16. Kapitel

Am nächsten Morgen war Prue mit Danny in der Küche, während Mrs. Jennings sich oben aufhielt, als Cole ins Zimmer kam. Er hielt die Phiole in der Hand und sah Prue fragend an. „Wie funktioniert es?" wollte er wissen.

„Du musst einen Tropfen in Flüssigkeit geben." erklärte Prue und sah ihn skeptisch an. „Aber ich weiß wirklich nicht, ob das die beste Methode ist, um an die Wahrheit zu kommen." Prue vertraute Madame Zadies Fähigkeiten zwar in einem gewissen Maße, aber trotzdem fühlte sie sich nicht wohl dabei. Sie hatte immer noch Zweifel daran, hier Zaubermittel zu benutzen, vor allem solche, die von anderen hergestellt worden waren.

„Ich weiß keinen besseren Weg." erklärte Cole entschlossen und setzte sich hin. „Wo hast du es übrigens her?"

„Das habe ich doch schon gesagt, von einer Voodoopriesterin." erklärte Prue gedehnt. „Und darum kann ich auch nicht das Risiko übernehmen, wenn es nicht funktioniert oder sonst was mit Amy passiert."

„Es wird schon alles klappen." meinte Cole zuversichtlich und blickte auf die Phiole in seiner Hand. Er hatte nicht das geringste Interesse, sich über mögliche Nebenwirkungen Gedanken zu machen, Wingrove saß ihm im Nacken.

Als er zwei Stunden später im Untersuchungsgefängnis ankam, wurde er in den bekannten Besprechungsraum geführt. Ein Wächter brachte Amy kurze Zeit später hinein.

Ohne große Begrüßung teilte Amy Cole mit, dass Mr. Wingrove am Nachmittag zuvor bei ihr gewesen war.

„Und? Bin ich noch dein Anwalt?" fragte Cole lässig und ging zu dem Getränkeautomaten in der Ecke des Raumes.

„Ja! Obwohl Sie ein ziemlicher Mistkerl sein können, habe ich Mr. Wingrove mitgeteilt, dass ich keinen anderen Anwalt möchte." meinte Amy.

„Das hat ihn sicher nicht gefreut." meinte Cole grinsend und holte zwei Coladosen aus dem Automaten. Ohne lange zu überlegen öffnete er eine davon und tröpfelte etwas von der Tinktur hinein. „Auch eine?" fragte er Amy und ging zurück zu seinem Platz.

Sie nahm die Dose in ihre Hand. „Eigentlich bevorzuge ich Fanta, aber Sie haben ja nicht mal gefragt."

„Tut mir leid." erklärte Cole und öffnete seine Dose, um einen Schluck zu nehmen. Amy hielt ihre Dose immer noch in der Hand, ohne sie anzurühren. Er hätte sie wirklich fragen sollen, überlegte Cole ärgerlich. „Probier einen Schluck, sie ist gar nicht so schlecht."

Amy sah ihn ungläubig an. „Ich weiß wie Cola schmeckt, ich komme schließlich nicht vom Mond." erklärte sie kopfschüttelnd. Doch weil er sie so bittend ansah, tat sie ihm schließlich den Gefallen, eine ganz gewöhnliche Cola.

Zufrieden lehnte sich Cole zurück. „Wenn du mich schon als Anwalt akzeptierst, dann solltest du mir endlich etwas über die Mordnacht erzählen." erklärte Cole und sah sie aufmerksam an.

„Das will ich aber nicht." erklärte Amy entschlossen.

Keine Frage, das war die Wahrheit, aber das hätte sie ihm auch ohne Wahrheitsserum erzählt. „Bitte Amy, was hattest du in der Nacht vor, warum warst du dort?" wollte Cole nun genau wissen.

„Ich wollte Beltane feiern." erklärte Amy ruhig und wunderte sich, warum sie nicht einfach den Mund hielt, aber die Worte flossen aus ihr heraus, ohne dass sie etwas dagegen unternehmen konnte. „Ich wollte eine Besiegelungszeremonie, wenigstens das. Ich wollte mit ihm über das Feuer springen, so dass wir für ein Jahr aneinander gebunden sind." Sie sah Cole erschrocken an, das hatte sie doch niemals erzählen wollen.

„Du und dein Freund?" fragte Cole, der nun wusste, dass das Serum gewirkt hatte. Als Amy langsam nickte, stellte er die eigentliche Frage. „Wer ist schuld an Adam Bouchers Tod?"

Amy schluchzte auf. „Ich bin schuld." erklärte sie zwischen Tränen.

Cole sah sie perplex an, das war nun wirklich das letzte, was er hatte hören wollen. „Du meinst, du hast ihn erstochen?" fragte er entsetzt.

