7. Kapitel
Am nächsten Tag machte Cole sich auf den Weg zu Amy Careys Familie. Sie wohnten im Garden District, einem der teuersten Viertel von New Orleans. Riesige Anwesen versteckten sich hinter meterhohen Mauern. Cole hatte mit der Haushälterin der Familie Carey einen Termin ausgemacht und als er am Tor ankam, wurde er sofort hineingelassen. Er fuhr eine gepflasterte Auffahrt entlang und parkte seinen Wagen in der Nähe des Eingangs.
Cole stieg aus und betrachtete das imposante Gebäude, als die Tür aufging und eine Angestellte erschien. „Mr. Turner?"fragte sie. Cole nickte und ging auf sie zu. „Kommen Sie doch herein, Mr. und Mrs. Carey warten bereits auf Sie."
Cole durchschnitt eine eiskalte marmorne Eingangshalle und wurde in ein großzügiges Wohnzimmer geführt. Es war kühl aber behaglich eingerichtet und die großen Fenster zeigten auf den riesigen Garten samt Swimmingpool. Auch dieser Raum machte deutlich, wie reich die Careys waren. Auf dem polierten Parkettboden befanden sich verschiedene Orientteppiche in leuchtenden Farben und an den Wänden hingen wertvolle Ölgemälde. Doch auch der ganze Reichtum schützte sie augenscheinlich nicht vor Kummer, stellte Cole fest, als er Mrs. Carey begrüßte.
Sie war nicht besonders groß und hatte schwarzes Haar, genau wie ihre Tochter. Ihr Gesicht war vom vielen Weinen verquollen und sie hatte sich nachlässig gekleidet. Im Gegensatz dazu war ihr Mann die Ruhe selbst. Er war ein Stück älter als seine Frau und es war keine Frage, wer hier das Sagen hatte.
„Edward hat uns bereits gesagt, dass Sie unsere Amy vertreten."erklärte Donald Carey. „Er hat mir versichert, dass Sie einer seiner besten Anwälte sind."
„Ich werde alles in meiner Macht stehende Tun, um Amy zu helfen. Mr. Carey"erklärte Cole sachlich. Er wusste ganz genau, was Carey von ihm hielt, aber er würde sich noch wundern. Aber falls er hoffte, dass Amy für schuldig befunden wurde, dann hatte er sich genau den Falschen ausgesucht. Im Gegensatz zu allen anderen Anwälten, die Wingrove und Carey hätten wählen können, hatten sie sich genau den ausgesucht, der sich mit dämonischen Athamen auskannte. Dieses Wissen zauberte ein Lächeln auf seine Lippen.
„Nennen Sie mich doch Donald."bot Carey ihm an und wies auf seine Frau. „Und das ist meine Frau, Shelly."stellte er sie vor.
„Wie geht es meiner Kleinen, Mr. Tuner?"fragte sie leise.
„Es ist natürlich schwer für sie, aber sie hält sich gut." erklärte Cole. „Nur leider hat sie mir noch nicht viel erzählt."
Donald seufzte. „Das hatten wir befürchtet, aber ich bin ja schon froh, dass sie überhaupt einen Anwalt akzeptiert hat."Als er Coles überraschten Blick sah, fügte er hinzu. „Sie hat sich strikt geweigert, sich von mir einen Anwalt besorgen zu lassen, sie hat sie alle abblitzen lassen. Aber so ist sie halt."Er warf seiner Frau einen kurzen Blick zu. „Sie war schon immer schwierig."
„Donald nicht!"erklärte sie leise.
„Shelly, wir müssen Mr. Turner alles mitteilen. Das heißt ja noch lange nicht, dass sie jemanden getötet hat."
Shelly fing an hemmungslos zu weinen. Sie sprang auf und brachte kaum hörbar „Bitte entschuldigen Sie mich."hervor. Dann verließ sie den Raum.
Donald seufzte erneut. „Es ist sehr schwer für sie. Amy ist ihre einzige Tochter."
