41. Kapitel

Panikartig drehte Amy sich um und stürzte aus dem Haus. Ohne sich auch nur einmal umzusehen, rannte sie die Straße entlang, als wäre der Teufel hinter ihr her. Selbst an der nächsten Kreuzung stoppte sie nicht, sie lief, bis sie keine Luft mehr bekam. Vollkommen erschöpft blieb sie schließlich stehen und beugte sich nach Atem ringend nach vorne, bevor sie sich vorsichtig umsah. Doch die Straße hinter ihr war leer, niemand war zu sehen, weder der Dämon, noch ein Mensch.

Erleichtert versuchte Amy sich zu orientieren, sie kannte diese Gegend, in der Nähe waren ein paar Geschäfte, in denen Clara Jennings einkaufte, wenn sie nur eine Kleinigkeit brauchte. Anscheinend war sie nur ein paar Blocks vom Haus entfernt.

Instinktiv wollte Amy nach ihrer Tasche greifen, als ihr einfiel, dass sie sie ja vor dem Haus ausgeschüttet hatte. Auch das noch, suchend sah Amy sich um, sie hatte kein Telefon und hier schien weit und breit keine einzige Telefonzelle zu sein. Verzweifelt sah sie sich erneut um, und ging schließlich auf die kleinen Läden zu. Doch wie es schien, waren sie alle am frühen Sonntagmorgen geschlossen. Frustriert blieb Amy stehen, als auf einmal einen Mann entdeckte, der aus dem kleinen Gemüseladen an der Ecke kam.

„Hallo!" Amy war alles egal, sie stürmte auf den Mann zu und erklärte ihm atemlos. „Ich brauche Ihre Hilfe, ich muss unbedingt telefonieren, und hier ist ja nirgends ein Telefon, bitte, es ist wirklich wichtig."

Der Mann sah sie verwundert an, nickte dann aber. „Kein Problem, kommen Sie mit in meinen Laden, da hab' ich ein Telefon."

Amy bedankte sich überschwänglich und folgte ihm in den Laden, wo sich im hinteren Teil ein winziges Büro befand, das nur aus einem Schreibtisch, einem passenden Stuhl und einem Telefon zu bestehen schien. Amy ließ sich auf dem Stuhl nieder und versuchte mit zittrigen Fingern die Nummer zu wählen, doch sie verwählte sich ein ums andere Mal und musste es immer wieder erneut versuchen.

Endlich hörte sie das vertraute Tuten und schließlich eine verschlafenen Stimme. „Ja?"

„Cole, ich bin's Amy, ihr müsst sofort kommen, da ist jemand im Haus." erklärte sie immer noch atemlos.

„Was? Amy?" Cole setzte sich auf und sah sich desorientiert um, bis ihm wieder einfiel, dass er sich im Wohnzimmer von Judys Elternhaus befand. „Wo bist du denn, ich dachte du wärst auch hier?" erklärte er verwundert und blickte sich erneut um. Judy hatte, tiefnachts, nachdem die anderen Gäste gegangen waren, das Sofa ausgezogen und ein paar Decken hervorgekramt, bevor sie nach oben verschwunden war.

„Nein, ich wollte gerade nach Hause." erklärte Amy derweil. „Na ja zu deinem Haus." verbesserte sie sich. „Aber da habe ich Geräusche gehört und als ich in die Halle kam, da war dort dieses .. Ding, .. Dämon, ....das Wesen ohne Herz... Adams Mörder." brachte sie schließlich hervor.

Cole verstand immer noch nicht ganz und sah zu Prue, die sich kein bisschen rührte. „Aber wo bist du denn jetzt?" wandte er sich wieder an Amy.

„Ich bin gerannt, bis ich nicht mehr konnte." teilte sie ihm mit. „Jetzt bin ich im Gemüseladen, ein paar Blocks vom Haus entfernt, weißt du, wo das ist?"

Cole nickte. „Ja, ich weiß." meinte er und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Also du rührst dich nicht von der Stelle, wir kommen gleich." erklärte er entschlossen und legte auf.

Cole reckte sich und schaute wieder zu Prue, die immer noch schlief, als hätte das Telefon nie geklingelt. Lächelnd beugte er sich zu ihr herunter. „Hey, Prue." flüsterte er ihr leise ins Ohr und küsste sie gleichzeitig, doch das einzige was er zu hören bekam waren unwillige Laute. „Prue!" versuchte er es erneut und begann sie den Hals aufwärts bis zu ihrem Mund zu küssen.

