Kapitel 4
Harry erkannte sofort den Geruch, der ihm entgegenströmte, als sie das Haus betraten. Es roch nach einer Unmenge an Katzen und gedämpftem Kohl. Aber diesmal lag scheinbar auch noch der Duft von Kräutern in der Luft.
Es war das erste Mal, dass sich Harry freute dieses Haus zu betreten.
„Professor, wer wird eigentlich auf mich aufpassen?", hatte Harry jetzt doch Bedenken.
„Tja Harry, das ist leider der Haken an der Sache. Ich werde, wenn ich gehe, einen Fidelius-Zauber über das Haus legen. Und was das bedeutet, weißt du ja selbst."
Harry schluckte. Sollten er und Hermine die ganze Zeit nur in diesem Haus verbringen?
„Keine Sorge, ihr zwei seid nicht verbannt und völlig von der Außenwelt abgeschnitten", tröstete Dumbledore sogleich, als er das Entsetzen in Harrys Gesicht sah.
„Und wie soll das funktionieren? Wir können doch sicher nicht ein- und ausspazieren, wie es uns gefällt?", hakte Harry sofort nach.
„Nein, das natürlich nicht, aber es kann jederzeit ein Ordensmitglied erscheinen und euch begleiten. Allerdings werden diese Ausflüge begrenzt sein, erstens weil wir momentan sehr eingespannt sind und
zweitens, könnt ihr euch sowieso nur in Little Whinging aufhalten."
Hermine sah Harry mit nachdenklichem Blick an.
„Das schaffen wir schon. Es geht nichts über Harrys Sicherheit und wir versprechen auch, dass wir nichts auf eigene Faust unternehmen werden", sagte Hermine mit fester Stimme.
„Ihr könnt eure Sachen schon mal nach oben schaffen. Sucht euch aus, wer welches Zimmer nimmt. Ich muss noch etwas mit dem Professor besprechen", unterbrach Mrs Figg die angespannte Stille.
Während Hermine ihr Zimmer bezog, stand Harry noch immer grübelnd im unbeleuchteten Korridor.
Er hörte von unten die Stimmen, konnte aber nur Fetzen auffangen. Dumbledore fragte, ob sie gut mit irgendwas vorankommen würde und dass sie Bescheid geben solle, wenn sie Hilfe brauchen würde.
Was in aller Welt würde so eine alte Frau, noch dazu eine Squib, für einen wichtigen Auftrag bekommen? Er wusste ja, dass sie auch für den Orden tätig war.
Harry betrat nun auch sein Zimmer. Es war ziemlich spartanisch eingerichtet. Das Bett machte den Eindruck, als würde es beim bloßen anschauen schon quietschen. Er verstaute die Sachen im Wandschrank und stellte den Eulenkäfig ans offene Fenster. Von hier aus konnte er sogar das Haus der Dursleys sehen. Andersrum war ihm das bisher noch gar nicht aufgefallen, aber was hätte er auch für einen Grund haben sollen, nach dem Haus von Mrs Figg zu suchen. Er war ja immer froh, wenn er hier wieder raus kam.
Mittlerweile tat ihm das ziemlich Leid, jetzt wo er wusste, dass sie eine von ihnen war, wenn auch mit beschränkten Fähigkeiten. Aber sie hatte ihn immer gern aufgenommen, was man erst zu schätzen lernt, wenn man wirklich in Not ist.
In weiter Entfernung hörte er Dudley seine Mutter anbrüllen. Harry wollte gar nicht wissen, was seinem fetten, verzogenen Cousin jetzt schon wieder nicht passte und wandte sich ab.
Harry trat an Hermines Tür. Das Zimmer sah bei weitem freundlicher als seines aus, aber damit hatte er keine Probleme. Mädchen brauchen ja von Natur aus mehr Schnickschnack. Für ihn war es nur wichtig ein Dach über dem Kopf zu haben.
Hermine war gerade damit beschäftigt ihre Sachen fein säuberlich in den Schrank zu sortieren, als sie ihn entdeckte.
„Was meinst du, ist das hier Mrs Figgs Schlafzimmer? Das wär mir ja ziemlich unangenehm, wenn sie es für uns geräumt hätte", sagte sie mit zweifelnder Miene.
Harry schaute sich noch mal genauer um. Das Bett war relativ breit, an den Fenstern hingen Rüschengardinen und in einer Ecke stand ein Korb, der aussah, als ob dort die Katzen drin schliefen.
„Kommt ihr beiden noch mal nach unten?, rief Dumbledore aus der unteren Etage, „ach und schließt bitte oben alle Fenster."
