10.Kapitel
Als Cole vor dem Haus der Wingroves ankam, erwartete Vivian ihn bereits freudestrahlend. Sie trug ein kurzes weißes Kleid mit Spagettiträgern, das mehr preisgab, als es verbarg und ihr offenes Haar fiel ihr über die Schultern. „Komm rein," forderte sie ihn fröhlich auf und ließ ihn in die Eingangshalle. „Ich bin gleich fertig. Ich muss nur noch schnell meine Tasche holen." meinte sie und verschwand in einem der Räume.
Bevor Cole Zeit hatte, sich in der Halle umzusehen, war sie schon wieder zurück.
„So, jetzt bin ich bereit." erklärte sie.
Cole lächelte. „Warte noch einen Moment." bat er sie. „Ich wollte dich noch um etwas bitten." Vivian sah ihn aufmerksam an und Cole fuhr fort. „Deinem Vater gehört doch die Plantage, auf der Adam Boucher ermordet wurde."
Vivian nickte. „Ja, das stimmt. Und obwohl ich nichts davon geschrieben habe, und wir versucht haben, diese Tatsache aus den Medien herauszuhalten, haben sie trotzdem Wind davon bekommen." Sie seufzte. „Ständig bekommen wir Anfragen von Journalisten, die sich den Tatort anschauen wollen. Mein Vater musste sogar schon einen Wachdienst engagieren, damit niemand sich unbefugt auf das Gelände begibt."Sie schüttelte den Kopf. „Es ist wirklich schlimm." verkündetet sie.
Cole sah sie nachdenklich an. „Tja, um dasselbe wollte ich dich auch gerade bitten." meinte er gespielt zerknirscht.
Vivian sah ihn lächelnd an. „Du willst den Schlüssel?" fragte sie. „Aber das ist doch kein Problem. Bei dir ist das doch etwas anderes." erklärte sie und drehte sich um. „Warte einen Moment. Ich hole ihn nur schnell." Vivian verschwand erneut und Cole sah ihr überrascht hinterher. Das war ja leichter gewesen, als er erwartet hatte.
Kurz darauf war Vivian mit einem Schlüssel in der Hand wieder zurück. „Wir haben nur drei davon im Haus." teilte sie ihm mit. „Und einer befindet sich bei der Polizei. Aber diesen hier kann ich dir geben." Sie lächelte ihn an und meinte leise. „Du kannst ihn mir bei passender Gelegenheit zurückgeben."
„Danke!" meinte Cole. „Das werde ich tun."
Die beiden verließen das Haus und Vivian dirigierte Cole durch die Stadt, bis sie vor einem Restaurant in der Innenstadt ankamen. „Dies ist eins der besten Restaurants in der Stadt." erklärte Vivian, als sie die Eingangshalle betraten. Ein Mann in Livree erwartete sie bereits und Vivian nannte ihm ihren Namen. Der Mann nickte und meinte höflich „Ihr Tisch ist sofort für Sie bereit, Miss Wingrove. Wenn Sie noch einen Moment warten könnten."
Vivian nickte und wandte sich wieder an Cole. „Dieses Restaurant ist eins meiner liebsten. Das Essen ist hervorragend und ich liebe die Atmosphäre. Alles beschäftigt sich mit der Geschichte von New Orleans." begann sie zu erklären und zeigte auf einige Gemälde und Dekorationen an der Wand. „Die Gemälde zeigen geschichtliche Ereignisse aus New Orleans, und im Speisesaal gibt es sogar eine Voodoo-Ecke."
Cole schaute sie überrascht an. „Du glaubst an Voodoo?"
Vivian lachte gekünstelt. „Oh nein, natürlich nicht." erklärte sie. „Obwohl selbst heute noch 15 der Bevölkerung von New Orleans den Voodoo-Kult praktizieren und da kannst du dir sicher vorstellen, wie viele daran glauben." Sie sah ihn nachdenklich an. „Als Kind hatte ich große Angst davor. Ich habe immer befürchtet, dass einer mich oder meine Familie verflucht. Ich habe sogar meine Mutter darum geben, mir ein echtes Gris-Gris zu kaufen, um mich vor bösem Voodoo-Zauber zu beschützen."
„Und hat sie es getan?" fragte er neugierig, denn es interessierte ihn brennend, ob in der Familie Wingrove an Voodoo geglaubt wurde.
Vivian schüttelte den Kopf. „Wo denkst du hin, natürlich nicht." erklärte sie energischer als nötig. „Sie war schließlich erwachsen, so wie ich heute. Als Kind mag man vielleicht an solchen Humbug glauben. Aber heute bin ich erwachsen und klüger."
„Und wie war das bei deiner Schwester?" hakte Cole nach.