Prues Gemurmel wurde zufriedener und kurz darauf schlag sie ihre Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich herunter. „Musst du denn nie schlafen?" fragte sie mit immer noch geschlossenen Augen.

„Würd' ich ja gerne, aber Amy braucht uns." erklärte Cole schlicht.

Schlagartig war Prue hellwach, sie setzte sich auf und sah Cole fragend an. „Amy? Wo ist sie?" Alarmiert sah sie sich um.

Cole zuckte mit den Schultern. „Sie wartet am Gemüseladen."

Prue sah ihn an, als hätte er chinesisch gesprochen. „Jetzt mal Klartext, wo ist Amy und was ist passiert?" erkundigte sie sich erneut.

„Sie hat gerade angerufen, sie wollte zu uns nach Hause und glaubt, dass dort Dämonen sind." erklärte Cole. „Darum ist sie zu dem Gemüseladen an der Ecke gerannt."

„Ach so." meinte Prue nachdenklich und sah Cole fragend an. „Amy war die ganze Nacht weg?"

Cole zuckte mit den Schultern. „Sieht ganz danach aus." erklärte er mit skeptischem Blick. „Bis gestern hatte ich ja immer angenommen du hättest so etwas wie ein Beschützersyndrom. Und dann hast du sie einfach mit diesem Zombiefahrer weggehen lassen. "

Prue schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich habe Phoebe mit dir ausgehen lassen, da ist Amys Rocker ja wohl eher harmlos."

„Also mir ist der Kerl nicht geheuer." meinte Cole nachdenklich und stand auf.

„Tja, mein ehemals so brillantes Einschätzungsvermögen scheint durch meinen Tod wohl etwas gelitten zu haben." erklärte Prue und sah ihn demonstrativ an. „Aber wie es aussieht hat Josh ihr nichts getan." fiel ihr zufrieden wieder ein und sie stand ebenfalls auf. „Und jetzt sollten wir erstmal zu ihr und sehen, was bei uns zu Hause los ist."

Prue und Cole machten sich fertig und da Danny im Haus von Judys Eltern sicher war und noch friedlich schlief, verließen sie in den frühen Morgenstunden das Haus, um Amy zu treffen.

Amy half derweil dem Inhaber des Gemüseladens dabei, seine Waren vor dem Laden aufzustellen.

„Danke!" meinte er mit einem breiten Lächeln. „Aber das wäre doch nicht nötig gewesen, oder hat es sich nicht um ein Ortsgespräch gedreht?" scherzte er.

„Doch schon, aber ich helfe gerne." erklärte Amy dem älteren Mann. Sie wollte auf keinen Fall allein auf der Straße zurückbleiben, und war froh über seine Gesellschaft, obwohl sie nirgends eine Spur von dem Dämon erkennen konnte. Wahrscheinlich hatte er sie gar nicht erst verfolgt, überlegte sie erleichtert und sah sich aufmerksam um, als ihr Blick an einem kleinen Ladengeschäft hängenblieb. Es lag an der gegenüberliegenden Straßenecke, seine gläsernen Fenster zeigten auf zwei Straßen und die Tür befand sich genau in der Mitte.

„Ist der Laden dort leer?" fragte sie interessiert, als sie bemerkte, dass die Fenster vor Staub und Dreck starrten und in den Blumenkästen keine Blumen blühten.

Der Mann nickte. „Ja, bis vor kurzem war noch ein Stehimbiss darin, aber der hat sich nicht lange gehalten."

„Hm." meinte Amy nachdenklich und schaute auf das schöne alte Haus. „Es wäre optimal für ein Cafe." überlegte sie laut, sie konnte es schon genau vor ihrem geistigen Auge sehen. „An der belebten Ecke mit dem breiten Bürgersteig. Dort müsste man nur kleine Tische aufstellen, und die schöne Fassade, muss man natürlich neu streichen, Blumen in die Kästen pflanzen und die großen Fenster dekorieren."

Der Mann lachte „Das hört sich ja ganz danach an, als würdest du schon lange nach so etwas suchen."

Amy zuckte mit den Schultern. „Vielleicht tue ich das sogar." meinte sie leise. „Ich sollte wirklich versuchen, mein Glück im Beruf zu finden, denn Männer sind doch alles nur Idioten." stellte sie klar und blickte den Mann erschrocken an. „Ich meine natürlich nicht Sie."

