31. Kapitel
Nachdem Prue Danny in's Bett gebracht hatte, nahm sie den Donnerstein mit in ihr Schlafzimmer. Sie war wütend auf Amy, weil sie ihr vorgeworfen hatte, sie würde zufrieden mit dieser Situation sein. Das war sie ganz und gar nicht. Seufzend setzte sie sich auf ihr Bett und legte den Stein auf den Nachttisch. Sie fand es furchtbar, dass Cole darin gefangen war, und sie würde ihn da herausholen, davon war sie mehr als überzeugt. Aber leider war ihr bisher noch kein Weg eingefallen. Doch früher oder später würde ihr eine Lösung einfallen, ganz bestimmt, ihr fiel immer etwas ein. Aber im Moment war sie einfach viel zu müde und erschöpft, um richtig nachdenken zu können.
Prue schlüpfte in ihr Bett und fiel in einen leichten, nervösen Schlaf. Denn obwohl sie die Ruhe und Entspannung so dringend benötigte, fand sie sie nicht. Sie konnte ihre Gedanken einfach nicht abstellen. Sie schlichen sich in ihren Kopf und quälten sie. Sie wachte immer wieder auf und blickte zu dem Stein auf ihrem Nachttisch. Sie wollte Cole neben sich haben, hier in diesem Bett, und nicht eingeschlossen in einem Donnerstein. Sie hoffte, dass er darin nicht litt, vor allem unter dem Wissen, dass David Morgan ihm seinen Willen aufzwingen konnte, wenn er ihn befreite. Vielleicht versuchte Cole ja krampfhaft sich zu befreien und verzweifelte daran, dass es ihm nicht gelang.
„Ich weiß, dass du da drin bist, also versuch' mir zuzuhören." forderte sie ihn auf und sah den Stein dabei hypnotisierend an. „Ich lasse jemanden, den ich liebe nicht einfach im Stich. Ich überlasse ihn nicht seinem Schicksal." erklärte sie unmissverständlich. „Also denk' bitte daran, was auch passiert, ich hole dich da raus, das verspreche ich dir, du musst nur ein wenig Geduld haben, das ist alles." versuchte sie ihn und sich selbst zu beruhigen. Sie hatte keine Ahnung, ob er sie verstand oder wie es ihm ging, aber er war wenigstens in Sicherheit. „David Morgan oder seine Mutter können dir nichts mehr tun, du bist hier sicher." versuchte sie es erneut.
Seufzend lehnte sie sich zurück und versuchte wieder einzuschlafen, als ihr auf einmal ein schockierender Gedanke kam. Und wenn David Morgan auch von der Ferne aus Einfluss auf Cole hatte? Er war nie in diesem Haus gewesen und hatte trotzdem einen Schadenszauber auf Coles Schlafzimmer legen können, fiel ihr siedendheiß ein. Hatte Zadie ihr nicht erzählt, dass er nicht den persönlichen Kontakt brauchte? Was, wenn er oder Belva Cole auch von weitem freilassen konnten und ihn damit unter den Zwang setzen würden, ihren Wunsch zu erfüllen. Ein Wunsch, der sicher die Hölle für Cole bedeuten würde, denn Morgan wollte seine Rache und er würde sich für Cole sicher etwas aussuchen, was dieser wohl kaum würde ertragen können.
Morgan hatte bereits gewollt, dass Cole gewalttätig gegen sie selbst wird, er sollte sie schlagen, und zwar wenn möglich bis zum Tod. Cole hatte es verhindern können, aber wenn der Zauber mächtig genug war, dann würde er keine Chance haben, sich dagegen zu wehren. Und wenn er etwas Schlimmes tat, was er sich selbst nicht verzeihen konnte, würde sie ihm dann verzeihen können? Prue seufzte, das durfte sie nicht zulassen, denn sie wusste, wie so etwas ablief, auch wenn man es noch so sehr wollte, ein Zauber konnte stärker sein. Sie blickte unglücklich auf den Stein und wenn das so war, dann brauchte man die Hilfe von jemandem.
Sie sprang auf und begann sich anzuziehen. Vielleicht hatte Amy ja recht und der Zauber war gar nicht böse und man brauchte ganz einfach diese extremen Mittel. Und schließlich war er ihr erschienen, zur rechten Zeit, wie das Buch versprochen hatte.
