Die Kehrseite der Medaille
Kapitel: Der Brief
Es war bereits sehr spät, als Harry das Haus seiner Verwandten erreichte. Der Ligusterweg lag in der sanften Dunkelheit einer Sommernacht. Nur ab und an hörte man einen Vogel zwitschern. Es war still, zu still für den Ligusterweg. Anscheinend war Dudley noch nicht zurück und das hieß nichts gutes. Sobald Dudley das Haus betreten würde und Harry schon in diesem wäre, würde eben dieser wieder als Dursleys persönlicher Sandsack enden.
Als der junge Potter seinen Blick über das Haus der Dursleys gleiten ließ, wurde ihm klar, warum es so still war. Dudley war anscheinend vor dem Besuch geflohen oder ließ sich von seiner Tante über die an den Kopf geklatschten Haare streichen. Magda Dursley war zu Besuch! Ihr Wagen stand vor dem Haus.
Ein Wunder, dass diese Kreatur überhaupt Autofahren kann!
Verächtlich schüttelte Harry seinen Kopf. Er mochte sie nicht, er hasste sie, so wie er alle Dursleys hasste. Hasste sie, weil sie zum Großteil Recht hatten. Recht hatten mit der Meinung über seinen Vater. Recht hatten, dass er eine solch arrogante Person gewesen war.
Seit seinen Einblick in die Erinnerungen seines Tränkemeisters im letzten Jahr, hatte Harry seine Meinung über seinen Vater geändert. Er wollte sich nicht das Gerede seine Verwandten antun und drehte sich auf dem Absatz um. Gemächlich schlenderte er in die Richtung des Parks.
Dort angekommen, setzte er sich auf das noch warme Gras unter eine Laterne. Dort schlug er das Buch „Faces Of Olden Glory 1" auf und begann sich in die Lektüre einzuarbeiten. Mit seinen Fingern strich er durch die Zeilen des Inhaltsverzeichnisses und überlegte, ob er mit dem ersten Kapitel beginnen sollte oder ob er sich gleich an das Kapitel über die Fluchnarben wagen sollte. Nach einen kurzem Moment kam er zu dem Entschluss, dass es einen Grund geben musste, warum der Autor diese Reihenfolge der Kapitel gewählt hatte.
Harry verlagerte seine Position so, dass er nun im Schneidersitz saß und begann das Vorwort zu lesen. Als er mit diesem geendet hatte, rückte Harry ein wenig näher an die Laterne, um mehr Licht zu haben. Im halbherzigem Licht der Straßenlaterne beobachtete der junge Mann seine Schlange, wie sie sich um seine Beine schlängelte, während er mit dem ersten Kapitel „The Beginning of The Dark Arts² "begann.
Interessiert las er Zeile für Zeile, Seite für Seite. Durch das Lesen abgelenkt, merkte er nicht, wie die Zeit verging. Als der schwarzhaarige Gryffindor mit dem erstem Kapitel geendet hatte, legte er das Buch auf seine gekreuzten Beine. Genüsslich streckte er seinen derweil verspannten Rücken. Er nahm sich aus seiner Tasche eine Rolle Pergament und begann das erste Kapitel mit seinen eigenen Worten zusammenzufassen. Eine gute halbe Stunde später hatte er eine Rolle Pergament voll geschrieben und rollte das Papier zusammen. Mit drei weiteren Handgriffen hatte Harry die Rolle, das Buch und die Schlange in seine Tasche gepackt.
Gähnend stand er auf und streckte seine Beine, die ihm in der Zwischenzeit eingeschlafen waren. Nachdenklich lief er dann den Weg zum Haus der Dursleys. Die Lichter im Haus waren noch an und der Wagen seiner Tante stand noch immer vor dem Haus.
Harry betrat das Haus und lief am Wohnzimmer vorbei. Mit einem „Guten Abend, Tante Petunia! Guten Abend, Onkel Vernon!"lief er die Treppe zu seinem Zimmer hoch. Er vernahm noch einige Worte von Dursleys' Schwester, ehe er die Tür hinter sich ins Schloss gleiten ließ.
Im Zimmer entzündete er das Licht und legte seine Tasche auf dem Bett ab. Neben diesem stand ein Behälter mit Vogelfutter. Harry griff mit der linken Hand in diesen hinein und hielt seine Hand mit den Körnern offen in den Raum. Mit der rechten Hand nahm er die Sachen aus der Tasche und legte sie zusammen mit der Schlange auf das Bett.
Er spürte zwei Füße auf seinem linken Unterarm und meinte mit einem Lächeln auf dem Lippen: „Na, hast du Hunger meine Kleine?"Den Füßen folgte ein Schnabel, der ihm die Körner aus der geöffneten Handfläche pickte. Plötzlich spürte Harry noch etwas anderes. Verwundert blickte er auf und sah direkt in ein braunes Augenpaar. Zu diesem fremden Augenpaar gehörte ein dunkles Gefieder mit vereinzelten grauen Federn.