„Ach Mädchen, du bist noch so jung." meinte dieser ermutigend. „Der Richtige wird schon noch kommen."

„Ich glaube kaum, da verlieb' ich mich doch lieber in dieses Cafe." erklärte sie entschlossen und sah erneut zu den verstaubten Fenstern, in die gerade die ersten Strahlen der Morgensonne fielen. „Da habe ich mehr von."

Als Cole und Prue kurze Zeit später um die Ecke kamen, hatte Amy bereits die Adresse des Vermieters in der Hand und war entschlossen alles zu versuchen, um sich wenigstens diesen Traum zu erfüllen. Mit einem zufriedenen Lächeln lief sie auf das Auto zu und stieg ein. „Bin ich froh, dass ihr endlich hier seid." erklärte sie erleichtert.

Prue blickte sich um und sah Amy besorgt an. „Was ist denn nun passiert?"

„Hat Cole dir das nicht gesagt?" fragte Amy überrascht. „Als ich das Haus betreten wollte, da lag die Ölschale auf dem Boden und Adams Mörder stand am Ende der Halle."

Prue sah sie skeptisch an, sie hoffte immer noch, dass Amy sich geirrt hatte, denn Dämonen im Haus, das gefiel ihr überhaupt nicht. „Was wolltest du da überhaupt?"

„Ich wollte alleine sein." erklärte Amy leise und blickte betrübt aus dem Fenster. „Ich hatte keine Lust mehr auf Gesellschaft."

Prue sah sie nachdenklich an, doch bevor sie weiter darüber reden konnten, stoppte Cole den Wagen vor dem Haus. Es lag ruhig und friedlich da, nur die Tür stand sperrangelweit offen.

„Die Tür habe ich aufgelassen." erklärte Amy entschuldigend. „Ich hatte solche Angst und wollte nur noch weg."

Cole nickte. „Schon gut, solange Dämonen da drinnen sind, werden schon keine Einbrecher kommen." meinte er gelassen.

Sie stiegen aus und gingen langsam auf die Tür zu. Auf dem Boden lagen noch immer überall Amys Sachen herum und Amy bückte sich, um sie aufzuheben. Dabei stellte sie zu ihrem Missfallen fest, dass sie bei ihrer Flucht auf ihr Telefon getreten war. Sie kniete sich hin und hob es auf, unzählige Drähte guckten hervor und wie es schien, war es nicht mehr zu gebrauchen.

Cole und Prue waren unterdessen bei der Tür angekommen und blickten in die Halle. „Nichts!" erkannte Prue und trat vorsichtig ein.

Cole folgte ihr und sie sahen sich um, doch sie konnten keine Spuren von Dämonen erkennen. „Vielleicht hat Amy nur Gespenster gesehen." meinte Cole leise zu Prue.

Prue nickte und drehte sich zu Amy, die immer noch vor der Haustür kniete. „Warst du die ganze Nacht mit Josh unterwegs?" erkundigte sie sich.

„Ja leider." grummelte Amy immer noch enttäuscht und wütend, während sie sich bemühte, ihre verstreuten Sachen zurück in die Tasche zu tun. „Er ist ein Idiot, mehr nicht." stellte sie unmissverständlich klar.

„Hat er dir irgendwas getan?" fragte Prue sofort alarmiert und trat einen Schritt auf sie zu. „Also dann kann er was erleben, das verspreche ich dir."

Amy schüttelte den Kopf und blickte auf. „Nein, alles war wirklich schön, bis ich ihm erzählt habe, dass ich wegen Mordes angeklagt war, da ist der Feigling verschreckt abgehauen."

„Was?" Cole drehte sich um und sah sie verwundert an. „Das hat ihn gestört?"

Amy nickte. „Ja, er wusste sofort wer ich war und weg war er."

Prue blickte sie skeptisch an. „Er hat dich erkannt?" fragte sie überrascht.

„Ja, er kannte meinen Namen, wahrscheinlich hat er mich in der Zeitung gesehen, oder was weiß ich." erklärte sie und wurde gleich wieder deprimiert. „Ist ja auch egal, der Typ kann mir gestohlen bleiben."

Cole und Prue sahen sich nachdenklich an. „Und wenn er etwas damit zu tun hatte?" gab Cole schließlich zu bedenken.

