Kapitel 2

Als Serena erwachte waren die Kopfschmerzen wie hinfort gespült. Sie lag in einem großen, weichen Bett, dessen Rahmen reich mit Blumenschnitzereien verziert war. Solche Handwerkskunst war schwerlich zu übertreffen. Staunend fuhren ihre Fingerspitzen über die filigranen Formen, und sie sah sich weiter um. Das Bett stand in einem geräumigen, aber spärlich eingerichteten Zimmer. Bis auf zwei Türen, einem Balkon und einer kleinen Sitzecke war nichts weiter vorhanden als ein Schrank und ein Nachttisch, auf dem eine Duftlampe stand.

Ganz langsam begann sie zu akzeptieren was geschehen war. Sie fühlte sich ähnlich wie an dem Tag, als ein paar Wissenschaftler sie und ihre Eltern über ihren Gaben unterrichteten.

Nur hatte sie damals länger gebraucht, die Nachricht sie sollte ein Freak sein zu verarbeiten - ein mutiertes Wesen. Das einzige, was ihr damals geholfen hatte, war das Wissen, dass sie nicht die einzige war.

Dennoch war es sehr schwer gewesen.

Sie hatte oft davon geträumt ihrer Welt zu entfliehen, aber dies nie zu hoffen gewagt. Nun, vielleicht würde sie ja hier ihr Glück finden.

Voller Hoffnung legte sie sich wieder zurück in die Kissen.

Kurze Zeit später fiel ihr auf, dass ihre Kleidung auf einem Stuhl der Sitzecke gewaschen und säuberliche gefaltet lag. Der Laptop befand obenauf. Sie musste wirklich lange geschlafen haben, ging es ihr durch den Sinn.

Errötend dachte sie daran dass ihr die Kleidung auch jemand ausgezogen haben musste…

‚Hoffentlich war es nicht dieser unterkühlte Elb gewesen.'

Kopfschüttelnd ob der Gedanken schlüpfte sie aus den Laken, und trat auf den Balkon, nachdem sie eines der Betttücher um die Schultern geschlungen hatte. Seltsam entspannt ließ sie ihren Blick über die Umgebung schweifen. Große Rasenflächen erstreckten sich bis zum Waldrand. Zwischendurch schlängelten sich mit weißen Steinen angelegte Wege und fröhlich plätschernde Wasserläufe. Einige wenige Nebelschwaden schwebten zwischen den Bäumen und Blumenbeete umher, während die strahlende Morgensonne die Landschaft in ein goldenes Licht tauchte.

Von den blühenden Rosenranken an ihrem Balkon wehte, getragen von der warmen Fürhsommerluft, ein betörender Duft zu ihr.  

Um einen noch besseren Eindruck ihrer Umgebung zu bekommen, versuchte sie ihre geistigen ‚Fühler' auszuschrecken. Diesmal hinderten sie keine Kopfschmerzen. Vor der Tür stand ein männlicher Elb. Serena konnte zwar seine Gegenwart spüren, aber er schien sich nicht sonderlich für das Mädchen in dem Zimmer zu interessieren.

Vorsichtig tastete sie sich weiter vor.

Es herrschte nur mäßiger Betrieb in der näheren Umgebung und die meisten Gefühle, die Serena wahrnahm, waren unbeschwert und heiter. Ein kurzer Blick über die Gärten zeigte ihr einige Elbenmaiden, die lachend und scherzend Wäsche aufhängten. Zwei weitere waren auf einem der vielen kleinen Balkone damit beschäftigt diesen zu fegen.

Plötzlich wurde Serena auf zwei Gestalten aufmerksam die sich zielstrebig ihrem Zimmer näherten. Einer von beiden schien neugierig, der andere eher angespannt und irgendwie vertraut, doch durch die Astralsicht, über die vermutlich jeder verfügte, der entweder empathisch, telepathisch der telekinetisch aktiv war, konnte sie ihn nicht genau erkennen.

So zog sie ihre Gedanken in ihren Körper zurück, trat wieder in ihr Zimmer und ließ sich auf einem der Stühle nieder, das Bettlaken vorsichtig um sich geschlungen. Lange brauchte sie nicht zu warten, bis es an der Tür leise und höflich klopfte.

„Herein, ich bin wach", rief sie.

Daraufhin öffnete sich die Tür und zwei Männer traten ein. Jetzt wurde ihr klar, warum ihr der eine der beiden vertraut vorgekommen war. Es war der Elb, der sie aufgelesen hatte.

Der andere war auch groß und schlank und von dieser überirdischen Erhabenheit gezeichnet. Nur war sein Haar dunkel, und seine grauen Augen leuchteten, als würden sich die Sterne darin spiegeln. Lange starrte den sie Mann an und langsam dämmerte ihr, wen sie vor sich hatte.

„Verzeiht, wenn ich mich irre, aber seid Ihr Elrond von Bruchtal?"

Nickend setze er sich auf einen Stuhl und musterte Serena still. Errötend zog sie die Decke noch enger um sich. Sein intensiver Blick machte sie nervös.

Glorfindel stellte sich hinter den Herrn von Bruchtal. Er war innerlich sehr angespannt. Auch wenn nichts an seiner Haltung darauf hindeutete, spürte Serena es, als wäre es ihre eigene Anspannung. Wie schon oft wünschte sie sich, in der Telepathie mehr Talent zu besitzen.

