Kapitel 4

So verbrachte Serena ihren ersten Tag in Elronds Haus. Sie übte mit der Stute an der Longe und Glorfindel saß auf dem Zaun und beobachtete sie. Als es zu dämmern begann rief er sie zu sich.

„Ich denke für heute ist es genug, du willst dich sicher noch für das Essen umziehen und ein Bad nehmen. Es tut mir leid dass wir heute keine Zeit mehr haben den Schneider auszusuchen. Sicherlich wurden dir ein paar Kleider in den Schrank in deinem Zimmer gehängt."

So nahm Serena Aditu das Halfter ab und ließ sie wieder zurück zu den anderen. Der Elb führte sie zu ihrem Zimmer und ging mit dem Versprechen sie rechtzeitig zum Essen abzuholen.

Jetzt wo er weg war merkte sie erst wie sehr sie seine Gegenwart genossen hatte. Seufzend betrat sie das Badezimmer und stellte überrascht fest dass schon Jemand ein heißes Bad vorbereitet hatte.

Zufrieden glitt sie in das warme Wasser, schloss die Augen und dachte über den Tag nach. Sie hoffte dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie glaubte zwar das Elben sie eher akzeptieren würden als das was sie war, aber sie wollte das Risiko nicht eingehen. Zu oft hatte sie gelitten. Auch dachte sie darüber nach ob sie wirklich in dieser Welt bleiben konnte. Es war nicht unbedingt die Welt in die sie gehen würde wenn sie die Wahl gehabt hätte, trotzdem wusste sie das sie diese Welt lieben könnte, viel mehr als ihre eigene. Ihr war auch bewusst dass sie Glück gehabt hatte sich in die Nähe Bruchtals teleportiert zu haben, an einem anderen Ort mochte es ihr nicht so gut ergangen sein.

Zufrieden und sauber krabbelte sie einige Zeit später aus der Wanne, wickelte sich in ein bereitliegendes Handtuch und öffnete den Schrank.  

Staunend erblickte sie darin einige Kleider aus feinen Stoffen, und auch ein paar wesentlich zweckmäßigere, robustere Stücke und Hosen. Lange stand sie grübelnd stand sie vor dem Schrank und wusste nicht welches sie nehmen sollte. Schließlich entschied sie sich für ein dunkles graugrünes Seidenkleid mit langen Ärmeln die nur an den Handgelenken und der Schulter zusammengenäht waren.

In dem Moment als sie feststellte dass sie nicht wusste wie man das Kleid schloss klopfte es:

„Serena bist du fertig?"

„Nein, aber vielleicht könntest du mir kurz helfen." rief sie zurück und kurz darauf betrat Glorfindel das Zimmer.

„Wobei brauchst du denn Hi…" errötend hielt er inne. Er hatte nicht erwartet Serena noch halbnackt vorzufinden. Ihr wurde erst bewusst dass sie ihn damit in Verlegenheit brachte als sie seine Unbehagen spürte. Für sie war es einfach zu normal dass körperlich Nacktheit unwichtig wird wenn man im Geiste zusammenarbeitet. Um ihn nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen wandte sie ihm den Rücken zu.

„Wärest du so freundlich und würdest die Verschlüsse schließen, ich habe noch nie im Leben versucht so etwas anzuziehen."

Leise lachend beugte er sich über sie und begann sich mit den Verschlüssen zu beschäftigen.  Schnell war das Kleid gebunden und beide machten sich auf den Weg zum Speisesaal.

Nervös folgte Serena dem stolzen Elben in den Saal. Viele Gesichter wandten sich ihr zu als die durch die Flügeltüren trat. Unsicher sondierte sie die Gefühle der Elben, die meisten waren jedoch nur kurz neugierig und die Aufmerksamkeit die sie ihr zollten war von flüchtiger Natur.

Glorfindel schien zu bemerken dass ihr nicht wohl war, da er näher zu ihr trat

„Komm wir setzen uns dort an die Tafel." Er wies auf einen Tisch im hinteren Bereich des Saals der etwas erhöht stand.

Elrond nickte ihr zu als sie sich neben Glorfindel nieder ließ. Sie fühlte sich nicht wohl unter so vielen Hochgeborenen.

„Darf ich Euch vorstellen, dies hier sind meine beiden Söhne Elladan und Elrohir" Zwei ernste dunkelhaarige Elben, offensichtlich Zwillinge, nickten Serena zu. „dies ist meine Tochter Arwen, sie ist für eine Weile aus Lothlorien hierher gekommen, und hier sitzt Aragorn, ein Waldläufer."

Den letzen Satz hatte Serena nur nebenher gehört, zu gebannt war sie von der Schönheit der Elbenfrau. Stolz und rein war sie, unberührt von der Zeit, einem Engel gleich. Serena konnte sich nicht von ihrem Antlitz abwenden bis Elronds letzte Worte sie wie ein Blitz durchzuckten.

„Habe ich richtig verstanden dass Ihr Aragorn seid? Dürfte ich erfahren welches Jahr wir haben?"

Überraschte Gesichter blickten sie an, bis Elrond erneut das Wort ergriff:

„Ich hatte wohl vergessen dass Ihr dies nicht wissen könnt. Wir befinden uns im Frühsommer des Jahres 3017 im dritten Zeitalter der Sonne."