Der Falke hatte seinen Kopf leicht zur Seite gelegt und blickte Harry geradewegs in die Augen. Dessen Augenbrauen wanderten rapide nach oben, als er das Tier musterte.
„Wer bist du denn?"
Der Angesprochene streckte Harry als Antwort das linke Bein entgegen. Dort war ein Pergament angebracht. Als der schwarzhaarige Gryffindor das Pergament von dem Bein nahm, knabberte der Falke liebevoll an Harrys Fingern.
„Hier esst!"
Er streute die Körner auf seinen Schreibtisch und ließ den Falken und Hedwig ebenfalls darauf nieder.
Harry begutachtete das Pergament und setzte sich mit diesem in seinen Händen auf das Bett. Neugier spiegelte sich in seinen Augen wider, als er den Brief langsam entfaltete. Während er dies tat, schlängelte sich seine Schlange um seine Arme.
„Magst wohl mitlesen? Ich bin im Übrigen Harry. Hast du bereits einen Namen?"
Er spürte die Blicke von Hedwig und dem Falken förmlich auf sich, während er mit seinem neuen Freund auf Parsel sprach. Die Schlange hob den Kopf und legte diesen schief. Langsam entringelte sich das Tier und näherte sich Harrys Gesicht. Dieser blickte seinem neuen Kameraden nur etwas verwundert an. Nur noch wenige Zentimeter trennten die beiden von einander, als das Tier Anstalten machte zu antworten.
„Ich muss Euch danken, gnädiger Herr! Vielen Dank, dass Ihr mich befreit habt, Sir! Mein Name lautet Nero!"
Das Zischen der Schlange ließ Hedwig und den Falken erneut aufblicken. Dieser legte den Kopf schief und schien die Schlange zu mustern. Harry war bei den Worten Neros innerlich zusammengezuckt.
Gnädiger Herr?!? Nicht noch ein Dobby!
Bei den Gedanken an den übereifrigen Hauselfen, musste Harry schmunzeln. Lächelnd blickte er die Schlange an.
„Nero ist ein passender Name!"
Dieser hatte sich um Harrys Nacken gelegt, als der junge Mann dabei war den Brief zu entfalten und es zu lesen.
Sehr geehrter Mister Potter!
Wie mir zu Ohren gekommen ist, haben Sie sich innerhalb der letzten Woche öfters in der Knockturn Gasse aufgehalten. Ich kann nur für Sie hoffen, dass Sie wissen, was Sie tun!
Ebenfalls habe ich erfahren, dass Sie nun Besitzer einer giftigen Schlange sind! Zu dem Zweck dieses Erwerbs Ihrerseits habe ich einige Vermutungen, werde mich zu diesen aber nicht weiter äußern!
Solange mein Verdacht sich nicht bestätigt, sehe ich keinen Grund den Direktor über die neuesten Umstände zu informieren! Seinen Sie sich jedoch sicher, dass das Gegenteil schneller eintreten kann, als Sie es für möglich halten werden!
Prof. Severus Snape
Meister der Zaubertränke
Hauslehrer von Slytherin
Hogwarts
PS: Ihr neuerworbenes Buch sollten Sie nur dann lesen, wenn Sie sich darüber im Klaren sind, dass es ihr komplettes Weltbild durcheinander werfen kann! Wenn Sie den Inhalt des Buches – ausnahmsweise – richtig verstehen, werden Sie – hoffentlich – merken, dass der Direktor Ihnen wichtige Dinge – wenn er sie denn selber wissen sollte – über Sie verschweigt!
Wenn Sie Fragen zu dem Buch haben sollten, scheuen Sie nicht davor mich zu kontaktieren!
PPS: Verlassen Sie Little Whinging nicht mehr! Sie mögen ja Mundungus' Fletchers Inkompetenz in Hinsicht auf ihre Bewachung ausgenutzt haben, aber durch den Erwerb Ihrer Schlange haben Sie das Ministerium darauf aufmerksam gemacht, dass genannte Person Ihr Kommen und Gehen nicht unter Kontrolle hat!
Beim Lesen des Briefes war Harry der Mund aufgeklappt. Konnte das wahrhaftig Snape sein? Nachdenklich legte er den Brief auf den Tisch und ging kurz ins Badezimmer, um sich für die Nacht fertig zu machen. Als er das Zimmer daraufhin wieder betrat, waren sowohl Hedwig als auch der Falke verschwunden. Potter setzte sich auf sein Bett und nahm den Brief erneut zur Hand. Verwundert schüttelte er den Kopf. Was hatte das zu bedeuten?
Was steht denn in diesem Buch, dass Snape so sehr darauf erpicht ist, dass ich es erfahre und er mir sogar seine Hilfe dazu anbietet?!?
Snape hinterging damit auf alle Fälle Dumbledore und diese Tatsache machte sein Angebot erst so richtig attraktiv für den jungen Mann. Mit seinen Gedanken bei den Worten des Tränkemeisters und neben einem zusammengerollten Nero, schlief Harry schließlich ein.