Cole nickte. „Sie haben Amy adoptiert, ist das richtig."
„Ja, aber sie hat mich nie als Vater angesehen, obwohl sie ihren Vater niemals kennengelernt hat. Sie war immer sehr undankbar,"er lachte nervös. „Ich habe für sie das teuerste Internat ausgesucht, und schließlich habe ich sogar ihr Studium auf einer der besten Universitäten bezahlt, aber plötzlich wollte sie nicht mehr zurück nach Boston sie wollte hier in New Orleans weiterstudieren."Es war offensichtlich, dass ihm dies gar nicht gepasst hatte.
Cole wechselte das Thema. „Können Sie mir etwas dazu sagen, was an diesem Abend passiert ist?"
„Sie wollte mit Charlotte Wingrove und Gillian Davies den Abend verbringen. Vielleicht sollten Sie mit den beiden Mädchen selbst reden, ich kann das arrangieren."bot er an.
Cole nickte und Carey griff zum Telefon. Nach ein paar Minuten hatte er für Cole einen Termin mit Charlotte Wingrove ausgemacht. „Gillian Davies ist im Moment leider nicht in der Stadt." erklärte Donald Carey entschuldigend. „Aber Charlotte kann ihnen sicher alles weitere erzählen."
Kurze Zeit später verabschiedete sich Cole von Donald Carey. Er hatte nichts weiter von ihm erfahren können, als dass Amy ein schwieriges in sich gekehrtes Kind war, an das nie jemand herangekommen war. Obwohl er ihr natürlich nie unterstellen würde, dass sie in der Lage wäre, jemanden zu ermorden.
Als Cole das Haus verließ und auf seinen Wagen zuging, fand er dort Mrs. Carey vor.
Sie hatte sich wieder ein wenig beruhigt. „Entschuldigen Sie, dass ich so plötzlich das Zimmer verlassen habe."erklärte sie leise.
„Ist doch verständlich, es ist schließlich Ihre Tochter der man einen Mord vorwirft."meinte Cole.
„Ja, es ist so schwer, meine Amy ist im Gefängnis."Sie sah hoffnungsvoll zu ihm auf. „Aber Sie werden ihr helfen können, nicht wahr? Sie werden sie dort herausholen."Sie blickte wieder zu Boden. „Sie dürfen nicht alles glauben, was Donald sagt, Amy ist ein gutes Kind, sie hat ein großes Herz, sie könnte sowas nicht tun."
„Aber wie ist es dazu gekommen?"
Shelly seufzte. „Ich weiß es nicht. Sie hat sich in letzter Zeit merkwürdig verhalten, sie war traurig, aber sie wollte mir nicht sagen, warum. Donald wollte sie zum Sommersemester zurück auf die Uni schicken, aber sie hat sich geweigert. Sie wollte hier bleiben, hier bei uns."
Cole nickte. „Können Sie mir sagen, ob sie irgendwelche Probleme mit der Kirche hatte?"
Shelly schüttelte den Kopf. „Nein, in letzter Zeit ist sie sogar öfter zur Kirche gegangen, das hat sogar Donald sehr erfreut."
„Und welche Kirche ist das?"erkundigte er sich schnell.
„Die Elisabethkirche, gleich dort drüben."Shelly zeigte über die Mauer hinweg. „Ich bin oft dort und kümmere mich um die Wohltätigkeitsarbeit. Als Kind ist Amy immer mit mir mitgekommen, aber später hat sie sich nicht mehr dafür interessiert, erst in der letzten Zeit hat sie mich wieder häufiger begleitet."
Plötzlich fiel Cole etwas ein, „Mrs. Carey, hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir Amys Zimmer ansehe?"
