25. Kapitel

In dieser Nacht schlief Prue schlecht, ihr war unsagbar heiß und sie wälzte sich hin und her. Wilde Albträume erschienen vor ihrem geistigen Auge. Sie stand auf einem offenen Feld und begann eine Mauer aus winzig kleinen Steinen zu bauen. Cole stand auf der anderen Seite und sah ihr amüsiert zu. Er schüttelte den Kopf und forderte sie immer wieder auf, damit aufzuhören, aber sie ließ sich nicht beirren und stapelte weiter einen Stein auf den anderen.

Auf einmal war die Mauer fertig und sie sah, dass sie eine Öffnung für eine Tür gelassen hatte. Plötzlich überkam sie ein intensives Gefühl der Bedrohung. Hektisch sah sie sich um und fand die Tür, die sie so schnell wie möglich in die Öffnung hievte. Sie nahm einen Schlüssel und schloss sie zur Sicherheit ab, um schließlich noch ein riesiges Schloss davor zu hängen. Erleichtert trat sie einen Schritt zurück und plötzlich war die Mauer aus Glas und sie konnte hindurchsehen.

Sie sah eine riesengroße Schlange, die von der anderen Seite auf die Mauer zukam. Cole kam an die Tür gerannt und bat sie, sie zu öffnen, doch Prue konnte sich nicht bewegen. Die Schlange kam immer näher, und Cole flehte sie an, ihm zu helfen. Schließlich ging Prue langsam auf die Tür zu. Doch in dem Augenblick erschien Leo neben ihr und teilte ihr mit, dass sie doch viel zu klug sei, und die Tür sicher nicht öffnen würde, das würde sie alle nur in Gefahr bringen.

Prue zögerte und die Mauer war auf einmal wieder grau, sie konnte nicht mehr hindurchsehen, aber sie hörte Cole, der sie immer noch bat, die Tür zu öffnen. Verzweifelt drehte sie sich um, und sah plötzlich Piper und Phoebe hinter sich stehen. Überglücklich umarmte sie ihre Schwestern und vergaß alles um sich herum. Sie vergaß die Zeit und auf einmal brach die Mauer hinter ihr zusammen. Sie eilte darauf zu und Piper teilte ihr mit, dass sie die Mauer hätte stabiler bauen müssen, es wäre offensichtlich, dass sie vieles vergessen hätte. Prue wollte ihr widersprechen und blickte auf den Trümmerhaufen.

Auf einmal bekam sie ein ganz merkwürdiges Gefühl und sie hielt nach der Schlange Ausschau, doch sie konnte niemanden sehen, auch Cole nicht. Piper nickte zufrieden und meinte, die Mauer hätte wenigstens ihren Zweck erfüllt. Prue wollte sie schon fragen, welchen Zweck, als Phoebe neben sie trat und meinte, dass es besser so sei, er sei böse und würde nur Unheil bringen, das hatte sie schmerzhaft am eigenen Leibe erfahren, und außerdem würde seine krankhafte Liebe immer nur ihr gelten. Prue sagte ihr, dass er sich geändert hätte, doch Phoebe lachte nur hämisch und fragte Prue ob sie wissen wolle, was das 'und' gewesen wäre. Plötzlich stand ein Wesen neben ihr, dass aussah, wie Balthasar in Kinderausgabe. Das sei 'und', und so etwas wollte sie doch auf keinen Fall in die Welt setzen, erklärte Phoebe und im nächsten Augenblick stand sie mit einem Messer über Danny. Prue wollte es ihr aus der Hand nehmen, aber Phoebe war unendlich stark, Prue schrie sie an, dass er doch ihr Sohn sei, aber Phoebe fuhr sie an, er sei böse, böse, böse.

