Kapitel 3
Harry fand keine Ruhe, obwohl er todmüde war. Ein leises Plätschern machte ihn neugierig.
Er sah im Schutze der Dunkelheit aus dem Fenster in den Garten hinunter. Die schwache Beleuchtung reichte dennoch aus, um Hermine erkennbar zu machen, die entspannt im Wasser lag. Mit seichten Bewegungen glitt sie durch den Pool, so dass sie kaum Wellen hinterließ.
Harry beschloss ihr ein wenig Gesellschaft zu leisten, auch wenn er keine Badehose dabei hatte.
Leise schlich er sich nach unten und legte sich der Länge nach an den Beckenrand. Hermine hatte ihn noch nicht bemerkt, da sie mit geschlossenen Augen auf dem Wasser trieb.
Auf seine Ellbogen aufgestützt beobachtete er sie schweigend.
Harry wurde nun doch vom Schlaf übermannt, als ihn plötzlich ein Aufschrei wieder hochriss.
„Harry, was machst du da?", hörte er eine entsetzte Hermine, die vor Schreck gar nicht wusste, was sie sich zuerst zuhalten sollte, obwohl sie einen Bikini anhatte.
„Ich konnte nicht schlafen und hab dich hier unten gehört. Was tust du da?", fragte er sie schmunzelnd.
„Ach, ich, äh, nichts", kam es verschämt aus ihrem Mund und sie ließ ihre Hände wieder normal übers Wasser gleiten.
„Reichst du mir mal das Badetuch?", fragte Hermine und wies auf die Liege hinter ihm.
Harry erhob sich und hielt es ihr gentlemen-like hin, so dass sie sich nur noch darin einwickeln brauchte.
Er bat Hermine ihm noch ein wenig Gesellschaft zu leisten und so machten sie es sich so bequem, wie es eine Holzliege hergab.
Schweigend betrachtete sie den Sternenhimmel, als Harry doch endlich die Stimme erhob.
„Das war heut der schönste Tag in meinem Leben, Hermine, und ich möchte dir und auch deinen Eltern ganz herzlich dafür danken."
„Aber das ist doch selbstverständlich...", wollte Hermine sogleich darauf antworten, doch Harry unterbrach sie ziemlich unwirsch, was ihm sofort leid tat.
„Nein, das ist es eben nicht. Es wäre selbstverständlich, wenn meine Verwandten für mich so ein Fest veranstaltet und euch eingeladen hätten. Aber die vergessen ja mit einer selbstverständlichen Regelmäßigkeit meinen Geburtstag, so sieht es aus."
Hermine nahm seine Hand und sprach im Flüsterton zu ihm: „Harry, du darfst nie in deinem Leben vergessen, dass ich, und ich denke auch Ron, dass wir immer für dich da sein werden. Wir haben bis jetzt immer alles gemeinsam gemacht und auch die Fehler sind unsere gemeinsamen Fehler. Lass dir bitte von niemandem etwas anderes einreden. Du bist ein herzensguter, sensibler Mensch und du hast es nicht nötig, dich von irgendjemandem als Troll abstempeln zu lassen. Dafür hast du schon viel zu viel erlebt in deinem Leben."
Harry sah Tränen in ihren Augen aufsteigen und er zog sie zu sich ran, weil er ihr nicht ins Gesicht schauen wollte, wenn sie weinte.
Lange lagen sie Arm in Arm und sprachen kein Wort. Hermine zitterte obwohl es eine laue Sommernacht war. Sie schlief ein.
Harry fragte sich, ob die Gefühle echt waren, die in ihm aufkamen, oder ob er sich täuschte und einfach nur an Hermines Leben teilhaben wollte. Ein zarter Kuss auf ihr noch immer feuchtes Haar sollte ihm eine Antwort darauf geben.
Das Klimpern von Gläsern ließ Harry aufwachen. Patricia, die Haushälterin, räumte die Überreste des gestrigen Abends weg.