„Charlie? Sie hatte auch immer Angst davor. Selbst heute noch." teilte sie Cole mit. „Sie geht noch nicht mal in die Nähe von Plätzen, wo Voodoo- Rituale praktiziert werden. Selbst wenn es nur für die Touristen ist." Vivian schüttelte den Kopf. „Sie läßt sich nicht davon abbringen, obwohl doch jeder weiß, dass es nur Show ist."
„Ach," erklärte Cole achselzuckend. „Man kann doch nie wissen, was auf der Welt so alles existiert."
Vivian lachte unsicher. „Das ist doch alles Aberglaube." erklärte sie und war offensichtlich froh, als der Ober erneut kam, um sie an ihren Tisch zu führen.
Sie betraten den Saal, der trotz seiner Größe eine gemütliche Atmosphäre ausstrahlte. Der Ober führte sie an einen Tisch für zwei Personen in einer Nische am Fenster und wollte für Vivian bereits den Stuhl vorrücken, als Cole ihn stoppte. „Ich denke du solltest lieber hier sitzen." teilte er ihr mit und schob ihr den anderen Stuhl zurück. Vivian sah ihn irritiert an und setzte sich schließlich. Nachdem auch Cole sich gesetzt hatte, gab der Ober ihnen die Speisekarten und verschwand.
Vivian sah ihm hinterher und wollte Cole schon fragen, warum er die Plätze getauscht hatte, als ihr Blick auf das Gemälde der Voodoo-Königin Marie Laveau fiel. Sie lächelte leicht. „Du hattest wohl Angst, dass dich Marie Laveau von mir ablenkt?" fragte sie, gespielt geknickt.
„Wer?" fragte Cole alarmiert, denn einige Tische entfernt saß Prue mit ihrer Verabredung Paul Hennen. Cole hatte sie sofort gesehen, als er den Saal betreten hatte, doch er wusste nicht, ob Vivian sie ebenfalls erblickt hatte. Dennoch hatte er sich die Chance nicht entgehen lassen, Prue bei ihrem Date zu beobachten, und hatte mit Vivian den Platz getauscht.
„Die schöne Voodoo-Königin hinter dir." erklärte Vivian mittlerweile und verzog beleidigt ihren Mund.
Cole lehnte sich erleichtert zurück und lächelte Vivian an. „Es gibt hier niemanden, der meinen Blick von dir ablenken könnte." meinte er und sah sie an. „Schon gar nicht jemand, der tot ist."
Vivian lächelte. „Das will ich doch hoffen" meinte sie kokett.
„Keine Sorge!" meinte Cole und sah sie weiterhin an, obwohl es ihm schwerfiel, seinen Blick auf ihr ruhen zu lassen. Um Vivian abzulenken fragte er. „Und die attraltove Dame hinter mir war also eine Voodoo Königin?"
Vivian nickte. „Aber sicher, sie ist eine Berühmtheit in New Orleans. Hast du nicht von ihr gehört? Sie lebte von 1796 bis 1881."
Cole zuckte die Schultern. „Das war selbst vor meiner Zeit." erklärte er wahrheitsgemäß und beobachtete aus den Augenwinkeln Prue.
„Ihre Anhänger reisten aus ganz Amerika an, um sich von ihr heilen bzw. die Zukunft voraussagen zu lassen, und zu ihren Verehrern gehörten sogar ranghohe Lokalpolitiker und führende Geschäftsleute." begann Vivian zu erzählen.
Als sie fortfuhr, tat Cole so, als höre er aufmerksam zu, in Wirklichkeit beobachtete er aber weiterhin Prue, die ihn unterdessen ebenfalls entdeckt hatte.
Ärgerlich sah sie ihn an und versuchte, sich wieder auf Paul zu konzentrieren. Das ganze Date war bisher nicht so abgelaufen, wie sie es sich erhofft hatte. Ohne Zweifel war Paul ein netter, zuvorkommender Mann, aber Prue war einfach nicht bei der Sache. Momentan lauschte sie Pauls Erzählungen über die Unterschiede der Polizeiarbeit in New York und New Orleans, sie lächelte und nickte an den richtigen Stellen und blickte wieder auf ihren Teller, um ja nicht wieder Cole ansehen zu müssen. Es hatte ihr gerade noch gefehlt, dass er im selben Restaurant auftauchte, dabei konnte sie ihn so schon nicht aus ihren Gedanken verbannen und jetzt saß er auch noch nur ein paar Tische entfernt mit Vivian Wingrove. Die ein Kleid trug, das verboten werden sollte, dachte Prue wütend. War sie sich denn für nichts zu schade, nur um zu bekommen, was sie wollte? Und was sie wollte war offensichtlich. Hoffentlich war er zu erschöpft von der letzten Nacht dachte Prue wütend und blickte entsetzt auf, als sie feststellte, was sie da dachte.