„Nein, ganz bestimmt nicht." erklärte Amy überzeugt. „Er hat uns schließlich geholfen, die Zombies zu befreien und das hätte er wohl kaum getan, wenn er etwas mit diesem Staatsanwalt zu tun hat, oder mit Adams Mörder."

„Ich weiß nicht, das kann man nie wissen, du solltest lieber vorsichtig sein." meinte Prue.

Amy zuckte mit den Schultern. „Keine Sorge, ich werde ihn freiwillig bestimmt nicht wiedersehen." stellte sie unmissverständlich klar.

„Gute Entscheidung!" Prue nickte und blickte zur Treppe. „Ich werde mal oben nachsehen." erklärte sie entschlossen, obwohl sie nicht annahm, dass irgendwelche Dämonen im Haus zu finden waren.

Sie stieg die Treppe hinauf und sah sich im Gang um, nichts! Vorsichtshalber öffnete sie die Tür zu Dannys Zimmer, als sie plötzlich etwas hinter sich hörte. Blitzschnell drehte sie sich um und sah sich einem Vultar gegenüber. „Oh nein, nicht die schon wieder!" erklärte sie genervt und schleuderte ihn mühelos gegen die Wand. Sein Messer fiel ihm aus der Hand und Prue warf es ihm gleich hinterher.

„Cole!" rief sie nach unten. „Hier sind ein paar deiner Geierfreunde." erklärte sie und blickte den Gang entlang, auf dem sich urplötzlich zahlreiche Geierdämonen eingefunden hatten. Seufzend machte sie sich an die Arbeit, sie zu vernichten. Mühelos erledigte sie ihre ersten Gegner und wunderte sich erneut darüber, mit welchem Mut sie sie angriffen, obwohl sie nicht die geringste Chance hatten.

Sofort wollte Cole zur Treppe stürzen, um Prue zur Hilfe zu eilen, doch da stand schon ein weiterer Dämon direkt vor ihm. „Vultare." meinte er angewidert und nahm ihm mit Leichtigkeit das Messer aus der Hand, um es ihm in den Bauch zu rammen.

Erschrocken blickte Amy zu Cole. „Also hatte ich doch Recht." murmelte sie vor sich hin und wusste nicht, was sie tun sollte, als sie die kleinen Fläschchen auf dem Boden sah, die Prue ihr gegeben hatte, als sie auf Danny aufpassen sollte. Sie hatte sie zur Vorsicht in ihre Tasche gesteckt und hob sie jetzt nachdenklich vom Boden auf.

Entschlossen stand sie auf und betrat die Halle, was sollte schon passieren, einen Versuch war es wert, entschied sie und warf das Fläschchen auf den nächstbesten Dämon, der mit erhobenem Messer auf Cole zustürmte. Der Dämon explodierte und Amy trat überrascht einen Schritt zurück. „Wow" entfuhr es ihr.

Cole sprang hektisch zur Seite und sah Amy ungläubig an. „Ah, nicht auf mich, ist das klar." rief er ihr hektisch zu. „Wirf das Zeug ja nicht auf mich." Trotz Prues Beteuerungen, dass das Mittel ungefährlich für ihn war, wollte er sein Schicksal lieber nicht herausfordern.

„Keine Sorge." meinte Amy verwundert von der Kraft des kleinen Fläschchens, doch wie sollte sie das so genau koordinieren? Nachdenklich blickte sie auf die Flasche in ihrer Hand, sie durfte keinen Dämon töten, der zu nah bei Cole war, entschied sie. Doch darum hätte sie sich keine Sorgen zu machen brauchen, denn die Dämonen hatten bereits sie als Opfer auserkoren und kamen mit erhobenen Messern auf sie zu. Amy fackelte nicht lange und die ganze Meute verschwand in einem riesigen Feuerball.

Unterdessen hatte Prue endlich die Vultare auf dem Flur überwältigt und stand oben an der Treppe. „Alles klar bei euch?" fragte sie und sah nach unten.

„Ja!" erklärte Cole. „Amy hat gerade die gesamte Horde explodieren lassen."

Verwundert blickte Amy sich um. „Ist das alles?" fragte sie euphorisch.

„Keine Sorge." erklang es hinter ihr, und die Stimme erschütterte sie bis ins Mark, sie war in ihr Gedächtnis eingebrannt und sie würde sie niemals in ihrem ganzen Leben wieder vergessen können.