„Guten Morgen, ihr Turteltauben", strahlte sie zu Harry herüber.
Der wusste für den ersten Moment gar nicht, ob er damit gemeint sein soll, als er seinen tauben Arm bemerkte, auf dem Hermine die ganze Nacht geschlafen hatte.
Harry nahm sich eine ihrer Haarsträhnen und kitzelte ihr sanft über die Nase.
„Guten Morgen", flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie streckte sich und bemerkte verdutzt, dass sie mit Harry im Freien lag.
„Guten Morgen, Patricia. Ist denn schon jemand wach?", fragte sie nervös.
„Nein nein, noch alle in Bett", antwortete sie und ließ sich dabei nicht von ihrer Arbeit abbringen.
„Oh gut, ich hab nämlich keine Lust irgendjemandem zu erklären, dass ich die Nacht mit dir verbracht habe", flüsterte sie Harry zu und sprang auch schon auf.
Ein wenig enttäuscht schlich er sich in sein Zimmer und stellte fest, dass Ron noch im tiefsten Traumland war.
Ein heißes Bad würde jetzt sicher gut tun, dachte sich Harry. Gedankenversunken lag er im duftenden Schaum und erinnerte sich an sein 4.Schuljahr, als er im Vertrauensschülerbad das Eierrätsel gelöst hatte.
„Harry, bist du da drin?", rief es und er suchte im ersten Moment nach der Maulenden Myrthe.
„Ähm, ja", antwortet er, als er bemerkte, dass Hermine vor der Tür stand.
„Das Frühstück ist fertig. Kannst du dann Ron wecken?", fragte sie noch.
Harry trocknete sich ab und zog frische Klamotten an.
Das Wecken von Ron sollte sich als Problem erweisen. Ganze 5 Minuten rüttelte Harry an ihm herum, ehe er die Augen aufschlug.
„Och Alter, lass mich. Mein Kopf platzt gleich", maulte Ron in sein Kissen.
„Komm schon, du willst doch sicher nicht den ganzen Tag verpennen", ermunterte Harry ihn und riss ihm die Decke weg.
Ron ringelte sich zu einer Kugel zusammen und erwiderte mürrisch: „Dann tu was gegen meine Kopfschmerzen."
Harry ließ ihn so liegen und ging nach unten. Er kehrte mit Hermine zurück, die ein sprudelndes Glas Wasser bei sich hatte.
„Was ist das? Hast du mir schnell einen Trank zusammen gebraut?", wollte Ron wissen.
„So ungefähr. In Muggelkreisen nennt man es Aspirin", giggelte Hermine.
Ron spuckte.
„Willst du mich vergiften?", schrie er und hielt sich auch schon wieder den Kopf.
„Ach komm schon, die Muggel sterben auch nicht daran", antwortete sie schon etwas strenger.
„Das sind ja auch keine normalen Leute", entgegnete Ron darauf.
„Immerhin haben dich diese unnormalen Leute heut Nacht in ihrem Haus schlafen lassen", zog Hermine beleidigt ab.
„Das war jetzt wirklich nicht fair Kumpel", bekam er jetzt auch von Harry zu hören, der Hermine nach unten folgte und Ron allein zurück ließ.
Ron erschien nicht mehr zum Frühstück und auch beim Mittagessen ließ er auf sich warten.
Harry störte das weniger, ganz im Gegenteil. So hatte er Hermine wenigstens ganz für sich allein und musste auf niemanden Rücksicht nehmen.
Aber wie stand Hermine zu ihm? Er wusste zwar, wie sie ihn als Kumpel sah, aber mehr auch nicht. War ihr der heutige Morgen wirklich so peinlich? War ihr die Nacht unangenehm gewesen? Fragen, die sich Harry heute wohl noch nicht beantworten konnte, da sich Hermine wieder so verhielt, als wäre es ein ganz normaler Tag in Hogwarts. Aber Harry genoss es trotzdem in ihrer Nähe zu sein.