„Aber Leichenteile" seufzte sie. „Das will ich nicht." Sie blickte zu dem Stein. „Und außerdem wüsste ich gar nicht, woher ich die bekommen sollte. Ich gehe doch nicht mit einer Schaufel auf den Friedhof." erklärte sie strikt, als ihr auf einmal Zadie in den Sinn kam. Sie verzog das Gesicht, wahrscheinlich besaß eine Voodoopriesterin sogar so etwas.
Obwohl sie immer noch nicht überzeugt davon war, bestellte sie sich um 3 Uhr morgens ein Taxi, damit es sie zu ihrem Auto brachte. Prue nannte dem Taxifahrer die Adresse von David Morgans Freundin und schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Selbst zu dieser Stunde waren etliche Nachtschwärmer in der Innenstadt unterwegs, aber als sie in das Wohnviertel von Morgans Freundin kamen, war es fast wie ausgestorben. Die Straßenlaternen beleuchteten schwach die Straßen und nur wenige Leute waren zu sehen. Der Taxifahrer brauchte nur einen Bruchteil der Zeit, die sie am Morgen gebraucht hatte, um in das Viertel zu kommen.
Prue bezahlte den Fahrer und sah zu, wie er verschwand, bevor sie mit ihrem Rucksack über der Schulter auf die andere Straßenseite ging. In dem Rucksack hatte sie den Donnerstein und einige Zauberutensilien, unter anderem das Zauberbuch, verstaut. Sie blickte sich um, und konnte nirgendwo den Wagen von David Morgan erkennen, nachdenklich warf sie einen Blick zu dem Haus, in dem seine Freundin wohnte, doch in keinem der Fenster brannte um diese Zeit noch Licht.
Erleichtert stieg sie in ihren Wagen und legte den Rucksack neben sich auf den Beifahrersitz. Dann fuhr sie los und begab sich zu dem Supermarkt, der auch über Nacht geöffnet war. Sie hatte sich entschieden, zu Fuß zu dem Haus von Madame Zadie zu gehen, denn sie nahm an, dass ein Wagen wie ihrer in dieser Gegend und zu dieser Zeit zuviel Aufmerksamkeit erregen würde. Nach kurzer Fahrt erreichte sie das Einkaufszentrum. Auf dem Parkplatz war zu dieser Stunde kaum ein Fahrzeug und Prue parkte am äußersten Ausgang.
Dann griff sie nach dem Rucksack und machte sich auf zu Madame Zadies Haus, den sie inzwischen auswendig kannte. Sie traf auf ihrem Weg nur auf einen Betrunkenen, der von einer Straßenseite auf die andere schwankte und leise vor sich hin lallte. Prue beachtete ihn nicht weiter und stand kurz darauf auf dem Rasen hinter Zadies Haus. Wie es schien war inzwischen sogar die Polizei hier gewesen, denn vor der gläsernen Tür waren gelbe Absperrbänder gespannt. Diese notdürftige Verriegelung würde keinen davon abhalten können, das Haus zu betreten, aber Prue nahm nicht an, dass auch nur ein Mensch aus diesem Viertel es wagen würde, das Haus der Voodoopriester Zadie zu betreten.
Prue seufzte, im Gegensatz zu ihr! Sie ging auf die Tür zu und stieg über das gelbe Band. Sie betrat das Arbeitszimmer von Zadie und sah sich um. Obwohl es ziemlich dunkel war, erkannte sie, dass es noch genauso aussah, wie am Tag zuvor. Die Möbel waren umgestürzt und der Boden war mit Zadies Sachen bedeckt.
Prue holte eine Taschenlampe aus ihrem Rucksack und kniete sich hin. Vorsichtig leuchtete sie über die teils zerbrochenen Flaschen und Dosen, die durcheinander auf dem Boden lagen. Wenigstens schien es so, als würde Zadie ihre Zaubermittel beschriften, erkannte Prue erleichtert, als sie an einer der vielen Flaschen ein kleines Etikette fand.
Nachdem sie Krötenbeine und andere undefinierbare Scheußlichkeiten entdeckt hatte, fand sie schließlich eine kaputte Flasche in deren Hals noch etwas Flüssigkeit zurückgeblieben war. Die übrige Flüssigkeit war über den Boden verteilt und hatte einen Teil des Teppichs stark verfärbt. Prue holte eine Pinzette hervor und hob den Glassplitter auf. Was sie auf dem Etikett las, zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. Veneno, wie praktisch, da musste sie sich wenigstens keine Gedanken über die einzelnen Zutaten machen.