Paul sah sie besorgt an. „Geht es dir nicht gut?" fragte er.
„Doch doch, keine Sorge, es ist alles in Ordnung." erklärte sie mit einem Lächeln.
„Schön." meinte Paul. "Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut amüsiert." fing er feierlich an. „Weißt du, nachdem ich mich von meiner Frau getrennt habe ...."
Prue sah Paul aufmerksam an, aber sie konnte es nicht verhindern, dass ihr Blick erneut bei Cole hängenblieb. Vivian fuhr sich gerade effektvoll durch ihre wilde Mähne und fing an, künstlich zu lachen. Dabei berührte sie wie zufällig Coles Hand, um ihre anschließend dort liegen zu lassen. Es war so eindeutig, was sie wollte, das es schon fast peinlich war, dachte Prue kopfschüttelnd, als sie Coles Blick auffing, der sie aufmerksam betrachtete. Schnell wandte sie sich wieder Paul zu, der sie zu ihrem Schreck ansah, als würde er auf eine Antwort von ihr warten. Sie räusperte sich und meinte lächelnd. „Tut mir Leid Paul, was hattest du gerade gesagt?"
„Ich habe nur vorgeschlagen, dass wir diesen netten Abend in einem der Jazzclubs ausklingen lassen sollten, wenn du möchtest." erklärte er erneut.
„Sicher!" meinte Prue, so begeistert, wie möglich. „Das ist eine gute Idee, aber lass uns doch erst in Ruhe zu Ende essen."
Paul lachte. „Soll das heißen, du willst noch einen Nachtisch?" neckte er sie. „Ich hatte angenommen, dass du nicht unbedingt eine 'Süße' bist."
Prue lächelte angestrengt „So kann man sich irren." meinte sie locker und hatte auf einmal ein schlechtes Gefühl, als würde sie Paul ausnutzen. Und das wollte sie auf gar keinen Fall, Judy hatte ihr schließlich gesagt, dass er viel durchgemacht hatte. Sie hatte nie vorgehabt, ihn zu verletzten, aber sie hatte ihn dazu benutzen wollen, die vorherige Nacht zu vergessen. Und das war gründlich daneben gegangen. Sie beobachtete, wie der Kellner das Essen an Vivians und Coles Tisch brachte. Aber selbst wenn Cole nicht hier aufgetaucht wäre, hätte das nichts geändert. Paul war ein lieber, netter Mann, aber nicht der richtige Typ für sie. Was noch lange nicht hieß, dass Cole der richtige für sie war. Er war genauso falsch wie Paul, nur auf andere Weise. Sie beschloss, den Abend höflich zu Ende zu führen und Paul dezent darauf hinzuweisen, dass aus ihnen wohl nichts werden würde.
Cole hörte sich unterdessen Vivians endlosen Vortrag über ihre Wahl als Ballkönigin beim Abschlussball an. Natürlich war es unter ihrem Niveau gewesen, bei Schönheitswettbewerben teilzunehmen, obwohl man ihr deutlich gemacht hatte, dass sie große Chancen hatte. Sie lächelte ihn kokett an. „Aber ich wollte lieber mit meinem Kopf Karriere machen, und nicht mit meinem Aussehen."
Cole lächelte pflichtschuldig und bereitete sich auf einen weiteren Vortrag über Vivians baldige Fernsehkarriere vor, als plötzlich Edward Wingrove an ihren Tisch trat.
Vivian sprang sofort auf und gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange.
„Vivian, meine Liebe. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dich heute Abend hier zu treffen." teilte er ihr mit und betrachtete kritisch ihr freizügiges Outfit. Dann wandte er sich an Cole, der ebenfalls aufgestanden war. „Mr. Turner." meinte er kühl. „Ich wusste gar nicht, dass sie meine Tochter kennen."
„Aber Daddy, er arbeitet schließlich für dich." antwortete Vivian für Cole, wobei sie ihren Vater glücklich anlächelte. Sie setzten sich wieder und Vivian sah ihren Vater auffordernd an. „Ist noch was Daddy?" fragte sie und es war offensichtlich, dass sie ihren Vater so schnell wie möglich wieder loswerden wollte.
„Ich bin eigentlich sehr froh, dass ich dich hier treffe, Schatz." begann Wingrove. „Ich habe schon versucht, dich zu erreichen." Erklärte er. „Ich treffe mich heute mit James, und du weißt doch, dass dein Patenonkel dich gerne einmal wiedersehen würde." Er sah sie eindringlich an.
Vivian seufzte. „Hat das nicht Zeit bis morgen? Er ist schließlich noch die ganze Woche in der Stadt."