Plötzlich waren alle weg und Prue stand auf der anderen Seite der Mauer. Die Landschaft war in einem seltsam rötlichen Ton gefärbt und Madame Zadie kam auf sie zu. Sie schüttelte traurig den Kopf und warf Prue vor, nicht auf ihr Glück gehört zu haben, und jetzt sei es zu spät, die Schlange habe Cole verschlugen und sie hätte nichts dagegen getan. Prue wollte widersprechen, da verwandelte sich Madame Zadie auf einmal in Leo, der ihr sagte, sie habe das Richtige getan. Prue erklärte, dass ihre Schwestern sie abgelenkt hätten, doch Leo schüttelte den Kopf und teilte ihr mit, dass sie ihre Schwestern nie wiedersehen würde. Prue sah sich um und meinte, dass sie sie doch gerade eben getroffen hätte, aber Leo wollte nicht hören und tadelte sie, dass sie es endlich akzeptieren und ein Leben ohne ihre Schwestern führen müsse. Plötzlich war Leo wieder Madame Zadie, die sie immer noch traurig ansah und ihr sagte, dass sie einfach auf ihr Herz hätte hören sollen.

Im nächsten Moment stand Prue auf dem Grundstück mit der alten Plantage, und sah, wie die Schlange im Keller des verfallenen Gutshauses verschwand. Prue wollte darauf zulaufen, aber sie kam nicht vorwärts, irgendetwas hielt sie auf. Neben ihr erschien David Morgan, der Danny im Arm hielt und sie daran erinnerte, dass er sie doch bereits gewarnt hätte, aber sie hatte ja nicht hören wollen. Die Schlange hätte sicher noch Hunger. Er verschwand mit Danny in Richtung Gutshaus und Prue bemühte sich vorwärts zu kommen. Es kam ihr vor, als würde das Haus sich immer weiter entfernen. Sie war völlig verzweifelt, als die Voodoopriesterin Belva neben ihr erschien und ihr mitteilte, dass das alles ihre Schuld sei, weil sie unfähig war, jemanden zu beschützen. Jetzt hätte sie alles verloren, ihre Schwestern wollten nichts mehr mit ihr zu tun haben, sie brauchten sie nicht, denn sie waren ohne sie besser dran, erklärte Belva ihr mit einem Lachen, dass sich wie monotones Piepen anhörte, sie war ganz allein.

Schweißgebadet wachte Prue auf, es war schon hell und der Wecker auf ihrem Nachttisch piepte ohrenbetäubend. Erschöpft wollte Prue sich aufrichten, um ihn abzuschalten, aber sie konnte sich nicht bewegen. Träumte sie etwa immer noch, dachte sie schwach und kniff sich unter Anstrengung all ihrer Kräfte in den Arm. Sie träumte nicht mehr, dennoch konnte sie sich nicht aufrichten, um den Wecker abzustellen, jede einzelne Bewegung war unglaublich anstrengend. Der Wecker piepte immer lauter und eindringlicher und Prue musste sich beherrschen, vor Wut über ihre Unfähigkeit nicht anzufangen zu weinen, was war nur los mit ihr, sie hatte sich noch nie so schwach gefühlt.

Plötzlich ging die Tür auf und Cole kam herein. „Ich weiß, ich begebe mich in die Gefahr, dass du mich umbringst, aber dieser Lärm war bis auf den Flur zu hören." er stellte den Wecker ab und sah sie vorsichtig an, eigentlich hatte er erwartet, dass sie ihn längst in hohem Bogen aus dem Zimmer geschmissen hätte. „Stimmt irgendetwas nicht?"

„Ich stehe schon auf." erklärte Prue mit krächzender Stimme.

Cole kam langsam auf das Bett zu. „Geht es dir nicht gut?"

„Mir ist so heiß!" brachte sie heraus und musste es sich gefallen lassen, dass Cole sich neben sie auf das Bett setzte.

Er fasst mit der Hand auf ihre Stirn und zog sie erschrocken wieder zurück. „Du glühst ja, hast du Fieber?"

Das war ja wohl offensichtlich, dachte Prue ärgerlich, aber sie war einfach zu schwach, um sich zu streiten.

„Ich komm gleich wieder." erklärte Cole und ohne auf ihre Antwort zu warten, stand er auf und ging aus der Tür, um nach Amy zu rufen.

Kurze Zeit später betraten die beiden zusammen Prues Schlafzimmer. „Ich glaube sie hat Fieber." erklärte Cole Amy. „Ist das normal?"

Amy sah ihn irritiert an und ging zu Prues Bett. Sie blickte Prue aufmerksam an und berührte ihre Stirn. „Nein, ihre Temperatur ist ganz sicher zu hoch, das ist nicht normal." erklärte sie.

