26. Kapitel

Als Cole im Erdgeschoß ankam, fand er Amy mit Danny im Wintergarten vor. Unzufrieden setzte er sich zu ihnen und grübelte vor sich hin. Schließlich stand er wieder auf und begann nervös hin und her zu gehen. Ihm ging der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass Vivian für Prues Krankheit verantwortlich sein könnte, und er wahrscheinlich der Auslöser dafür war.

Amy sah ihm genervt zu und fragte schließlich. "Kannst du damit nicht aufhören, es macht mich ganz krank."

"Und mich macht es krank, hier hilflos rumzusitzen." erklärte Cole gereizt. "Und über Vivian Wingrove nachzudenken."

"Vivian?" fragte Amy verwundert. "Was hat die denn damit zu tun?"

"Ach ja, du kennst sie ja." fiel es Cole wieder ein und er setzte sich auf den Sessel neben Amy. "Glaubst du, dass sie Prue diese Krankheit angehängt hat?" wollte er wissen und beugte sich nach vorne, um Amy anzusehen.

"Keine Ahnung, also ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas mit Magie zu tun hat." meinte Amy nachdenklich. "Und was sollte sie überhaupt gegen Prue haben?"

Cole zuckte leicht mit den Schultern. "Ich war mal mit ihr aus." meinte er nachdenklich und als er Amys angwiderten Blick sah, fügte er hinzu. "Es war nur einmal, und außerdem war es wegen dir. Also kannst du dir vorstellen, dass sie zu einer Voodoopriesterin gehen würde, um sich an jemandem zu rächen?"

"Hm, ich kann mir gut vorstellen, dass beide Schwestern vor nichts zurückschrecken, um an ihre Ziele zu kommen. Aber eigentlich kenne ich nur Charlie näher. Unsere Eltern wollten, dass wir Freundinnen werden, darum mussten wir uns ständig treffen. Aber ich hatte nie Spaß daran." erklärte Amy und lächelte. "Vivian und Charlotte sind überheblich und eingebildet. Na ja, aber was soll man erwarten, bei dem Vater."

Cole blickte Amy nachdenklich an, er hatte ganz vergessen, dass es sich bei den beiden ja eigentlich um Amys Schwestern handelte. "Also magst du Edward Wingrove nicht?"

"Ich mag die ganzen Wingroves nicht besonders." meinte Amy. "Aber gerade Edward Wingrove ist ein schleimiger Kerl. Jedesmal, wenn wir die Wingroves besucht haben, hat er mir ganz väterlich den Arm um die Schultern gelegt und mich gefragt, wie es denn so in der Schule läuft. Und wenn ich ihm dann notgedrungen irgendwas erzählt habe, hat er mich schließlich gönnerhaft gefragt, ob er mir helfen könne." Amy schüttelte sich. "Nein, der ist noch viel schlimmer, als mein Stiefvater, der läßt mich wenigstens in Ruhe."

Es war offensichtlich, dass sie keine Ahnung hatte, wer ihr Vater war, und Cole hatte bestimmt nicht vor, es ihr zu sagen. Doch anscheinend hielt Amy Vivian für skrupellos genug, sich mit der Bitte, Prue Schaden zuzufügen, an eine Voodoopriesterin zu wenden. Zadie hatte ihm dies schon bestätigt. Und wenn Vivian die Schuld an Prues Krankheit traf, dann könnte im Grunde er dafür verantwortlich sein. Unruhig blickte Cole in den Garten, er musste in Erfahrung bringen, was in Vivians kleinem Kopf vorgegangen war. Er musste irgendetwas tun, dieses Warten brachte ihn nur um den Verstand. "Ich muss mich mit ihr treffen." entschied er und suchte nach ihrer Nummer.

Amy sah ihm verwundert hinterher, als er ins Nebenzimmer ging, um zu telefonieren.

Vivian war hellauf begeistert, von Cole zu hören, und sie sagte sofort zu, ihn in 10 Minuten in einem Cafe die Straße runter zu treffen. Zufrieden legte Cole auf. Er würde schon in Erfahrung bringen, was sich dieses Biest gedacht hatte.

Als Cole kurze Zeit später bei dem Cafe ankam, war der Ansturm der morgendlichen Besucher bereits vorbei. Im Innenraum saßen nur sehr wenig Leute und nach hinten heraus, im Gartenbereich saß um diese Zeit niemand mehr. Cole setzte sich auf einen der freien Plätze am Rand und wartete auf Vivian.

Ein paar Minuten später kam sie auf ihren hohen Sandalen angetrippelt. Sie strahlte Cole an und nahm ihm gegenüber Platz. "Ich freue mich sehr, mal wieder von dir zu hören." begann sie und winkte energisch nach der Kellnerin, um ihre Bestellung aufzugeben. "Als ich gehört habe, dass du Amy auf freien Fuß bekommen hast, habe ich mir gleich gedacht, dass dein lächerlicher Streit mit meinem Vater endgültig beigelegt ist."