*Gott sei Dank, dann ist noch Zeit bis zum Ringkrieg* schoss es ihr durch den Kopf und sie lehnte sich beruhigt und lächelnd zurück. Elrond schien zu merken dass ihr die Jahreszahl etwas sagte doch er fragte aus Höflichkeit nicht näher.

Glorfindel hatte die ganze Zeit geschwiegen aber er beobachtete Serena sehr genau und nahm sich vor sie demnächst nach ihrer Reaktion zu fragen.

Nachdem sie sich bedankt hatte und sie nicht mehr Mittelpunkt der Aufmerksamkeit am Tisch war, widmete Serena sich den erlesenen Speisen. Erst jetzt machte sich die Anstrengung der letzen Tage bemerkbar. Sie entwickelte einen richtigen Heißhunger auf alles Zuckerhaltige. Die Verwunderung ihrer Tischnachbarn war offensichtlich, als sie sahen wie Serena bereits ihre sechste Portion Süßspeisen verputze, und auch nicht wenig von dem leichten Wein trank.

Als sie gesättigt war ließ Serena noch einmal ihre Sinne die Wesen ihrer Umgebung wahrnehmen.

Die Kraft, die von den Elben ausging, konnte sie deutlich spüren, es war eine ruhige, heitere Macht. Elrond überstrahlte alle an Kraft, und Glorfindels war fremdartiger als die der Halbelben. Die Zwillinge ähnelten in ihrer Ausstrahlung einander sehr, nur schien Elladans etwas heller, leuchtender als die seines Bruders. Doch Arwens Licht raubte ihr fast den Atem. Es war nicht so als dass die Zwillinge ihr an Kraft nachstanden, aber das Licht ihrer Seele leuchtete unglaublich hell und klar. Völlig rein. Die Aura des Waldläufers war erdverbunden, ein warmes, weiches Glühen. Er schien neugierig zu sein, genau wie einer von Elronds Söhnen.

Dieser schien über ihre Herkunft unterricht, denn Elladan fragte sie nach ihrer Welt.

So kam es dass Serena bis tief in den Abend hinein mit den Elben und Aragorn zusammen saß und ihren gespannten Zuhörern von Autos, Fernsehern, Kühlschränken und Fast Food erzählte.

Sie hätten ihr wohl noch die ganze Nacht über gebannt gelauscht, doch irgendwann konnte Serena kaum noch die Augen offen halten, außerdem setze ihr der viele Wein doch leicht zu. So entschuldigte sie sich und wollte sich zurückziehen.

Kaum war sie vor ihrer Zimmertür angelangt spürte sie hinter sich eine Bewegung.

Glorfindel war ihr gefolgt, nachdem auch die Anderen beschlossen hatten sich zu Bett zu begeben.

„Deine Heimat scheint mir so voller Wunder, dass ich nicht verstehe wieso du nicht zurück möchtest." Er schien noch etwas anderes sagen zu wollen, dich Serena ließ ihn nicht weiter sprechen: „Wie kann ich eine Welt meine Heimat nennen wenn ich dort nicht glücklich bin?"

Glorfindel wich vor dem Schmerz in ihren Augen zurück. In diesem Moment entschied er sich dagegen sie weiter zu befragen, auch wenn er doch neugierig war.

„Verzeih mir ich wollte nicht…"

„Nein schon gut du konntest es nicht wissen. Ich möchte mich jetzt hinlegen"

Serena spürte das Glorfindel sie etwas fragen wollte, doch er konnte sich nicht dazu durchringen

„Dann schlafe wohl, wir sehen uns morgen kurz nach Sonnenaufgang"

Verwirrte blickte Serena zu Glorfindel empor. „Du solltest nicht vergessen, dass der Stall sich nicht von alleine säubert. Gute Nacht Serena."

Grinsend wollte er davon stolzieren, so bemerkte er Serenas Anschleichen erst zu spät. Mit einem, trotz des Weines, geschickten Griff war sie ihn zu Boden und setze sich drohend auf seine Brust.

„Nun werdet nicht frech Herr Elb. Erst fragt ihr alle mich die halbe Nacht aus und dann soll ich auch noch früh aufstehen? Sag bist du eigentlich kitzelig?"

Ohne eine Antwort abzuwarten starte Serena einen Versuch. Zu Glorfindel Pech war er tatsächlich. Quiekend versuchte er ihre Hände zu fassen bekommen, doch sie war zu schnell.

„Gnade ich flehe dich an, hab Gnade mit mir", bettelte er, und erst als ihm vor lachen Tränen in die Augen traten ließ sie von ihm ab.

Flink erhob sie sich, ging in ihr Zimmer drehte sich aber noch einmal kurz um.

„Schlaf gut Herr Elb, wir sehen uns dann morgen kurz nach Sonnenaufgang am Stall."

Schwer Luft holend erhob sich Glorfindel und als Serena die Tür hinter sich schloss, wandte er sich um und wollte gehen, jedoch konnte er nicht umhin, einen Blick auf ihre zurückzuwerfen und ein Lächeln zuckte wieder über sein Gesicht.