Vorsichtig nahm sie den Flaschenhals mit einer langen Pinzette hoch und schüttete den Rest der Veneno-Mischung in ein immer noch intaktes Glasgefäß. Dann stand sie auf und ging zu einer anderen Ecke des Raumes, um weiter mutig den Boden abzusuchen. Nach kurzer Zeit fand sie zu ihrem Unbehagen genau das, was sie gesucht hatte. 'Cadavre' stand in Zadies steiler Schrift auf dem Etikett. Das konnte eigentlich nur eines bedeuten. Prue öffnete unwillig die kleine Dose. „Ich red' mir einfach ein, es ist nur von Tieren." murmelte sie vor sich hin und blickte auf ein ominöses graues Pulver. „Scheußlich, aber na gut, ich habe keine Wahl." entschied sie widerwillig.
Entschlossen stand sie auf und ging mit ihren Schätzen in die Küche. Vorsichtig stellte sie sie auf den Küchentisch und sah aus dem kleinen Fenster. Ein Baum versperrte die Sicht zum Nachbarhaus, und das einzige, was sie erkennen konnte, war eine Straße, die ein Stück entfernt hinter dem Haus entlangführte. Ohne lange zu überlegen schaltete Prue das Licht an, sie brauchte die Helligkeit und sie nahm nicht an, dass es einem der Autofahrer auffallen würde.
Dann holte sie einen Kochtopf aus einem der Schränke und schüttete den Rest der Veneno-Mischung in den Topf. Der Boden war kaum bedeckt und Prue hoffte es würde reichen. Sie nahm den Donnerstein aus dem Rucksack und redete, wie sie hoffte, ein letztes Mal mit ihm. „Es wird schon gut gehen, vertrau' mir einfach." Sie legte ihn in die Mitte des Topfes und füllte Wasser auf. Dann schaltete sie den Herd an und stellte den Topf auf eine Platte.
Nachdenklich blickte sie sich nach einem Gegenstand um, den sie dafür benutzen könnte, den Stein zum richtigen Zeitpunkt aus dem Topf zu holen, denn sie hatte nicht vor, diese hochgiftige Lösung in den Abfluss zu gießen. Nach kurzem Suchen fand sie eine breite Zange in Zadies Besteckfach. Prue legte sie neben den Herd und wartete darauf, dass die Lösung anfing zu kochen. Als sich die ersten Blasen bildeten, schraubte sie immer noch unzufrieden die Dose auf und streute ein wenig des grauen Pulvers in den Topf.
Sofort fing die Lösung an wie wild zu dampfen. Hustend sprang Prue zurück. „Das war wohl etwas zuviel von dem wunderbaren Leichenpulver." meinte sie ironisch und stellte es angeekelt zurück auf den Küchentisch.
Anschließend wedelte sie den Dampf beiseite und stellte sich gefasst vor den Kochtopf. Trotz der vielen Blasen konnte sie genau den Donnerstein in der Mitte erkennen. Prue nahm die Zange in die Hand und atmete tief durch, sie musste sich konzentrieren, für Furcht oder Zweifel war kein Platz. Nach einer Weile atmete sie ganz ruhig und schaffte es, ihr Herz davon abzuhalten, voller Panik gegen ihre Brust zu hämmern. „Das schaffe ich doch mit links." erklärte sie zuversichtlich und starrte gebannt auf den Stein. Er sah immer noch genauso dunkel, fast schwarz aus, wie zuvor.
Wenn in dem Buch wenigstens gestanden hätte, wie er sich verfärben würde, hoffentlich rot oder braun und nicht dunkelblau, überlegte Prue angespannt. Doch darum hätte sie sich keine Gedanken machen müssen, denn nach knapp zehn Minuten begann der Stein eine lila Tönung anzunehmen. Sofort griff Prue mit der Zange nach dem Stein. Sie bekam ihn zu fassen, und hob ihn blitzschnell aus dem Topf. Doch durch die lange Kochzeit war er glitschig geworden und sie verlor ihn erneut. Mit einem lauten Krachen landete er auf einer von Zadies alten schwarz weißen Fließen.