„Das ist nötig bevor ich den Fidelius aussprechen kann, denn sonst gibt es dort eine Sicherheitslücke", sagte er, als sie das Wohnzimmer betraten. „Wenn der Zauber aktiv ist, können die Fenster wieder ganz normal geöffnet werden, aber ihr solltet trotzdem darauf achten, dass kein all zu reger Eulenbetrieb aufkommt. Am besten nur nachts Briefe abschicken", zwinkerte Dumbledore ihnen zu.
„Oh gut, da ist Severus endlich", sprach Dumbledore nachdem es einen lauten Knall in der Küche gab.
„Er wird der Geheimniswahrer sein."
Harry und Hermine tauschten entsetzte Blick, verloren aber kein Wort über diese Wahl. Dumbledore wird schon seine Gründe dafür haben. Harry war es allerdings mehr als unangenehm ihm schon vor Beginn des neuen Schuljahres gegenübertreten zu müssen.
„Vielleicht noch ein paar Worte zur momentanen Situation. Voldemort hält sich seit dem Zwischenfall im Ministerium versteckt, keinerlei Meldungen von Zwischenfällen, weder mit Zauberern noch mit Muggeln. Die gefangenen Todesser sind noch immer dingfest und die Dementoren haben sich doch weiter dem Dienst des Ministeriums verschrieben. Nur diesen Umständen verdanken wir es, dass wir euch diese Freiheiten gewährt haben", schloss Dumbledore, bevor er mit der Zeremonie begann.
Snape hatte sie keines Blickes gewürdigt, nur eine kurze Geste zu Dumbledore und Mrs Figg zeigte, dass er in die Runde getreten war.
Dumbledore zückte seinen Zauberstab und murmelte einen unverständlichen Zauberspruch.
„Nur die hier Anwesenden werden dieses Haus ohne fremde Hilfe finden und nur du, Severus Snape, bist in der Lage Außenstehenden den Ort des Verbleibs zu offenbaren", sprach Dumbledore zum Abschluss und legte dabei seine Hand auf Snapes Stirn. Ein gleißend blaues Licht verband die beiden Zauberer, welches scheinbar von Snapes Kopf eingesaugt wurde.
Ein leichtes Schaudern fuhr Harry durch den Körper, aber er konnte nicht zuordnen, ob es etwas mit dem Zauber zu tun hatte, oder ganz einfach die Tatsache, dass wegen ihm gerade ein ganzes Haus versteckt wurde.
„So, das war es schon. Von nun an, ist der Standort dieses Hauses in Professor Snapes Kopf verankert. Ihr seid sicher, solange ihr euch hier aufhaltet. Sobald ihr die Mauern verlasst, seid ihr für jeden sichtbar. Denkt an meine Worte!", beendete er seine Ausführungen und war ach schon mit einem lauten Plopp disappariert.
„Gibt es noch irgendwelche Fragen?", fragte Snape kurz angebunden und ohne auf Antwort zu warten, wandte er sich an Mrs Figg. „Falls Sie meine Hilfe benötigen, schicken Sie mir Potters Eule."
Auch er disapparierte wieder und so standen die Drei, sich fragend anschauend, wieder allein im Glyzinienweg in Little Whinging.
„Gut gut, wollt ihr einen Tee?", fragte Mrs Figg, die als erste die Fassung wieder gefunden hatte.
„Oh ja, bitte. Eine prima Gelegenheit, um sich ein wenig bekannt zu machen. Und es duftet ja auch schon so gut nach Kräutern", entgegnete Hermine, die schnuppernd Mrs Figg in die Küche folgte.
Die stand schon mit einer dampfenden Kanne am Ofen und brühte, wie Hermine entdeckte, eine englische Teemischung auf.
„Oh, ich hätte lieber einen schönen Kräutertee", wollte Hermine sie in ihrem Tun unterbrechen.
„Nein nein, Kindchen, die Kräuter sind nicht für Tee geeignet, die sind nur für meine Arbeit."
„Ihre Arbeit?", wollte Hermine gleich neugierig wissen.
„Ich darf nicht darüber reden", blockte Mrs Figg ab, während sie drei Tassen aus dem Schrank holte.
Harry, der mittlerweile auch in die Küche gefolgt war, zog sich einen Stuhl an den Tisch und ließ sich schweigend nieder. Er dachte noch immer über das eben geschehene nach. Wieder mal war er es, der die ganze Welt aus den geregelten Bahnen gleiten ließ. Hermine war ihm wieder bereitwillig gefolgt, aber konnte er das wirklich von einer alten, fremden Frau verlangen? Er war sich zwar klar darüber, dass Mrs Figg für den Orden sowieso schon einige Strapazen auf sich nahm, aber jetzt war sie für alle unerreichbar. Zumindest wenn sie in ihrem Haus war, sie hatte ja wenigstens die Möglichkeit ohne Begleitschutz nach draußen zu gehen.
Harry wurde aus seinen Gedanken gerissen, als vor seiner Nase wohlriechender heißer Tee eingegossen wurde.