Ein Dämon erschien, der um einiges stärker war, als die anderen. „Das waren nur Versager." entfuhr es ihm unwirsch und er sah Amy spöttisch an. „Aber ich bin besser!"

„Ja!" hauchte sie und blickte ihn entschlossen an. In ihrer Hand hielt sie das letzte Fläschchen fest umschlossen.

Währenddessen stürzte Prue die Treppe hinunter, um Amy zu helfen, doch Cole hielt sie zurück. „Nein lass." erklärte er ruhig, er hatte sofort erkannt, um welchen Dämon es sich da handelte. „Das ist Amys Aufgabe."

Prue blickte Cole überrascht an und sah dann zurück zu dem Dämon. „Ist das der Mörder von Adam?" fragte sie und kannte eigentlich schon die Antwort.

„Ja, und Amy wird schon mit ihm fertig." das hoffte Cole auf jeden Fall. „Und wenn nicht sind immer noch wir da." Sie schauten angespannt auf die beiden vor ihnen.

Der Dämon kam immer näher, doch Amy rührte sich nicht von der Stelle. Sie atmete tief durch und zwag sich ruhig zu bleiben, sie würde ihre Chance schon noch bekommen. Sie wartete, bis er fast vor ihr stand, dann warf sie das Explosionsmittel entschlossen auf ihn. Erwartungsvoll trat sie einen Schritt zurück, doch offensichtlich hatte der Dämon damit gerechnet, denn er wehrte das Fläschchen mit seiner Hand ab. Es zerschellte ein Stück neben ihm auf dem Boden und die Tinktur verteilte sich auf dem Boden, ohne dass sie irgendeinen Schaden anrichten konnte.

Amy erstarrte, damit hatte sie nicht gerechnet, was sollte sie jetzt tun. Sie warf einen kurzen Blick zu Cole und Prue, die unschlüssig an der Treppe standen und auf ein Zeichen von ihr warteten. Doch Amy schüttelte den Kopf, sie würde nicht aufgeben, dies war ihr Kampf und sie würde ihn gewinnen. Sie biss die Zähne zusammen, dieser Dämon hatte ihr so viel genommen, dafür würde er bezahlen. Mutig stürzte sie sich erneut auf ihn und ihre Wut gab ihr ungeheure Kraft. Der Dämon, der mit diesem erneuten Angriff nicht gerechnet hatte, fiel nach hinten und Amy bekam seinen Dolch zu fassen. Mit aller Kraft, die sie aufwenden konnte, drehte sie seine Hand um und stach ihm die spitze Klinge in das nicht vorhandene Herz.

Eine widerliche Masse quoll aus ihm heraus und Amy sprang schleunigst auf, um endlich von ihm fort zu kommen. Sie trat ein paar Schritte zurück und beobachtete, wie von dem Dämon nur noch ein jämmerliches Häuflein aus grauem Schleim übrig blieb, aber die von ihr erwartete Genugtuung, Adams Mörder zur Strecke gebracht zu haben, setzte nicht ein. Die Rache schmeckte bitter, denn dieses Wesen hatte nichts gefühlt, es hatte sicher noch nicht einmal gewusst, wer sie war. Adam und sie hatten ihm nichts bedeutet und genauso wenig empfand sie jetzt bei seiner Vernichtung, sie fühlte sich nur kalt und leer und das war kein angenehmes Gefühl.

Prue trat neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern. „Du hast ihn vernichtet, du kannst stolz auf dich sein." erklärte sie mit leiser Stimme.

„Das bin ich aber nicht." meinte Amy seufzend. „Ich fühle mich dadurch auch nicht besser, es ändert rein gar nichts an dem was geschehen ist."

„Nein, aber du hast verhindert, dass er anderen dasselbe antun kann." erklärte Prue.

„Hm." die anderen waren ihr gerade ziemlich egal, ihr ging es dadurch ja nicht besser. Sie hatte gedacht, dass sie langsam darüber hinwegkam, doch dieses Erlebnis hatte alles wieder hervorgeholt. Es hatte sie an den Platz des Mordes zurückversetzt und alles war wieder so gegenwärtig gewesen. Es war, als hätte die Zeit noch nicht einmal die kleinste Wunde geschlossen, sie waren alle wieder aufgebrochen. „Rache bringt nichts." erkannte sie schlagartig und drehte sich um, um im Wohnzimmer zu verschwinden.

