40. Kapitel
Als Josh in einer düsteren Gegend, die Amy völlig unbekannt war, vor dem unscheinbaren Eingang eines Clubs anhielt, bereute sie es bereits zutiefst, dass sie mitgefahren war. Skeptisch sah sie sich um. „Und hier feiern deine Freunde?" fragte sie, unwillig aus dem Wagen auszusteigen.
„Ja, es macht von außen nicht viel her, aber innen ist es ganz anders, du wirst schon sehen." erklärte er überzeugt und stieg aus dem Wagen aus.
Amy folgte ihm seufzend, ihr widerstrebte es ungemein, in diese düstere Höhle zu gehen. Doch Josh öffnete bereits die Tür und begrüßte die Frau, die am Eingang stand mit Handschlag. Donnernde Musik schallte ihnen entgegen, als sie den Innenraum des Clubs betraten. Auf der Bühne spielte eine Band und Amy musste sich beherrschen, sich nicht die Ohren zuzuhalten, so laut war es. Doch selbst das wäre in dem von Rauch und Trockennebel erfüllten Raum sicher gar nicht aufgefallen.
„Hier treten wir auch öfter auf, aber heute sind die Squarks dran." schrie Josh ihr zu und führte sie zu einem der Tische, an dem schon eine Gruppe von Menschen stand. Josh stellte sie vor, aber durch den Lärm und die Vielzahl der Namen, wusste Amy hinterher genausowenig wie vorher.
Sie lächelte freundlich und wünschte sich, sie könnte sich von diesem Platz fortbeamen, so wie Cole und Prue es konnten. Doch nichts geschah, Josh unterhielt sich mit einem seiner Freunde und Amy betrachtete die Umstehenden skeptisch. Die Frauen waren mit kurzen Tops und Röcken bekleidet und hatten wilde Frisuren und die Freunde von Josh trugen allesamt Lederklamotten und an ihren unbedeckten Körperstellen entdeckte Amy zahlreiche Tätowierungen. Amy hätte sich nicht fehler am Platz vorkommen können, da waren selbst die Teekränzchen mit Charlotte und Gillian harmlos gewesen, überlegte sie seufzend.
Plötzlich schrie einer der Männer ihr zu, ob sie etwas trinken wolle. Amy sah ihn entsetzt an, er trug eine schwarze Lederweste und einen Stoppelschnitt und kam Amy nicht ganz geheuer vor. Was trank man hier wohl, fragte sie sich unsicher, sie wollte sich auf keine Fall blamieren und eine Cola bestellen, da würde der Kerl sie sicher für noch dämlicher halten als so schon. „Ein Bier." brachte sie hervor, auch wenn sie überhaupt keine Lust darauf hatte. Der Kerl nickte und verschwand in der Menge.
Amy blickte wieder auf die Bühne. Wie es schien, war der Song endlich zuende, denn die Zuschauer fingen an zu grölen. Josh tat es ihnen gleich, während Amy nur froh war, dass es endlich etwas leiser wurde. „Macht ihr so ähnliche Musik?" wandte sie sich mit einem skeptischen Blick an Josh.
„Ja, aber nicht ganz so hart." erklärte er. „Du musst unbedingt mal herkommen, wenn wir spielen."
„Hm." war das einzige, was Amy hervorbringen konnte, sie würde sicher nie wieder einen Fuß in diesen Laden setzen.
„Was ist?" fragte Josh überrascht. „Gefällt es dir nicht?"
Amy blieb eine Antwort erspart, als der Kerl mit dem Bier für sie und Josh wiederkam.
„Danke Zack." meinte Josh und sah Amy lächelnd an. „Ihm gehört der Laden." erklärte er und stieß mit ihrer Flasche an. „Komm trink' erst mal einen Schluck, dann geht es dir schon besser." meinte er zuversichtlich.
Zack sah Amy nachdenklich an. „Du warst wohl noch nie in so einem Laden, was?" wollte er wissen.
Amy trank einen Schluck und schüttelte den Kopf. „Nein!" erklärte sie, und erinnerte sich daran, dass er der Besitzer hier war. „Aber es ist wirklich nett." brachte sie heraus.