Shelly schüttelte den Kopf. „Nein, ihre Privatsphäre hat die Polizei bereits zerstört. Also kommen Sie. "
Sie betraten das Haus durch eine Seitentür und Shelly führte ihn die Treppe hoch in den ersten Stock. Sie blieb vor einer Tür stehen und öffnete sie vorsichtig. „Ich hoffe immer noch, sie dort drinnen vorzufinden."erklärte sie mit einem traurigen Lächeln. „Ich lasse Sie besser allein."
Cole bedankte sich bei ihr und betrat den Raum. Es handelte sich um ein gewöhnliches Zimmer, in der Mitte befand sich ein großes Bett und an den Wänden waren Regale mit Büchern. Dennoch sah es seltsam unbewohnt aus. Kein einziges Poster zierte die Wände. Auf der Fensterbank standen unzählige Pflanzen. Cole ging darauf zu und sah, dass es sich nicht um gewöhnliche Zimmerpflanzen, sondern um Kräuter handelte. Geradeaus konnte Cole aus dem Fenster sehen. Er erblickte wieder den Garten. Der Swimmingpool war genau unter ihm und er konnte Mrs. Carey beobachten, wie sie sich auf einer der Liegen im Schatten niederließ. Er wandte sich um und setzte sich auf Amys Bett. Vorsichtig zog er eine Schublade des Nachttisches auf, aber es befanden sich nur Kosmetikartikel darin. Cole nahm nicht an, dass er hier irgendetwas entdecken könnte, schließlich hatte die Polizei bereits den gesamten Raum durchsucht. Dennoch stand er wieder auf und sah sich aufmerksam um.
Er ging an der Wand entlang und hatte plötzlich ein komisches Gefühl, er betrachtete den Kleiderschrank genau und schließlich sah er es. Auf dem Schrank war ein magisches Feld. Cole stellte sich auf die Zehenspitzen und fasste mit seiner Hand durch eine unsichtbare Wand. Es musste sich um ein unsichtbares Kästchen handeln, das dazu diente, seinen Inhalt zu verstecken, entschied er, denn er hatte keine Mühe, durch das Feld zu kommen. Er ertastete eine Dose und holte sie hervor, anschließend fasste er noch einmal in das Kästchen und konnte ein schmales Notizbuch hervorholten. Doch bevor er nach weiteren verborgenen Gegenständen suchen konnte, hörte er, wie sich die Tür zu Amys Zimmer öffnete. Schnell trat er ein paar Schritte zurück in den Raum und steckte das Notizbuch und die Dose in seine Jackentasche.
„Shelly?" Donald Carey steckte den Kopf in die Tür.
„Ihre Frau hat mir freundlicherweise gestattet, mich in Amys Zimmer ein wenig umzusehen."erklärte Cole mit einem Lächeln und ging auf Donald zu, der ihn ein wenig irritiert betrachtete.
„Ja, das hätte mir selbst einfallen können, aber wissen Sie, Amy war ja nicht allzu oft hier, darum spiegelt dieser Raum ihre Persönlichkeit auch nicht sehr gut wieder."erklärte Donald.
Cole nickte. „Ich fand es trotzdem recht interessant."
„Sicher, aber jetzt sollten Sie gehen, sonst verpassen sie noch ihren Termin bei den Wingroves."erklärte Donald.
„Das will ich doch auf keinen Fall."meinte Cole ironisch und ließ sich von Donald Carey vor die Tür führen. Draußen angekommen, sah er sich noch einmal zu dem Haus um. Die kleine Amy spielte also mit Magie, wenn er sie das nächste Mal besuchte, dann hätte er einige Fragen an sie.
Eine Viertelstunde später stand Cole vor dem Haus der Wingroves. Es war fast eine Kopie von Donald Careys Haus. Auch als er mit einer Angestellten die kühle Mamorhalle betrat, fühlte er sich an Careys Haus erinnert.
Edward Wingrove kam freudig auf ihn zu. „Mr. Turner, ich freue mich zu sehen, wie ernst Sie die Verteidigung von Amy nehmen. Ich wusste doch, dass ich den richtigen Mann dafür ausgesucht habe."