Prue trat ein paar Schritte zurück, sie wollte lieber nicht daran denken, ob die Möglichkeit bestand, dass sie plötzlich einem fremden Dämon gegenüberstehen würde. Aber wenn, dann war sie für einen Kampf gewappnet. Aufgeregt schaute sie auf den hellen Nebel, der plötzlich aus dem Stein kam. Prue war zu allem bereit, als sich aus dem Nebel plötzlich Cole bildete, der sie mit einem ebenso entschlossenen Gesichtsausdruck ansah.
„Prue" entfuhr es ihm erleichtert. „Ich dachte ... ich hatte befürchtet..." stotterte er heiser.
„Natürlich ich!" Erklärte Prue und ging auf ihn zu, um ihn endlich wieder in die Arme zu schließen. „Dachtest du, ich würde dich Belva überlassen?" fragte sie.
„Ich weiß nicht, ich wusste nicht, was mich erwartet!" meinte er immer noch aufgewühlt, doch dann lächelte er. „Und dann bist du es."
Prue ließ ihn los, um ihn mit einem zufriedenen Lächeln anzusehen. „Ich habe es dir doch versprochen." erklärte sie und sah ihn eindringlich an. „Hast du mir etwa nicht zugehört?"
Cole sah sie irritiert an. „Da drin?" fragte er ungläubig und schaute hasserfüllt auf den Donnerstein, der immer noch auf dem Boden lag und langsam wieder seine ursprüngliche Färbung annahm. „Nein, das letzte, was ich gehört habe, war David Morgan, der sich unheimlich darüber gefreut hat, doch noch seine Rache zu bekommen."
„Dann war er es, der dich dort eingeschlossen hat?" wollte Prue wissen.
„Nein, seine Mutter." erklärte Cole und ließ sich auf einem der Küchenstühle nieder. „Morgan hatte nur vor, mich in einen Zombie zu verwandeln, damit ich Danny und dich töte." Er stützte seine Arme auf dem Küchentisch auf und fuhr sich gedankenverloren durch das Haar.
Prue schüttelte den Kopf und setzte sich ihm gegenüber. „Hey," meinte sie und nahm seine Hand. „Das hättest du nie getan."
Cole blickte auf. „Ach nein?" fragte er mit einem traurigen Lächeln. „Das kann man nie so genau wissen."
„Was soll der Blödsinn? Du liebst Danny, du würdest ihm niemals willentlich etwas antun." bekräftigte Prue.
„Du kennst das nicht, Prue. Du weißt nicht, wie das ist, wenn man sich vor sich selbst fürchtet." Cole schaute wieder auf den Tisch. „Prue ich, .... es gibt Situationen da..." Er brach erneut ab.
„Natürlich weiß ich, was du meinst Cole. Aber dieses Mal war es etwas anderes. Du warst nicht verantwortlich für das, was mit dir passierte. Wenn ein Zauber zu stark ist, dann gelingt es niemandem sich dagegen zu wehren, das hat nichts mit dir zu tun." erklärte Prue ruhig. „Es gibt Situationen, da schafft man es nicht alleine, das ist keine Schande."
Cole sah sie mit einem leichten Lächeln an. „Und das sagst gerade du?"
„Ja, denn ich weiß, dass man manchmal ganz einfach Hilfe braucht, und die hattest du. Ich war da, und nur das ist wichtig." teilte sie ihm mit.
„Tja aber manchmal hilft einem niemand. Es gab Zeiten, da wollte ich lieber sterben als wieder böse zu werden, aber unglücklicherweise war ich dann auch noch unverwundbar." erklärte Cole sarkastisch.
„Und du hast meinen Schwestern nichts davon gesagt." mutmaßte Prue. „Du hast sie wieder mal nicht um Hilfe gebeten, nicht wahr?"
„Doch, das habe ich sogar." Cole sah sie mit einem ironischen Lächeln an. „Aber weißt du, nach meiner Rückkehr aus dem Wasteland haben sie in mir nur noch den Dämon gesehen, als hätte es meine menschliche Seite nie gegeben, als wäre ich ein vollkommen Fremder für sie, der ihre Hilfe nicht verdient."
Prue sah ihn nachdenklich an. „Cole, ich kann nicht beurteilen, was damals zwischen euch geschehen ist, ich war nicht dabei. Ich weiß nicht, ob sie richtig gehandelt haben, oder nicht. Aber jetzt war ich da, und das ist das einzige, was zählt." erklärte sie erneut und fügte entschlossen hinzu. „Und trotz allem bin ich davon überzeugt, dass du Danny nie im Leben etwas getan hättest. Du liebst deinen Sohn."