Zack nickte verständnisvoll und wandte sich ärgerlich an Josh. „Mann Josh. Da hast du das Glück, so eine nette Lady auszuführen, und wo gehst du mit ihr hin? In diesen Schuppen. Ich fasse es nicht." kopfschüttelnd verließ er sie und ging zurück zur Theke.
„Wieso?" Josh sah Amy unsicher an, er war noch nie mit jemandem wie ihr aus gewesen und wusste nicht recht, worauf Mädchen aus den besseren Vierteln so abfuhren. Etwas nervös holte er sich eine Zigarette heraus, doch gerade, als er sie anzünden wollte, fiel ihm wieder ein, wie sie sich kennengelernt hatten. „Oh." entfuhr es ihm entschuldigend und er steckte sie wieder weg. „Du hast ja etwas gegen das Rauchen."
„Naja, hier ist das sowieso schon egal." erklärte Amy und sah sich um. „Ich dachte es wäre verboten?"
Einer von Joshs Freunden beugte sich zu ihr herüber und zuckte mit den Schultern. „Wir lassen uns hier nichts verbieten." erklärte er strikt und schlug dann Josh auf die Schulter. „Und selbst unser Josh wird da doch glatt zum Gesetzesbrecher."
„Ha, ha." meinte Josh und sah Amy forschend an. „Du fühlst dich hier nicht wohl." erkannte er unzufrieden.
„Naja, ich kenn' hier keinen Menschen." erklärte Amy entschuldigend.
„Aber alle sind echt nett." meinte er und blickte seinen Freund an, an dessen Namen Amy sich beim besten Willen nicht erinnern konnte. Er hatte dunkle Haare und einen schmalen Unterlippenbart und sah ein paar Jahre älter aus, als Josh.
„Davon kannst du ausgehen." teilte er Amy mit und musterte sie interessiert, als ihm eine der Frauen von der anderen Seite etwas zurief. „Moment." meinte er und drehte sich wieder um.
„Rick und seine Groupies." klärte Josh Amy mit einem müden Lächeln auf.
„Oh." Amy sah Josh überrascht an. „Hast du etwa auch welche?"
„Ach, naja, eher weniger." gab Josh zu und fügte hinzu. „Rick ist unser Sänger und darum steht er immer im Mittelpunkt. Trotzdem ist er einer meiner besten Freunde und zwar schon seit der Schulzeit."
Amy blickte Josh überrascht an. „Ihr ward in einer Klasse?" fragte sie überrascht, ob dieser Rick ein paar Mal sitzengeblieben war?
„Ja, ich weiß." erklärte Josh leicht frustriert, während er sich seine Jacke auszog. „Aber ich sag' dir, wenn wir erst alt sind, dann werden ihn alle für zehn Jahre älter halten, während man mir mein Alter nicht annähernd ansieht."
„Klar!" meinte Amy, während sie entsetzt auf Joshs Oberarm blickte. „Du hast ja auch ein Tattoo." entfuhr es ihr.
„Ja, ist es nicht cool?" fragte Josh stolz und hielt ihr seinen Oberarm hin.
„Hm." meinte Amy wenig begeistert und erkundigte sich höflich. „Und was soll es darstellen?"
„Einen Stachelreif." erklärte Josh und blickte zufrieden auf seinen Oberarm hinab. „Jeder der Musik macht hat Tattoos." erklärte er.
„Hast du etwa noch mehr davon?" wollte Amy wissen, sie war schon auf alles gefasst.
„Nein, noch nicht." erklärte er kleinlaut und fügte schnell hinzu. „Ich hab mich noch nicht für das richtige Motiv entscheiden können. Aber dafür habe ich das hier." meinte er, um sie zu beeindrucken und hob sein Shirt hoch.
Amy blickte mit leichtem Wohlgefallen auf seinen glatten, schlanken und dennoch durchtrainierten Oberkörper, den zu ihrer Erleichterung keine einzige Tätowierung verunstaltete. Josh grinste Amy an und nahm ihre Hand, um sie an seine Brust zu führen, wo ein Ring genau durch seine Brustwarze gebohrt war.
Überrascht musste Amy sich beherrschen, die Hand nicht sofort zurückzuziehen. „Oh Gott!" entfuhr es ihr. „Hat das denn nicht wehgetan?"
„Ach Quatsch, es hat nur ein bisschen gepiekt." erklärte Josh mit einem lässigen Achselzucken.