Amy sah auf. „Nein, natürlich nicht. Aber er war wegen mir dort. Wenn ich ihn nicht dazu eingeladen hätte, dann wäre er noch am Leben."

Cole atmete erleichtert auf, sie hatte ihn also doch nicht getötet, er hatte es doch gewusst. „Wieso hast du Adam Boucher dazu eingeladen?" wunderte er sich.

Amy sah ihn irritiert an. „Das habe ich doch schon gesagt, ich wollte ihn an mich binden, ich wollte mit ihm über das Feuer springen und dann unter freiem Himmel mit ihm schlafen. Wenn er sich schon für die Kirche entschieden hatte, dann wollte ich wenigstens eine Hexenhochzeit, eine Ehe auf Probe für ein Jahr. Ich habe gehofft, er würde es sich noch einmal überlegen, doch das wollte er nicht." Sie schluchzte erneut. „Er war wütend, dass ich ihn dazu gebracht habe und wir haben uns gestritten und dann habe ich die Kette, die er mir geschenkt hat, ins Feuer geworfen und ihn angeschrien, dass ich nichts mehr von seiner Kirche wissen will."

Cole sah sie vollkommen überrascht an. „Adam Boucher war dein Freund?" Darauf wäre er nie gekommen.

„Ja, wir haben uns vor fast 2 Jahren bei einer Studentenparty kennengelernt. Ist das nicht ein Zufall? Obwohl er doch auch aus New Orleans kam, mussten wir so weit von zu Hause weg sein." Jetzt wo sie mit ihrer Erzählung erst angefangen hatte, brauchte sie keine weitere Ermunterung. „Ich habe mich sofort in ihn verliebt und er auch in mich, ich konnte es anfangs gar nicht glauben, ich war noch nie so glücklich." Sie sah zu Cole auf. „Damals wusste ich zwar, dass er Theologie studierte, aber das hieß ja noch nichts. Als er sein Studium beendet hatte, ging er zurück nach New Orleans. Es war schrecklich für mich, ich habe ihn so vermisst, jeden Tag, jede Nacht, jede Stunde. Wir haben uns zwar geschrieben und angerufen, aber das war nicht dasselbe. Durch das Telefon kann man niemanden spüren. Als ich in den Semesterferien endlich nach Hause kam, war ich überglücklich, als ich ihn endlich wiedersah." Tränen liefen Amys Wangen hinunter. „Doch dann war er so distanziert. Er hat mir gesagt, dass er sich entschieden hat, Priester zu werden. Ich konnte es nicht fassen. Und was war mit mir? Wie kann jemandem etwas anderes wichtiger sein, als die Liebe?" Sie sah Cole auffordernd an, aber der konnte nur mit den Schultern zucken.

„Da fragst du wirklich den Falschen." teilte er ihr mit.

„Jedenfalls habe ich geglaubt, dass ich nur bei ihm sein muss, damit er sich das Ganze noch einmal überlegt. Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich nicht zurück auf die Uni gehe, sondern hierbleibe. Sie haben es geschluckt, ihnen war schon immer egal, was ich tue, solange ich ihnen nicht im Weg bin. Also bin ich immer zur Kirche gegangen, um Adam zu sehen. Aber der wurde immer kälter. Er hat gesagt, dass ich ihn vergessen und zurück zur Uni gehen soll, aber das konnte ich einfach nicht. Schließlich habe ich mich sogar dazu bereit erklärt, heimlich mit ihm zusammen zu sein, wenn er denn unbedingt Priester werden wollte. Doch selbst das wollte er nicht." erklärte sie betrübt.

„So ein Idiot!" pflichtete Cole ihr bei.

Amy lächelte traurig. „Wem sagen Sie das. Schließlich hatte ich die Idee mit der Maifeier. Blöde Idee, aber ich war so verzweifelt."

„Wieso kanntest du dich mit der Maifeier aus, ich meine es ist nicht gerade typisch für diese Gegend." wollte Cole wissen.

„Nein, aber Voodoo hat mich noch nie angezogen, es war mir zu unheimlich. Doch das Hexentum hat mich schon immer fasziniert. Vor allem nachdem ich die alte Mrs. Turner kennengelernt hatte. Sie war eine schrullige ältere Dame und wohnte in einem der schönen alten Häuser mit einem verwunschenen Garten hinter dem Haus. Es liegt in einem der alten Viertel der Stadt." erklärte Amy.

Cole konnte sich vorstellen, welches Haus sie damit meinte, doch er wollte ihren Redefluss nicht unterbrechen.