Cole zuckte mit den Schultern. "Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen." teilte er Vivian mit und entschied sich, erst mit ihr über den eigentlichen Grund ihres Treffens zu sprechen, wenn die Kellnerin die Bestellung gebracht hatte. Kurz darauf erschien diese auch schon.

"Das geht ja wirklich schnell um diese Uhrzeit." meinte Vivian lächelnd und sah sich um. "Und es ist auch noch so angenehm leer, vor der Herde der Mittagsgäste. Das sollten wir öfter tun."

"Hm," meinte Cole verächtlich und blickte Vivian kalt an. "Prue ist krank." teilte er ihr mit.

Vivian sah überrascht von dem Themenwechsel auf. "Oh, was hat sie denn?" erkundigte sie sich höflich, obwohl sie das offensichtlich überhaupt nicht interessierte.

"Ich dachte das könntest du mir sagen." meinte er mit einem eisigen Lächeln.

Vivian lachte künstlich. "Nein, wieso? Wie kommst du darauf?"

"Wie ich darauf komme?" fragte er ärgerlich. "Du warst es schließlich, die ihr diese Krankheit mit einem Voodoofluch an den Hals gewünscht hast."

Vivians Gesicht wurde aschfahl, dennoch widersprach sie seinem Vorwurf vehement. "Wie kommst du auf so einen Blödsinn, hat Prue dir das etwa erzählt? Sie ist doch nur neidisch auf mich, das war sie schon immer, sie will mich nur vor dir schlecht machen. Ich habe nichts mit Voodoo am Hut, das habe ich dir doch bereits gesagt."

"Ach nein? Und warum hat mir dann Madame Zadie erzählt, dass du zu ihr gekommen bist, um Prue Schaden zuzufügen?" fragte Cole in eisigem Tonfall.

Vivian lachte künstlich auf. "Dieser alten Kräuterhexe glaubst du doch nicht etwa?"

"Woher kennst du sie denn, wenn du angeblich keine Ahnung von Voodoo hast?" wollte Cole zynisch wissen.

"Ich lebe schließlich mein Leben lang in dieser Stadt, da kennt man solche Leute zwangsläufig." versuchte sie sich herauszureden.

"Klar, und die einfachste Lösung, Leute aus dem Weg zu räumen ist in dieser Stadt natürlich, sie mit einem Zauber in den Tod zu treiben." fuhr Cole sie an.

"Nun übertreib' nicht, sie wird nicht daran sterben." erklärte Vivian energisch.

"Ach nein, woher willst du das denn wissen, solche Zauber können schlimme Auswirkungen haben, und du hast Prue heute nicht gesehen, ihr Zustand ist kritisch." teilte Cole Vivian mit.

Mit zitternden Händen nahm sie ihre Tasse. "Das ist nicht wahr, ich wollte ihr doch nur einen kleinen Denkzettel verpassen." flüsterte sie.

Cole lehnte sich frustriert zurück. "Ich kann es kaum glauben, du hast es wirklich getan." Er schüttelte den Kopf und sah sie angewidert an. "Wieso? Nur weil du so scharf auf mich bist?"

Vivian atmete aufgebracht aus. "Was fällt dir ein, so toll bist du nun auch wieder nicht." erklärte sie entrüstet.

Cole fiel ein Stein vom Herzen, wenigstens litt Prue nicht wegen ihm, oder log Vivian nur? "Wieso dann?"

"Weil sie ein eingebildetes überhebliches Miststück ist." begann Vivian mit ihrer Hasstirade. "Sie hat mich abgelehnt, gleich vom ersten Tag an, obwohl sie gar keinen Grund dazu hatte. Sie hat mir noch nicht einmal eine Chance gegeben, und das nur, weil mein Vater mir diesen Job verschafft hat. Ist das denn so schlimm?"

Sie sah Cole ärgerlich an, wartete seine Antwort aber erst gar nicht ab. "Das heißt noch lange nicht, dass meine Arbeit schlecht ist. Aber nein, sie hat mich überall schlecht gemacht, bei unserem Chef, bei den Reportern, den Fotografen, einfach bei allen. Immer hat sie mich ihre Missbilligung spüren lassen. Selbst mit Judy hat sie über mich getuschelt, obwohl ich vorher mit Judy immer so gut ausgekommen bin. Sie ist ein gemeines, selbstbezogenes Biest, und hat es verdient."

"Zu sterben?" fragte Cole kalt.