„Oh, erzähl das Phoebe, sie würde dir vehement widersprechen." meinte Cole zynisch.
„Lebt sie noch oder nicht?" wollte Prue langsam ein wenig genervt wissen. Sie sprach dabei absichtlich nicht von sich selbst, denn das stand nicht zur Debatte, sie konnte sich verteidigen. Und im Grunde wusste sie, dass er es auch bei ihr nicht hätte durchziehen können. „Cole, du hast auch mir nichts getan, trotz des Schadenzaubers in deinem Zimmer."
„Zadie hat dir davon erzählt?" fragte Cole überrascht. „Dann hat sie dir sicher auch gesagt, dass es dabei darum ging dich zu verletzen. Und da ich wusste, dass ein Kampf mit dir nicht so einfach werden würde, habe ich eben einen anderen Weg gewählt."
Prue schüttelte den Kopf. „Hör auf Cole, was soll das? Diese übertriebene Selbstkritik passt gar nicht zu dir."
„Ich hasse es einfach manipuliert zu werden." erklärte er und blickte sie forschend an. „Hattest du jemals das Gefühl, dass dein Leben gar nicht wirklich dein Leben ist? Dass es nicht dir gehört, sondern du einfach nur zulässt, dass Dinge passieren?" Es war offensichtlich, dass er keine Antwort erwartete.
„Cole.." begann Prue dennoch und wollte seine Hand nehmen, aber Cole sprang auf.
„Ich schon." meinte er und sah sie wieder an. „Und ich kann dir sagen, dass es kein schönes Gefühl ist."
„Daran habe ich keinen Zweifel." erklärte Prue ruhig.
„Hm." er fuhr sich mit einer Hand durch sein zerzaustes Haar und sah sich um. „Wo sind wir hier überhaupt?" fragte er, um das Thema zu wechseln.
„In Zadies Küche." teilte Prue ihm, ebenfalls erleichtert über den Themenwechsel, mit. „Unglücklicherweise brauchte ich ein paar spezielle Zutaten." erklärte sie und verzog das Gesicht, während Cole ihr einen skeptischen Blick zuwarf. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich alles auf mich genommen habe, um dich zu retten."
„Na ja, es hat sich doch hoffentlich gelohnt." meinte er grinsend und wurde dann wieder ernst. „Hat dir Zadie dabei geholfen?"
Prue schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist nicht hier, sie wollte irgendwohin und versuchen ihre Schwester zu stoppen."
„Hm, hoffentlich gelingt es ihr, obwohl ich mich gerne persönlich an Belva und vor allem an ihrem Sohn rächen würde." meinte Cole nachdenklich.
„Mir würde es für's erste schon reichen, ihr dummes Gesicht zu sehen, wenn sie nach deinem Donnerstein sucht und ihn nicht findet." überlegte Prue zufrieden.
„Ja, das wäre nicht schlecht." meinte Cole und grinste. „Wo hast du den Stein überhaupt gefunden?"
„Belva hat ein abgelegenes Haus auf dem Land." erklärte Prue. „Und dort im Keller stapeln sich die Donnersteine."
„Tatsächlich? Und woher wusstest du, welcher der Richtige ist?" wollte Cole wissen.
„Ganz einfach." meinte Prue und stand auf, um auf ihn zuzugehen. „Ich habe meinem Gefühl vertraut!" erklärte sie und blickte ihm tief in die Augen.
„Ach so!" meinte Cole und lächelte leicht. „Darum hast du auch so verschreckt geguckt, als ich erschienen bin. Du wusstest nicht, wen du erwarten sollst."
„Doch, das wusste ich ganz genau." teilte sie ihm mit.
„Ganz sicher?" fragte Cole leise.
„Absolut!" Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn sanft. „Du solltest eigentlich wissen, dass ich gewöhnlich keine Fehler mache."
„Dann war es kein Fehler, sich in mich zu verlieben?" fragte er leise.
„Das kann ich dir noch nicht genau sagen." erklärte sie und blickte nachdenklich nach oben. „Vielleicht solltest du endlich aufhören zu reden und dich bemühen, mich von der Richtigkeit zu überzeugen."