Cole seufzte. „Das weiß ich auch, ich will nur wissen, ob es eine normale Krankheit ist."

„Hä?" Amy blickte ihn skeptisch an. „Woher soll ich wissen, was für eine Krankheit sie hat, vielleicht hat sie sich einen Virus eingefangen."

„Und das kann so schnell gehen?" erkundigte Cole sich.

„Ich denke schon." meinte Amy immer noch zweifelnd, was er eigentlich von ihr wissen wollte. Sie blickte Prue an. „Wie fühlst du dich?"

„Schrecklich!" brachte sie leise heraus.

Amy drehte sich zu Cole um. „Am besten rufen wir sofort ihren Arzt an." erklärte sie.

Cole blickte die beiden nachdenklich an, und rührte sich nicht von der Stelle, mit normalen menschlichen Krankheiten kannte er sich einfach nicht aus, seine dämonischen Gene hatten ihn immer davor bewahrt, jemals krank zu werden. Dennoch hatte er das Gefühl, dass es sich auch bei Prues Krankheit um keinen einfachen Virus handelte. „Was wird der Arzt mit ihr tun?"

Amy schüttelte genervt den Kopf. „Sie untersuchen und im Notfall in ein Krankenhaus einliefern, was wohl sonst?"

Cole kam näher an das Bett heran und setzte sich auf die andere Seite von Prue. Er blickte sie fragend an. „Soll ich versuchen Leo zu rufen?" wollte er wissen, doch Prue schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Er würde nicht kommen." flüsterte sie.

„Also bist du sicher, dass es eine alltägliche Krankheit ist, keine Magie im Spiel?" wollte er vorsorglich wissen. „Willst du wirklich in ein Krankenhaus?"

Prue blickte ihn nachdenklich an, sie fühlte sich schrecklich, und dieser Virus hatte sie wirklich blitzschnell getroffen, doch woher sollte sie wissen, was dies für eine Krankheit war. Sie zuckte leicht mit den Schultern, sie war zu benebelt, um sich jetzt darum Gedanken zu machen, konnte er nicht für sie entscheiden?

Cole sah wieder Amy an. „Ist es gefährlich?"

„Natürlich ist es gefährlich, merkst du nicht, wie sie glüht?" fragte sie aufgebracht. „Ruf' endlich einen Arzt, sonst tue ich es."

„Aber wenn es magisch ist, oder ein Fluch, dann kann ihr kein Arzt helfen." teilte Cole ihr mit und stand auf, er würde es nicht zulassen, er würde sie nicht verlieren. Er sah Amy auffordernd an. „Kommst du mal kurz mit."

Unwillig stand Amy von Prues Bett auf und folgte ihm die Treppe hinunter.

Als sie im Wohnzimmer angekommen waren, fing Cole an, laut nach Leo zu rufen, aber niemand erschien. „Kein Wunder, wenn ich ihn rufe kommt er ganz bestimmt nicht." erklärte er wütend und sah Amy an. „Kannst du es bitte mal versuchen?"

„Was?" wollte sie irritiert wissen.

„Na nach ihm zu rufen." teilte er ihr angespannt mit und erklärte dann genervt. „Ruf' einfach laut und deutlich Leo."

Amy sah ihn immer noch skeptisch an. „Leo?" brachte sie leise hervor, doch als sie Coles ärgerlichen Gesichtsausdruck sah, entschloss sie sich es noch einmal zu versuchen. „Leo!" brüllte sie, und kam sich dabei reichlich dämlich vor. Sie versuchte es noch einmal, aber nichts geschah.

Als sie es erneut versuchen wollte, hielt Cole sie mit einer Handbewegung zurück. „Ist schon gut, er wird nicht kommen." erkannte er frustriert und blickte Amy an. „Meinst du, es ist gefährlich, wenn wir noch eine Stunde mit dem Arzt warten?"

Amy zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen, ich merke nur, dass es ihr sehr schlecht geht."

Cole nickte. „Das habe ich auch gesehen, aber ich habe einfach das Gefühl, dass es sich bei ihrer Krankheit um einen Fluch handelt, und die einzige, die uns dabei helfen kann ist in meinen Augen Madame Zadie."

