28. Kapitel
Als Cole kurz vor seinem Termin mit Mr. Wingrove aus dem Aufzug trat, wartete Isabell Swallow bereits auf ihn.
„Mr. Wingrove würde Sie gerne unter vier Augen in seinem Apartment treffen." teilte sie Cole mit und führte ihn den Korridor entlang.
Cole sah sich überrascht um. „Mr. Wingrove hat hier oben noch ein eigenes Apartment?" fragte er.
Isabell Swallow nickte. „Aber ja, es ist sehr hilfreich, wenn er mal wieder länger arbeiten muss." erklärte sie knapp und blieb vor einem versteckt liegenden Fahrstuhl stehen.
Cole blickte verwundert auf den Fahrstuhl. „Ich dachte wir wären hier schon ganz oben." meinte er.
„Es ist nur ein Stockwerk." erklärte Isabell und gab einen Code in das Zahlenschloss ein. Die Tür des Lifts öffnete sich und Cole trat hinein.
Als sich die Tür von selbst schloss, sah Cole noch, wie Isabell zurück zu ihrem Schreibtisch ging. Dann fuhr der Lift auch schon hoch und hielt Sekunden später wieder an. Die Tür öffnete sich und ein nervös wirkender Edward Wingrove erwartete Cole bereits ungeduldig.
„Mr. Turner, schön, dass Sie kommen konnten." erklärte er und gab ihm die Hand. „Dann geht es ihrer Freundin hoffentlich wieder gut."
„Ja, aber das hat sie nicht Ihrer Tochter zu verdanken." erwiderte Cole kalt.
„Vivian wollte niemand etwas Böses." erklärte Edward Wingrove im Brustton der Überzeugung.
„Sicher." meinte Cole ironisch, er hatte wirklich genug von diesen Wingroves und fragte daher gerade heraus „Also was wollen Sie von mir?"
Edward Wingrove seufzte. „Es tut mir leid, aber ich habe keine Wahl." er sah Cole um Verständnis bittend an. „Ich muss meine Familie schützen."
Cole runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht was Sie meinen. Wollen Sie mich feuern?" fragte er lässig.
„Ich bewundere wirklich Ihre Courage. Sie nennen die Dinge beim Namen." erklärte Wingrove unglücklich. „Aber darum geht es nicht."
„Worum dann?" fragte Cole überrascht.
„Es geht um das Wohl meiner Töchter, das werden Sie doch sicher verstehen." erklärte Wingrove und führte Cole zu dem Eingang zum Wohnzimmer. Gegenüber am anderen Ende des Raumes stand David Morgan, der aufmerksam aus dem Fenster schaute, als würde die Stadt, die ihm zu Füßen lag, ihm gehören.
Bevor Cole bereit war, den Raum zu betreten, schaute er Edward Wingrove noch einmal mit abwertendem Blick an. „Zählt zu Ihren Töchtern auch Amy?" erkundigte er sich leise. „Denn deren Wohl scheint Ihnen ja nicht sonderlich am Herzen zu liegen."
Edward Wingrove erstarrte förmlich. „Sie ...Sie wissen es?" fragte er entsetzt. „Haben Sie es ihr etwa ..."
Cole sah keinen Grund, Edward Wingrove von seiner quälenden Frage zu erlösen und lächelte nur unverbindlich und machte sich bereit, David Morgan gegenüber zu treten. Doch Edward Wingrove hielt ihn krampfhaft am Arm fest. „Sagen Sie ihm nichts von Amy." flehte er Cole an. „Sie könnte in Gefahr geraten."
Cole blickte ihn irritiert an, es war offensichtlich, dass Wingrove große Angst vor David Morgan hatte. Er schaute zu dem Mann am Fenster, der immer noch mit dem Rücken zu ihnen stand. Doch plötzlich begann Morgan zu lachen und drehte sich mit verschränkten Armen um.
„Wollen die Herren nicht langsam eintreten?" fragte er spöttisch. „Sie müssen doch nicht im Türrahmen stehenbleiben, hier ist eine Menge Platz." Er wies auf die helle Polstergarnitur, die einen Großteil des Raumes einnahm.
„Ich lasse euch dann besser allein." erklärte Edward Wingrove und wollte den Raum schnell wieder verlassen, als David Morgan ihn aufhielt.
„Aber nicht doch Edward. Mir wäre es lieber, wenn du uns Gesellschaft leisten würdest." meinte David Morgan hämisch. „Es wird dir gefallen, also setz dich."
Gehorsam ließ sich Edward Wingrove in einem der Sessel nieder. „Ganz wie du willst David."