"Nein, ich wollte nie, dass ihr etwas Schlimmes passiert, aber als sie mich dann auch noch mit dir angelogen hat, war das Mass einfach voll." Vivian trank einen Schluck ihres Kaffees. "Hätte sie mir nicht einfach sagen können, dass ihr zusammen seid? Nein, sie musste mich in's offene Messer laufen lassen. Sie wollte doch nur, dass ich mich blamiere."

Cole schüttelte den Kopf. "So ein Blödsinn."

"Ach ja? Ich gebe ja zu, dass ich dich anfangs attraktiv fand, aber so verzweifelt bin ich nun wirklich nicht. Okay, zuerst wollte ich mir ein Mittel holen, um dich ihr abspenstig zu machen, aber so eiskalt wie Prue ist, hätte ihr das sicher noch nicht mal weh getan. Ich traue ihr ohne weiteres zu, dass sie sich nur mit dir eingelassen hat, weil ich dich wollte." fauchte Vivian.

Cole blickte sie verächtlich an. Er ersparte sich jede Art von Kommentar und es kümmerte ihn nicht, ob an ihrer Aussage etwas Wahres dran war.

Vivian starrte wütend zurück. "Sie sieht auch nicht annähernd so gut aus, wie ich es tue, mit ihren riesigen Kulleraugen. Außerdem ist sie arrogant und selbstsüchtig. Was findest du nur an ihr?"

Cole lächelte leicht. "Ganz einfach. Ich liebe sie." Es war nicht schwer, es vor Vivian auszusprechen, denn im Grunde hatte er es schon lange gewusst. Jedes Mal, wenn er Prue geküsst hatte, dann hatte er es gespürt, doch er hatte sich gezwungen es zu ignorieren. Es hatte sich zu gut angefühlt, um es nicht zu tun, darum hatte er tausend Ausreden für sein Tun gefunden. Er hatte es vor sich selbst verleugnet, weil er bis jetzt nicht bereit gewesen war, die Konsequenzen zu tragen.

Vivian schnaubte verächtlich. "Na dann ist es ja kein Wunder, schließlich heißt es, Liebe macht blind."

Cole lächelte sie angestrengt an. "Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich beherrschen muss, um dir nicht sofort den Hals umzudrehen." erklärte er so locker wie möglich. "Aber ich garantiere für nichts, wenn Prue wirklich etwas passieren sollte."

"Übertreib' doch nicht so, sie wird schon wieder gesund. Und wenn nicht, dann ist es nicht meine Schuld." erklärte Vivian vehement. "Ich wollte ihr nur einen Dämpfer verpassen, damit sie sieht, dass sie sich nicht alles erlauben darf."

"Natürlich ist es deine Schuld, du hast schließlich einer Voodoopriesterin diesen Auftrag gegeben." erwiderte Cole kalt. "Aber du kannst dich schon darauf freuen, wenn der Schadenszauber gebrochen wird, dann werden seine negativen Energien auf den Verursacher zurückgelenkt."

Vivian schreckte zurück. "Nein, ich habe nichts damit zu tun. Wenn einen die Schuld hierfür trifft, dann ist es Belva."

"Du warst die Auftraggeberin, hat die gute Belva dich nicht über die Gefahren aufgeklärt?" fragte Cole genüsslich und weidete sich an Vivians angsterfüllen Blick. "Es ist kein Spiel, Vivian. Voodoo ist eine starke Form der Magie, das solltest du eigentlich wissen. Darum wendet man diese Art der Magie nie an, um Böses zu erreichen und man kauft sich auch kein Voodoo. Denn wenn diese Magie zurückkommt, wird es furchtbar für dich." er stand auf und schob seinen Stuhl zurück. "Wenn du etwas nimmst wird dir auch etwas genommen und du kannst nicht beeinflussen was." Er machte eine demonstrative Pause. "Du kannst mit deinem Körper bezahlen oder auch mit Leben und Tod." Er grinste bösartig und warf einen Geldschein auf den Tisch. "Du bist eingeladen, genieß' dein Essen, es könnte das letzte Mal sein."

Vivian starrte ihn mit offenem Mund an, und brachte keinen Ton heraus.

Zufrieden begab sich Cole in den Innenraum und verließ anschließend das Cafe. Vivian war also tatsächlich zu Belva gegangen, überlegte er sich und hoffte, dass Zadie wirklich so stark war, wie sie behauptet hatte. Er musste schleunigst nach Hause.

Als Cole das Haus betrat, fand er Amy immer noch mit Danny im Wintergarten. "Sind sie immer noch im Badezimmer?" fragte er beunruhigt.

Amy nickte. "Ja, ich weiß auch nicht, was sie da so lange treiben. Ich hoffe es geht alles gut." sie seufzte. "Hast du etwas dagegen, wenn ich in die Küche gehe, und sehe, ob ich dort etwas tun kann?"