„Edward" begrüßte Cole ihn. „Sie haben mir gar nicht gesagt, dass Ihre Tochter in den Fall verwickelt ist."
Wingrove machte eine abwehrende Handbewegung. „Da irren Sie sich, Charlotte hat nichts damit zu tun. Sie war um diese Uhrzeit schon wieder zu Hause. Ich kann Ihnen alles dazu sagen."
„Ich würde Ihre Tochter aber gerne persönlich befragen, wenn Sie nichts dagegen haben."er sah Wingrove auffordernd an. „Als Anwalt werden Sie das sicher verstehen."
„Ja sicher, einen Moment."Er öffnete eine Tür und ließ Cole eintreten. „Ich werde sie holen."
Wingrove verließ den Raum und Cole wollte sich gerade umsehen, als sich die Tür schon wieder öffnete. Wingrove und eine junge Frau in Amys Alter betraten den Raum.
„Charlotte, das ist Mr. Turner."erklärte er seiner Tochter. „Cole, dies ist meine Tochter Charlotte."
Cole nickte und nahm Charlottes schmale Hand entgegen. Sie sah ihrer älteren Schwester Vivian zum Verwechseln ähnlich. Die selben langen blonden Haare, die selben grünleuchtenden Augen, die ihn grimmig betrachteten.
„Ich lasse euch jetzt allein."erklärte Wingrove und verließ erneut den Raum.
„Setz dich doch"meinte Cole und ließ sich selber auf einem der hellen Polstermöbel nieder. „Wie du sicher von deinem Vater weißt, vertrete ich Amy."
Charlotte nickte. „Aber ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, ich war zu dem Zeitpunkt schon lange wieder zuhause."
„Aber du warst an dem Abend mit ihr zusammen. Und darüber würde ich gern mehr erfahren."teilte Cole ihr ruhig mit.
„Sie ist nicht meine Freundin, wenn Sie das denken, wir haben sie nur manchmal mitgenommen wegen unserer Eltern, das ist alles."erklärte Charlotte gereizt.
„Und was war an dem Abend? Wieso ward ihr auf diesem abgelegenen Grundstück?"fragte Cole erneut.
Charlotte zuckte die Achseln. „Wie schon gesagt, unsere Eltern wollten, das wir sie mitnehmen, sie haben an dem Abend bei uns gefeiert und darum hatten wir keine Wahl. Und das ist auch schon alles."
„Und wieso habt ihr diese Wildnis ausgesucht?"fragte Cole nach.
„Es war eine blöde Idee, ich weiß gar nicht mehr, wer darauf gekommen ist. Ich nehme an Amy, denn Gillian und ich wollten schnell wieder gehen, aber Amy hat es dort gefallen, also haben wir sie da gelassen."erklärte Charlotte und es war offensichtlich, dass sie nicht die ganze Wahrheit sagte.
„Ihr habt sie dort einfach alleine gelassen? Wie wollte sie denn wieder nach Hause kommen."fragte Cole.
„Wir waren mit zwei Wagen dort. Das war kein Problem. Amy war schon immer komisch und wenn sie gerne die Nacht im Freien verbringen wollte, dann sollte uns das Recht sein."erklärte Charlotte gelassen.
Cole hatte langsam genug davon, zu hören, wie merkwürdig Amy war. Er fand es viel eigenartiger dass die beiden Amy einfach alleine auf diesem abgelegenen Grundstück zurückgelassen hatten. „Und Adam Boucher haben sie nicht gesehen?"
„Nein, und sonst auch niemanden."Charlotte zeigte ihm ihr strahlendstes Lächeln. „Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen wirklich nicht helfen, so gerne ich das auch tun würde."
„Na gut,"erklärte Cole und stand auf, aus Charlotte würde er nichts herausbringen. „Trotzdem hätte ich da noch eine Frage an dich."Er sah sie aufmerksam an. „Weißt du, ob Amy sich jemals mit Magie beschäftigt hat, oder sogar du?"