Cole schüttelte angewidert den Kopf. „Ich wüsste wirklich nicht, was wir zu besprechen hätten, Herr Staatsanwalt."
„Das werde ich Ihnen schon noch erklären." meinte David Morgan und kam langsam auf ihn zu.
„Sind Sie etwa immer noch sauer, weil ich Sie besiegt habe?" fragte Cole selbstzufrieden. „Ich dachte, Sie suchen nach einem gleichwertigen Gegner."
„Das werden Sie niemals sein." erklärte Morgan wütend, es war ihm anzusehen, dass ihm die Niederlage immer noch zu schaffen machte, aber er bekam sich wieder unter Kontrolle und lächelte boshaft. „Sie können mir nicht das Wasser reichen, und bald werde ich Sie zu meinem willenlosen Sklaven machen."
„Ach tatsächlich?" fragte Cole amüsiert. „Und wie kommen Sie auf den Gedanken, dass Ihnen dies gelingen könnte?"
„Nun, wahrscheinlich sollte ich Ihnen mitteilen, dass meine Mutter eine mächtige Voodoopriesterin ist." meinte David Morgan.
Cole zuckte gelangweilt mit den Achseln. „Das ist mir nicht neu."
„Wie schön, dennoch wird es Sie interessieren, dass sie ihre Fähigkeiten an mich weitergegeben hat. Ich bin ein Bokor, ein Schwarzmagier, wenn Ihnen das etwas sagt." erklärte David Morgan und verzog seinen Mund zu einem arroganten Lächeln. „Und Sie werden die Ehre haben, am eigenen Leib zu erfahren, welche Kräfte in meinen Adern fließen."
„Nein danke, kein Interesse." erwiderte Cole immer noch völlig unbeeindruckt.
Morgan ließ sich durch diesen Einwurf nicht aus dem Konzept bringen, und fuhr fort. „Sicher wird selbst für Sie 'Zombie' ein Begriff sein." erklärte er überheblich.
Cole lachte verächtlich. „Sie wollen mich in einen Zombie verwandeln?" fragte er interessiert. „Wie interessant, und wie wollen Sie das anstellen?"
„Nachdem ich Sie in einen Zustand versetze, den Gelehrte wohl als klinisch tot bezeichnen würden, werde ich Ihnen anschließend nur einen winzigen Lebensfunken zurückgeben und Ihre Seele in dieser Flasche verschließen." erklärte er zufrieden und zeigte Cole eine Flasche mit einem Korkverschluß. Mit einem boshaften Lächeln fuhr er fort. „Ohne Ihren Geist und Ihr Bewusstsein, werden Sie ein lebender Toter sein, der als willenloser Automat meine Befehle ausführt."
„Na dann viel Spaß." meinte Cole und lachte immer noch amüsiert. „Aber ich denke, Sie werden nicht viel Freude an mir haben."
„Ihnen wird das Lachen schon noch vergehen, wenn ich Sie unter meinem Befehl Ihre Frau und Ihren Sohn töten lasse." fuhr Morgan ihn wütend an, er liebte den Geruch von Angst bei Menschen, aber bei Cole konnte er keinen vernehmen.
„Mir zittern die Knie, aber Sie vergessen leider, dass ich keine Frau habe." teilte Cole ihm mit einem süffisanten Lächeln mit, obwohl ihm bei dieser Drohung eiskalt wurde. Er durfte David Morgan nicht unterschätzen, denn er schien wirklich wahnsinnig zu sein, und Cole hatte keine Zweifel daran, dass er seine Drohung wahrmachen würde. Denn jetzt wusste er ganz genau, wen er für den Schadenszauber in seinem Schlafzimmer verantwortlich machen musste.
„Sie wissen ganz genau, wen ich meine." Moran sah ihn ärgerlich an. „Oder hat Ihnen mein kleines Geschenk nicht gefallen?"
„Sie haben also mein Schlafzimmer mit diesem Schadenszauber belegt?" fragte Cole kalt und sein Gesicht verdunklte sich vor Zorn. Er würde diesen Kerl am liebsten auf der Stelle erledigen, dachte er wütend. Wenn er nur darüber nachdachte, was hätte passieren können.
Morgan lachte genüsslich. „Ja, leider habe ich erfahren müssen, dass das kleine Biest noch immer lebt, aber ich hoffe doch, sie hat wenigstens ein paar schmerzhafte Blutergüsse davongetragen."