„Lass dir bloß nichts von ihm erzählen." meinte Rick und drehte sich wieder zu ihnen. „Unser Kleiner hat doch Angst vor dem kleinsten Nadelstich, er hat sich bei dem Tattoo fast in die Hose gemacht und sich hinterher überlegt, ob es nicht auch mit Abziehbildchen geht." erklärte er grinsend.
Josh blickte ihn düster an. „Also so schlimm war es nun auch wieder nicht." meinte er ärgerlich.
„Ach erzähl doch nichts, ich kann mich noch gut an das Brustpiercing erinnern." teilte er Amy genüsslich mit. „Da musste er sich erst Mut antrinken und als er es sich endlich getraut hat, da war er fast betrunken."
Amy lächelte. „Also das finde ich jetzt durchaus verständlich." meinte sie und sah Josh mitfühlend an.
„Mensch Josh, ich hab dir doch gesagt, dass es auch Frauen gibt, die auf Sensibelchen wie dich stehen." erklärte Rick und schlug ihm ermutigend auf die Schulter.
„Ja danke!" meinte Josh unglücklich.
Rick blickte Amy wieder an. „Der Kleine hat Komplexe, weil er so nackt ist." teilte er ihr mit, während Josh ihn wütend anstarrte.
„Kannst du uns nicht einfach in Ruhe lassen. Rick." fuhr er ihn an.
„Bitte!" Rick hob grinsend die Hände und drehte sich wieder um.
„So ist das gar nicht, ich habe mich wirklich noch nicht für das richtige Motiv entschieden, ich meine, das ist eine Entscheidung fürs Leben." versuchte Josh zu retten, was seiner Meinung nach noch zu retten war.
Amy lächelte ihn an. „Also mir gefällt es so wie es ist viel besser." erklärte sie.
Josh sah sie verwundert an. „Ehrlich?"
Amy nickte und wandte schnell den Blick ab, als sie merkte, wie ihr das Blut in die Wangen schoß. Interessiert blickte sie wieder auf die leere Bühne, wovor sich einige Leute eingefunden hatten, die nach der Musik, die den Raum erfüllte, tanzten. Amy musste lächeln, auf einmal war alles gar nicht mehr so schlimm, wie sie gedacht hatte.
Als sie in den frühen Morgenstunden den Club verließen, fühlte Amy sich richtig gut. Joshs Freunde waren wider Erwarten unglaublich nett zu ihr gewesen und sie hatte ungezwungen mit ihnen reden können, ganz anders als sie es von Charlotte und ihren Freunden gewöhnt war, wo man scharf überlegen musste, was man von sich gab und was nicht. Mit der Zeit hatte Amy alles richtig Spaß gemacht, sie hatte mit Josh getanzt, pampige Chips gegessen, gelacht und den Abend einfach genossen.
Während Amy fröhlich vor sich hin grinste, versuchte Josh, die Beifahrertür seines klapprigen Wagens
aufzubekommen. „Sie klemmt wieder." entschuldigte er sich. „Warte, ich versuche es von innen." Er stieg in den Wagen und drückte die Tür von innen auf. „Du bist sicher bessere Karren gewöhnt." meinte er unglücklich. „Aber wenn ich erst Rockstar bin, dann kauf ich mir den coolsten Schlitten der Welt."
Amy stieg ein und sah ihn nachdenklich an. „Geld macht auch nicht immer glücklich." erklärte sie.
Josh grinste. „Das sagen auch immer nur die Reichen." teilte er ihr mit.
„Das sind ja auch die einzigen, die es wissen können." klärte Amy ihn auf.
„Da kann ich dir leider nicht widersprechen." meinte Josh und sah sie nachdenklich an. „Also was ist, willst du schon nach Hause?"
Amy schüttelte den Kopf. „Nein, dafür bin ich noch viel zu aufgedreht." meinte sie lächelnd.
„Gut." Josh startete beim dritten Versuch den Wagen. „Ich weiß schon, wo wir noch hinfahren."
Kurze Zeit später parkte er in der Nähe des Flusses. Sie stiegen aus und gingen am Ufer des Mississippi entlang, über dem noch der morgendliche Nebel lag. Amy verschränkte die Arme vor ihrem Körper und sah nachdenklich vor sich hin.