Wingrove schüttelte den Kopf. „Nein, seine Pläne haben sich geändert, er verlässt die Stadt morgen früh schon wieder, darum würde ich dich sehr bitten, dich nach eurem Essen noch kurz zu uns zu setzen." Er lächelte Cole unverbindlich an. „Mr. Turner ist schließlich noch länger in der Stadt und er hätte sicher nichts dagegen, wenn er dich zu einem anderen Zeitpunkt erneut treffen könnte."
Cole lächelte zurück. Es war offensichtlich, dass sein Arbeitgeber keine Widerrede von ihm erwartete. Und Cole hatte auch nicht vor, ihm zu widersprechen, denn Wingrove tat ihm damit ungewollt einen Gefallen. Cole hatte genug über die Familie Wingrove erfahren und nebenbei auch noch den Schlüssel für die Plantage erhalten. „Dein Vater hat Recht." wandte er sich darum verständnisvoll an Vivian. „Wir können unsere Verabredung ein anderes Mal wiederholen." Er lächelte sie an. „Wir haben doch Zeit." meinte er und spürte, wie Wingrove sich neben ihm versteifte.
Vivian sah ihn geknickt an. „Also das gefällt mir gar nicht." Sie warf einen wütenden Blick auf ihren Vater.
„Ich erwarte dich dann im hinteren Salon." teilte dieser seiner Tochter mit und verschwand mit einem Nicken.
„Hier gibt es einen hinteren Salon?" Fragte Cole überrascht.
Vivian nickte. „Sicher, für private Treffen und Feste." Sie sah Cole unglücklich an. „Bisher war es so ein schöner Abend, und jetzt das." Sie seufzte. „Ich habe mein Handy extra abgestellt, als hätte ich so etwas erwartet. Weißt du, meinem Vater liegt viel an der Familie und Onkel James ist schon recht alt. Er kommt von außerhalb und macht sich selten auf den Weg in die Stadt. Darum werde ich ihn wohl wenigstens begrüßen müssen." Sie seufzte erneut und sah ihn mit ihren großen Augen an. „Ich hoffe, du bist mir nicht böse, aber Moment.." überlegte sie. „..du könntest ja mitkommen."
Cole lächelte sie wenig begeistert an. „Ich denke deinem Vater würde das gar nicht gefallen." wiegelte er ab. „Wir kennen uns doch kaum und wir können uns jederzeit wieder treffen."
„Das hoffe ich doch." meinte Vivian und lächelte ihn auffordernd an.
Zur gleichen Zeit hatte der Ober Prue und Paul ihr Dessert gebracht. Prue hatte beobachtete, wie Edward Wingrove an den Tisch von Cole und Vivian gekommen war. Zufrieden hatte sie festgestellt, dass er gar keinen glücklichen Eindruck gemacht hatte. Prue kannte ihn nur vom Sehen, aber sie wusste, das er ein einflussreicher Mann in der Stadt war. Schließlich hatte er seiner unfähigen Tochter den Job bei Prues Zeitung verschafft, dachte sie ärgerlich und anscheinend wollte er lieber einen anderen Mann in Vivians Begleitung sehen. Bevor Prue ihre Überlegungen vertiefen konnte, erinnerte sie sich daran, dass sie mit Paul zum Abendessen hier war und Cole ihr im Grunde völlig egal war. Sie wandte sich mit einem Lächeln an ihren Begleiter, als sich sein Pieper bemerkbar machte.
Paul sah Prue entschuldigend an „Ich habe heute Abend Bereitschaft." teilte er ihr mit und blickte auf die Anzeige. „Würdest du mich einen Moment entschuldigen?"
Prue nickte und Paul verließ den Saal. Sie wandte sich wieder ihrem Dessert zu, doch sie spürte Coles neugierigen Blick. Als sie aufblickte schaute er sie fragend an. Prue gab ihm so deutlich, wie die Entfernung es möglich machte, zu verstehen, dass er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte. Er zuckte mit den Schultern und lächelte wieder Vivian an. Prue schüttelte genervt den Kopf und sah zur anderen Seite, wo Paul mit einem verlegenen Lächeln auf den Lippen wieder aufgetaucht war.
„Es tut mir wirklich leid, Prue." Teilte er ihr mit, als er den Tisch erreichte. „Aber meine Dienststelle hat angerufen. Ich muss heute Abend noch vorbeikommen." Er ließ sich wieder auf seinem Platz nieder und schüttelte entschuldigend den Kopf. „Das ist das Kreuz, wenn man Polizist ist. Man wird zu den unpassendsten Momenten weggerufen."