Harry hatte vier weitere zauberhafte Tage bei den Grangers verbracht, als am Montagmorgen Moody nach dem Frühstück auf ihn zukam.
„Albus ... ich meine Prof. Dumbledore hat einen wichtigen Auftrag für mich, den ich ab morgen erfüllen soll. Um es kurz zu machen, du musst heute wieder zu den Dursleys zurück."
Harry schluckte. Das war ihm ganz entfallen, dass seine Zeit hier begrenzt war. Er konnte nicht dorthin zurück. Es waren noch fast 4 Wochen bis zum Schulbeginn, wie sollte er das aushalten? Er würde wieder nur von Sirius träumen, die ganzen schönen Erinnerungen an die vergangenen Tage, wären binnen einer Stunde vernichtet.
Niedergeschlagen suchte er Hermine, die gerade in ihrem Zimmer aufräumte.
„Ich muss heut abreisen", brachte er geschockt hervor.
„Wie abreisen?", fragte Hermine ungläubig. „Wo willst du denn hin? Doch nicht etwa zu den Dursleys zurück?"
„Wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben", antwortete Harry resigniert und setzte sich mit hängendem Kopf auf ihr frisch gemachtes Bett.
Hermine setzte sich grübelnd neben ihn.
„Wir müssen Dumbledore schnell einen Brief schreiben. Er soll sich etwas einfallen lassen. Ich kann das nicht zulassen, wie diese Leute dich behandeln", sagte sie bestimmend und kramte auch schon Feder und Pergament hervor.
„Aber ich möchte auch auf keinen Fall in den Grimmauldsplace, das wäre fast noch schlimmer als die Dursleys", sagte Harry, der ihr beim Schreiben über die Schulter schaute.
„Ok, is notiert", kam ein kurzer Kommentar und Harry sah, wie sie den Brief schon mit Hermine Granger unterzeichnete.
Hermine überreichte Harry den Brief, damit er sofort Hedwig losschicken konnte.
Wehmütig fing Harry schon mal an seinen Koffer zu packen. Hoffentlich würde Dumbledore eine zufrieden stellende Lösung finden.
„Na du scheinst ja schnell von hier weg zu wollen."
Harry schreckte herum und sah Hermine, die ihn, an den Türrahmen gelehnt, beobachtete. Sie sah traurig aus, was ihm fast das Herz zerbrach.
Wie konnte sie so etwas nur denken. Harry wollte am liebsten gar nicht mehr hier weg. Aber er verstand auch, dass er nicht die ganze Zeit die Ordensmitglieder blockieren konnte, nur um ein bisschen Spaß zu haben.
„Komm, lass uns noch ne Runde schwimmen gehen", schlug Hermine vor und hielt ihm die Hand entgegen. Harry kramte schnell seine Badehose hervor, die er von den Grangers bekommen hatte und folgte ihr in den Garten.
Moody lag wie immer im Schatten der Bäume, las aber diesmal den Tagespropheten.
Wieder gab es einen Knall, dass die Fensterscheiben klirrten. Dumbledore war erschienen. Hatte er etwa schon einen Ausweg gefunden? Mit wenig Hoffnung schritt Harry ihm entgegen.
„Guten Tag Professor Dumbledore", begrüßte er ihn mit fragendem Blick.
Der erkannte gleich Harrys Begehr und sprach in ruhigem Ton auf ihn ein.
„Tja, ich befürchte du wirst wieder nach Little Whinging zurück müssen."
Harry sah schon alle Flöße davon schwimmen, als Dumbledore weitersprach.
„Aber Hermine ist ein gern gesehener Gast in dem Haus. Also falls niemand von euch was dagegen hat, dann musst du nicht allein den Rest der Ferien verbringen", zwinkerte Dumbledore über seinen Brillenrand hinweg.
Ungläubig starrte er den Professor an. Sollte die Begegnung zwischen Petunia und Mr Granger zu diesem Sinneswandel beigetragen haben? Ihm sollte es nur Recht sein und er hoffte inständig, dass Hermine ja sagen würde.