„Aber denkst du nicht, dass er von ihr kommen könnte?" fragte Amy skeptisch.

„Nein, sie will zwar ihre Schwester schützen, aber sie wollte uns nicht schaden." er sah Amy flehentlich an. „Ich muss es erst bei ihr versuchen."

Amy nickte. „Ich verstehe, aber wenn ich merke, dass es zu schlimm wird, dann rufe ich den Notarzt." erklärte sie entschlossen.

„Gut, ich bin bald zurück." teilte Cole ihr mit und griff nach den Wagenschlüsseln. Er eilte zur Tür und blieb noch einmal kurz stehen. „Ach, und sag bei Prues Arbeit Bescheid, dass sie krank ist, und heute nicht kommen kann."

Amy nickte. „Kein Problem, und beeil dich bitte."

In hohem Tempo fuhr Cole in Richtung Einkaufszentrum und entschied dann, den verwinkelten Weg mit dem Auto zu nehmen. Zu Fuß würde er zu lange brauchen. Einige Leute auf der Straße blickten seinem Auto irritiert hinterher, doch Cole kümmerte sich nicht weiter darum. Er fuhr durch die engen Gassen und versuchte sich zu orientieren, am Abend zuvor war er nur Prue gefolgt, und er konnte sich nur noch an eine verfallene Lagerhalle mit Autowracks als Orientierungspunkt erinnern.

Ohne lange zu überlegen, hielt er neben zwei schwarzen Jugendlichen an, die gerade an einem Motorrad herumschraubten, und ließ die Fensterscheibe herunterfahren. Dröhnende Musik schallte ihm entgegen. „Hey du, komm mal her!" rief Cole einem von ihnen zu.

Der Junge sah ihn an und stand schließlich gemächlich auf. Seine Hose hing ihm fast in den Kniekehlen und er kam in besonders lässiger Art auf den Wagen zu. „Coole Karre!" ließ er vernehmen und blickte Cole abschätzend an. „Sie sollten besser darauf aufpassen. Also, was hat einer wie Sie in diesem Viertel zu suchen?"

„Ich suche nach einer Lagerhalle mit Autowracks, weißt du, wo das ist?" fragte Cole ungeduldig.

„Hm," der Junge wiegte sich leicht hin und her. „Können Sie mir einen Grund sagen, warum ich Ihnen das sagen sollte?"

Cole grinste bösartig. „Weil ich dich sonst mit meiner coolen Karre über den Haufen fahre, also jetzt mach schon."

Obwohl es aus dieser Position unmöglich war, ihn zu überfahren, spürte der Junge, dass von Cole eine Gefahr ausging und er es mit seiner Drohung todernst meinte. „Immer lässig bleiben." meinte er schnell und trat ein paar Schritte zurück. „Die nächste Gasse links und dann immer geradeaus, bis Sie an eine größere Kreuzung kommen, da rechts."

Der Junge sah sich nach seinem Kumpel um, und als Cole nickte und das Fenster schloss, beschloss er, dass es an der Zeit war, etwas mutiger zu werden. Er trat wieder einen Schritt auf den Wagen zu und schlug mit der Faust wütend auf das Dach des Wagens. „Hey, ein Dank wäre das mindeste" meinte er laut.

Cole öffnete das Fenster erneut und der Junge sprang wieder ein Stück zurück. „Vielen Dank!" erklärte Cole bedrohlich leise. „Und wenn das nicht stimmt, dann komme ich zurück und mache dir die Hölle heiß."

„Schon klar Alter, keine Panik." brachte der Junge gerade noch heraus und sah erleichtert zu, wie der Wagen mitsamt Fahrer verschwand. Versteckt im aufgewirbelten Staub der Straße, hob er mutig den Mittelfinger. „Und lass dich hier nie wieder blicken, Arschloch, das ist unser Viertel."

Als Cole zwei Kreuzungen später, an der verfallenen Lagerhalle vorbeikam, erkannte er erleichtert, dass der Junge ihm die Wahrheit gesagt hatte. Kurz darauf hielt er vor dem Haus von Madame Zadie. Er sprang aus dem Wagen und schloss ihn ab. Es kümmerte ihn nicht, dass einige Nachbarn interessiert auf das neue Auto blickten, es gehörte schließlich nur Edward Wingrove.