Coles Lächeln wurde breiter. Prue kannte diesen Blick genau, denn er war ihr schon so oft zum Verhängnis geworden. Einen Herzschlag lang versanken ihre Blicke ineinander, dann küsste er sie spielerisch.
„Das ist doch schon viel besser." murmelte Prue und küsste ihn erneut. Ihre Zungen berührten einander und der Kuss wurde tiefer. Seine Hände berührten ihre Taille und wanderte ihren Rücken entlang.
Prue vergrub ihre Finger in seinem Haar und zog sein Gesicht noch näher an sich heran. Dabei verlor sie ein wenig den Stand und die beiden fielen gegen die Wand. Ihr Rücken wurde gegen den Lichtschalter gedrückt und schaltete ihn um. In der Küche wurde es auf einen Schlag stockdunkel, denn das fahle Morgenlicht, das durch das kleine Fenster fiel, brachte kaum Licht.
Cole löste sich ein wenig von Prue und versuchte ihr Gesicht zu erkennen. „Du machst das Licht aus, hat das irgendwas zu bedeuten?" wollte er belustigt wissen.
„Hat es irgendetwas zu bedeuten, dass du kratzt?" kam ihre Gegenfrage.
„Nur, dass es in dem Stein keinen Rasierapparat gab." erklärte er leise.
„Kein Service diese Donnersteine!" meinte Prue und wollte ihn erneut küssen.
Doch Cole hielt sie zurück. „Gibt es hier irgendwo ein Schlafzimmer, ich fürchte, ich werde mich nie wieder schimmern können, ohne das Gefühl zu bekommen, eingeschlossen zu werden." erklärte er entschuldigend.
„Das wäre mir sowieso zu unsicher, wer weiß, wo wir landen würden." meinte Prue immer noch eng an ihn gepresst. Ihr Mund streifte über seinen Hals gleich unterhalb des Ohrläppchens.
„Auf einer einsamen Insel." schlug Cole etwas heiser vor. „Immer noch besser, als Zadies Schlafzimmer."
„Was hältst du von der Küche, da sind wir schließlich schon, obwohl .." überlegte Prue und ihre Hände wanderten tiefer, zufrieden nahm sie zur Kenntnis, dass er bei ihren Berührungen nach Luft schnappte. „Auf dem Tisch liegt noch Leichenpulver." gab sie zu bedenken.
„Hm, egal." Cole zog sie an sich und küsste sie, es war ein heißer, leidenschaftlich Kuss. Ein Kuss, der niemals enden sollte, wenn es nach den beiden gegangen wäre. Doch plötzlich schien ihnen der Strahl einer Taschenlampe grell ins Gesicht. Erschrocken fuhren sie auseinander.
„Prue!" erklang eine überraschte Stimme.
„Was?" fragte Prue und hielt sich ihre Hand vor die Augen, doch sie konnte niemanden erkennen, das Licht der Taschenlampe blendete sie zu stark. Ihr Gegenüber stand versteckt im Dunkeln und hatte die Taschenlampe bisher nicht heruntergenommen. „Wer auch immer das ist, mach' gefälligst diese blöde Taschenlampe aus." fuhr sie ihn an.
„Oh, klar." erklang es entschuldigend und sofort wurde es wieder dunkel.
Währenddessen tastete Cole an der Wand entlang und legte den Lichtschalter um. In Zadies Küche wurde es wieder hell und Prue erkannte, wer sie überrascht hatte. „Paul, Robert." meinte sie verwundert und sah die beiden Männer in ihren Polizeiuniformen überrascht an. „Was macht ihr den hier?"
„Das sollten wir wohl lieber euch fragen." erklärte Paul Hennen reserviert, während Robert zu einer Erklärung ansetzte.
„Wir sind Streife gefahren und da vor kurzem hier eingebrochen wurde, und die Besitzerin verschwunden ist, fahren wir routinemäßig immer mal wieder hier vorbei. Dabei haben wir hier von der Straße aus Licht entdeckt, das dann plötzlich wieder ausgegangen ist." teilte er ihr mit. „Also haben wir nachgesehen." meinte er und fing an zu grinsen. „Aber ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, euch hier zu treffen."
„Wir auch nicht." erklärte Cole trocken.
Robert Hennen sah ihn misstrauisch an. „Sie haben uns noch immer nicht gesagt, was sie hier eigentlich zu suchen haben."
„Wir wollten zu Zadie." erklärte Prue schnell.