„Ich bin immer zu ihr gegangen und sie hat mich ein bisschen in die Hexenkunst eingeführt. Sie hat gesagt, in mir schlummern verborgene Talente und und dass ich mich selbst erkennen würde, wenn ich sie häufiger besuchen würde." Sie lächelte leicht. „Sie wollte mir sogar ihr altes Zauberbuch vermachen, aber dann ist sie leider plötzlich verstorben und nachdem das Haus einige Zeit leerstand, sind ihre Erben eingezogen und ich weiß nicht, was sie damit gemacht haben."

Um das Thema zu wechseln entschied sich Cole Amy zu fragen „Wer hat Adam umgebracht?"

Sie sah ihn verzweifelt an. „Ich weiß nicht, es war ein Wesen, es stand auf einmal da und hatte dieses Messer in der Hand. Dann ist es auf uns zugekommen und hat Adam einfach ins Herz gestochen. Es ging alles so schnell, ich konnte nichts tun. Ich habe geschrien, aber es war niemand da, der mir helfen konnte. Das Wesen hat gegrinst und sich wieder in Luft aufgelöst, anders kann ich es nicht beschreiben. Ich habe mich neben Adam gekniet und das Messer herausgezogen, aber dann hat die Wunde nur noch mehr geblutet, ich habe versucht es mit meiner Bluse zu stoppen, aber das war unmöglich." Sie fing hemmungslos an zu weinen. „Ich konnte nichts tun." Schluchzte sie. „Alles war rot und Adam hat nichts mehr gesagt, ich habe versucht mit ihm zu reden, aber er war sicher schon tot, und das letzte was wir getan haben war streiten." Sie ließ ihren Kopf auf ihre Arme fallen.

Cole wusste nicht was er anderes tun sollte, darum fragte er weiter. „Wieso hast du gesagt es wäre ein Wesen?"

Amy wischte sich die Tränen ab und sah ihn an „Weil es das war, es war kein Mensch." Sie zuckte mit den Schultern. „Vielleicht habe ich es mit der Maifeier angelockt, vielleicht habe ich ihn heraufbeschworen."

„So ein Blödsinn." erklärte Cole. „Wenn es wirklich ein Dämon war, dann hat es andere Gründe gegeben, warum er dort war."

„Ein Dämon?" Amy zuckte erneut mit den Schultern. „Vielleicht war es das, auf jeden Fall hatte es kein Herz."

„Kein Herz?" fragte Cole überrascht. „Was willst du damit sagen?"

„Genau das." erklärte Amy und sah ihn unsicher an. „Ich kann das sehen." meinte sie leise. „Bei manchen Menschen ist es ein eiskalter Klumpen, oder hart wie Stahl, bei einigen steht eine hohe Mauer darum." Sie lächelte unsicher. „Ich weiß es hört sich verrückt an, aber ich kann es wirklich. Und bei diesem Wesen war dort nichts, ein leerer Fleck, ich habe sowas noch nie zuvor gesehen."

Cole sah sie irritiert an, von solch einer Fähigkeit hatte er noch nie gehört. „Konntest du das schon immer?"

Amy schaute ihn nachdenklich an. „Ich habe so ein Gefühl, dass ich es als Kind konnte, aber dann nicht mehr. Erst seit ich mehr Zeit mit Mrs. Turner verbracht habe, konnte ich es wieder."

Cole widerstand dem Impuls, sie zu fragen, wie sein Herz denn ausah, wenigstens schien es kein leerer Fleck zu sein, wie bei dem Dämon. Aber dennoch wollte er es nicht unbedingt wissen. Noch in Gedanken, merkte er, wie Amy die Coladose in die Hand nahm.

„Sie haben etwas in mein Getränk getan, nicht wahr?" stellte sie teilnahmslos fest.

„Ähm nein, wie kommst du darauf?" fragte er mit einem überraschten Lächeln.

„Ich hätte Ihnen sonst nie die Wahrheit gesagt." erklärte sie schlicht und hielt ihm die Dose hin. „Hier trinken sie einen Schluck!"

Cole sah die Cola an. „Nein danke," meinte er. „Ich trinke nicht so gerne daraus, wenn andere schon draus getrunken haben."

„Sie Lügner!" meinte Amy und musste lächeln. „Sehen Sie, das ist die Wahrheit." Sie hielt ihm erneut die Cola hin. „Los trinken Sie, oder sind Sie ein Feigling?"

„Nein." erklärte Cole mit einem Grinsen. „Aber auch kein Idiot."

Amy schüttelte den Kopf. „Sie Mistkerl haben mir wirklich ein Wahrheitsserum gegeben. Ich kann es nicht glauben."

