern. „Jeder hat das Recht auf eine Verteidigung."erklärte er lasch. „Bitte erzähl mir, was passiert ist, ich muss es wissen, um eine Verteidigung aufbauen zu können." Sie blickte wieder auf den Tisch. „Ich habe ihn nicht umgebracht, das ist alles, was sie wissen müssen." Cole seufzte, er versuchte es noch eine ganze Weile, aber er bekam aus Amy nichts heraus.Schließlich blickte er frustriert auf die Akte. „Na gut, dann les ich mir eben durch, was hier steht."erklärte er.
Amy sah ihn erschrocken an. „Sie haben noch nicht einmal die Akte gelesen?"
„Nein, dazu hatte ich noch keine Zeit, Mr. Wingrove kam gerade mal vor einer Stunde zu mir."
Amy lächelte traurig. „Sie sind kein besonders guter Anwalt, irgendwie wusste ich das gleich." Cole sah sie verblüfft an. „Wie kommst du denn darauf?"fragte er entrüstet.Amy zuckte die Schultern. „Es war mir klar, dass mein Stiefvater mir den schlechtesten Anwalt aussucht, den es in Mr. Wingroves Kanzlei gibt. Der Schein ist gewahrt und ich lande für immer im Gefängnis, oder noch schlimmer, ein Problem für ihn weniger."
Cole blickte sie überrascht an und konnte nicht leugnen, dass sie damit Recht haben könnte. Aber wenn Mr. Wingrove und Amys Stiefvater dachten, sie hatten einen Versager für Amys Verteidigung engagiert, dann hatten sie sich geschnitten. Er grinste Amy bösartig an. „Die beiden werden sich noch wundern," erklärte er grimmig. „Keine Sorge, wir werden es ihnen schon zeigen, aber dazu musst du mir helfen."Er sah sie eindringlich an, doch Amy gab keinen Laut von sich. „Überleg es dir, heute können wir sowieso nichts weiter unternehmen."Erklärte er ihr und stand auf. Er nahm seine Akte und ging zur Tür. „Wir sehen uns in einer halben Stunde zur Anklageerhebung wieder." teilte er ihr mit und verließ den Raum.Draußen angekommen war er immer noch wütend, was hatte sich dieser Wingrove nur dabei gedacht? Wahrscheinlich hatte er nie bei seiner Kanzlei in San Francisco angerufen und sich nur auf den Bericht von David Morgan verlassen. Ein arbeitsloser Rechtsanwalt, der laut Diannes Aussagen Alkoholprobleme hatte, kam ihm gelegen. Tja, Edward da hast du wohl den Fehler deines Lebens gemacht dachte Cole ärgerlich. Er suchte sich einen ruhigen Ort, um endlich die Akte zu lesen.
Als er damit fertig war, verstand er nicht, wieso sich Wingrove überhaupt die Mühe gemacht hatte, einen in seinen Augen unfähigen Rechtsanwalt zu suchen, der Fall war eindeutig. In der Nacht zum ersten Mai war Adam Boucher auf einem ehemaligen nicht mehr genutzten Plantagenbesitz auf einer einsamen Lichtung mit einem Stich ins Herz ermordet worden. Die Waffe war ein Messer und unglücklicherweise befanden sich darauf nur Fingerabdrücke von Amy. Neben ihm fand man eine blutgetränkte Bluse, die Amy gehörte. Sie selbst war auf dem Grundstück aufgegriffen worden, als sie wie von Sinnen durch die Gegend irrte. Auf ihrer Kleidung befanden sich ebenfalls Blutspuren des Opfers. Und als wäre dies nicht schon genug, war Adam Boucher auch noch ein Heiliger. Er hatte Theologie studiert und arbeitete nun bei einer der hiesigen Kirchengemeinden, wo er das Amt des Priesters übernehmen sollte.
Cole sah auf die Uhr und bemerkte, dass es Zeit war, sich in den Gerichtssaal zu begeben, in Kürze würde Amys Anhörung beginnen und er wollte nicht zu spät kommen. Er eilte durch die Gänge und traf zu seinem Missfallen David Morgan der ebenfalls vor dem Gerichtsaal wartete.
„Mr. Turner wenn ich mich richtig erinnere."meinte er mit einem starren Lächeln.
„Das tun Sie, Mr. Morgan."
„Nun, dass wir uns so bald vor Gericht wiedertreffen werden. Wer hätte das gedacht?"fragte er spöttisch.„Ja, was für eine Überraschung."Cole lächelte gezwungen, gegen Morgan anzutreten, um Amy Carey Lavreux zu verteidigen, die wie es aussah nicht besonders gute Chancen hatte, aus der Sache als Unschuldige hervorzugehen, war so ziemlich das allerletzte, was er sich gewünscht hätte. Das hatte dieser selbstzufriedene Lackaffe doch sicher irgendwie eingefädelt.
„Möge der Bessere gewinnen,"erklärte Morgan, als ihr Fall aufgerufen wurde. „Obwohl ich zugeben muss, dass es bei diesem Wettkampf wohl keine Chancengleichheit gibt."
Morgan betrat den Gerichtssaal und Cole sah ihm wütend hinterher, wie gerne hätte er diesem Mistkerl eine verpasst. Erneut hatte er seine bösartige Ausstrahlung gespürt. Er schüttelte nachdenklich den Kopf, das konnte kein Irrtum sein. Immer noch in Gedanken versunken ging er zu seinem Platz. Als Amy hereingeführt wurde und neben ihm Platz nahm, stellte er zu seiner Verwunderung fest, dass von ihr keinerlei böse Schwingungen ausgingen. Er sah sie an und wusste auf einmal felsenfest, dass sie trotz der Beweise diesen Mord nicht begangen hatte. Er musste es nur noch beweisen.
Zufrieden lehnte er sich zurück, auch wenn er an diesem Tage nichts würde ausrichten können, Morgan, Wingrove und Carey würden sich noch wundern.