Cole hielt sich so gut es ging zurück, und als er sprach, klang seine Stimme streng beherrscht und förmlich. „Nein," erklärte er. „Sie freuen sich zu früh, ich bin immun gegen ihren dilettantischen Zauber."
David Morgan blickte ihn wütend an. Er hatte angenommen, dass Cole Turner ihn um sein Leben anflehen würde, aber er schien gar nicht zu begreifen, in was für einer Gefahr er schwebte. Das war keine Rache nach Morgans Geschmack, denn für ihn war es immer ein Genuss, wenn seine Opfer vor Angst schlotterten. Wenn Turner erst sein willenloser Sklave sein würde, dann würde er nicht mehr begreifen, was mit ihm geschehen war und das gefiel David Morgan überhaupt nicht. „Sie wissen gar nicht, mit wem Sie es hier zu tun haben." erklärte er aufgebracht, er würde es nicht zulassen, um seine Rache betrogen zu werden, er würde diesem reichen Snob schon noch klar machen, was ihn erwartete.
„Nein, Sie wissen nicht, mit wem Sie es zu tun haben." erwiderte Cole kalt. „Glauben Sie wirklich ich habe vor einem möchtegern Zauberer wie Ihnen Angst?" fragte er verächtlich. „Da muss schon jemand mit mehr Klasse kommen." erklärte er und ging zur Tür. Doch als er sie erreichte, schloss sie sich vor seinen Augen.
„Sie bleiben hier." fauchte David Morgan ihn wütend an, nun gut, dann würde er eben nicht die Rache haben, die er sich wünschte, aber er würde diesem Turner jetzt das Maul stopfen. „Sie werden sich jetzt umdrehen und diesen Trank hier trinken." forderte er ihn auf.
„Nein das werde ich nicht." erklärte Cole bestimmt. Er wollte diese Wohnung so schnell wie möglich verlassen und versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war fest verschlossen. Wenn er doch nur etwas mehr Vertrauen in seine Schimmerkünste hätte, dachte er ärgerlich, doch er würde sie nur im Notfall einsetzen, schließlich hatte er keine Ahnung, wo er landen würde. Gelassen drehte Cole sich um. „Öffnen Sie die Tür, oder ich werde es tun." teilte er Morgan in aller Ruhe mit.
„Wohl kaum." Mit einem zufriedenen Lachen blickte David Morgan ihn an und nahm einen Kelch in seine linke Hand. Mit erhobener rechter Hand kam er auf Cole zu. „Gleich werden Sie sich nicht mehr sträuben, diesen netten Trank zu trinken." erklärte er.
Cole seufzte, er hatte keine andere Wahl und hob ebenfalls seine Hand um mit einem ebenso zufriedenen Lächeln einen Energieball zu bilden. Zu seiner Freude war er bei weitem größer als der letzte.
„Oh mein Gott, was ist das denn?" entfuhr es Edward Wingrove angstvoll und er sprang mit einen Satz hinter den Sessel.
„Ein Dämon." flüsterte David Morgan und seine Selbstsicherheit erhielt einen ersten Kratzer. Er blieb erstarrt stehen. „Ich hätte es eigentlich gleich wissen sollen."
„Ja, das hätten Sie wohl." erklärte Cole grinsend.
„Aber kein Dämon hilft einem Menschen. Also warum haben Sie Amy geholfen?" wunderte sich Morgan immer noch erstarrt.
„Hm, vielleicht um Ihr blödes Gesicht zu sehen, wenn Sie verlieren." schlug Cole vor und obwohl er sich gerne noch länger an David Morgans überraschtem Blick geweidet hätte, warf er den Energieball in seine Richtung.
Im letzten Moment konnte Morgan sich zur Seite fallen lassen, doch das gelang ihm nicht vollständig, sein Kelch fiel scheppernd zu Boden und er selbst blieb leblos auf dem Boden liegen, auf dem sich ein lilafarbener Fleck ausgebreitet hatte.
Zufrieden blickte Cole zur Tür, die sich wieder geöffnet hatte, dann drehte er sich zu Edward Wingrove um, der ängstlich hinter dem Sessel hervorguckte.
„Bitte tun Sie mir nichts, ich habe Frau und Kinder." erklärte er mit zitternder Stimme.
Cole schüttelte lächelnd den Kopf. „Oh bei mir war Ihnen das doch auch ganz egal." fuhr er ihn an. „Schließlich wollten Sie mich Ihrem Freund Morgan zum Fraß vorwerfen."
„Aber ich hatte keine Wahl." versuchte Wingrove sich weiterhin zu verteidigen.