Cole zuckte mit den Schultern. „Ich musste die Wahrheit erfahren, und du warst doch froh, dir alles von der Seele reden zu können."

Amy blickte auf die Cola und nickte. „Ja, das stimmt." meinte sie leise, sie hasste diesen Zwang, die Wahrheit sagen zu müssen, dachte sie wütend. Dann sah sie Cole vorsichtig wieder an. „Werden Sie mir jetzt helfen können?"

Cole nickte. „Keine Sorge, ich werde dich hier herausholen." versicherte er ihr zuversichtlich.

„Aber Adam bringt das auch nicht zurück." erklärte Amy und stand auf. Sie nahm die Dose in die Hand und reichte sie Cole. „Hier nehmen Sie sie mit. Ich will ja nicht, dass sie in falsche Hände kommt."

Cole stand ebenfalls auf und nahm die beiden Dosen in die Hand, als Amy ihn plötzlich ungeschickt umarmte. „Ich bin froh, dass Sie mein Anwalt sind." murmelte sie und stürzte zur Tür, hinter der ein Gefängniswärter wartete.

Cole sah ihr überrascht hinterher, dann klemmte er seine Tasche unter den Arm und folgte ihr. Ein anderer Wächter betrachtete skeptisch die zwei Dosen, die er in seinen Händen hielt. „Sie mochte keine Cola!" teilte Cole ihm mit und sah sich um, links neben dem Wächter stand ein Papierkorb. Zwar kein idealer Platz, um die Dose zu entleeren, aber Cole wollte Amys Dose so schnell wie möglich loswerden. Ohne lange zu überlegen, goss er den Inhalt in den Mülleimer.

Der Wächter sah ihn erbost an. „Dies ist ein Papierkorb!" fuhr er ihn an. „Entsorgen Sie Ihren Müll gefälligst woanders." Er ging auf Cole zu, während dieser die leere Dose in den Müll warf. „Jetzt sehen Sie sich mal die Schweinerei an, die Sie hier produziert haben." schimpfte der Wächter.

„Tut mir leid." meinte Cole mit einem entschuldigenden Lächeln. Er hielt immer noch seine Coladose in der Hand, schnell trank er die letzten Schlucke aus und warf sie ebenfalls in den Papierkorb. „Wird nicht wieder vorkommen."meinte er und verließ schleunigst das Untersuchungsgefängnis.

Kurze Zeit später raste er den Highway entlang, ohne auf die Geschwindigkeitsbegrenzung zu achten. Er zerbrach sich den Kopf über Amy und ihr Geständnis. Wie sollte er sie nur aus dem Gefängnis herausholen? Ein Dämon als Täter war da keine große Hilfe. Vollkommen in Gedanken versunken, bemerkte er nicht, dass plötzlich ein Polizeiwagen neben ihm erschien und ihm Zeichen gab, an den Fahrbahnrand zu fahren. Cole sah auf sein Tacho und wusste gleich was los war, widerwillig fuhr er an den Rand und hielt an.

Einer der Polizeibeamten kam auf seinen Wagen zu, es war offensichtlich für wie wichtig er sich hielt. „Führerschein und Fahrzeugpapiere." erklärte er resolut.

Cole gab ihm die Papiere und sah ihn unschuldig an. „Gibt es irgendwelche Probleme?" fragte er.

Der Polizist sah ihn mit dem Anflug eines Lächelns an. „Das können Sie mir sicher selbst sagen, Mr..." er blickte auf die Papiere. „Turner."

Cole hatte schon tausend Ausreden parat, doch als er den Mund aufmachte brachte er nur heraus. „Ich bin zu schnell gefahren."

„Schön, dass Sie wenigstens Einsicht zeigen." erklärte der Polizist zufrieden. „Aber trotzdem werden Sie um einen Strafzettel nicht herumkommen." Er begann zu schreiben und bemerkte nicht, dass Cole ihn angespannt beobachtete. Er würde alles akzeptieren, so lange der Polizist nur verschwinden würde und ihm keine unnötigen Fragen mehr stellte.

Cole verstand es selbst nicht, aber irgendwie musste er etwas von der Wahrheitsdroge abbekommen haben. Vorsichtig sah er auf das Röhrchen in seiner Jackentasche und bemerkte, wie wenig noch darin war. Ob er zu viel von dem Serum genommen hatte und dies nun die Nebenwirkungen beim Gebrauch waren? Aber nein, als er mit Amy zusammen war, hatte er noch ohne Probleme lügen können. Er erinnerte sich an Amys ungeschickte Umarmung, dieses kleine Miststück musste irgendetwas gemacht haben, um die Inhalte der Dosen auszutauschen.