Charlotte versteifte sich. „Nein, wie kommen Sie denn auf so was, das ist doch alles Blödsinn."
„Ja klar."Cole lächelte verschlagen. „Wie kann ich nur auf so was kommen."
Als Cole das Haus verließ und auf seinen Wagen zuging, machte er sich Gedanken über Charlotte und ihre Freudinnen. Er stellte sich die Frage, ob sie unter freiem Himmel Magie austesten wollten. Nachdenklich schloss er den Wagen auf, als ein anderes Fahrzeug auf das Grundstück fuhr. Es blieb neben ihm stehen und Vivian Wingrove stieg freudestrahlend aus.
„Mr. Turner, ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so bald wiedersehen."begrüßte sie ihn freudig.
„Ich hoffe das ist keine unangenehme Überraschung."erklärte Cole.
„Oh nein, ganz im Gegenteil."Sie lächelte ihn an. „Ich wollte mich sowieso schon bei Ihnen melden, doch Prue wusste ihre Telefonnummer nicht."
Cole grinste, Prue wusste also ihre eigene Telefonnummer nicht mehr, das war interessant. „Und wieso wollten Sie mich erreichen."
Vivian schaute ihn direkt an. „Ich dachte, Sie könnten mir Neuigkeiten über ihren neuesten Fall mitteilen."
„Nein, das kann ich nicht. Aber Sie haben mir gar nicht erzählt, dass Ihre Schwester darin verwickelt ist."meinte Cole.
Vivian machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist ein Irrtum, Charlie hat nichts damit zu tun. Das kommt alles nur daher, weil Dad mit Donald befreundet ist."erklärte sie. „Da hat er die arme Charlie praktisch gezwungen, Amy mitzunehmen."
„Wie es scheint können Sie mir mehr über den Fall erzählen als ich Ihnen."erkannte Cole mit einem Lächeln.
„Wer weiß, wollen Sie das nicht vielleicht morgen beim Abendessen herausfinden?"Fragte Vivian kokett und wartete seine Antwort gar nicht erst ab. „Ich kenne ein exquisites Restaurant in der Stadt und da Sie noch neu in der Stadt sind, sehe ich es als meine Aufgabe an, Ihnen die besten Plätze hier zu zeigen. Also sagen Sie nicht nein."Sie sah ihn lächelnd an.
„Wie könnte ich Vivian."Cole wollte sich die Chance nicht entgehen lassen, sie auszufragen. Sie konnte ihm sicher so einiges über die Familie Carey sagen. Und so wie er sie bisher kannte, würde sie sicher kein Blatt vor den Mund nehmen.
„Wie schön, dann holen Sie mich doch morgen Abend um 20.00 Uhr ab." Sie ging zufrieden auf die Haustür zu und drehte sich noch einmal um. „Ich freue mich schon."meinte sie und verschwand im Haus.
Cole sah ihr kopfschüttelnd hinterher und beschloss schließlich, Amy im Untersuchungsgefängnis einen Besuch abzustatten. Er hatte einige Fragen, die nur sie beantworten konnte.
Cole musste die halbe Stadt durchqueren, bis er endlich vor dem grauen Gebäude des Untersuchungsgefängnisses ankam. Er betrat den düsteren Klotz und fand sich kurze Zeit später in einem Besprechungszimmer wieder. Als Amy hereingeführt wurde, kam sie ihm noch bleicher vor, als beim letzten Mal. Er konnte nicht sagen warum, aber diese junge Frau berührte ihn in irgendeiner Art.
„Ist alles mit dir in Ordnung?"fragte er besorgt und wartete, bis sie auf ihrem Stuhl Platz genommen hatte. Dann setzte er sich selbst.
Amy nickte. „Ich habe keine Probleme, na ja ganz davon abgesehen, dass ich im Gefängnis sitze."sie versuchte ihren Mund zu einem leichten Lächeln zu verziehen.
„Das ist sicher nicht einfach."meinte Cole.