„Doch die hatten Sie." meinte Cole kalt. „Tja, aber leider musste ich einsehen, dass es mir nicht sonderlich gut bekommt, einen Menschen zu töten." erklärte er achselzuckend. „Obwohl, wenn ich es mir irgendwann anders überlege, dann ist Ihre Familie die erste auf meiner Liste." Er drehte sich um, als ihm plötzlich eine Frau gegenüberstand.
Die Voodoopriesterin Belva drängte ihn zurück in den Raum und blieb verärgert stehen, als sie ihren Sohn auf dem Boden liegen sah. „Ich habe doch gleich gewusst, dass du Hilfe brauchst." erklärte sie seufzend und half ihrem Sohn vom Boden aufzustehen.
Cole eilte unterdessen wieder zur Tür, als diese sich vor seinen Augen erneut schloss. Wütend drehte er sich um. „Lassen Sie mich gehen." forderte er sie auf.
„Er ist ein Dämon Mutter." erklärte David Morgan erschöpft, aber immer noch lebendig.
Belva lachte. „Oh, das überrascht mich jetzt aber. Ich hatte heute Besuch von meiner Schwester, und sie schien besorgt um Sie zu sein." teilte sie Cole verwundert mit. „Und dabei stehen Sie doch wohl eher auf unserer Seite."
Wütend schüttelte Cole den Kopf. „Nein, da irren Sie sich gewaltig, wir stehen nicht auf derselben Seite, nie wieder!" erklärte er unmissverständlich und entschied sich, sofort zu verschwinden. Auf einen Kampf mit Belva und ihrem Sohn wollte er es auf keinen Fall ankommen lassen. Denn er wusste nicht inwieweit er momentan schon in der Lage war, sich zu verteidigen, dieses Risiko wollte er lieber nicht eingehen. Vielleicht landete er beim Schimmern ja im hintersten Sibirien, aber das war immer noch besser, als vernichtet zu werden.
Er setzte zu seinem Schimmerversuch an, doch in dem Moment holte Belva einen Donnerstein aus ihrer Tasche hervor und hielte ihn hoch. Während sie einen Zauberspruch murmelte, fing David Morgan an, bösartig zu lachen. „Niemand schafft es, meiner Rache zu entgehen!"
Unterdessen waren Prue und Amy mit ihren Einkäufen schon wieder zu Hause angekommen. Sie hatten sie in der Küche verstaut und im Topf brodelte eine lilafarbene Substanz vor sich hin.
Amy schaute vorsichtig in den Topf und verzog bei dem Geruch angeekelt das Gesicht. „Also echtes Kochen macht mir mehr Spaß." erklärte sie. „Was wird das denn?"
„Ein Explosionsmittel gegen Dämonen." erklärte Prue, die am Küchentisch stand und in ein leeres Notizbuch alle Zauberelixiere und Sprüche schrieb, an die sie sich noch erinnern konnte. „Ich habe dir doch bereits gesagt, dass ich etwas brauche, um mich selbst verteidigen zu können."
„Aber deine Krankheit hatte doch nichts mit Dämonen zu tun." gab Amy zu bedenken.
Prue zuckte mit den Schultern. „Im weitesten Sinne schon, auf jeden Fall war schwarze Magie im Spiel." Sie blickte zu Danny, der immer noch zufrieden seinen Zauberstab in der Hand hielt. Sie wusste einfach nicht, was sie davon halten sollte, das der Stab ihn derart fasziniert.
Ganz versunken in ihre Überlegungen überhörte sie fast, dass es an der Tür klingelte. „Ich gehe schon." teilte sie Amy mit und machte sich auf den Weg zur Haustür. Als sie diese öffnete stand ihr Zadie gegenüber.
„Prue, wie schön dich wieder so gesund zu sehen." erklärte sie offensichtlich erfreut und umarmte die überrumpelte Prue kurz. Sie trat in die Halle und blickte sich um. „Ist dein Freund da?"
Prue schüttelte den Kopf und schloss die Tür wieder. „Nein, Cole ist noch unterwegs." teilte sie Zadie mit, und wunderte sich etwas, warum er noch nicht wieder zurück war oder sich wenigstens gemeldet hatte. „Warum, was wollen Sie von ihm?" fragte sie leicht alarmiert.
„Ich muss ihn unbedingt sprechen, ich will ihn warnen." erklärte Zadie aufgewühlt.
„Er ist noch bei der Arbeit, aber was ist denn los?" wollte Prue energisch wissen.