Der Polizist war unterdessen mit dem Strafzettel fertig und reichte ihn Cole. „Und fahren Sie in Zukunft langsamer, wenn Sie keine Probleme bekommen wollen." ermahnte er ihn und drehte sich zu Coles Erleichterung um, ohne auf eine Antwort zu warten.

Als der Polizeibeamte zurück zu seinem Wagen ging und einstieg, atmete Cole auf und lehnte sich zurück. Er wartete, bis der Polizeiwagen verschwunden war und fuhr dann langsam zurück auf die Fahrbahn. Wie hatte ihm nur so etwas passieren können, ausgetrickst von einem Mädchen, er war wirklich aus der Übung. Vorsichtig fuhr er in die Stadt und überlegte, wo er am sichersten die nächsten Stunden verbringen konnte. Er bog in die Straße zu seinem Haus ein und fuhr langsam auf die Einfahrt zu. Als er sah, dass Mrs. Jennings Wagen nicht da war, entschied er, ein Stück weiter, die Straße hinunter zu parken, so dass sie sein Auto nicht sehen würde.

Cole ging zurück zum Haus und schloss die Tür auf. Er beschloss, sich so lange in seinem Zimmer zu verbarrikadieren, bis die Wirkung des dämlichen Serums nachlassen würde. Schnell ging er in die Küche, um sich etwas zu essen zu holen, bevor Mrs. Jennings zurück war. Doch als er wieder in die Halle trat, blieb er wie angewurzelt stehen.

Die Eingangstür flog auf und Prue und Dianne kamen in die Halle gestürzt.

„Was macht ihr denn hier?" fragte Cole entsetzt.

„Wir waren mit den Kindern im Badespaßland." erklärte Dianne fröhlich. „Das hatten wir mal nötig."

„Müsst ihr gar nicht arbeiten?" wollte Cole wissen und entschied, so schnell wie möglich zu verschwinden.

„Dianne hatte heute morgen keine Patienten und Petersen hat mir für den Vormittag keinen Auftrag gegeben. Er ist in letzter Zeit sehr zuvorkommend." teilte Prue ihm zufrieden mit und sah ihn dann zweifelnd an. „Wieso interessiert dich das?"

„Ich hatte nur angenommen, dass niemand zu Hause ist." erklärte Cole mit einem entschuldigenden Lächeln.

„Hast du etwas gegen unsere nette Gesellschaft einzuwenden?" fragte Dianne lachend.

„In der Tat." meinte Cole wahrheitsgemäß und blickte sehnsüchtig auf seine Zimmertür. „Ich würde jetzt lieber allein sein."

„Wieso?" fragte Prue alarmiert, sie spürte doch, dass etwas nicht stimmte.

Anstatt so schnell wie möglich mit einer Ausrede zu verschwinden, sprudelte es aus ihm hervor. „Ich habe etwas von dieser dämlichen Wahrheitsdroge getrunken und ich habe jetzt nicht vor, eure Fragen zu beantworten." er verzog von sich selbst genervt das Gesicht, das durfte doch alles nicht wahr sein, er hätte sich wirklich keinen schlimmeren Ort zum Verstecken aussuchen können.

Dianne lachte herzhaft. „Wenn du uns jetzt die Wahrheit sagen musst, dann verrate mir doch endlich, warum du Prue alleine mit deinem Sohn nach New Orleans geschickt hast?" Sie blickte ihn interessiert an.

„Ich habe sie nicht nach New Orleans geschickt." erklärte Cole und war froh, dass die Wahrheit so einfach war.

„Aha, aber warum bist du nicht gleich mitgekommen?" setzte Dianne nach. „Was hast du in der Zwischenzeit gemacht?"

Ohne etwas dagegen tun zu können, öffnete sich Coles Mund. „Ich wollte meine Frau zurück, aber sie wollte ganz einfach nicht, für sie war es aus und vorbei. Doch ich konnte das nicht akzeptieren und habe versucht, sie zurück zu gewinnen. Schließlich habe ich sogar eine alternative Realität geschaffen. Aber auch das hat nicht funktioniert. Sie hat mich vernichtet, ohne mit der Wimper zu zucken. Daraufhin saß ich in einer Zwischenwelt fest, bis der Schicksalsengel mir das Angebot gemacht hat, hierher zu kommen. Das ist der simple Grund, warum Prue die ersten Monate alleine hier war." erklärte Cole und sah Prue hilfesuchend an. „Ich verschwinde jetzt lieber." meinte er und stürmte auf seine Tür zu.

Dianne sah ihm nachdenklich hinterher. „Hm, etwas ähnliches hatte ich mir gedacht." erklärte sie nickend.

Prue sah sie verblüfft an. „Was?" fragte sie.