Cole ging auf das Haus zu, und klopfte energisch an die Tür. Als nichts passierte, blickte er sich wütend um. Er sprang von der Veranda und ging am Haus vorbei, um auf die andere Seite zu kommen. Die Sonne schien grell in die Fenster des Raumes, in dem er am Abend zuvor Zadie getroffen hatte, doch er konnte nichts erkennen, die Fenster waren mit Gardinen verhängt. Ohne lange zu überlegen, ging er darauf zu und begann gegen die Fensterscheibe zu hämmern.

Kurze Zeit später erschien eine verärgerte Zadie an der Tür und schob die Gardine beiseite. Als sie Cole erblickte, öffnete sie die Tür einen Spaltbreit und blickte hinaus. „Was wollen Sie hier? Ich habe zu tun, kommen Sie später wieder."

„Das werde ich nicht." fuhr Cole sie an. „Sie schicken ihre Kundschaft jetzt gefälligst weg und kommen mit mir."

„Warum sollte ich?" fragte Zadie belustigt.

„Weil Prues Leben in Gefahr ist, und Ihre geisteskranke Schwester sicher etwas damit zu tun hat." erklärte Cole laut.

Zadie sah sich um, es gefiel ihr gar nicht, dass er hier so herumbrüllte. „Nein, das kann nicht sein." teilte sie ihm resolut mit. „Ich habe ihrer Freundin ein Amulett gegeben, dass sie vor allem Bösen schützen soll, und ich habe gesehen, dass sie es gestern noch getragen hat."

Cole lächelte böse. „Ja, aber nachdem Sie sie mit irgendeinem Blödsinn total aus der Fassung gebracht haben, hat sie es in hohen Bogen weggeworfen."

Nun sah Zadie ihn erschrocken an. „Das kann nicht sein." flüsterte sie. „Was hat sie?"

„Fieber, hohes Fieber und sie kann sich kaum rühren." erklärte Cole verzweifelt. „Also kommen Sie endlich, Sie müssen ihr helfen."

Zadie nickte. „Also gut, ich werde sie mir ansehen. Aber ich muss noch einige Sachen holen, warten Sie vor dem Haus auf mich."

Cole sah zu, wie Zadie wieder im Haus verschwand und ging dann zurück zu seinem Wagen, überraschenderweise hatte sich bisher niemand daran zu schaffen gemacht. Als Cole sich gerade wieder hineinsetzten wollte, öffnete sich die Haustür und eine gebrechlich wirkende Frau kam heraus.

Sie ging gemächlich die Stufen hinab und kam langsam auf Cole zu. „Madame Zadie hilft den Menschen." teilte sie ihm mit. „Und mit so reichem weißem Pack wie Ihnen sollte sie sich gar nicht einlassen." Ohne auf eine Antwort zu warten, stiefelte sie davon.

Cole blickte ihr nachdenklich hinterher, als Zadie auch schon aus dem Haus kam. In der Hand hielt sie einen schwarzen, kleinen, kastenförmigen Koffer. Cole stieg in den Wagen, und öffnete die Beifahrertür für sie.

„Sie muss Ihnen sehr viel bedeuten, wenn Sie es wagen, mit solch einem Wagen hierherzufahren." teilte Zadie ihm mit und ließ sich auf den Sitz fallen.

„Der Wagen gehört mir nicht." erklärte Cole kurzangebunden. „Sagen Sie mir jetzt einfach, wie ich am schnellsten zum Einkaufszentrum komme."

Zadie schüttelte den Kopf. „Nein, zuerst sagen Sie mir, wo Ihre Freundin mein Amulett weggeworfen hat."

„Wir haben jetzt wirklich keine Zeit dafür." erklärte Cole brüsk.

„Oh doch, ich habe keine unbegrenzte Zahl an wirksamen Amuletten, wir müssen es wiederfinden." teilte sie ihm unmissverständlich mit.

Cole sah sich um und gab nach. .„Es war nur ein Stück die Straße hinunter, bei einem Haus mit einer Weihnachtskette über dem Eingang." erklärte er.

„Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich mit Weihnachtsbeleuchtung auskennen." wunderte sich Zadie lächelnd.