„Ist dir kalt?" wollte Josh wissen, und überlegte, ob er ihr vorschlagen sollte, seine Lederjacke zu tragen.
Amy sah ihn lächelnd an. „Nein, lass sie an." erklärte sie. „Du hast ja kaum etwas darunter an."
„Aber du könntest näher zu mir kommen." schlug Josh vor und breitete seinen Arm aus.
Amy sah ihn nachdenklich an und trat schließlich einen Schritt auf ihn zu, so dass Josh seinen Arm um sie legen konnte. Zu ihrer Überraschung fühlte es sich gut an, so neben ihm zu gehen. Schweigend gingen sie auf den Moonwalk zu, der am Fluss entlangführte.
„So früh morgens war ich noch nie hier." erklärte Amy schließlich.
„Nein?" Josh sah sie verwundert an. „Ich schon, ich liebe es, wenn am Morgen noch der Dunst über dem Fluss hängt und man fast allein hier ist. Am schönsten ist es, wenn der erste Schaufelraddampfer losfährt und man außer seinen Geräusche noch nichts anderes hören kann." erklärte er mit Begeisterung in der Stimme. „Warst du schon mal am frühen Morgen am French Market?"
Amy schüttet den Kopf. „Nein, war ich nicht."
„Okay, dann lass uns dorthin gehen, das muss man einfach gesehen haben." meinte er mit einem zufriedenen Lächeln.
Sie schlenderten bis zum Ende des Moonwalks, am Cafe du Monde vorbei, bis sie auf dem Markt ankamen, auf dem schon am frühen Morgen emsige Geschäftigkeit herrschte. Gemüse, Obst und Meeresfrüchte wurden abgeladen und an die ersten Kunden verkauft. Amy sah sich das Treiben interessiert an. „Ich wusste gar nicht, dass so früh schon so viele Menschen auf den Beinen sind, und das am Sonntag." meinte sie überrascht.
„Na ja, wenn du ein Restaurant hast, dann musst du auch Sonntags den frischesten Fisch einkaufen." erklärte Josh. „Ich hab' mal Lieferungen für Gemüseläden ausgefahren, da musste ich auch immer früh raus, das war die Hölle."
Amy blickte Josh bedauernd an. „Es tut mir so leid wegen dem Job." erklärte sie.
Josh zuckte mit den Schultern. „Ist schon okay." meinte er. „Wie der Typ da, dein Bekannter, schon gesagt hat, die Häftlinge, die anscheinend keine waren, sind jetzt sowieso alle weg, also war der Weg aufzuhören doch der coolere." erklärte er gelassen. „Außerdem ist es in dem Chaos sicher gar nicht aufgefallen, dass ich etwas damit zu tun hatte, vielleicht behalten sie mich ja."
Amy sah ihn verblüfft an. „Du willst weiter für die arbeiten?" fragte sie.
„Klar, wenn der Laden, der die Transporte organisiert hat, noch existiert, hatten sie schließlich nichts damit zu tun." überlegte Josh.
„Naja ich weiß nicht." meinte Amy skeptisch und runzelte die Stirn, seine Freunde hatten ihr erzählt, dass Josh schon, beim geringstmöglichen Gesetzesübertrit Panik bekam. „Ich denke du willst mit Verbrechern nichts zu tun haben?"
Josh seufzte. „Hey ich wurde gut bezahlt und musste selten früh raus, der Job hatte schon seine Vorteile."
verteidigte er sich und blickte sich um. „Komm lass uns das Thema wechseln ja? Hast du Hunger?"
Amy sah sich nachdenklich um, der Geruch von frischem Fisch am frühen Morgen tat ihrem Magen nicht unbedingt gut. „Also Fisch zum Frühstück ist leider nicht so mein Fall." erklärte sie mit einem entschuldigenden Lächeln.
„Kein Problem." Josh sah sich um. „Wie wär's mit Obst?" fragte er und führte sie zu den Ständen mit frischen Obstwaren.