„Ich war gerade bei meiner Schwester, um sie zur Vernunft zu bringen. Aber unmöglich." Zadie seufzte und blickte Prue niedergeschlagen an. „Ich wusste ja nicht, dass Cole der Rechtsanwalt ist, der David diese empfindliche Niederlage zugefügt hat."
„David Morgan? Ihr Neffe?" fragte Prue. „War er für meine Krankheit verantwortlich?."
„Nein, nein." Zadie schüttelte den Kopf. „Der Schadenszauber war älter. Er hatte sich nur so verstärkt, weil wir ihn mit dem Amulett abgewehrt haben, doch er hatte nichts mit David zu tun. Aber der andere schon." Sie seufzte. „Eigentlich hätte ich gleich gestern sehen müssen, dass der Schadenszauber in Coles Schlafzimmer nur von David stammen kann. Ich werde langsam alt."
„Was für ein Schadenszauber denn jetzt schon wieder?" fragte Prue iritiert.
„Er hat dir nichts davon erzählt?" erkundigte Zadie sich überrascht und ging auf Coles Schlafzimmer zu. „In diesem Raum ist ein Zauber, der den Besitzer dazu bringt, seiner Liebsten Gewalt anzutun." erklärte sie und holte eine Schale aus ihrer Tasche. Diese stellte sie auf den kleinen Nachttisch und füllte sie mit Öl.
„Ach darum, und ich dachte..." begann Prue überrascht und sah fasziniert zu, wie Zadie etwas aus ihrer Tasche nahm, das aussah wie Knochensplitter, welche sie in Form eines Kreuzes über das Öl legte. Dann klemmte sie einen Docht zwischen die Splitter, trat einige Schritte zurück und blickte Prue an.
„Ich muss die Lampe jetzt weihen, damit sie wirken kann. Ich werde die Loas um Hilfe anrufen und dann muss der Docht solange brennen, bis ihr Werk vollbracht ist und der Schadenszauber aufgehoben ist." erklärte sie ihr.
Zögerlich verließ Prue den Raum, sie blieb in der Halle stehen und lauschte gedankenverloren auf die Geräusche aus Coles Zimmer. Warum hatte er ihr nichts davon erzählt, fragte sie sich. Vielleicht hatte er es ja gewollt, und sie hatte mit Dianne angefangen, dachte sie und schüttelte ärgerlich den Kopf.
Kurz darauf öffnete sich die Tür und Zadie erschien. Zufrieden sah sie Prue an. „Wir haben jetzt Zeit, um uns zu unterhalten." meinte sie.
Prue nickte und führte Zadie in Richtung des Wintergartens. Als sie sich gesetzt hatten, blickte sie Zadie fragend an. „Wie konnte so ein Zauber in das Zimmer gelangen?" wollte sie wissen.
Zadie sah sie irritiert an. „Ein mächtiger Zauber kann jedem Schaden zufügen, einem Menschen, einem Ort, ganz egal ob er jemals dort gewesen ist." klärte sie Prue auf.
„Hm," meinte Prue skeptisch, „und was hätte passieren können?"
„Er sollte deinen Freund dazu bringen, gewalttätig zu werden, dich zu schlagen." erklärte Zadie.
Prue lächelte leicht. „Keine Sorge, ich kann mich wehren."
„Du solltest das nicht so leicht nehmen, die Gewalt kann bis zum Tod führen." Zadie schüttelte den Kopf. „Es ist ein schlimmer Zauber."
„Und David Morgan ist dafür verantwortlich?" fragte Prue.
„Ja, mein Neffe ist ein gefährlicher Mann und wenn ihm etwas gegen den Strich geht, dann ist er auf Rache aus." erklärte Zadie unglücklich.
Prue sah sie besorgt an. „Und jetzt will er sich an Cole rächen."
Zadie nickte. „Oh ja, das will er und ich will gar nicht wissen, was in seinem kranken Kopf vor sich geht." Sie seufzte erneut. „Und meine Schwester tut alles für ihn. Er wurde ihr als Kind weggenommen und nun will sie das wiedergutmachen, obwohl es nicht ihre Schuld war."
„Ich habe davon gehört, dass sein Vater früh gestorben ist." erinnerte Prue sich und blickte sie fragend an.