Cole blickte sie wütend von der Seite aus an. „Ich bin nicht in Stimmung für Ihre Scherze." erklärte er kalt.

„Schon gut, ich fand es nur merkwürdig, dass Sie es Weihnachtskette nennen, denn es handelt sich um den Eingang zu einer Kneipe." teilte Zadie ihm mit und blickte nach links. „Halten Sie an, hier ist es schon."

Cole stoppte und Zadie stieg aus. Forschen Schrittes ging sie auf den Eingang der Kneipe zu. Obwohl es noch früh am Morgen war, lungerten bereits ein paar Männer mit Bierflaschen davor herum. Sie blickten Cole und seinen Wagen misstrauisch an.

Cole entschied, dass Zadie die Angelegenheit allein regeln sollte, er hatte nicht vor, seinen Wagen hier unbewacht stehen zu lassen. Er blickte ihr hinterher und sah zu seiner Überraschung wie sie auf die Männer zuging. Sie sprach sie an und die Männer betrachteten sie ehrfürchtig.

Cole öffnete das Fenster. „Ich glaube Bob hat so was gefunden Mam." hörte er einen der Männer höflich sagen. Zadie bedankte sich und verschwand in der Kneipe. Cole blickte zu den Männern, die ihn immer noch argwöhnisch betrachteten, aber nicht näher kamen. Kurz darauf erschien Zadie wieder und stieg zufrieden in den Wagen.

„Der Besitzer Bob hat es auf seiner Veranda gefunden. Er wollte es mir sofort bringen, aber er musste erst die Bar öffnen." erklärte sie Cole. „Aber ich habe ihm angesehen, wie unangenehm es ihm war, es in seiner Nähe zu wissen." Sie schmunzelte. „ Viele Leute haben immer noch Angst vor meinen Fähigkeiten." erklärte sie, offensichtlich zufrieden über ihren Ruf war.

„Wahrscheinlich haben sie Grund dazu." meinte Cole kalt.

Zadie zuckte mit den Schultern. „Ich tue nur Gutes, durch mich ist noch niemand zu Schaden gekommen, dass können Sie mir glauben." erklärte sie mit einem Hauch von Genugtuung in ihrer Stimme und nannte ihm schließlich den kürzesten Weg zum Einkaufszentrum.

Kurze Zeit später hatten sie das heruntergekommene Viertel verlassen und waren auf dem Weg zu Coles Haus. Zadie blickte ihn von der Seite aus an. „Also hat sie Ihnen nichts davon gesagt, worüber wir gestern geredet haben?" wollte sie wissen.

„Nein, wieso? War es wichtig?" fragte Cole absichtlich desinteressiert.

Zadie lächelte vor sich hin. „Sie sollten sie danach fragen, wenn sie wieder gesund ist."

„Wenn sie das nur wieder wird." murmelte Cole leise.

„Falls meine Schwester wirklich für ihre Krankheit verantwortlich ist, dann kann ich ihr helfen. Meine Schwester ist stark, aber ich kann gegen sie ankommen, vertrauen Sie mir." erklärte Zadie selbstsicher. „Ich werde es nicht zulassen, dass durch ihre Schuld jemand stirbt."

Cole lachte ironisch. „Es sind bereits Menschen wegen ihr gestorben." erklärte er ihr grimmig. Doch bevor Zadie antworten konnte, hielten sie schon vor dem Haus. Sie stiegen aus und Cole öffnete die Tür.

Als sie die Halle betraten, kam Amy bereits an die Treppe. „Da bist du ja endlich, ich habe mir schon solche Sorgen gemacht." erklärte sie entnervt. „Ich wusste nicht, wie lange ich noch warten kann."

Sie stürmten die Treppe hoch und betraten Prues Schlafzimmer. Prue lag im Bett und glühte förmlich. Cole eilte zu ihr, während Zadie im Türrahmen stehenblieb und die Augen schloss. Sie streckte die Arme aus und atmete tief durch. Schließlich öffnete sie ihre Augen wieder. „Ich denke Sie haben Recht." meinte sie resigniert. „Ich muss sie von den negativen Energien reinigen." Sie sah sich um und blickte Amy an. „Kannst du mich bitte in das Badezimmer bringen?"