Cole schüttelte den Kopf und Amy verließ erleichtert den Raum. Er blickte ihr hinterher und setzte sich schließlich zu Danny. Er wusste nicht, was er tun würde, wenn Zadies Ritual misslingen und er Prue verlieren würde. Er würde sich an allen rächen, von Vivian angefangen, über Belva und ihren ganzen verdammten Familien. Als er Vivian gegenüber gesessen hatte, da hatte er den Drang gespürt, sie ganz einfach mit einem Energieball zu vernichten. Es wäre so einfach gewesen und er hätte es so gerne getan, aber er wusste, was es bedeuten würde. Er würde die Fähigkeit verlieren, sich zu konzentrieren, er würde in Gefahr geraten, die Kontrolle zu verlieren und schließlich nicht mehr in der Lage sein, sich selbst zu stoppen. Doch keiner von ihnen war es wert, dass er sich selbst verlor. Und schließlich hatte er einen anderen Weg gefunden, sich an Vivian zu rächen.

Er seufzte und blickte Danny an. Er hatte ihm versprochen, immer für ihn da zu sein, und er würde dieses Versprechen nicht brechen. "Sie wird schon wieder gesund Danny, das weiß ich einfach."

Unterdessen kniete Zadie mit erhobenen Armen vor der Badewanne. Sie war in tiefer Trance und schwitzte vor Anstrengung. Der Schadenszauber war stärker, als sie erwartet hatte, nur ihre Schwester war in der Lage, so einen Zauber heraufzubeschwören. Sie rief immer wieder den Schlangengott Damballah an und schließlich spürte sie endlich die negative Energie. Sie bekam sie zu fassen und zog sie wie an einem unsichtbaren Faden aus Prue heraus. Diese stöhnte leicht und fühlte, wie sie von einer ungeheuren Last Stück für Stück befreit wurde.

Schweiß tropfte von Zadies Stirn, als sie das Böse endlich zwischen ihren Händen hielt und mit aller Kraft zusammendrückte, um es in eines der gläsernen Fläschchen zu pressen. Als es ihr endlich gelungen war, atmete sie erleichert auf und verschloss es fest mit einem Korken. Sie dankte dem Schlangengott für seine Hilfe und beendete die Zeremonie mit einem Gebet. Die Kerzen am Rand der Wanne waren heruntergebrannt und Zadie packte sie zusammen mit den übrigen Überbleibseln ihres Rituals und der Flasche mit den bösen Energien in einen Jutebeutel. Sie blickte Prue an, und forderte sie auf, noch so lange in dem Wasser liegen zu bleiben, bis sie wieder zurück kam.

Prue nickte. Sie fühlte sich immer noch schwach und unendlich müde. Das Badewasser war auf wundersame Weise immer noch angenehm warm, obwohl es vor Stunden in die Wanne gelassen worden war. Prue lehnte sich zurück und hörte, wie die Badezimmertür geöffnet wurde, und Zadie den Raum verließ.

Die Voodoopriesterin ging die Treppe hinunter und sah sich in der Halle um. Schließlich entdeckte sie den Eingang zum Wintergarten und schaute hinein. Sie sah Cole mit seinem Sohn im Zimmer und blieb überrascht stehen. "Ist das Ihr Sohn?" wollte sie wissen.

Cole, der sie gar nicht bemerkt hatte, fuhr verwundert auf. "Ja, das ist er." meinte er schließlich und stand auf, um auf Zadie zuzugehen. "Wie geht es ihr, haben Sie sie von dem Schadenszauber befreien können?"

Zadie nickte. "Ja, und jetzt muss ich die Überbleibsel im Garten vergraben. Haben Sie vielleicht eine Schaufel?"

Cole sah sie nachdenklich an und ging dann zur Garage, um dort zwischen all dem Gerümpel eine Schaufel zu finden. Er brachte sie zu Zadie in den Garten und diese machte sich an die Arbeit und grub neben einem Weißdornbusch ein Loch aus, in das sie den Jutesack packte. Nachdem sie das Loch wieder mit Erde gefüllt hatte, trampelte sie ein paar Mal mit den Füßen darauf herum und murmelte einige Worte, die Cole nicht verstand.

Zufrieden drehte sie sich schließlich um. "Es ist vollbracht." erklärte sie erleichtert und folgte Cole wieder in's Haus. Als sie im Wintergarten seinen Sohn sah, blieb sie noch einmal stehen. Sie kniete sich neben ihn und holte eine Schere aus einer Tasche ihres wallenden Gewandes.

Blitzschnell war Cole neben ihr und hielt ihre Hand fest. "Was haben Sie damit vor?" fragte er in eisigem Tonfall.