Zadie hob abwehrend ihre Hand. „Ich weiß, was alle denken, aber das stimmt nicht. Meine Schwester hat ihren Mann wirklich geliebt. Sie hätte ihm nie etwas angetan. Aber als er plötzlich starb, da erinnerten sich plötzlich alle an Belvas Vergangenheit. An ihre Kindheit in einem der ärmsten Viertel der Stadt und an ihre Verwandten, die Voodoo ausübten. Und schon stand die Schuldige fest." Traurig schüttelte Zadie den Kopf. „Belva hatte keine Chance, ihre Schwiegereltern hatten die besten Anwälte und sie haben ihr ihren Sohn weggenommen. Sie durfte David noch nicht einmal besuchen, weil seine Großeltern Angst vor ihrem schlechten Einfluss hatten." Zadie seufzte. „Damals hat sie allen Rache geschworen."
„Und wie sieht die aus?" fragte Prue.
„Hm," Zadie lächelte unglücklich. „Nachdem ihre Schwiegereltern Belva aus dem Haus getrieben hatten, kam sie zurück zu uns. Doch es war schwer für sie, nachdem sie einen anderen Lebensstil gewohnt war. Doch dann hat sie sich auf ihre alten Wurzeln besonnen. Unsere Ahnen waren schon immer mächtige Voodoopriester. Das liegt uns im Blut. Aber leider ist Belva vom Weg abgekommen. Ich benutze meine Fähigkeiten nur, um mit den Loas zu kommunizieren und Menschen zu helfen, aber sie war nur auf Rache aus. Sie wollte Macht haben, um ihren Sohn zurück zu bekommen und um sich an der weißen Oberschicht von New Orleans zu rächen. Die Menschen, die sie mit Füßen getreten hatten, sollten ihr zu Füßen liegen."
„Und Sie haben nichts dagegen getan?" fragte Prue verblüfft.
Zadie lachte. „Nun, diese Leute liegen mir eben nicht sonderlich am Herzen." gab sie zu. „Belva hat sie ausgenutzt, und mir war das egal. Und zu Anfang war Belva auch nur darauf aus, Geld zu verdienen, je mehr desto besser. Sie wollte ihnen zeigen, dass auch sie sich etwas leisten kann. Heute hat sie eine riesige Villa in der Stadt, zu der nur ihre engsten Freunde Zugang haben, sie trägt die teuersten Klamotten und schwelgt im Luxus."
„Wie schön für sie." meinte Prue spöttisch.
„Ja, aber es hat sie nicht glücklich gemacht. Doch dann war David alt genug, um selbst zu entscheiden, ob er seine Mutter sehen will oder nicht. Belva war glücklich, doch David ist ein machtgieriger kleiner Mistkerl." Sie blickte Prue entschuldigend an. „Es ist schrecklich, das über den eigenen Neffen sagen zu müssen, aber es ist die Wahrheit. Zu Anfang hatte Belva Angst und hat alles was mit Voodoo zu tun hatte, vor ihm versteckt, aber mit der Zeit hat er es herausgefunden. Und David hat anders reagiert, als Belva dachte, er war hellauf begeistert. Nachdem er wusste, über welche Macht seine Mutter verfügt und dass diese Fähigkeiten auch in ihm schlummern, wurde es immer schlimmer. Er hat Menschen manipuliert, um seine Fälle vor Gericht zu gewinnen und ich will gar nicht darüber nachdenken, was er sonst noch alles gemacht hat."
„Sie hätten ihre Augen nicht einfach davor verschließen dürfen." erklärte Prue bestimmt.
Zadie blickte traurig auf und nickte. „Das weiß ich. Und darum ist es an der Zeit, Belvas Treiben ein Ende zu setzen. Wie schmerzlich das auch für mich sein wird."
„Was haben Sie vor?" fragte Prue. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?"
Zadie schüttelte den Kopf. „Nein, mein Kind. Ich will nicht, dass einer von euch da auch noch mit hineingezogen wird." erklärte sie resolut. „Ich und einige meiner Voodoo Schwestern werden uns an einem geheimen Ort zusammensetzen und uns darum kümmern. So mächtig sind selbst Belva und ihr Sohn nicht, dass sie es mit uns allen aufnehmen können." Sie nahm Prues Hände und schaute sie eindringlich an. „Aber ihr müsst euch von ihnen fernhalten, vor allem Cole. Ich habe zwar gespürt, dass ihr beide über magische Fähigkeiten verfügt, aber David ist stark. Haltet euch für die nächste Zeit bedeckt, sonst weiß ich nicht, was David mit Cole anstellen wird .. oder mir dir ... oder mit dem kleinen Jungen. Ich will nicht, dass einem von euch etwas passiert, das würde ich mir nicht verzeihen. Also versprich mir, dass ihr euch nicht in Gefahr begebt!"