Erleichtert, von den Fischständen wegzukommen, entschied Amy sich für ein paar saftige Pfirsiche und die Verkäuferin packte sie in eine Papiertüte, während Josh in seiner Hosentaschen nach einem Geldschein kramte. Nachdenklich sah Amy ihm dabei zu, sie fand es nicht richtig, ihn zahlen zu lassen, aber sie wusste genau, dass es ihn tief beleidigen würde, wenn sie ihm anbieten würde, die Früchte selbst zu bezahlen. Und schließlich waren es nur ein paar Pfirsiche, überlegte sie entschieden. Die Verkäuferin nahm die zerknüllten Scheine entgegen und gab Amy lächelnd die Tüte.
Zufrieden führte Josh Amy zurück zur Promenade und sie ließen sich auf einer Bank mit Blick auf den Fluss nieder.
„Ich hätte dich auch oben ins Cafe ausführen können." erklärte Josh bestimmt. „Aber das hier ist doch mal was anderes, oder nicht?"
Amy nickte und nahm sich einen Pfirsich. „Finde ich auch." meinte sie entschlossen und grinste. „Bei Cafes bin ich sowieso zu kritisch."
Josh beugte sich nach vorne und blickte sie fragend an. „Ja? Wieso? So kommst du mir gar nicht vor."
Amy biss in ihren Pfirsich und lehnte sich ebenfalls schnell nach vorne, damit der Saft des Pfirsichs nicht auf ihre Hose tropfte. Nachdenklich sah sie auf den Fluss. „Naja." gab sie schließlich zu. „Ich denke halt immer, das kann ich zu Hause genauso gut, wenn nicht besser."
„Du kannst kochen?" fragte Josh verwundert.
Amy nickte. „Ja, ich weiß, das findest du bestimmt öde, aber mir macht es Spaß." erklärte sie bestimmt.
„Nein, nein, ich find' es toll. Bei uns wurden immer nur Fertigmenüs in die Mikrowelle geschoben." erklärte Josh und fügte grinsend hinzu. „Aber ich dachte für so was habt ihr eine Haushälterin."
„Wie oft soll ich es dir noch sagen, ich bin nicht reich, mein Stiefvater ist es." erklärte Amy bestimmt und biss erneut in den Pfirsich, während der Saft an ihren Fingern entlanglief erklärte sie. „Bevor meine Mutter ihn geheiratet hat, hatten wir auch kein Geld."
„Und dein Vater?" erkundigte Josh sich neugierig.
Amy zuckte mit den Schultern und meinte kurzangebunden. „Keine Ahnung, ich kenne ihn nicht."
Josh nickte. „Naja, vielleicht besser ihn nicht zu kennen." erklärte er bitter. „Meinen Vater hätte ich auch lieber nicht gekannt."
Amy sah ihn nachdenklich von der Seite an, fragte aber nicht weiter. Sie konnte es zu gut verstehen, wenn er nicht darüber reden wollte. Schweigend aßen sie die Früchte auf.
„Ich habe ganz klebrige Hände." brach Amy schließlich das Schweigen und sah sich um. „Ob ich sie am Fluss waschen kann?"
„Das geht auch anders." erklärte Josh mit einem leichten Lächeln und nahm ihre Hand um sie langsam zu seinen Lippen zu führend. Während er einen ihrer Finger in den Mund nahm, beobachtete er Amy die ganze Zeit aufmerksam.
Amy schaute zögerlich zurück und murmelte schließlich. „Ich schätze das nutzt nicht viel."
Josh hielt weiterhin ihre Hand fest und sah sie nachdenklich an. „Aber es gefällt mir." erklärte er leise. „Deine Finger sind genauso süß wie du."
Mit einem verlegenen Lächeln blickte Amy nach unten. „Du kennst mich doch gar nicht." wich sie aus.
„Das sehe ich dir an, schon allein, wenn ich in deine grünen Katzenaugen schaue." erklärte Josh lächelnd und hob mit der einen Hand ihr Kinn an, um ihr in die Augen blicken zu können. „Und ich würde dich gerne besser kennenlernen." erklärte er entschlossen und beugte sich zu ihr rüber.
Amy blickte ihn skeptisch an und lehnte sich vorsichtshalber ein wenig zurück. „Wie meinst du das denn jetzt?"
Josh grinste. „Ganz harmlos." erklärte er und küsste sie leicht auf die Lippen. „Ich würde dich gerne wiedersehen."