"Keine Sorge." erklärte Zadie und befreite ihre Hand. "Ich wollte ihm nur eine Locke abschneiden, aber das können Sie auch gerne selbst tun." Sie hielt ihm die Schere hin.

Cole sah sie skeptisch an. "Und wozu soll das gut sein?"

"Um einem Kind Sicherheit zu geben, schneidet man ihm als Baby eine Locke seines Haares ab und behält sie." Sie lächelte. "Denn das Kind benötigt sein ganzes Haar, bevor es sterben kann." Sie hob eine Strähne von Dannys dunklem Haar hoch schnitt es ab. Dann strich sie dem Jungen liebevoll über den Kopf. Sie ließ die Schere wieder in ihrer Tasche verschwinden und stand auf. "So, das hätten wir, jetzt befreien wir Prue aus ihrem Bad."

Sie gingen nach oben und betraten das Badezimmer, dass immer noch intensiv nach dem Räucherwerk roch. Zadie ging zu ihrer Tasche und stopfte die Locke mit Hilfe einer Pinzette in ein gläsernes Röhrchen. Dann verschloss sie es und gab es Cole. "Hier, heben sie es gut auf."

Cole betrachtete unterdessen Prue und steckte sich die Locke ohne weiter darüber nachzudenken in die Tasche. "Wie geht es dir?" wollte er wissen.

Prue öffnete unter großer Anstrengung ihre Augen und sah ihn an. "Es ging mir schon besser."

Zadie nahm eines der großen Badetücher, die im Schrank lagen und hielt es Prue hin. "Sie müssen sich jetzt erholen und viel schlafen." teilte sie ihr mit.

Prue stieg unsicher aus der Wanne, doch als Cole ihr helfen wollte, sah sie ihn wütend an. "Das schaffe ich schon alleine." erklärte sie und stolperte fast über das lange Ende des Badetuches.

Cole schüttelte den Kopf und kümmerte sich nicht um ihre Einwände. Er nahm sie hoch und trug sie in ihr Schlafzimmer, um sie auf das Bett zu legen. Zadie folgte ihnen und öffnete Prues Kleiderschrank. Sie suchte darin herum und drehte sich dann um. "Haben Sie keine vernünftigen Nachthemden?" fragte sie kopfschüttelnd.

"Am liebsten würde ich gar keine tragen." meinte Prue müde.

"Oh," entfuhr es Cole überrascht. "und warum tust du es nicht?" fragte er grinsend.

"Früher haben mich zu viele nächtliche Dämonenangriffe erkennen lassen, wie unpraktisch das wäre." Sie blickte Cole an. "Und daran hat sich auch nicht viel geändert."

"Einige Dämonen hätten sicher nichts dagegen." meinte er leise und es war offensichtlich, welchen er damit meinte.

"Aber ich." teilte Prue ihm mit und zog das Nachthemd über, das Zadie ihr hinhielt.

"Wie es scheint geht es dir schon wieder richtig gut." meinte Cole zufrieden und sah Zadie fragend an.

"Das täuscht." erklärte diese. "Sie ist zwar außer Gefahr, aber was sie jetzt wirklich braucht ist Ruhe und Schlaf und keine sinnlosen Streitereien."

"Ach, die tun mir ganz gut." meinte Prue nachdenklich. "Besser als behutsam wie eine Sterbenskranke behandelt zu werden."

"Aber das waren Sie, unterschätzen Sie das nicht." Zadie hielt ihr das Amulett hin. "Und verlieren Sie das nicht noch einmal. Tragen Sie es, so lange die Gefahr besteht, dass Ihnen jemand Böses will."

Gehorsam band sich Prue die Kette mit dem Zahn um und schlüpfte unter die Bettdecke, denn ihr war auf einmal schrecklich kalt.

Zadie nickte zufrieden. "Fein, ich sehe in ein paar Tagen noch einmal nach Ihnen." erklärte sie zum Abschied und verließ den Raum. Cole warf einen letzten Blick auf Prue und folgte Zadie dann die Treppe hinunter.

Als Zadie vor der Haustür ankam, blieb sie auf einmal verwundert stehen. Sie drehte sich zur Seite und blickte alarmiert auf die Tür zu Coles Zimmer. "Was ist in diesem Raum?" fragte sie und ging auf die Tür zu.

"Mein Schlafzimmer und ich will nicht...." doch bevor er weiterreden konnte, hatte Zadie den Raum bereits betreten. ".. dass Sie da hineingehen." erklärte er genervt und folgte ihr in sein Schlafzimmer.

Zadie stand mitten im Raum und sah sich aufmerksam um. "Sie müssen ja einige gefährliche Feinde haben." meinte sie schließlich bestürzt.