„Natürlich," wägte Dianne ab. „..hat er interessante Methaphern benutzt, aber trotzdem war es offensichtlich, dass er mit dem Tod seiner Frau nicht klargekommen ist. Er sollte eine Therapie machen." Sie sah Prue auffordernd an.

„Ich denke da stehen die Chancen schlecht." meinte Prue und führte Dianne diskret in Richtung Garten. „Er ist darüber hinweg."

Dianne zuckte mit den Schultern und folgte Prue in den Garten. „Weißt du, manche Menschen empfinden so viel und doch handeln sie so, als fühlten sie überhaupt nichts." Sie sah Prue auffordernd an. „Es ist nur ein Rat und ich denke, auf dich würde er hören"

Prue schüttelte den Kopf. „Das glaube ich weniger." erklärte sie unmissverständlich und brachte Dianne zur Gartentür.

Als sie ihre Nachbarin endlich verabschiedet hatte, ging Prue zurück ins Haus und blieb nachdenklich in der Halle stehen. Sie konnte nicht verstehen, wieso Cole etwas von den Wahrheitstropfen genommen hatte, so dumm konnte doch selbst er nicht sein. Sie blickte zu seiner Tür, als die Haustür aufflog und Mrs. Jennings schwerbepackt hereinkam.

„Auf dem Markt war schon wieder der Teufel los." verkündete sie, während Prue ihr eine der Tüten abnahm. Sie brachten sie gemeinsam in die Küche und stellten sie auf den Tisch, dann schickte Prue Mrs. Jennings mit Danny nach oben, während sie selbst zurück in die Halle ging. Vor Coles Tür stoppte sie, auch wenn sie noch so gute Vorsätze hatte, sie konnte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Langsam öffnete sie die Tür und schlüpfte ins Zimmer.

„Wieso hat diese verdammte Tür kein Schloss?" erklang es ärgerlich.

Prue sah Cole, der auf einem der Sessel vor dem Fenster saß nachdenklich an. „Weil wir keins brauchen." erklärte sie locker und ließ sich auf dem Bett nieder. „Wieso hast du etwas von der Wahrheitsdroge abbekommen?"

„Wahrscheinlich weil ich zu blöd bin, oder zu vertrauensselig." erklärte er, und das war die reine Wahrheit.

„Dann hat es also funktioniert und Amy hat dir die Wahrheit gesagt?" fragte Prue.

„Ja, das hat sie." Cole entschied, dass es die beste Idee war, das komplette Gespräch mit Amy wiederzugeben, dann könnte Prue wenigstens keine Fragen stellen, doch Prue stoppte ihn.

„Dazu habe ich jetzt keine Zeit." meinte sie energisch und blickte auf die Uhr. „Ich muss gleich wieder los."

„Das ist super," meinte Cole erleichtert. „Ich will dich auch gar nicht aufhalten, das hat Zeit bis später."

Doch so schnell wurde er sie nicht los. „Aber vorher hätte ich noch ein paar Fragen." erklärte Prue und lächelte bösartig. „Oder glaubst du, ich lasse dich so leicht entkommen?"

„Nein, obwohl du daran denken solltest, dass du Magie nie zu deinem eigenen Nutzen einsetzten sollst." Teilte Cole ihr angespannt mit. Er wollte keine ihrer Fragen beantworten. Er hatte nicht das geringste Interesse daran, herauszufinden, was sie von ihm wissen wollte. Er wollte nicht über die Vergangenheit sprechen, oder Geheimnisse preisgeben, die er sogar vor sich selbst verbarg. Er sah sie flehentlich an. „Bitte geh Prue."

Sie fixierte ihn mit Blicken, sie wusste, dass es nicht fair war, aber diese eine Frage musste sie ihm wenigstens stellen. „Was würdest du tun, wenn Phoebe auf einmal hier wäre?"

„Hm," Cole sah sie ruhig an. „Ich würde Danny nehmen, und so weit weg mit ihm gehen, wie nur irgend möglich." erklärte er ohne Zögern und biss sich schmerzhaft in die Zunge, um ja nicht weiterzureden. Er wollte ihr nicht auch noch sagen, dass er hoffte sie würde mitkommen, das hatte sie schließlich nicht gefragt, und es war ziemlich unwahrscheinlich, dass sie es tun würde und warum wollte er das überhaupt?

„Wieso?" fragte Prue überrascht, sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit.