„So ist es, wir brauchten etwas ... magische Hilfe." fügte Cole hinzu.
„Genau .. ähem. So könnte man es nennen. " stimmte Prue ihm zu. „Man sollte schließlich alles einmal ausprobieren."
„Ach ja? Wofür denn?" erkundigte Robert sich amüsiert.
„Das ist persönlich." meinte Cole mit einem entschuldigenden Lächeln und blickte Paul Hennen an. „Dafür haben Sie doch sicher Verständnis."
„Und außerdem haben wir das Problem schon auf andere Art beseitigt." warf Prue schnell ein, doch als sie die dunkle Miene von Paul und den amüsierten Blick von Robert sah, merkte sie erst, wie man ihre Aussage interpretieren konnte. Prue lächelte gequält. „Nicht, das ihr das falsch versteht."
„Nein, wie könnten wir." erklärte Robert grinsend.
Prue blickte ihn wütend an. „Noch ein Wort, Robert. Ich warne dich." fuhr sie ihn an.
Robert hob entschuldigend die Hand und versuchte wieder ernst zu gucken, was ihm aber nicht ganz gelang.
„Es ist völlig uninteressant, was sie hier wollten." klärte Paul seinem Kollegen derweil unmissverständlich auf. „Sie sind hier eingebrochen und das ist eine strafbare Handlung."
„Aber Paul, wir kennen Zadie und als sie nicht geöffnet hat, wollten wir nachsehen, was los ist." erklärte Prue ruhig. „Und als wir die zerbrochene Tür gesehen haben, ist es doch nur ganz verständlich, dass wir uns Sorgen gemacht haben."
„Und die polizeilichen Absperrungen haben euch nicht gestört?" wollte er kopfschüttelnd wissen und blickte dann Cole an. „Gerade Sie als Anwalt sollten wissen, dass es verboten ist, diese einfach zu ignorieren."
„Paul, wir kennen Zadie gut, sie hat nichts dagegen, wenn wir bei ihr nach dem Rechten sehen." versuchte Prue ihn zu überzeugen.
„Dennoch ist es Einbruch." stellte Paul klar.
Cole verdrehte die Augen. „Nun spielen Sie sich doch nicht so auf." erklärte er genervt.
Paul wandte sich ihm wieder zu. „Wir haben Gesetze, und gerade Sie müssten eigentlich wissen, wie wichtig es ist, sich an die Regeln zu halten."
„Wie kommen Sie denn darauf?" murmelte Cole.
„Ich dachte Sie wären vernünftig genug, an Ihre Lizenz zu denken, wie schnell kann es gehen und Sie sind sie los." gab Paul zu bedenken.
Cole wollte ihm schon eine passende Antwort geben, als er einen ärgerlichen Blick von Prue auffing. Achselzuckend hielt er den Mund, vielleicht war es wirklich keine gute Idee, Paul Hennen noch mehr gegen sich aufzubringen.
Unterdessen versuchte Robert seinen Partner zu beruhigen. „Du hast doch gehört, was sie hier wollten, es ist doch alles nur ein Missverständnis."
Doch Paul blieb stur. „Einbruch bleibt Einbruch." erklärte er. „Auch wenn es sich dabei um deine Freunde handelt."
„Sie wollten ihre Bekannte besuchen und die Terassentür war eingeschlagen, da würde wohl jeder normale Mensch nachschauen." versuchte Robert es weiter.
„Du vergisst, dass es tiefnachts ist." gab Paul kalt zu bedenken.
Robert grinste „Komm schon Paul, du bist doch sonst auch keine solcher Paragraphenreiter." erklärte er und fügte mit einem breiter werdenden Grinsen hinzu. „Und sie sind doch schon genug bestraft, schließlich haben wir sie bei der Lösung ihres Problems gestört."
„Ich warne dich Robert." erinnerte Prue ihn ärgerlich. „Und hör' gefälligst auf, so dämlich zu grinsen."
„Aber Prue, er steht doch auf unserer Seite." meinte Cole und fasste Paul gönnerhaft auf die Schulter. „Lassen Sie es gut sein Paul, schließlich haben wir nichts mitgehen lassen."
„Und was ist das hier?" fragte Paul und nahm die Dose vom Küchentisch. „Ein Liebespulver?" wollte er in zynischem Tonfall wissen und drehte die Dose auf.