Sich räuspernd zog Elrond Serenas Aufmerksamkeit wieder auf sich.

„Ich hoffe Ihr habt euch erholt. Glorfindel berichtete mir, was Ihr ihm erzähltet über Eure Ankunft hier, aber ich möchte selbst hören wieso Ihr hier seid und wie Ihr hierher gekommen seid. Aus Eurer andersartigen Kleidung schließe ich, dass Ihr von weit herkommt. Bitte erzählt es mir."

Sehr deutlich konnte Serena nun seine Neugier spüren. Tief durchatmend beschloss sie, dem Elben alles zu erzählen, was sie wusste.

„Ich werde Euch alles sagen was ich weiß, aber nur Euch. Ich bitte Euch, schickt Glorfindel hinaus, ich fühle mich unwohl in seiner Gegenwart."

Glorfindel sog scharf die Luft ein. Er strahlte Bestürzung und Unmut aus. Schon wollte er zu einer Erwiderung ansetzen, als Elrond ihm mit einem Nicken zu verstehen gab, er solle den Raum verlassen. Äußerlich völlig ruhig drehte der Elb sich um, doch als er hinausging konnte Serena seine Wut spüren.

Serena fing darauf an zu erzählen, erst stockend doch mit der Zeit immer flüssiger.

„Ihr habt Recht. Ich komme von weither, um genau zu sein, ich bin nicht aus dieser Welt. Gestern Morgen auf dem Weg zur Schule wurde ich von einem Gewitter überrascht. Dabei wurde ich von einem Blitz getroffen.

Nun muss ich sagen, ich bin kein gewöhnlicher Mensch. Ich habe einen Genfehler, der mich in die Lage versetzt Psi anzuwenden."

Aus Elronds verständnislosem Blick schloss Serena das ihm ‚Genfehler' wohl nichts sagte. Also musste sie einen anderen Weg finden ihm dies zu erklären.

„Hmm, wie erkläre ich dies am besten? Seit Geburt bin ich mit einem Makel behaftet, daher auch die weißen Haare. Auf jeden Fall kann ich dank dieses Makels Dinge mit meinen Gaben beeinflussen, und ich kann die Gefühle anderer wahrnehmen. Ich werde euch ein Beispiel geben."

Serena wartete kurz ob Elrond dazu etwas zu sagen hatte, er nickte ihr jedoch nur zu.

„Seht auf die Duftlampe."

Um einen Gegenstand in der Form zu verändern brauch es nicht viel Arbeit, so ließ Serena die Lampe langsam auseinander schmelzen und setze sie dann zu seinem Kerzenhalter wieder zusammen.

Elrond schien erstaunt

„Selbst  in meinem Volk sind solche Gaben sehr selten, und dann nur unter Jahren langer Disziplin auszubilden. Wie macht Ihr das?"

„Puh, das ist schwierig zu beschreiben. Ich nehme einfach die Struktur der Dinge war und kann sie verändern, aber ehrlich gesagt, wie es genau funktioniert, weiß auch ich nicht."

Sie konnte nur mit den Schultern zucken.

„Nun dazu, wie ich hierher gekommen bin. Ich vermute, dass in dem Moment, in dem mich der Blitz traf, sich diese Kräfte verselbstständigten und mich durch Raum und Zeit schleuderten. Genau kann ich das natürlich nicht sagen, dafür habe ich erstens zu wenig Erfahrung und zweitens war in meiner Heimat auch nicht hinreichend geklärt, ob es parallele Universen oder ähnliches gibt."

Lange schwieg Elrond, dachte über das soeben gehörte nach.

„Und was gedenkt Ihr nun zu tun, Serena? Ihr gehört nicht in diese Welt, Ihr kennt sie nicht im Geringsten, aber ich glaube Ihr wisst nicht wie Ihr zurück könnt?"

Niedergeschlagen sah Serena auf ihre Hände. Sie holte noch einmal tief Luft. In ihr begann sich eine Entscheidung zu festigen, die ihr wie die einzig logische Konsequenz aus dieser schicksalhaften Reise schien.

„Doch, ich kenne diese Welt, zumindest ein wenig. In meiner Welt gab es mehrere Bücher darüber, aber es waren nur Geschichten. Ich habe sogar ein wenig Elbisch gelernt, Sindarin um genau zu sein."

Elrond war überrascht, konnte aber nichts dazu sagen, denn sie war schon dabei weiter zu sprechen.

„Aber Ihr habt Recht mit dem, was Ihr sagt. Ich weiß nicht wie ich zurück kann. Ist das so wichtig? Muss ich zurück?"

Traurig hob Serena ihren Blick. Elrond konnte ihr nicht lange standhalten. Zu groß war das Leid, welches er sah.

„Wisst Ihr, zuhause war ich nie glücklich, ich war abnorm, ein Freak, ein Monster. Gebt mir die Chance hier mein Glück zu finden."

~ TBC ~

A/N: Dieses Kapitel ist mir echt schwer gefallen, also bitte sagt mir, ob es euch gefallen hat. Und ich habe sicherlich einige in den Wahnsinn getrieben wegen Korrekturmaßnahmen *eg*

*zwinker zu Leandra*