Cole sah ihr verwundert hinterher. „Also das verstehe ich jetzt nicht." erklärte er und sah Prue fragend an.

„Ich weiß auch nicht." gab sie zu. „Mir hat es immer geholfen, das Böse zu bekämpfen."

Nachdenklich folgten sie Amy ins Wohnzimmer. „Willst du alleine sein?" fragte Prue vorsichtig.

Amy schüttelte den Kopf. „Nein, ist schon okay." erklärte sie. Sie wollte zwar nicht weiter darüber reden, aber es gab andere Themen. Nachdenklich sah sie die beiden an. „Was haben diese Dämonen hier eigentlich gesucht?"

„Keine Ahnung." überlegte Prue und sah sich um, überall befanden sich noch die klebrigen Haufen der vernichteten Geierdämonen. „Außer dass wir putzen müssen, weiß ich auch nicht, was Belva damit bezwecken wollte."

„Uns ablenken." schlug Cole vor.

Prue sah ihn verwundert an „Ja, aber wovon?"

„Danny!" entfuhr es Cole und er sprang hektisch auf, er hatte ein ganz mulmiges Gefühl im Magen, was wäre, wenn Belva sie nur ablenken wollte, um seinen Sohn zu töten, so wie ihrer vernichtet worden war.

„Bei Judy ist er sicher." versuchte Prue ihn zu beruhigen. „Keiner weiß, wo er ist."

„Oh doch." Cole blickte Amy an. „Dein Zombiefahrer weiß es." erklärte er.

Amy schüttelte den Kopf. „Nein, Josh ist ein Idiot, aber er hat nichts mit Dämonen oder Belva zu tun."

„Das kannst du nicht wissen." fuhr Cole sie an und stürzte zur Tür, wie hatte er Danny nur in dieser Situation allein lassen können, er wusste doch wie gefährlich es war. Wenn ihm etwas geschah, dann würde er sich das niemals verzeihen.

„Warte!" Prue folgte ihm in die Halle. „Was willst jetzt tun?"

„Zu Judy und Danny abholen." erklärte Cole ungeduldig. „Schimmern ist mir zu gefährlich, vielleicht hat Belva hier irgendwo einen Donnerstein liegenlassen." teilte er ihr mit und verschwieg dabei, dass er es in seiner jetzigen Verfassung für ziemlich unwahrscheinlich hielt, am richtigen Ort anzukommen.

„Okay, ich komme mit, aber was ist mit Amy?" fragte Prue und sah sich nachdenklich um.

„Ich will nur schlafen, hier wird schon keiner mehr aufkreuzen." erklärte sie bestimmt und ging erschöpft die Treppe hoch. Oben angekommen, drehte sie sich noch einmal um „Und wenn, dann bekommen sie es mit mir zu tun."

Prue sah besorgt zu ihr hoch, mit harmlosen Geierdämonen fertig zu werden, war eins, aber Amy hatte keine Ahnung, welche Gefahr von anderen Dämonen ausgehen konnte.

„Sie hat recht Prue, ihr wird schon nichts passieren, ich will jetzt endlich zu Judy." meinte Cole unruhig, er spürte, dass irgendetwas nicht stimmte und musste Gewissheit haben. Energisch öffnete er die Tür und Prue folgte ihm schließlich seufzend zum Wagen.

Auf der Fahrt sprachen sie kaum ein Wort, beide versuchten ihre erschreckenden Gedanken zu verdrängen. Danny würde es schon gut gehen und Judy und Robert auch, versuchte Prue sich zu überzeugen, denn sie wollte sich nicht eingestehen, dass Danny wirklich in Gefahr sein könnte. Obwohl sie eigentlich genau wusste, dass es so war. Belva wollte sich für den Tod ihres Sohnes rächen und sie hatte sie in Verdacht, dafür verantwortlich zu sein, das hatte der Auftritt der Geierdämonen eindeutig bewiesen.

Cole heizte in Übergeschwindigkeit durch die Stadt und kurz darauf, kamen sie vor Judys Elternhaus an. Alles lag friedlich da und für Prue sah es nicht danach aus, als hätte es hier irgendwo einen Kampf gegeben. „Alles ruhig." meinte sie erleichtert.

„Das will nicht viel heißen." erklärte Cole, sein Gesicht war eine undurchdringliche Maske. Er stürmte zur Tür und beherrschte sich nicht gleich Sturm zu klingeln.