„Nicht!" entfuhr es Prue entsetzt, sie wollte lieber nicht wissen, was jemand wie Robert mit dem Pulver anfangen könnte, wenn er dachte es handele sich dabei um ein spezielles Liebespulver. Im schlimmsten Fall würde er das Leichenpulver noch essen. Das musste sie unbedingt verhindern und darum schlug sie Paul blitzschnell die Dose aus der Hand. Sie fiel krachend auf den Boden und das graue Pulver verteilte sich auf den hellen Fliesen und in den Ritzen.
„Du bist wirklich nicht nett Prue." empörte sich Robert und sah unglücklich auf das Pulver auf dem Boden. „Gönn' uns doch auch ein wenig Spaß."
„Aber Robert, du bist Polizist." teilte Prue ihm mit einem zufriedenen Lächeln mit. „Und ich wollte dich ganz einfach nicht in Versuchung bringen, etwas ungesetzliches zu tun."
„Seit wann ist Liebespulver denn ungesetzlich?" wunderte sich Cole.
„Diebstahl ist strafbar Mr. Turner." klärte Paul ihn auf. „Denn diese Dose gehört weder Ihnen noch uns."
„Ich denke wir sollten langsam von hier verschwinden." schlug Prue resolut vor. „Wie es scheint ist Zadie nicht da. Und ihr habt sicher auch Wichtigeres zu tun, als hier endlos mit uns zu diskutieren."
„Sehe ich genauso." stimmte Cole ihr zu. „In dieser Stadt gibt es schlimmere Gesetzesbrecher als uns."
Paul nickte zögerlich und sie gingen den Flur entlang zu Zadies Arbeitszimmer.
Als sie den Raum betraten, blieb Cole überrascht stehen und sah sich ungläubig um. „Was ist denn hier passiert?" fragte er verwundert.
Prue warf ihm einen wütenden Blick zu. „Das haben wir uns doch vorhin schon gefragt." zischte sie leise.
„Oh ja. Klar. Hatte ich vergessen." erklärte Cole mit einem breiten Grinsen.
„Als ihr hier reinkamt, warst du wohl noch zu sehr mit eurem Problem beschäftigt." schlug Robert belustigt vor.
„Du hast es erfasst." bestätigte Cole.
Prue seufzte genervt. „Lasst uns endlich gehen." meinte sie. Sie ging auf die zerstörte Terrassentür zu und kletterte nach draußen, wo es unterdessen schon hell geworden war.
„Wo habt ihr denn geparkt?" wollte Paul wissen, denn er wollte nicht riskieren, dass die beiden erneut in das Haus zurückgingen, deshalb schlug er vor. „Wir könnten euch mitnehmen."
„Keine Sorge, es ist nicht weit von hier." wies Prue sein Angebot schnell zurück. „Am Einkaufszentrum."
„Aber da können wir euch wirklich mitnehmen." ließ Robert sie wissen. „Es liegt auf unserem Weg."
Prue blickte Cole an, der kaum merklich mit den Schultern zuckte. „Na ja, warum eigentlich nicht." erklärte sie schließlich und sie stiegen gemeinsam in das Polizeiauto.
Als sie auf dem Parkplatz des Einkaufszentrum ankamen, verabschiedeten sie sich erleichtert von den beiden Polizisten. „Und danke, dass ihr keinen Ärger macht." bedankte Prue sich noch einmal.
„Keine Ursache." erklärte Robert. „Aber vergiss' nicht das Barbecue morgen Abend." teilte er Prue mit und blickte Cole an. „Sie hat dir doch davon erzählt?" wollte er wissen.
Cole blickte ihn irritiert an. „Wovon?"
„Das Barbecue bei uns morgen Abend." Robert schüttelte den Kopf und sah Prue strafend an. „Judy hat schon geahnt, dass du ihn nicht fragen würdest."
Prue zuckte mit den Schultern. „Ich muss ihn nicht fragen." meinte sie und lächelte. „Wenn ich es will, dann kommt er schon mit."
Robert grinste. „Ach so ist das bei euch. Na dann bis morgen Abend." er schloss die Tür und die beiden fuhren davon.
„Wenn du etwas willst, dann mache ich das schon?" wollte Cole skeptisch wissen.
„Ja," Prue grinste in an. „Hast du damit etwa Probleme?"
Cole seufzte. „Auf was habe ich mich da nur eingelassen?" fragte er sich und folgte ihr zu ihrem Wagen.