Amy warf Cole einen fragenden Blick zu, und als dieser nickte, führte sie Zadie hinaus. „Es ist gleich hier drüben." erklärte sie und öffnete die Tür.

„Danke!" Zadie trat ein und sah sich um. Dann setzte sie sich auf den Rand der Badewanne und begann den Wasserhahn aufzudrehen. Sie überprüfte die Temperatur und als sie zufrieden war, öffnete sie ihre Tasche.

„Was machen Sie da?" wollte Amy wissen, die immer noch in der Tür stand und Zadie skeptisch beobachtete.

„Ich bereite ein magisches Bad vor." erklärte Zadie und begann Blüten in das Wasser zu streuen. „Jasminblüten, Mandelbestandteile, Champagner und einige geheime Zutaten, wie das 'Wasser der Loas'" sie füllte die Zutaten in das Badewasser und lächelte Amy an. „Ich brauche noch etwa fünf Minuten, dann kann er sie hierherbringen."

Amy nickte. „Cole kann Prue dann also hierherbringen." meinte sie unzufrieden.

„Danke, dass du mir ihre Namen genannt hast, bisher haben sie sich mir noch nicht vorgestellt." erklärte Zadie und scheuchte Amy mit einer Handbewegung hinaus.

Amy schloss unwillig die Tür und ging zurück in Prues Schlafzimmer, wo Cole immer noch an ihrem Bett saß. „Sie sagt du sollst sie in fünf Minuten in's Badezimmer bringen." teilte sie ihm mit.

Obwohl er seinen Blick nicht von Prue ließ, die sich unruhig hin und her bewegte, hatte er in Amys Tonfall ihren Unmut gehört. „Du traust ihr wohl nicht." wollte er wissen.

Amy zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Ich weiß nicht, so lange du glaubst, dass sie Prue helfen kann, vertraue ich deinem Urteil. Aber ich will nicht in ihrer Nähe sein."

Cole nickte. „Okay, dann geh du mit Danny runter. Wir regeln das hier schon."

Amy verließ erleichtert das obere Stockwerk und machte es sich mit Danny im Wintergarten bequem.

Cole blieb unterdessen bei Prue sitzen und seufzte. Er hoffte, dass er das Richtige tat, nicht auszudenken, was passieren würde, wenn er sie verlor, und das auch noch durch seine eigene Fehlentscheidung. „Du stirbst nicht, ist das klar." erklärte er ihr und nahm sie vorsichtig auf den Arm.

„Das musst du gerade sagen." meinte sie schwach und schmiegte sich an ihn. „Du hättest dich ja auch nicht gleich von der Schlange verschlingen lassen müssen. Ich hätte die Tür schon noch geöffnet."

„Sicher, schon klar." Cole hob sie hoch.

„Es war nicht meine Schuld, ich wurde von ihnen abgelenkt, du hättest ruhig ein wenig länger kämpfen können." teilte sie ihm wütend mit.

„Das nächste Mal, versprochen." versuchte Cole sie zu beruhigen, obwohl er keine Ahnung hatte, wovon sie da eigentlich redete.

Prue lehnte ihren Kopf an seine Schulter. „Na hoffentlich." erklärte sie müde.

Cole trug sie zum Badezimmer, wo Zadie ihnen schon ungeduldig die Tür öffnete. Sie trug ein weißes Gewand und das Badezimmer roch angenehm nach Räucherwerk, das in kleinen Räucherschälchen überall vor sich hin qualmte. Rund um die Wanne waren weiße Kerzen aufgestellt, die aber noch nicht entzündet waren. Cole sah Zadie fragend an.

„Sie muss erst noch mit dieser Essenz eingerieben werden." erklärte sie und holte ein Fläschchen aus ihrem Koffer. „Also ziehen wir ihr zuerst das Nachthemd aus." meinte sie und kam näher.

„Ich mach das schon." erklärte Cole nachdrücklich und ließ Prue vorsichtig herunter. Als sie auf wackeligen Beinen auf dem Boden stand, zog er ihr das Nachthemd über den Kopf. Sie blickte ihn interessiert an, doch als Zadie anfangen wollte, sie mit dem Elixier einzureiben, sträubte sie sich.