„Hast du das gehört?", fragte er sie aufgeregt. „Du kannst mitkommen, wenn du magst."
„Und ob ich möchte", strahlte sie ihn an. „Zusammen machen wir den fetten Dudley fertig", flüsterte sie ihm ins Ohr. Harry musste unweigerlich grinsen.
„Ich sag gleich meinen Eltern Bescheid", verschwand sie auch schon ins Haus.
„Ok, Harry. Also heute Abend wird Tonks noch mal den Dienst hier übernehmen und ich werde euch morgen dorthin begleiten. Ich hoffe ich kann einen Wagen vom Ministerium organisieren", erklärte Dumbledore Harry.
„Aber das ist doch nicht nötig, ich fahre gern wieder", hängte sich Mr Granger in das Gespräch, der gerade von seiner Tochter angeschleppt wurde.
„Na sehr schön, dann brauch ich Fudge nicht zu betteln. Vielen Dank", verneigte er sich schon fast.
Dumbledore sprach mit Moody noch ein paar Sachen unter vier Augen ab und verschwand fürs erste wieder.
„Freunde dich ja nicht mit meiner Tante an", scherzte Harry zu Hermine.
„Ich glaub da brauchst du keine Angst haben, sie war nur meinem Vater gegenüber so nett. Ich bin ja schließlich auch so eine unnormale Person wie du", antwortete sie spitz und wackelte dabei mit dem Kopf, wie Petunia es tun würde.
Der restliche Tag verlief genauso ruhig und harmonisch wie die letzten Tage. Hermine packte ihre ganzen Sachen für Hogwarts zusammen.
Ein tränenreicher Abschied folgte am nächsten Morgen zwischen Hermine und ihre Mutter, selbst Harry hatte mit sich zu kämpfen, als er sich nochmals für alles bedankte.
„Und passt gut auf euch auf, habt ihr gehört", rief Mrs Granger hinterher.
„Ja Mum, machen wir. Wir sehen uns in der Winkelgasse, ich melde mich bei euch."
„Wir dürfen doch in die Winkelgasse?", fragte sie vorsichtig Dumbledore.
„Da wird sich schon was einrichten lassen. Ich hoffe dass bis dahin alles soweit ruhig bleibt, dann sollte es keine Probleme geben", nickte dieser nach hinten und nach rechts sagte er: „Sie wissen ja welcher Richtung sie fahren müssen".
„Yes Sir", hielt Mr Granger zwei Finger an die Schläfe und brauste davon.
Wieder folgte eine lange Fahrt durch London. Harry lauschte der Musik im Autoradio, natürlich Muggellieder. Aber das eine spiegelte gerade genau Harrys Gedanken wider.
Ich will jemanden...
...der meine innersten Gedanken teilt...
...sie wird mir zuhören...
...jemanden der mir hilft, die Dinge in anderem Licht zu sehen...
...der seine Arme um mich legt und mich zärtlich küsst...
Ob Hermine auch gerade über dieses Lied nachdachte?
Harry wurde abrupt aus seinen Träumereien gerissen, als sie in den Ligusterweg einbogen.
Mr Granger fuhr wie selbstverständlich in die Auffahrt von Nr. 4.
„So, da wären wir. Alles aus..."
„Nein nein, wir müssen noch eine Straße weiter", unterbrach ihn Dumbledore.
„Aber die Dursleys wohnen doch hier", sah er ihn verdutzt an.
„Ich weiß, ich weiß. Aber Harry und Hermine werden bei Mrs Figg wohnen", zwinkerte er nach hinten.
Man konnte die Steine regelrecht plumsen hören, die von ihren Herzen fielen. Damit hätte Harry als allerletztes gerechnet. Er hatte sich schon damit abgefunden, die letzten Ferienwochen Dudleys fette Fratze sehen zu müssen.