Amy sah ihn an. „Woher wollen Sie das wissen, waren Sie schon einmal im Gefängnis?"
Cole lächelte. „Nein, das nicht. Aber ich war schon an Orten, die schlimmer sind als ein Gefängnis, das kannst du mir glauben."
Amy sah ihn skeptisch an. „Kann ich mir kaum vorstellen."
„Vergiss es."meinte er und fragte sich, warum ihm das herausgerutscht war. „Ich habe heute deine Eltern getroffen. Es geht ihnen gut und ..."
Amy hob die Hand um ihn zu stoppen. „Ich will nichts darüber hören, sagen Sie meiner Mutter, dass mit mir alles in Ordnung ist und dass sie mich nicht besuchen soll, ich würde das nicht ertragen."
„Okay," meinte Cole gelassen. „Wenn du das so willst, es ist deine Entscheidung. "
„Ja, das ist sie und ich will eigentlich überhaupt keinen Besuch." Sie sah ihm direkt in die Augen. „Sie müssen mich nicht besuchen, ich werde Ihnen nichts zu dem Vorfall sagen. Also machen Sie Ihren Job und lassen Sie mich in Ruhe."
Cole lachte auf. „Tja tut mir leid, aber so einfach ist das nicht. Schon gar nicht, wenn du hier wieder raus willst. Dann musst du mir schon ein paar Fragen beantworten."
Amy seufzte. „Ich denke ich habe sowieso keine Chance."Darum hatte sie auch gar keinen Anwalt gewollt, der konnte ihr doch nicht helfen und würde sie nur ausquetschen wollen. Niemand würde sie verstehen. Sie blickte ihn an, sie hatte es schon bei seinem letzten Besuch gesehen. Darum hatte sie das Gefühl, dass er es vielleicht konnte, dennoch war sie nicht bereit, zu reden.
„Überlass das doch mir, so ein schlechter Anwalt, wie du denkst, bin ich nun auch wieder nicht."versuchte Cole, sie zu überzeugen. „Also sag mir einfach, was ihr auf diesem abgelegenen Grundstück wolltet."
„Keine Ahnung, es hat sich einfach so ergeben."Amy zuckte mit den Schultern.
„Wolltet ihr dort vielleicht ein magisches Ritual ausführen?"Kam Cole gleich zur Sache und nahm eine leichte Regung in Amys starrem Gesichtsausdruck wahr.
Dennoch blieb sie hart und meinte. „Nein, sowas machen wir nicht."
„Nein?" fragte Cole ironisch und holte das Notizbuch hervor. Als er die Dose aus Amys Zimmer in seinem Auto geöffnet hatte, hatte er ein helles Pulver vorgefunden und da Cole nicht vorhatte, bei der Durchsuchung im Gefängnis als Drogendealer geoutet zu werden, hatte er die Dose vorsorglich im Auto gelassen. Das Notizbuch hatte er hingegen vorsorglich in seine Aktentasche gesteckt. Als er es kurz aufgeschlagen hatte, hatte er zwei- und mehrzeilige Sprüche vorgefunden. Ohne sie zu lesen, war ihm klar, dass es sich hierbei nur um Zaubersprüche handeln konnte.
Nun schlug er das Buch auf und begann laut zu lesen. „Die Liebe ist wie eine Blume, sie brauchte die Sonne und den Regen, doch wie sehr sie sich auch bemüht, sie verblüht."Cole sah überrascht auf. „Was soll das denn sein?"fragte er entgeistert.
Amy blickte ihn wütend an. „Geben Sie mir das Heft, es gehört mir."fuhr sie ihn an und versuchte nach dem Heftchen zu greifen, doch Cole stand auf und fuhr fort darin zu blättern.
„Liebesgedichte?" fragte er irritiert. „Ich traf ihn im Sommer, der Herbst folgte bald...."