"Wie kommen Sie darauf?" erkundigte Cole sich irritiert.

"Weil hier ebenfalls ein Schadenszauber angewandt worden ist." teilte Zadie ihm mit. "Er ist erst ein paar Tage alt, aber er ist stark."

Cole blickte sie skeptisch an. "Und was soll er bewirken?"

Zadie antwortete nicht gleich darauf, sondern meinte. "Ich hoffe, Sie waren hier in den letzten Tagen, oder besser Nächten nicht mit Ihrer Freundin zusammen."

Coles Miene verdüsterte sich. "Das geht Sie gar nichts an." erklärte er brüsk.

Zadie sah ihn aufmerksam an. "Du meine Güte, Sie haben sie misshandelt, und darum war sie so abweisend." erkannte sie.

"So ein Blödsinn." fuhr Cole sie an. "Ich würde ihr niemals etwas antun."

"Aber der Zauber zwingt Sie dazu, ihr weh zu tun. Er bringt den Bewohner des Zimmers dazu, gewalttätig gegen seine Liebste zu werden und das kann bis zum Tod führen." Sie blickte ihn fragend an. "Und Sie haben sie nicht geschlagen?"

Cole senkte seinen Blick. "Nein, aber ich habe sie anders verletzt." erklärte er nachdenklich und setzte sich auf sein Bett.

Zadie schüttelte den Kopf. "Nein, Sie haben sie weggeschickt, um sie zu beschützen, ist es nicht so?" Als Cole nicht antwortete lächelte sie. "Sehen Sie, ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie sich selbst mehr vertrauen müssen. Sie wussten instinktiv, dass Sie sie beschützen mussten." Sie legte ihm ermutigend die Hand auf die Schulter. "Ich werde mich um das Zimmer kümmern." entschied sie. "Aber heute bin ich dafür zu erschöpft. Ich komme morgen noch einmal vorbei. Wenn Sie alleine hier schlafen, dann wird nichts geschehen."

Cole nickte und stand auf, um sie zur Tür zu begleiten. Er bot ihr an, sie nach Hause zu fahren, aber Zadie winkte ab.

"Keine Sorge, ich habe noch etwas zu erledigen. Und anschließend komme ich schon zurück." sie lächelte ihn an. "Und seien Sie in Zukunft vorsichtiger." Sie verließ das Haus und stiefelte die Straße hinunter.

Cole sah ihr nachdenklich hinterher und schloss die Tür, als er sie nicht mehr sehen konnte. Anschließend ging er erneut in Prues Schlafzimmer, doch er fand sie tief schlafend vor. Lächelnd ließ er sie allein und begab sich zu Amy und Danny.

Als Amy am Abend erneut bei Prue hineinschaute, um sie zu fragen, ob sie etwas zu Abend essen wollte, schlief sie immer noch. Alarmiert ging Amy näher an das Bett heran, aber als sie Prue gleichmäßig und ruhig atmen sah, wagte sie nicht, sie zu wecken. Sie verließ auf Zehenspitzen das Zimmer wieder und aß mit Cole schweigend zu Abend.

Nachdem Cole Danny in's Bett gebracht hatte, schaute er noch einmal bei Prue in's Zimmer. Amy hatte vorgeschlagen, ihr etwas zu essen neben das Bett zu stellen und Cole stellte das Tablett neben ihre Kameraausrüstung auf den kleinen Tisch. Anschließend ließ er sich leise auf dem Bett neben der schlafenden Prue nieder und betrachtete sie. Nicht auszudenken, wenn er sie verloren hätte. Vorsichtig strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht.

Cole hatte es nie für möglich gehalten, dass er sich in sie verlieben könnte. Doch er hatte es getan, erneut verliebt in eine Halliwell. So was Blödes konnte auch nur ihm passieren. Nach dem Reinfall beim ersten Mal, hätte er eigentlich daraus lernen müssen. Doch es war einfach so geschehen, wie Prue schon gesagt hatte, dagegen gab es kein Mittel. Und er wollte auch gar keins. Denn auch seine Liebe zu Phoebe wollte er trotz allem nicht missen, sie hatte ihn befreit und er hatte seine Erinnerungen an die guten Zeiten mit ihr und da gab es genug. Und schließlich hatte er dadurch Danny und er konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder ohne ihn zu sein.

Liebe war schon etwas eigenartiges, sie hatte ihm so viel Leid gebracht, und dennoch wollte er nicht darauf verzichten, dafür fühlte er sich viel zu gut, viel zu glücklich, es war, als wäre alles, was passiert war, nur passiert, damit er heute hier saß.