Nach kurzen Klingeln öffnete sich die Haustür und Robert stand ihnen gegenüber. „Hallo!" meinte er verwundert. „Was wollt ihr denn hier?"

„Meinen Sohn abholen." erklärte Cole ruhig.

„Oh!" Robert blickte ihn irritiert an. „Aber den hat doch schon eure Freundin abgeholt." erklärte er überrascht.

„Welche Freundin?" Cole war es, als würde ein blankes Messer gerade sein Herz durchbohren, das durfte doch alles nicht wahr sein.

„Na diese Zadie." erklärte er mit einem Gähnen. „Da konnte ich sie auch gleich zu dem Überfall befragen, aber sie war ziemlich wortkarg." führte er aus.

„Du hast es gewagt, ihr meinen Sohn zu geben?" fragte Cole mit bedrohlicher Stimme, eine eisige Kälte durchströmte ihn und lähmte alles, so dass er sich befehlen musste, wenigstens weiterzuatmen.

Robert blickte ihn verwundert an, von Cole ging plötzlich eine Bedrohung aus, die ihm unheimlich war. „Ja." erklärte er schnell und sah Prue an. „Ihr habt mir schließlich versichert, dass ihr so gut mir ihr befreundet seid."

„Was fällt dir eigentlich ein, hast du kein Hirn im Kopf." fuhr Cole ihn an und packte Robert am Kragen. Das alte ach so vertraute Gefühl der Mordlust kam in ihm auf, und er musste sich mit aller Macht zusammenreißen, um Robert nicht hier und jetzt die Kehle umzudrehen.

„Hör auf Cole, das bringt doch nichts." ging Prue dazwischen und zerrte ihn zurück. Sie wollte nicht wahrhaben, was sie gerade gehört hatte und welche Konsequenzen das haben könnte. Danny in den Händen von Belva, das durfte einfach nicht wahr sein, sie musste mehr darüber in Erfahrung bringen. „Wo wollte sie mit ihm hin?" fragte sie Robert.

Robert war verschreckt zurück ins Haus getreten und sah die beiden mit Furcht in den Augen an. „Das hat sie nicht gesagt, ich nehme an zu euch nach Hause, seht doch dort erstmal nach, bevor ihr hier so ein Theater macht." erklärte er und schloss ihnen die Tür vor der Nase zu.

Cole starrte auf die geschlossene Tür und versuchte sich wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Musstest du Robert so anfahren?" wollte Prue ärgerlich wissen.

Verwundert sah Cole sie an. „Belva hat Danny und da stellst du dich wegen meiner Umgangsformen an?" fragte er mit eiskalter Stimme.

„Wenn du Robert etwas angetan hättest, hätte das auch nichts an der Situation geändert." meinte Prue, sie musste versuchen, Ruhe zu bewahren, denn einer musste es ja tun und Cole schien eindeutig nicht derjenige zu sein.

„Du kannst das nicht verstehen, Prue." erklärte Cole außer sich vor Zorn. „Er ist schließlich nicht dein Sohn."

„Wie kannst du es wagen, so etwas zu sagen?" Prue konnte kaum glauben, was sie da gerade gehört hatte. „Wer war denn für ihn da, als er Hilfe brauchte?" sie sah ihn mit vor Wut funkelnden Augen an. „Wer? Seine leiblichen Eltern haben sich jedenfalls nicht mit Ruhm bekleckert. Ich war vom ersten Moment an für ihn da, ich habe mich um ihn gekümmert, und niemand sonst. Und ich habe dafür gesorgt, dass er ein neues Leben bekommt, und dafür habe ich alles auf mich genommen, sogar dich ertragen." dachte er etwa, nur er hätte das Recht, sie zu verletzten, das konnte sie genauso gut.

„Oh, du hast mich also ertragen müssen." erklärte Cole spöttisch und beugte sich zu ihr. „Aber keine Sorge, du bist mich los, denn ohne Danny gibt es für mich keinen Grund mehr zu leben."

„Glaubst du, den gibt es für mich?" fragte sie ärgerlich. „Er ist das Einzige, was mir von meiner Familie geblieben ist. Aber noch ist es ja nicht zu spät." erklärte Prue entschlossen und ging auf den Wagen zu.

Cole sah ihr irritiert hinterher. „Wo willst du hin?"

„Du kannst ja gerne hier stehenbleiben und dich weiter selbst bemitleiden, ich finde in der Zwischenzeit deinen Sohn." klärte sie ihn auf und öffnete energisch die Tür.