„Fassen sie mich nicht an." erklärte sie so resolut, wie sie konnte. „Sie wollen doch nur, dass ihre dämliche Vision in Erfüllung geht."

Zadie lächelte. „Wäre das so schlimm?" fragte sie leise.

Prue konnte nicht klar denken, nur deshalb fand sie keinen Grund ihr zu widersprechen. Doch trotz allem wollte sie sich von dieser Voodoopriesterin nicht anfassen lassen und blickte Cole flehentlich an.

„Komm schon, es muss sein, wenn du wieder gesund werden willst." erklärte er ihr ruhig.

„Tun Sie es." meinte Zadie unterdessen und reichte ihm das Elixier. Zweifelnd nahm er das Fläschchen entgegen, als Zadie hinzufügte. „Es wirkt besser, wenn es von einem liebenden Menschen gemacht wird."

„Na dann haben Sie ja genau den Richtigen ausgesucht." meinte Prue zynisch und setzte sich auf den heruntergeklappten Sitz der Toilette. Als sie Coles fragenden Blick sah, zuckte sie kaum merklich mit den Schultern. „Ich habe ja wohl keine andere Wahl, also mach schon." erlaubte sie ihm gnädig.

Cole kniete sich neben sie und begann ihre Arme mit dem weißfarbenen Elixier einzureiben.

Prue blickte auf ihren Arm, der schon mit der weißen Paste bedeckt war und folgte dann Coles Hand, die langsam über ihre Beine strich. „Warum wollen uns hier nur alle verkuppeln?" fragte sie ihn, doch bevor er antworten konnte, meinte sie. „Nur Leo nicht, wenn der wüsste. Doch er meinte ich sei zum Glück nicht so naiv."

„Bist du auch nicht." erklärte Cole ohne mit dem Einzureiben aufzuhören.

Prue achtete nicht weiter darauf, sondern stimmte ihm zu. „Bin ich auch nicht. Trotzdem konnte ich nichts dagegen tun. Oder gibt es irgendein Mittel?" sie blickte ihn an und Cole erwiderte ihren Blick.

Er sah ihn ihre vom Fieber glänzenden Augen und lächelte. „Nein!" erklärte er schlicht und fuhr fort ihren Körper mit dem Elixier einzuölen.

Als er fertig war, half er ihr auszustehen und zu der Wanne zu gehen. Sie stieg in das immer noch heiße Wasser und lehnte sich zurück. Das Wasser reichte ihr bis zum Hals. „Das alles habe ich sowieso nur dem Miststück Vivian zu verdanken." murmelte sie und meinte damit nicht unbedingt ihre Krankheit.

Doch Cole verstand ihre Aussage augenscheinlich anders und fixierte Zadie mit seinem Blick. „Ist Vivian für diese Krankheit verantwortlich?" wollte er in schneidendem Tonfall wissen.

Zadie seufzte und begann die einzelnen Kerzen anzuzünden. „Ich fürchte ja, sie ist damals zu mir gekommen und wollte Prue schaden." Sie zuckte leicht mit den Schultern. „Ich habe natürlich abgelehnt. Aber ich nehme an sie ist mit ihrem Anliegen zu Belva gegangen."

Cole blickte Zadie kopfschüttelnd an. „Und da fiel Ihnen nichts besseres ein, als Prue dieses Amulett zu geben?"

„Nein, denn es hat seine Wirkung getan, solange sie es getragen hat." erklärte sie ruhig und blickte dann Prue an. „Sie dürfen sich während des Rituals nicht bewegen." teilte sie ihr mit und wandte sich dann an Cole. „Sie müssen jetzt gehen." forderte sie ihn unmissverständlich auf. „Ich brauche für die Anrufung des Loa absolute Konzentration."

Unzufrieden sah Cole zu Prue, die mit geschlossenen Augen in der Wanne lag. Leider wusste er zu gut, dass Zadie recht hatte. „Wenn ihr etwas passiert, dann werde ich einen Weg finden, um Ihnen das Leben zur Hölle zu machen." erklärte er mit eiskalter Stimme.

„Daran habe ich keinen Zweifel." meinte Zadie ruhig und blickte ihm fest in die Augen.

„Gut!" Widerwillig verließ Cole das Badezimmer und ging langsam die Treppe hinunter.