„Das werden wir nicht, wenn Sie mir versprechen, dass weder wegen Belva noch wegen ihres Sohnes ein Unschuldiger zu leiden hat." erklärte Prue resolut. Sie hatte sich schon immer mit Leib und Seele für die Unschuldigen eingesetzt und sie würde sich nur zurückhalten, wenn sie Zadie dieses Versprechen abnehmen konnte.
„Alles was in meiner Macht steht, werde ich tun, damit niemand zu Schaden kommen wird." versprach Zadie.
„Danke!" meinte Prue beruhigt. Sie wollte niemand in ihrer Familie in Gefahr bringen, denn die Vorstellung, dass einem Mitglied ihrer Familie etwas zustoßen könnte, war schon immer die Hölle für sie gewesen, und ihre Familie bestand heute nun mal aus Danny und Cole. Und sogar irgendwie Amy, dachte sie lächelnd, als sie die junge Frau in der Tür stehen sah.
„Ähm Prue, kannst du mal kommen, ich glaube deine komische ... Suppe kocht gleich über." erklärte sie mit einem zweifelnden Blick auf Zadie.
Die alte Frau stand auf und lachte. „Na dann will ich euch nicht weiter stören." meinte sie und folgte Amy in die Halle. Vor Coles Zimmer blieb sie stehen und blickte dann noch einmal in den Raum.
„Die Lampe wird noch bis morgen brennen. Dann ist der Zauber gebrochen." erklärte sie. „Doch damit diese magische Lampe das Haus vor weiteren Schadenszaubern schützt, muss sie in die Halle gestellt werden und jeden Tag genau zur Mittagszeit, also wenn die Sonne im Zenit steht, muss Öl nachgefüllt werden." Zadie stellte eine Fläschchen auf den kleinen Tisch in der Halle und trat schließlich durch die Tür nach draußen. Dort blieb sie noch einmal stehen, um sich nach Prue umzudrehen. „Ich werde mein bestes tun, das verspreche ich. Pass auf alle auf, Prue, ich weiß, du kannst das." erklärte sie mit einem zuversichtlichen Lächeln und ging dann langsam zur Straße.
Prue schaute ihr hinterher und seufzte. Wie hatte sie nur wieder in solch eine gefährliche Lage kommen können, dachte sie kopfschüttelnd. Es war schon irgendwie merkwürdig, Zadie die Vernichtung von Belva und David Morgan zu überlassen, aber sie hatte keine andere Wahl, entschied sie und schloss langsam die Tür. Sie ging zurück in die Küche und beschäftigte sich bis in die Abendstunden mit der Fertigstellung ihrer Zauberelixiere. Gleichzeitig erzählte sie Amy alles, was sie beim Kampf gegen das Böse beachten musste.
Als Cole spät abends immer noch nicht zu Hause war, begann Prue sich langsam Sorgen zu machen. Was wäre, wenn er bereits in die Hände von David Morgan gefallen war. Sie atmete tief durch, Cole konnte sich verteidigen, das hatte er immer wieder bewiesen, er hatte schließlich über hundert Jahre lang als Dämon überlebt. Er wusste sich zu helfen, ganz egal, was Zadie gesagt hatte. Prue hatte keine Zweifel, dass Cole gegen Morgan eine Chance hatte. Zadie wusste nicht so viel über ihn wie Prue und selbst wenn er nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war, dann würde er einen Ausweg finden.
Doch was wäre, wenn Wingrove ihn in eine Falle gelockt hatte? Prue seufzte, das durfte einfach nicht passiert sein. Energisch ging sie zum Telefon und wählte seine Nummer, doch in Coles Büro meldete sich niemand, nur der Anrufbeantworter sprang an und teilte ihr mit, dass kein Anwalt mehr im Hause sei. Nachdenklich legte Prue den Hörer wieder auf. Sie wusste nicht, ob sie es bei den Wingroves versuchen sollte, doch als sie sich schließlich dazu durchgerungen hatte, teilte ihr ein Angestellter mit, dass niemand der Familie zu sprechen sei. Tief beunruhigt legte Prue wieder auf. Im Grunde wusste sie, dass Cole sich gemeldet hätte, irgendetwas musste passiert sein.
Sie starrte immer noch den Telefonhörer an, als Amy ins Zimmer trat. „Ist alles in Ordnung?" fragte sie besorgt.
Prue schüttelte den Kopf. „Ich denke Cole ist in Gefahr. Er hätte nicht zu Wingrove gehen sollen." meinte sie nachdenklich. „Und ich habe ihn auch noch dazu gebracht." Plötzlich fiel ihr wieder ein, dass sie Edward Wingrove zusammen mit Amys Mutter und Belva und David Morgan gesehen hatten. Warum hatte sie nicht früher daran gedacht? Energisch drehte sie sich zu Amy um. „Wir müssen irgendetwas unternehmen."