„Na fein, und wo willst du ihn finden?" erkundigte er sich, während er ihr zum Wagen folgte.

„In Zadies Haus, wo sonst." erklärte Prue. „Vielleicht will sie Danny nur vor ihrer Schwester schützen."

„Klar, und uns hat sie nichts davon gesagt, das glaubst du doch wohl selbst nicht." meinte Cole ärgerlich, seit wann war Prue so naiv. „Robert hat gesagt Zadie war sehr wortkarg, das deutet ja wohl eindeutig darauf hin, dass Belva sie zu ihrem Zombie gemacht hat."

„Ich weiß, ich weiß! Verdammt!" erklärte Prue gereizt und schlug frustriert auf das Lenkrad. „Ich sollte zuerst Amy anrufen." meinte sie entschlossen, da war noch der kleine Funken Hoffnung, dass Zadie Danny nur schützen wollte und zu ihnen nach Hause gebracht hatte. Ungeduldig griff sie nach ihrer Tasche und dabei rieselte ihre informative Zettelsammlung aus der Seitentasche auf Cole hinab. Prue kümmerte sich nicht weiter darum und wählte die Nummer.

Nach endlosem Tuten war endlich eine verschlafene Amy am Apparat. „Ja?"

„Amy, ich bin es Prue, hat Zadie Danny zu uns gebracht?" fragte sie hoffnungsvoll.

„Nein! Hier ist niemand." erklärte Amy überrascht und sah sich um. „Es hat auch nicht an der Tür geklingelt, das hätte ich gehört." zerschlug sie Prues Hoffnungen. „Aber ich kann gerne überall nachsehen."

„Ja, tu das." meinte Prue und trommelte nervös mit den Fingern auf das Lenkrad, während Amy das Haus inspizierte.

Währenddessen versuchte Cole das Gespräch zu ignorieren, das seine Befürchtungen nur bestätigen würde. Geschäftig blickte er auf Prues Zettelwirrwarr und suchte sie wieder zusammen. Eine armselige Ablenkung, aber einen Versuch war es wert, überlegte er, und was sie alles so aufhob, Einkaufsbons und Tickets fürs Parken und schließlich zahlreiche Notizen und Adressen. Adressen, Cole begann sie sich intensiver anzusehen, und schließlich fand er etwas, was ihn sehr interessierte.

„Niemand?" fragte Prue derweil und versuchte nicht allzu enttäuscht zu klingen. Das war nicht das Ende der Welt, sie würde Danny schon finden, sie musste nur klar denken, doch ihr Verstand war wie betäubt. „Okay Amy, Zadie hat Danny abgeholt und wir wissen nicht, wo sie ihn hingebracht hat." erklärte sie so ruhig wie möglich. „Sei vorsichtig, verlass am besten das Haus und geh so lange nach Hause zu deiner Mutter."

„Warum sollte Zadie uns etwas tun?" fragte Amy verwundert und fügte dann entschlossen hinzu. „Ich kann mich schon selbst verteidigen." Auf keinen Fall wollte sie nach Hause, dafür war sie viel zu aufgewühlt.

„Gegen diese harmlosen Geierdämonen, aber nicht gegen Belva!" klärte Prue sie auf. Prue hatte wirklich keine Lust, sich auch noch um Amys Sicherheit Sorgen machen zu müssen.

„Was sollte Belva von mir wollen? Ich bin doch gar nicht interessant für sie." meinte Amy furchtlos.

„Ja aber..." begann Prue ärgerlich, sie wollte sich jetzt nicht auch noch mit Amy streiten, doch bevor es dazu kam, unterbrach Cole sie.

„Leg auf." befahl er ihr.

Wider Erwarten tat Prue ihm den Gefallen „Aber sei vorsichtig!" meinte sie schnell zu Amy und legte dann auf, um Cole erwartungsvoll anzusehen. „Also was ist?"

„Warum hast du nicht gleich gesagt, dass du die Adresse von Belvas Haus hast?" wollte Cole wissen, doch er wartete die Antwort gar nicht erst ab. „Wir müssen so schnell es geht zu ihr."

„Das ist eine Festung, Cole." gab Prue zu bedenken, doch sie startete schon den Wagen.

„Wir werden dort hineinkommen." erklärte Cole ruhig. „Verlass dich darauf."