Cole musste grinsen, außerdem waren die beiden, obwohl sie Schwestern waren, viel zu unterschiedlich und er hatte keinen Zweifel, dass es mit Prue nicht leicht werden würde, aber er liebte diese Herausforderung. Er konnte sich schon heute nicht vorstellen, dass er je wieder ohne ihre kleinen Meinungsverschiedenheiten leben wollte, und es würde sicher nie langweilig werden. Er blickte sie nachdenklich an, wenn sie nur dasselbe fühlte, eigentlich war er sich sicher, dass sie es tat, doch ob sie es wollte oder sich gestattete, war eine andere Sache. Er küsste sie auf die Stirn und stand auf, um sich auf einen der Sessel zu setzen. Er hatte nicht vor, sie in dieser Nacht allein zu lassen.

Als Prue ein paar Stunden später aufwachte und Cole neben ihrem Bett sitzen sah, lächelte sie. "Jetzt hast du endlich das bekommen, was du schon immer wolltest." erklärte sie leise und erwiderte Coles fragenden Blick. "Die Chance, mir doch noch das Leben zu retten."

Cole schüttelte den Kopf und stand auf, um sich neben sie zu setzten. "Nein, das war nicht ich, das hast du ganz allein Zadie zu verdanken."

"Du hast sie geholt." gab Prue zu bedenken.

"Das gilt nicht." teilte Cole ihr mit einem Lächeln mit.

"Ich finde schon." meinte sie lächelnd und erklärte leise. "Danke"

"Gern geschehen." erwiderte Cole und sah ihr tief in die Augen.

Etwas verlegen blickte Prue hinunter. "Meinst du, ich habe diesen Schadenszauber tatsächlich diesem Miststück Vivian zu verdanken?"

Cole nickte. "Ja, sie ist deshalb zu Belva gegangen."

Prue setzte sich auf und sah ihn fragend an. "Woher weißt du das so genau?" fragte sie ihn irritiert, doch dann lachte sie leise und beantwortete ihre Frage selbst. "Du hast Vivian zur Rede gestellt, weil du dir die Schuld hierfür gegeben hast."

Cole grinste und zog die Augenbrauen hoch. "Du kennst mich wirklich schon ziemlich gut."

"Du hast wirklich gedacht es war wegen dir, nicht wahr? Aber darum hättest du dir keine Sorgen machen müssen." erklärte sie sachlich. "Leute gegen mich aufzubringen, das schaffe ich schon ganz alleine."

Cole lächelte schwach. "Ich hätte es nicht ertragen, wenn dir wegen mir etwas zugestoßen wäre." gab er schließlich zu.

"Keine Sorge, ich weiß, dass Vivian denkt, ich hätte sie ohne Grund abgelehnt." sie zuckte mit den Schultern.

"Wahrscheinlich stimmt das sogar, aber letztendlich hatte ich Recht, sie ist ein hinterhältiges Biest. Mir gleich den Tod an den Hals zu wünschen finde ich doch etwas extrem."

Cole grinste. "Angeblich wollte sie dir nur einen Deckzettel verpassen." klärte er sie auf.

"Ach tatsächlich? Das war ihre Ausrede?" Prue lachte. "Und, hat sie euer Gespräch überlebt?" fragte sie amüsiert, aber als sie Coles ärgerlichen Gesichtsausdruck sah, legte sie ihre Hand beruhigend auf seine. "Hey, das war doch nur Spaß."

"Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn Zadie dich nicht gerettet hätte." erklärte Cole ernst.

"Aber es war doch nicht deine Schuld." meinte Prue. "Vivian hat es nicht gemacht, um dich zu bekommen, so toll bist du nun auch wieder nicht."

"Danke, das hat sie mir auch schon gesagt." teilte Cole ihr lächelnd mit, doch dann sah er Prue nachdenklich an. "Im Ernst, Prue. Ich hatte Angst dich zu verlieren."

"Keine Sorge, ich bin zäh, mich wirst du so schnell nicht wieder los." erwiderte Prue.

"Das ist das Letzte, was ich will." Cole blickte kurz hinunter und lächelte leicht. Dann sah er Prue mit einem Blick an, der besorgt wirkte, aber in dem noch etwas anderes lag, dass Prue nicht deuten konnte. Wahrscheinlich war sie noch zu benommen, entschied sie, denn im ersten Moment hatte sie angenommen, dass es tatsächlich so etwas wie Liebe sein könnte.

Prues Gesicht lag im hellen Mondlicht, das durch die offenen Fenster ins Zimmer fiel und auch Cole versuchte in ihrem Blick zu lesen. Sie sahen sich tief in die Augen, und es lag so viel in diesem Blick, dass Worte eigentlich unnötig waren.

Schließlich blickte Cole zur Seite. "Ich ..." sein Blick fiel auf das Tablett, das er auf den kleinen Tisch gestellt hatte. "Ähm, willst du etwas essen? Amy dachte du hättest vielleicht Hunger, wenn du aufwachst."