„Oh, ich... ich..." Amy sah ihm in die dunklen Augen, die so ganz anders waren, als die von Adam und ihr wurde ganz kribbelig. Es waren nicht nur die Augen, die ganz anders waren, überlegte sie und fand das eigentlich ziemlich aufregend. „Warum nicht." erklärte sie lächelnd.
Josh beugte sich erneut nach vorne und Amy hatte nichts dagegen, als er sie erneut küsste. Seine Lippen schmeckten nach Pfirsich und obwohl er behauptet hatte, er hätte noch keine Groupies, merkte sie sofort, dass er genau wusste, was er tat. Es war so leicht, sich einfach treiben zu lassen, aber Amy löste sich kurz darauf vorsichtig von ihm.
„Was ist?" fragte Josh verwundert.
„Es ist nur, ... naja, ..." Amy schaute unsicher auf ihre Füße. Sie kannte ihn doch kaum und wer konnte ihr schon sagen, was er wirklich von ihr wollte.
Josh nickte wissend. „Ich versteh' schon, du brauchst gar nichts zu sagen." erklärte er und strich ihr mit seiner Hand durch das Haar. „Irgendso ein Typ hat dich verletzt und jetzt bist du vorsichtig."
Amy schaute ihn verwundert an. „Woher weißt du das?" fragte sie überrascht.
Josh zuckte mit den Schultern. „Ist das nicht immer so?" erkundigte er sich. „Es gibt genug widerliche Kerle auf der Welt, die Spaß daran haben, jemandem wehzutun."
Amy schüttelte leicht den Kopf. „Eigentlich war das anders, er war eher ... zu gut, er hat sich für die Kirche entschieden." erklärte sie.
Josh lehnte sich ein wenig zurück und sah sie fragend an. „Die Kirche?"
Amy nickte. „Ja, er wollte lieber Priester werden."
„Oh Mann, so ein Idiot!" erklärte Josh und lachte ungläubig auf. „Sowas gibt es noch? Der ist doch nicht ganz dicht."
Amy grinste unglücklich. „Ja, das hat Cole auch schon gesagt."
„Der Typ, bei dem du wohnst?" fragte Josh skeptisch, und als Amy nickte, blickte er sie fragend an. „Was hast du überhaupt mit denen zu tun?"
„Ich ... naja also, er war mein Anwalt." erklärte Amy und fügte schnell hinzu. „Ich weiß du kannst Anwälte nicht ausstehen, aber er hat mir wirklich geholfen."
„Echt? Wieso, hattest du Probleme mit dem Gesetz?" fragte Josh verblüfft, das konnte er sich bei jemandem wie Amy überhaupt nicht vorstellen. „Warst du auf 'ner Demo gegen Umweltverbrechen, oder sowas?" wollte er grinsend wissen.
„Nein, also...." Amy blickte auf den Boden. „Ich war des Mordes angeklagt, aber das war ein Irrtum." sprudelte es aus ihr hervor. „Die haben behauptet, ich hätte meinen Freund, also den Priester, erstochen." erklärte sie unsicher und warf einen kurzen Blick auf Josh, der sie mit offenem Mund anstarrte. „Aber ich war's nicht, ehrlich." fügte sie schnell hinzu.
„Du kamst mir gleich so bekannt vor." brachte Josh leise hervor. „Ach du Scheiße, du bist Amy Carey."
Amy nickte und sah ihn fragend an. „Ja, ist das schlimm?"
Josh antwortete gar nicht erst auf ihre Fragen. „Du warst sogar im Gefängnis deswegen." überlegte er entsetzt. Er sprang hektisch auf und fuhr sich nervös durch sein Haar. „Also ... also ich glaube wir gehen jetzt lieber." entschied er sofort. „Bis zum Auto ist es noch ein gutes Stück."
„Was?" Amy runzelte die Stirn. „Was ist denn?"
„Nichts." erklärte Josh beschwichtigend und lächelte gezwungen. „Ich denke nur es ist an der Zeit zu gehen, ich muss mich schließlich um einen neuen Job kümmern, und überhaupt..."
„Am Sonntag?" fragte Amy sarkastisch und stand enttäuscht auf. „Aber ich versteh' schon. Fein, kein Problem. Dann verschwinde ich wohl besser." erklärte sie und stürmte in Richtung der Straße. Sie wollte so schnell es ging weg von ihm.
„Halt warte." rief Josh und lief ihr hinterher. „Ich kann dich schon noch nach Hause bringen." erklärte er sich bereit.