„Weil sie mir Danny wegnehmen würde, obwohl sie ihn gar nicht will. Für sie hätte er immer einen Makel, er wäre das Kind eines Dämons, wahrscheinlich sogar der Quelle und selbst mit der größten Überzeugungskraft würdest du sie nicht davon überzeugen können, dass er gut ist. Ich weiß, wie das ist und das ist das letzte, was ich für ihn will. Ich will auf keinen Fall, dass er böse wird, er soll glücklich werden, und das kann er nur in eurer Welt. Ich bin keine Gefahr für ihn .... und für dich auch nicht." Ohne eine Miene zu verziehen sah er ihr direkt in die Augen. „Zufrieden?"

„Keine Ahnung!" meinte Prue, sie stand auf und ging zur Tür. „Die Wirkung wird laut Madame Zadie zwei Stunden anhalten. Also bleib so lange hier."

Ohne sich noch einmal umzusehen, verließ Prue den Raum. Es war eine große Versuchung, ihn all die Dinge zu fragen, die sie interessierten. Aber sie wollte gar nicht darüber nachdenken, was sie eigentlich interessierte, denn sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie auf die Antwort reagieren würde. Und es war auch nicht richtig, die Situation für ihre persönlichen Belange auszunutzen, denn so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte nichts gegen dieses Gefühl, etwas Falsches zu tun, ankommen. Sie wusste, dass solche Aktionen auch nach hinten losgehen konnten. Darum hatte sie es dabei belassen, für ihren eigenen Seelenfrieden. Vieles wollte sie gar nicht wissen, es war besser so, wie es war. Außerdem, was die Wahrheit war, lag doch immer im Auge des Betrachters, denn dass er keine Gefahr für sie war, dem würde sie nicht so ohne weiteres zustimmen.

Als Prue am Abend nach Hause kam, wartete bereits ein Abendessen mit allen denkbaren Delikatessen auf sie. Der Tisch im Esszimmer war gedeckt und Blumen schmückten den Raum. Prue sah sich beeindruckt um. Sie hatte den ganzen Nachmittag über ihre vergeudete Chance nachgedacht, denn sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie das Richtige getan hatte. Sie hatte Cole wahrscheinlich zu leicht davonkommen lassen. Doch jetzt war es zu spät. Sie nahm Platz und entschied, sich keine unnötigen Gedanken mehr darum zu machen. Cole nahm ihr gegenüber Platz und begann ihr von Amys Beichte zu erzählen.

Nachdem er geendet hatte, blickte sie ihn nachdenklich an. „Und was willst du jetzt tun? Ein Dämon als Täter wird kaum für Amys Entlastung sorgen können."

„Ich weiß, aber ich werde schon einen Weg finden, um sie dort rauszuholen." erklärte er zuversichtlich.

„Und wie?" fragte Prue skeptisch.

„Hm, mir wird etwas einfallen." meinte Cole und nahm sein Besteck in die Hand.

Nachdem sie das Essen beendet hatten, trugen sie die Reste in die Küche und ließen sie auf dem Tisch und der Spüle stehen. „Mrs. Jennings wird sich morgen schon darum kümmern." verkündete Cole und führte Prue zu der Sitzecke im Wohnzimmer.

Prue ließ sich auf dem Sofa nieder und blickte Cole nachdenklich an. „Und was sollte das alles hier?"

Cole zuckte mit den Schultern. „Ich wollte mich bei dir bedanken, Prue."

Sie sah zu ihm auf und fragte überrascht. „Wofür?"

„Das weißt du doch ganz genau." meinte Cole und setzte sich ihr gegenüber hin. „Dafür, dass du mir vorhin nur die eine Frage gestellt hast."

„Ach so, dass ich nicht zu deinen schäbigen Geheimnissen vorgedrungen bin." Prue schüttelte leicht den Kopf. Vielleicht hätte sie die heutige Gelegenheit wirklich nutzen müssen, um alles in Erfahrung zu bringen, was ihr von Nutzen sein konnte und um in Zukunft mehr Sicherheit zu haben. Doch sie bezweifelte, dass ihr das in irgendeiner Weise geholfen hätte, daher erklärte sie gelassen „Keine Ursache, das interessiert mich wirklich nicht."

„Gut, zu wissen." meinte Cole mit einem leichten Lächeln. „Aber was hat Dianne eigentlich zu meiner Erklärung gesagt?"

Prue lachte. „Keine Sorge, sie war beeindruckt von deiner Ausdrucksweise." Als sie Coles skeptischen Blick sah, fügte sie hinzu. „Wirklich, sie war überzeugt, dass du mit den Methaphern deine nicht verarbeiteten Gefühle ausgedrückt hast."

„Oh Mann." Cole lachte. „Gut, dass es nur Dianne war, wer weiß, was andere sich dabei gedacht hätten." Er sah Prue an und sein Lachen erstarb.