„Hören Sie auf damit,"versuchte sie ihn zu stoppen und hielt sich sie Ohren zu. Tränen bildeten sich in ihren Augen. „Ich dachte, Sie würden das verstehen."flüsterte sie leise.
Cole kam zum Tisch zurück und setzte sich ihr gegenüber wieder hin. „Es tut mir leid."erklärte er und schob ihr das Notizbuch zu. „Ich hatte nur etwas ganz anderes erwartet."
Amy nahm ihr Heft und versuchte die Tränen zu unterdrücken. „Ach ja, und was?"fragte sie mit belegter Stimme.
„So eine Art Buch der Schatten, nehme ich an."Erklärte er nachdenklich. „Zaubersprüche."Er sah sie aufmerksam an und fühlte sich schuldig, er hätte sich wirklich vorher einen der Sprüche durchlesen können. „Ich habe es schließlich in deinem Zimmer in einem magischen Kästchen gefunden." Stellte er klar.
„Aber wie konnten Sie es finden?"fragte sie überrascht.
Cole zuckte die Schultern. „Ich kenne mich mit sowas aus, also wenn dieser Fall irgendetwas mit Magie zu tun hat, dann bin ich wirklich der Richtige zum Reden."
Amy sah ihn nachdenklich an. „Ich habe das Kästchen geschenkt bekommen, das ist alles."erklärte sie strikt.
„Und das Pulver in der Dose?"
Amy blickte auf den Tisch und fuhr mit ihrem Zeigefinger über die Spirale ihres Notizblockes. „Das habe ich gekauft."erklärte sie nachdenklich. „Aber es ist nicht gut, es hat nicht funktioniert."
„Was sollte es denn bewirken?"fragte Cole neugierig.
„Die Hemmungen nehmen."sagte sie leise.
„Oh." meinte Cole überrascht. „Und in welcher Beziehung?"
Amy sah ihn wütend an. „Das geht Sie gar nichts an, das hat nichts mit ihrem Fall zu tun. Und wie ich schon sagte, es bewirkt nichts."
„Schade!" meinte Cole grinsend und wurde gleich wieder ernst. „Aber ihr seid auf diese Lichtung gegangen, um Magie zu praktizieren."
„Nein, wir haben nur ein Feuer gemacht und wollten uns Geschichten erzählen, aber den anderen beiden war es zu kindisch und langweilig und darum sind sie wieder gegangen."erklärte Amy.
„Sicher, und dieser Priester lief auch ganz zufällig dort herum." erklärte Cole und blickte Amy an. „Das glaubt dir doch kein Mensch."
„Sie sind aber mein Anwalt und Sie sollten mir glauben."erklärte Amy.
„Klar, wenn mir meine Mandantin die Wahrheit sagt, dann schon, aber so sieht es in diesem Fall nicht aus, nicht wahr?"
„Ich habe ihn nicht erstochen."sagte sie leise. Sowas hätte sie nie tun können, wieso sah das nicht jeder, fragte sich Amy verzweifelt.
„Ja, und im Gegensatz zu den anderen Sachen glaube ich dir das."meinte Cole in diesem Augenblick.
Sie sah ihn dankbar an. „Dann quälen Sie mich doch nicht mit Ihren unsinnigen Fragen, ich will mich nicht daran erinnern."
Cole seufzte. „Das wirst du aber müssen, wenn du den Prozess gewinnen willst."erklärte er, doch Amy gab keinen Ton von sich. Cole war verlockt, sie zu fragen, ob ein Dämon den Priester getötet hatte, aber er wollte sie nicht unnötig verschrecken. Um ihr diese Frage zu stellen, brauchte er mehr Anhaltspunkte. „Na gut, wenn du nichts weiter sagen willst, dann werde ich jetzt gehen."Er stand auf und ging zur Tür, als ihn ein leises „Oh, Mr. Turner."stoppte. Cole drehte sich noch einmal um und meinte „Cole, wenn du willst."
Amy nickte. „Danke für das Heft."
Er lächelte leicht. „Gern geschehen."