Amy sah stur auf die Straße, alles war so schön gewesen, und dann hatte er es einfach so zerstört. „Nicht nötig." erklärte sie. „Ich kann ein Taxi nehmen, schließlich bin ich reich." Sie blickte in Richtung des Cafes, wo einige Taxis auf Kunden warteten.
Einer der Fahrer wurde sofort auf sie aufmerksam und fuhr langsam in ihre Richtung. „Brauchen Sie ein Taxi?" erkundigte er sich hoffnungsvoll, als er neben den beiden angekommen war.
Amy nickte „Ja danke!" erklärte sie und stieg erleichtert ein.
„Na dann." meinte Josh achselzuckend und wartete gar nicht erst ab, bis das Taxi davongefahren war, sondern drehte sich um und ging zurück zum Fluss.
Deprimiert sah Amy hinter ihm her und nannte dem Taxifahrer schließlich die Adresse von Coles Haus. Sie hatte auch nicht das geringste Bedürfnis nach Gesellschaft. Der Taxifahrer nickte und fuhr schweigend durch die noch kaum belebten Straßen der Stadt. Amy verstand beim besten Willen nicht, was so schlimm daran war, dass sie einmal wegen Mordes angeklagt gewesen war. Gut es hatte in den Zeitungen gestanden, aber sie war schließlich unschuldig.
Hielt Josh sie etwa auch für eine von diesen Reichen, die nur den richtigen Anwalt engagieren mussten, um frei zu kommen? So ein Idiot, gut, sie hatte eine List gebraucht, aber schließlich hatte sie Adam nicht getötet, und nur das zählte. Und außerdem konnte Josh das doch gar nicht wissen. Wieso wagte er es überhaupt, sie zu verurteilen, er war ja auch keine Ausgeburt an Tugend, jedenfalls nicht auf den ersten Blick.
Als das Taxi vor dem Haus ankam, bezahlte Amy den Fahrer und stieg immer noch zutiefst frustriert aus. In Gedanken ging sie auf die Tür zu und suchte in ihrer Handtasche vergeblich nach dem Schlüssel. Wo hatte er sich nur versteckt? Sie blieb vor der Tür stehen und kramte weiter in ihrer Tasche, er musste doch irgendwo zu finden sein, so groß war die Tasche nun auch wieder nicht, doch anscheinend war er verschwunden.
Ärgerlich schüttete Amy schließlich den gesamten Inhalt auf den Boden, als sie plötzlich Geräusche auf der anderen Seite der Tür hörte. Alarmiert trat sie einen Schritt zur Seite und spähte in die Halle. Da war doch etwas, sie hielt ihre Hand vor das Glas, und konnte trotz aller Mühen nichts erkennen. Vielleicht hatte sie sich verhört, überlegte sie seufzend und ging zurück zum Eingang.
Sie lauschte aufmerksam an der Tür, doch es war nichts zu hören. Wahrscheinlich hatte sie sich alles nur eingebildet, beruhigte sie sich, der letzte Tag und die schlaflose Nacht hatten sie anscheinend mehr mitgenommen, als sie gedacht hatte. Nachdenklich blickte sie auf den Boden zu ihren verstreuten Sachen und entdeckte ohne Probleme endlich ihren Schlüssel. Sie hob ihn auf und öffnete die Tür. Erneut lauschte sie aufmerksam, aber als sie keine weiteren Geräusche hörte, öffnete sie vorsichtig die Tür und betrat die Halle.
Das erste, was ihr auffiel, war die Schale mit dem Öl von Zadie, die umgestoßen auf dem Boden lag, wobei der Docht immer noch genug Öl fand, um wacker vor sich hin zu brennen. Überrascht kniete Amy sich hin und hob die Schale wieder auf. Irgendwer musste sie umgestoßen haben, überlegte sie erschrocken, vielleicht hatte sie sich die Geräusche doch nicht eingebildet. Auf alles gefasst stand sie wieder auf und drehte sich vorsichtig um.
Im ersten Moment nahm sie nur ein paar Schatten wahr, doch schließlich erkannte sie eine Gestalt, die ihr schlimmster Albtraum war. Am Ende der Halle stand das Wesen ohne Herz, der Mörder von Adam.