„Ich frage mich auch, was ich davon halten soll, eine andere Realität?" fragte sie misstrauisch.

„Hm, vergiss es einfach, es hat keinem geschadet, außer mir." teilte Cole ihr reserviert mit.

„Und Phoebe hat dich vernichtet? Ich dachte du hättest gesagt, es war Paige?" erkundigte sich Prue.

„Ich dachte das interessiert dich nicht!" erklärte Cole brüsk.

„Wenn es sich um meine Schwestern dreht, dann schon." teilte Prue ihm kühl mit.

„Tja die Chance hättest du heute Nachmittag nutzen müssen." erklärte Cole ärgerlich. „Ich will mir wirklich nicht den Abend verderben, indem ich darüber rede."

„Beantworte mir nur wer es war." forderte Prue ihn auf.

Cole stöhnte genervt auf. „In meinen Augen war Paige dafür verantwortlich aber getan hat es Phoebe, zufrieden?"

„Was hast du ihr angetan, dass es dazu gekommen ist?" fragte Prue skeptisch. Sie kannte ihre kleine Schwester, und auch wenn sie noch so impulsiv war, im letzten Moment hätte sie doch immer einen Rückzieher gemacht, davon war sie überzeugt.

„Konntest du uns diese schöne Stimmung nicht einen Moment lang geniesen lassen?" fragte er wütend. „Muss ich jetzt wirklich mit dir über diesen ganzen Quellen Mist reden? Ich dachte du hast das mitbekommen."

Prue sah ihn skeptisch an. „Und das war alles?" erkundigte sie sich ironisch. „Was hast du denn danach getan?"

Cole sah sie spöttisch an. „Ich habe Phoebe vor einem Hexenjäger gerettet, ich habe sie zurückgeholt, als sie eine Meerjungfrau werden wollte, ich habe sie gerettet, als sie ein Kürbis war, ich...."

Prue hob genervt die Hand. „Deine guten Taten werden ja wohl kaum der Grund dafür gewesen sein, warum sie dich vernichtet hat." erklärte sie wütend. „Also was ist passiert?"

„Irgendwie waren sie auch ein Grund." meinte Cole achselzuckend. „Und was soll schon groß passiert sein, ich bin wieder böse geworden, was sonst? Wie sie es mir schon immer prophezeit hatte, waren meine dämonischen Kräfte stärker, okay?" antwortete er leise. „Wolltest du das hören?"

Prue sah ihn nachdenklich an, es war so leicht zu vergessen, was er war, oder gewesen war, ein Dämon, der zahllose Unschuldige getötet hatte. Das durfte sie nie vergessen, sie musste vorsichtig sein, und dennoch, wenn sie ihn jetzt ansah, dann kam sie nicht darum herum, ihn selbst auch als Opfer zu sehen, denn trotz seiner gespielten Lässigkeit fühlte sie, wie er selbst unter dem Wissen litt, was er getan hatte. „Ich musste es wissen Cole, schließlich lebst du jetzt hier."

„Und ich habe dir gesagt, dass ich keine Gefahr für euch bin." erklärte er verärgert. „Und das sogar unter einer Wahrheitsdroge."

„Und wenn deine dämonischen Kräfte zurückkommen?" wollte Prue wissen und erzählte ihm, was Madame Zadie ihr von der natürlichen Kraftquelle gesagt hatte.

„Davon habe ich noch nie etwas gehört." meinte er nachdenklich. „Aber selbst wenn ich meine eigenen Kräfte zurückbekomme, dann komme ich damit klar, ich kann sie beherrschen."

„Das hast du in der Vergangenheit auch immer behauptet." meinte Prue leise.

„Stimmt," er stand auf und setzte sich neben sie. Er sah ihr tief in die Augen und meinte leise „Die letzten Male ist es mir nicht gelungen, aber da war die Situation eine ganz andere. Und ich weiß, dass du eine gute Beobachtungsgabe hast." Er strich mit der Hand über ihre Wange, den Hals entlang. „Wenn ich anfange mich merkwürdig zu benehmen..."

Prue beugte sich zu ihm und flüsterte ihm spöttisch ins Ohr. „Tust du das nicht immer?"

Cole kümmerte sich nicht um diesen Einwand und fuhr fort. „.. mich tagelang nicht rasiere und etwas verrückt gucke, dann wird es kritisch." Er küsste sie in den Nacken. „Und wenn ich dann plötzlich wieder angeblich ganz normal bin, frisch rasiert und gut gekleidet, dann hat das Böse gewonnen." Er beugte seinen Kopf zurück und sah sie an. „Reicht dir das?"

Prue zuckte leicht mit den Schultern. „Ich werde es mir auf jeden Fall merken."