„Was tue ich nicht alles für die Sicherheit in der Stadt." erklärte Prue mit einem Lächeln, doch als sie seinen enttäuschten Gesichtsausdruck sah, fügte sie hinzu. „Keine Sorge, ich kenne mich mit solchen Notfällen bestens aus. Und es ist doch nicht so tragisch. Wir können die Verabredung jederzeit wiederholen."
„Ja das werden wir auf jeden Fall." meinte Paul zuversichtlich.
„Musst du jetzt gleich weg?" erkundigte sich Prue.
„Ja leider. Aber bleib du noch hier sitzen und iß dein Dessert in Ruhe auf. Ich werde einem der Angestellten sagen, dass er dir später ein Taxi rufen soll." schlug Paul vor und winkte einen Ober heran, um zu bezahlen.
Cole beobachtete von weitem, wie Paul die Rechnung bezahlte und sich dezent von Prue verabschiedete. Cole konnte nicht leugnen, dass er erfreut verfolgte, wie Paul den Raum verließ, während Prue alleine an ihrem Tisch sitzen blieb. Ein paar Minuten später erhob auch sie sich und ging auf den Ausgang zu, ohne Cole dabei eines Blickes zu würdigen.
„Ich denke es wird langsam Zeit, dass du dich bei dem guten alten Onkel James blicken läßt." wandte sich Cole wieder an Vivian.
„Du bist so süß." meinte diese lächelnd. „Und so verständnisvoll, womit habe ich das nur verdient?"
„Ich weiß nicht." erklärte Cole und rief den Ober herbei, während sich Vivian kurz frisch machen wollte. Als der Ober erschien, fragte Cole ihn, ob er für Prue ein Taxi bestellen sollte. Als dieser nickte, teilte er ihm mit, dass dies nicht nötig sei, denn er würde sie fahren.
Der Ober sah ihn irritiert an. „Sind Sie sicher?" fragte er. „Ich möchte keinen Ärger bekommen."
„Keine Sorge, sie wird sich freuen, das versichere ich ihnen." erklärte Cole mit einem zufriedenen Lächeln und zahlte die Rechnung mit einem großzügigen Trinkgeld.
„Aber sicher Sir, kein Problem." erklärte der Ober und verschwand.
Als Vivian zurückkam, brachte Cole sie zu einem der hinteren Säle. Vor der Tür blieb sie stehen und trat näher an ihn heran. Sie fuhr mit der Hand seinen Arm entlang bis sie seinen Hals erreichte. Sie zog seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn spielerisch auf die Lippen. „Ich hatte mir für heute etwas anderes ausgedacht." flüsterte sie, doch bevor sie fortfahren konnte, ging hinter ihr die Tür auf.
„Vivian!" erklang Edward Wingroves Stimme. „Wir warten schon auf dich." meinte er und als er Cole erblickte, fragte er kühl. „Ich will ja nicht unhöflich sein, aber dies ist ein Familientreffen."
Cole hob die Hände. „Keine Sorge," meinte er. „Ich wollte Vivian nur hierherbegleiten."
Vivian sah ihn an und murmelte „Auf bald.", dann verschwand sie mit ihrem Vater wieder in dem Saal.
Cole atmete erleichtert auf. So attraktiv Vivian auch war, er hatte kein Interesse an ihr. Aber er wollte es sich mit ihr auch nicht verscherzen, sie war seine Eintrittskarte zur Familie Wingrove. Er drehte sich um und ging den Korridor zurück in die Eingangshalle.
Währenddessen saß Prue auf einer Bank, die in dem Grünstreifen vor dem Restaurant aufgestellt war. Neben ihr plätscherte ein Springbrunnen und Prue hielt ihre Hand unter den Wasserstrahl. Es war erneut schwülheiß und sie fragte sich, ob sie für dieses Klima überhaupt geschaffen war. Sie blickte erneut auf die Straße, aber noch immer war von ihrem Taxi nichts zu sehen.
Plötzlich ertönte hinter ihr eine Stimme, die ihr zu ihrem Verdruss bekannt war.
„Hallo Prue. Netten Abend gehabt?" fragte Cole und setzte sich neben sie auf die Bank. Als er nicht sofort eine Antwort bekam, fuhr er fort. „Dein Polizist musste ja leider früh gehen."
Prue sah sich um. „Und wo ist deine reizende Begleitung?" fragte sie spöttisch.
„Sie musste zu einem Familientreffen mit ihrem Vater." teilte er ihr großzügig mit.
„Oh, und da hat sie dich nicht mitgenommen?" fragte Prue ironisch. „Ich dachte du und die Wingroves seid so gute Freunde."
Cole lachte, „Wie kommst du denn darauf? Was meinst du, warum Wingrove mir die Verteidigung von Amy überlassen hat? Sicherlich nicht, weil er mich für einen brillanten Anwalt hält."
„Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass dich jemand dafür hält, aber warum sonst?" fragte Prue interessiert.
„Weil er, der lieben Dianne sei dank, davon überzeugt ist, dass ich den Fall auf jeden Fall verlieren werde. Obwohl es da ehrlich gesagt gar nicht viel zu vermasseln gibt."
Prue schüttelte den Kopf. „Warum sollte er das wollen?"
„Na wenn ich versage, dann können Wingrove und Carey vorgeben, sie hätten alles für Amys Verteidigung getan." erklärte Cole lässig, er lehnte sich zurück und streckte seine Arme entlang der Bank aus.
Prue lehnte sich daraufhin nach vorne und fragte spöttisch. „Wenn du das weißt, wieso hast du dann zugesagt, Amy zu verteidigen, ich dachte die Zeit deiner guten Taten wäre vorbei?"
„Tja vielleicht habe ich mich ja getäuscht. Aber hierbei geht es mir eher darum, Wingrove zu zeigen, dass er den Falschen für diesen Fall engagiert hat." Cole lächelte bösartig. „Er hätte nicht schlechter wählen können."
„Hm, aber wenn du ihm eins auswischen willst, dann solltest du nicht unbedingt mit seiner Tochter ausgehen." gab Prue zu bedenken.
Cole grinste vor sich hin. „Wieso nicht? Das hat ihm genauso wenig gepasst." erklärte er zufrieden. „Und außerdem kann mir Vivian ganz hilfreich sein."
„Du gehst also nur aus Berechnung mit ihr aus?" fragte Prue kopfschüttelnd.
„Wenn du es so nennen willst." erklärte Cole und sah sie an. „Aber es war auch ein ganz netter Anblick." meinte er und hob provokativ eine Augenbraue.
„Bemüh dich gar nicht erst, mir ist das völlig egal." erklärte Prue gelangweilt. „Aber für meinen Geschmack war ihr Kleid zu offensichtlich." Sie spritzte etwas Wasser aus dem Springbrunnen zu sich herüber. „Obwohl es für dieses Klima hier vielleicht ganz geeignet ist."
Cole sah sie von der Seite aus an. „Na in deinem Kleid ist diese Hitze sicherlich auch zu ertragen."
Prue sah ihn aufmerksam an. Es war offensichtlich, dass er in seinem Anzug noch viel mehr schwitzen musste, als sie in ihrem dünnen Kleid. „Ja, einer der Vorteile eine Frau zu sein." meinte sie mit einem zufriedenen Lächeln.
„Dennoch wünschte ich mir, es wäre in dieser Stadt wenigstens ein bisschen angenehmer."
Cole nickte. „Mehr wie in San Francisco." stimmte er ihr zu und sah sie dann nachdenklich an. „Du vermisst es sehr nicht wahr? Deine Familie, dein Zuhause."
Prue blickte auf den Springbrunnen und meinte nachdenklich. „Ja, das tue ich. Ich vermisse sie schrecklich. Ich habe immer gedacht es würde mir gefallen, aber ich bin es einfach nicht gewohnt, allein zu sein."
„Ich weiß wie schlimm das ist." meinte Cole leise. „Aber du hast doch noch Danny. Und wenn du willst, dann können wir auch an den Nordpol ziehen."
Prue musste lachen. „Vielen Dank für das Angebot, aber ich denke das würde auch nicht helfen." Sie sah auf die Straße hinaus. „Wo bleibt eigentlich dieses blöde Taxi?" fragte sie sich.
„Oh, ich habe Bescheid gesagt, dass du keins benötigst." teilte Cole ihr mit.
„Was?" Prue sah ihn ärgerlich an.
„Ja, ich kann dich doch fahren." erklärte Cole hilfsbereit.
„Cole ..." begann Prue genervt.
„Was? Ich wollte dir nur einen Gefallen tun" meinte er unschuldig. „Denn ich wollte dich selbst um etwas bitten."
„Das Problem ist nur, das ist kein Gefallen." erklärte Prue genervt. „Aber ich hab ja keine andere Wahl." meinte sie ärgerlich und stand auf. „Also auf was wartest du noch, lass uns von hier verschwinden."
Als Cole und Prue kurze Zeit später ihr Haus betraten, war es in der Eingangshalle angenehm kühl. Cole blieb vor seiner Zimmertür stehen und blickte Prue nachdenklich an. „Also da wäre noch dieser Gefallen, um den ich dich bitten will." begann er.
Prue schüttelte ungläubig den Kopf und hob die Hand. „Ich würde dir raten, es gar nicht erst auszusprechen." meinte sie resolut. „Denn die Antwort ist nein."