"Nein ... danke!" erklärte Prue irritiert und schüttelte den Kopf. "Also eigentlich wolltest du doch etwas anderes sagen."

"Hm, es ist ziemlich verrückt." meinte Cole achselzuckend.

"Egal," forderte sie ihn auf. "ich will es hören."

"Ich schätze, ich weiß auch nicht recht, warum. Aber ..." er blickte sie wieder an. "Ich liebe dich."

"Oh," lächelnd schaute Prue nach unten. "Ich schätze mir geht es ähnlich."

"Ja?" fragte Cole leicht überrascht und berührte mit seiner Hand ihr Kinn, um ihr Gesicht zu sich zu drehen. "Danke, dass du es gesagt hast." erklärte er und fügte hinzu. "Und das neulich, das hatte wirklich nichts zu bedeuten, das musst du mir einfach glauben, ich liebe nur dich, ich hatte einfach nur ... Angst."

Prue nickte. "Ist schon gut, Dianne hat es mir bereits erklärte."

"Dianne?" Cole verstand beim besten Willen nicht, was Dianne mit dem Fluch zu tun hatte und warum Prue ihr überhaupt etwas davon erzählt hatte, das ging sie nun wirklich gar nichts an. "Du hast mit Dianne darüber geredet?" fragte er ärgerlich, sie schaffte es doch immer wieder, ihn zur Weißglut zu bringen.

"Nein, es war eher so, dass Dianne mit mir darüber geredet hat." erklärte Prue gähnend.

"Wo ist da der Unterschied?" wollte Cole kopfschüttelnd wissen.

"Du kennst doch Dianne." meinte Prue müde und legte sich wieder hin. "Ich bin jetzt wirklich zu müde, um mit dir darüber zu diskutieren."

"Na schön. Später." Cole stand vom Bett auf und setzte sich wieder in den Sessel.

Prue sah ihm nachdenklich dabei zu und fragte schließlich. "Hast du etwa vor, die ganze Nacht in diesem Sessel zu verbringen?"

"Ja, ich werde dich nicht allein lassen." erklärte Cole unmissverständlich.

Mit einem leichten Seufzer rückte Prue zur Seite. "Komm schon her, hier ist noch genug Platz."

Mit einem zufriedenen Grinsen stand Cole auf und legte sich neben Prue. Er legte seinen Arm um sie und Prue schmiegte sich an ihn, endlich fühlte sie sich entspannt und innerlich ruhig, trotz der Tatsache, dass sie keine Ahnung hatte, was der nächste Morgen oder die fernere Zukunft ihnen bringen würde.

"Es ist schon irgendwie verrückt, nicht wahr?" fragte Cole und strich ihr über das Haar.

"Wem sagst du das?" erklärte Prue leise. "Aber dennoch weiß ich einfach, dass ich das Richtige tue."

"Das ist gut." Er küsste sie auf den Kopf, der an seiner Schulter lag und lauschte ihrem gleichmäßigen Atem, als ihn plötzlich eine Frage quälte. "Aber Prue.." begann er.

"Ja?" murmelte sie.

"Glaubst du, dass Liebe alles übersteht, ich meine würdest du alles dafür tun?" fragte er leise.

"Hm, so im Allgemeinen?" erkundigte sie sich schläfrig.

"Nein." erklärte Cole bestimmt.

"Also im Allgemeinen.." bekräftigte Prue. "..ist es schwer genug für zwei Menschen, sich zu finden und außer ihnen sollte nichts und niemand die Macht haben, es zu zerstören."

Cole lächelte zufrieden und strich ihr über die Schulter. "Und würdest du darum kämpfen?"

"Wenn es sich lohnt, dann sollte man dafür kämpfen." meinte Prue. "Doch es kommt immer auf die Umstände und den Einzelnen an."

"Und wenn es sich bei dem Einzelnen um dich dreht, würdest du es tun?" wollte Cole wissen.

"Hm," meinte Prue nachdenklich. "Weißt du, manche Menschen akzeptieren einfach was passiert, egal, wie ungerecht oder schmerzlich es für sie ist. Sie nehmen es hin und machen weiter, so gut es geht." Sie schwieg kurz und fuhr dann fort. "Aber das kann ich nicht, ich nehme Verluste persönlich und ich kämpfe so hart dagegen an, wie es nur geht."

"Das ist gut, sehr gut sogar, denn mir geht es genauso." erklärte Cole zufrieden und nahm sie noch fester in den Arm. Dieses Mal würde er das Glück festhalten, mit all seiner Kraft, und niemandem würde es gelingen, es ihm wieder zu entreißen. Mit diesem festen Entschluss schlief Cole ein.