„Und was?" fragte Amy mutlos.
Prue blickte sich um. „Stand in dem Buch der Schatten, das du hast, nicht etwas von einem Ortungszauber." erinnerte sie sich.
Amy zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber ich kann es ja mal holen." schlug sie vor und lief die Treppe hoch. Kurz darauf kam sie mit dem Buch in der Hand wieder herunter. Sie schlug es auf und begann darin zu blättern.
„Nun?" fragte Prue ungeduldig.
„Warte, ich glaub' ich hab ihn." sie zeigte Prue die Seite.
Prue las den Spruch und schaute auf die Zutaten. „Okay," meinte sie, „das haben wir alles da. Jetzt brauchen wir nur noch eine Landkarte."
„Oh, ich glaube es liegen ein paar auf dem Dachboden." fiel Amy wieder ein und sie rannte erneut die Treppe hinauf.
Prue ging unterdessen in die Küche und mixte ein paar Kräuter zusammen. Als sie damit fertig war, ging sie wieder in das Wohnzimmer, wo Amy bereits mit ein paar Landkarten wartete.
„Welche wollen wir nehmen?" fragte sie und hielt die Karten hoch. „Ich habe New Orleans, Louisiana, die USA, Nordamerika, die Welt?"
Prue grinste. „Lass es uns zuerst mit New Orleans versuchen." entschied sie und Amy breitete die Karte auf dem Boden aus. „Lies den Spruch aus dem Buch." forderte Prue sie auf und während Amy den Spruch aufsagte, streute Prue die Kräuter über die Karte.
Amy und Prue traten einen Schritt zurück und sahen zu, wie sich ein weißer Wirbel bildete, der aussah, wie ein kleiner Tornado. Er fegte über die Karte und suchte nach Cole, doch er fand keinen Platz, wo er sich niederlassen konnte.
„Vielleicht ist er nicht mehr in der Stadt." überlegte Prue und ging zu der Karte von Louisiana um sie neben der Stadtkarte auf dem Boden auszubreiten. Der Wirbel begann, über die neue Karte zu sausen. Es war, als würde er intensiv nach einem Ziel für seine Landung suchen, aber erneut ließ er sich nirgendwo nieder. Prue breitete die Karte von den USA aus und schließlich die Weltkarte, aber nichts geschah.
Achselzuckend blickte Amy Prue an. „Vielleicht liegt es an mir, und ich habe etwas mit dem Zauberspruch falsch gemacht." entschuldigte sie sich.
Aber Prue schüttelte den Kopf. „Nein, du hast nichts falsch gemacht. Ich kann mir denken, was es bedeutet." meinte sie nachdenklich. „Wenn Cole in Gefahr war und sich weggeschimmert hat, dann kann es sein, dass er für den Wirbel nicht zu greifen ist." erklärte sie und lächelte erleichtert. „Wahrscheinlich versucht er verzweifelt nach Hause zu kommen, und landet darum mal hier und mal dort."
Amy sah sie fragend an. „Ich verstehe zwar nicht, was du damit sagen willst, aber es scheint dich zu erleichtern. Also muss es eine gute Nachricht sein." meinte sie.
Prue lachte. „Ja, er ist nicht in Gefahr. Er hat sich nur mal wieder selbst überschätzt." erklärte sie amüsiert und Amy hörte die Zuneigung in ihrer Stimme.
„Komm, lass uns schlafen gehen." entschied Prue. „Wahrscheinlich ist es ihm bis morgen früh gelungen, wenigstens in die Nähe von New Orleans zu kommen. Und wenn nicht..." Prue blickte sich um und ließ die Karten entschlossen auf dem Boden liegen. Der Wirbel kreiste immer noch darüber hinweg und suchte nach Cole. Falls Cole bis zum nächsten Morgen irgendwo längerfristig gelandet war, dann würde der Wirbel es ihr erzählen und sie konnte sich auf den Weg machen und ihm helfen. Doch eigentlich nahm Prue an, dass Cole es früher oder später gelingen würde, sich nach Hause zu schimmern.
Zufrieden verließen die beiden das Wohnzimmer und sahen nicht mehr, wie hinter ihrem Rücken der Wirbel endlich sein Ziel fand und sich in dem kaputten Donnerstein niederließ. Sofort fing der Stein an strahlend hell zu glühen.