„Du weißt doch gar nicht, was ich dich fragen wollte." meinte er spöttisch. „Oder hast du seit neuestem auch Visionen."
„Das ist gar nicht nötig." erklärte Prue mit einem leichten Lächeln. Es war doch offensichtlich, was er wollte, aber wie konnte er denken, dass sie so blöd war, sich noch einmal darauf einzulassen.
Cole nickte. „Na gut," meinte er. „Ich dachte ja nur, du würdest mir und der armen Amy helfen wollen." Er nahm die Türklinke in die Hand und drehte sich zur Seite. „Schade, dann kommst du morgen also nicht mit mir zum Tatort."
Prue sah ihn irritiert an. „Ich weiß gar nicht wovon du sprichst." gab sie zu.
„Ich wollte dich darum bitten, morgen mit mir zu dem Grundstück zu fahren, wo der Mord passiert ist. Vivian hat mir den Schlüssel für das Tor gegeben und ich wollte mich umgucken. Vielleicht haben die drei dort ja versucht ein magisches Ritual zu zelebrieren. Und da du dich mit sowas noch besser auskennst, als ich, dachte ich, du siehst dir den Platz mal an." Er sah sie gespielt überrascht an. „Was hattest du denn gedacht, was ich von dir will?"
Prue schüttelte den Kopf. „Vergiss es." meinte sie und fuhr sich nachdenklich mit den Fingern an den Schläfen entlang. Wenn diese Amy wirklich unschuldig war, dann war es ihre Pflicht, Cole zu helfen. „Na gut," erklärte sie sich schließlich bereit. „Ich werde mitkommen."
Cole trat einen Schritt auf sie zu. „Danke!" sagte er und lächelte. „Aber ich hätte da noch eine andere Frage." Er sah sie eindringlich an. „Wieso bist du heute nicht mit mir ausgegangen, sondern mit Paul?"
„Weil er nett ist und mich gefragt hat." erklärte Prue in neutralem Ton, doch sie konnte ihre Augen nicht von ihm lassen.
„Hm, dass heißt du wärst auch mit mir ausgegangen?" fragte Cole und kam noch näher.
Prue blieb wo sie war. „Nein, denn du bist nicht nett." sie sah ihm direkt in die Augen.
Cole verzog nachdenklich sein Gesicht „Hm, ich kann auch nett sein, wenn du das willst."
„Das glaube ich kaum, leider kenne ich dich dafür zu gut." erklärte Prue, und dennoch konnte sie sich noch nicht dazu überwinden, sich umzudrehen und die Treppe hochzugehen. Die heiße schwüle Nacht und der Wein zum Essen schienen sie besänftigt zu haben.
Cole sah sie aufmerksam an, sie hatte ihr Haar im Auto gelöst und ihre Haut schimmerte im Zwielicht, dass bunt durch die gläserne Haustür fiel. Sie sahen sich schweigend an, denn es gab nichts mehr zu sagen, außer dem, was wirklich in ihnen vorging.
Schließlich war es Prue, die das Schweigen brach. „Ich sollte jetzt hochgehen." meinte sie unmissverständlich, aber sie rührte sich nicht von der Stelle. Sie wusste ganz genau, welche Signale sie die ganze Zeit mit ihren Worten, ihrer Körpersprache und ihren Blicken ausstrahlte. Sie durchströmten sie und sie fragte sich, wo sie um Himmels Willen her kamen, von ihr jedenfalls nicht, oder?
„Ich dachte, du würdest noch mit in meine Besenkammer kommen." erwiderte Cole leise und drückt vorsichtig die Türklinke nieder.
Prue schüttelte den Kopf. „Das wäre keine gute Idee!" erklärte sie vage. Sie starrte auf einen Knopf an seinem Hemd und vermied seinen Blick. Sie verstand sich selbst nicht mehr, aber als er unwillkürlich seine Hand an diese Stelle seiner Brust legte, konnte sie nicht anders und legte ihre dazu.
Cole stand ganz still da und wartete, bis ihre Hand langsam den Weg zu seinem Hals fand. Prue folgte ihrer Hand mit den Augen und wurde plötzlich von dem unerklärbaren Drang gepackt, ihn erneut zu küssen. Vielleicht hatte sie sich letzte Nacht ja geirrt und es war nicht so berauschend gewesen, wie sie es in Erinnerung hatte. Einen Test war es wert, entschied sie, ein Kuss hieß schließlich noch gar nichts und danach wäre sie wieder völlig klar. Langsam sah sie zu ihm auf und ihre Hand berührte seine Lippen. Mehr brauchte Cole nicht, er beugte sich vor um sie zu küssen. Er zog sie mit einem Arm an sich und drückte mit der anderen Hand die Tür auf. Zusammen stolperten sie in sein Zimmer, Cole schloss mit seinem Fuß die Tür und gemeinsam fielen sie auf's Bett.
„Ich sollte das wirklich nicht tun." murmelte Prue zwischen ihren Küssen, doch um ihre Worte Lügen zu strafen zerrte sie an den Knöpfen seines Hemdes.
„Denk nicht weiter drüber nach." Cole küsste ihren Nacken und öffnete den Reißverschluss ihres Kleides.
Prue nickte, er hatte Recht, denn wenn sie anfangen würde, darüber nachzudenken, dann würde sie dazu gezwungen sein, unverzüglich sein Zimmer zu verlassen, und dazu war sie einfach nicht bereit.
Als Prue später in seinen Armen lag, seufzte sie leise. Es fühlte sich einfach zu gut an, viel zu gut für etwas, das so falsch war. Sie dachte darüber nach, was ihre Schwestern denken würden, wenn sie sie hier sehen könnten. Dieser heilsame Schock veranlasste sie dazu, sich aus seinen Armen zu winden.
„Was ist?" fragte Cole schlaftrunken.
„Ich gehe." erklärte Prue kurzangebunden und stand auf. Sie sah auf den Boden und suchte nach ihren Sachen.
„Liegt es an der Besenkammer?" fragte Cole nachdenklich. Er setzte sich halb auf und beobachtete sie.
„Sehr witzig." Prue zog schnell ihr Kleid über und sah zu ihm herüber. „Du musst ja wohl zugeben, dass es krank ist, was wir hier tun."
„Nein! Wie kommst du darauf? Für mich hat es sich ganz normal angefühlt." erklärte er mit einem Lächeln.
Prue blickte an die Decke und schloss kurz die Augen. Dann sah sie ihn wieder an. „Wir zwei passen nicht zusammen, Cole. Ich liebe dich nicht, ich mag dich noch nicht einmal."
„Ich liebe dich auch nicht, das ist ja das Gute daran." erklärte Cole zufrieden.
„Ich suche aber nach einem Mann, den ich liebe, so einfach ist das. Ich habe kein Interesse an einem sexuellen Abenteuer. Wir sind gezwungen es hier wegen Danny miteinander auszuhalten und das hier ist..." sie suchte nach einem Wort. „einfach nur ein Fehler."
„Oh ja, und die immer beherrschte Prue, macht eigentlich keine Fehler." meinte Cole spöttisch.
„So ist es, und darum werde ich jetzt auch verschwinden" Prue zeigte auf die Tür und meinte unmissverständlich „und es wird keine Wiederholung geben."
„Hm, das hast du gestern auch gesagt." erklärte Cole wenig beeindruckt. „Warum kannst du es nicht einfach genießen?"
„Das ist vielleicht dein Stil, aber nicht meiner." Sie schüttelte den Kopf. „Ich will es ganz einfach nicht und es würde nur unnütz Probleme machen."
Cole zuckte mit den Schultern und legte sich wieder hin. „Na gut, wenn du meinst." erklärte er gelassen, so wild war er nun auch nicht auf sie, redete er sich ein. Und wahrscheinlich hatte sie sogar Recht, es würde nur Probleme geben, er kannte schließlich die Halliwells.
Prue blickte zu ihm herüber und war trotz allem verärgert darüber, dass er sich so leicht geschlagen gegeben hatte. „Also ich gehe jetzt." erklärte sie erneut und öffnete endlich die Tür. Ohne sich noch einmal umzublicken ging sie die Treppe hoch ins Badezimmer. Sie nahm eine kalte Dusche und legte sich anschließend in ihr großes einsames Bett, noch nie war es ihr so groß vorgekommen wie in dieser Nacht. Sie zwang sich, nicht an Cole und ihre verfluchte Leidenschaft zu denken. Sie wälzte sich hin und her und hörte die Standuhr unten in der Halle einmal schlagen. Als sie sie schließlich drei Mal schlagen hörte, stand sie genervt auf. Sie würde sowieso keinen Schlaf finden. Sie verließ ihr Zimmer und blieb an der Treppe stehen. Nein, auf keinen Fall würde sie wieder nach unten gehen, entschied sie. Wenn wenigstens Danny da wäre, aber der schlief drüben bei den McCormacks. Ihr Blick fiel plötzlich auf die Badezimmertür. Das Schloss war immer noch nicht repariert und es hätte ihr gerade noch gefehlt wenn Cole sie am Morgen unter der Dusche überraschen würde. Sie ging zu dem kleinen Schrank im Flur und holte den Werkzeugkasten hervor. Es wäre doch gelacht, wenn sie dieses Schloss nicht selbst reparieren könnte. Zuversichtlich machte sie sich an die Arbeit.