„So ihr Lieben, ich heiße euch herzlich willkommen in meinem Haus und hoffe, dass wir eine schöne ruhige Zeit miteinander verbringen werden", erhob Mrs Figg die Stimme, „und ich bitte euch, mich Arabella zu nennen. Mrs Figg klingt doch ziemlich lästig, wenn man so eng unter einem Dach wohnt."
Harry war erstaunt über ihre Lockerheit, so hatte er sie gar nicht in Erinnerung. Wahrscheinlich lag das daran, dass er jetzt mehr oder weniger freiwillig hier war. Auch er wollte, dass sie das Beste aus ihrer Lage machen würden.
Die ersten beiden Tage verliefen ziemlich ruhig. Sie unterhielten sich viel und erfuhren, dass Arabella zwei Töchter hatte, die beide in Amerika lebten. Sie bedauerte sehr, dass sie momentan sehr wenig Kontakt zu ihnen hatte, fand aber, dass es für die jetzige Situation ziemlich praktisch war, wenn sie nicht um die Ecke wohnten und wohlmöglich plötzlich das Haus ihrer eigenen Mutter nicht mehr finden würden.
Auch hatte Hermine Recht behalten, dass sie tatsächlich ihr Schlafzimmer für ihre Gäste geräumt hatte. Aber Arabella schien es wirklich nichts auszumachen, ganz im Gegenteil, sie hatte sogar gesagt, dass sie überlegte ihr Schlafzimmer in die untere Etage zu verlegen, da sich nicht mehr so gut auf den Beinen wäre.
Eines Nachts, Harry kam gerade aus dem Badezimmer im unteren Stockwerk, bemerkte er dass die Tür, die aus der Küche ins Speisezimmer führte, nicht richtig geschlossen war. Durch den Türspalt sah er Arabella, die über Büchern und zahlreichen Papierschnipseln, auf denen überall irgendwelche Notizen standen, brütete. Ein Zischen und Blubbern verriet ihm, dass ein Kessel in Betrieb sein musste. Es roch sehr stark nach den Kräutern, die er schon am Tag der Anreise wahrgenommen hatte.
Nachdenklich schlich er die Treppe hinauf, er wollte Hermine, die wahrscheinlich schon schlief, nicht wecken. Aber auch unter ihrer Tür sah er noch einen schmalen Lichtstreifen.
Wahrscheinlich würde auch sie wieder über ihren Büchern hocken.
„Hermine, schläfst du schon?", flüsterte er und klopfte dabei sanft an die Tür.
„Nein, ich bin noch wach. Kannst ruhig reinkommen", rief es hinter der Tür.
Hermine saß vor einem Spiegel und bürstete ihr langes Haar. Weit und breit war kein Buch zu sehen, was Harry ziemlich wunderte. Aber noch mehr hatte er sich eben über Mrs Figg gewundert und erzählte Hermine, was er gerade unten gesehen hatte.
„Arabella hockt dort unten im Esszimmer und kocht irgendwelche Tränke."
Auch Hermine fand das höchst verwunderlich.
„Wieso tut sie das Mitten in der Nacht? Sie ist doch eine Squib sagtest du, oder täusch ich mich?", sah sie Harry fragend an.
„Nein, du täuschst dich nicht. Aber was hat das mit dem Brauen von Zaubertränken zu tun? Wobei, woher wollen wir wissen, dass sie Tränke braut? Vielleicht kocht sie ja schon für das morgige Mittagessen?"
„Im Speisezimmer?", sah Hermine fragend Harry an, „das glaubst du doch selbst nicht."
„Wir können sie ja morgen früh fragen. Ich bin jedenfalls ganz schön müde. Du sag mal, ob Ron vielleicht auch hierher kommen könnte? So langsam komme ich mir komisch vor. Wir beiden verbringen hier die Zeit miteinander und er wird nicht mal gefragt, ob er vielleicht auch bei uns sein will", sagte Harry mit nachdenklichem Blick.
„Ich glaub das ist keine so gute Idee. Oder hast du schon Mrs Weasleys Standpauke vergessen, als sie ihn abgeholt hat? Wir sollten auf alle Fälle noch ein paar Tage damit warten, aber wir können ihm ja morgen einen Brief schreiben", wägelte Hermine ab, wobei sie Ron scheinbar auch den Zwischenfall noch nicht verziehen hatte. Bei diesem traurigen Anblick schwor sich Harry, nie so viel Alkohol zu trinken, dass er die Kontrolle über sich verlor. Er wollte niemals jemanden etwas an den Kopf werfen, was er nicht so meinte.
Nachdem sich Harry von Hermine mit einem Kuss auf die Wange verabschiedet hatte, stieg er in sein Bett und fiel in einen ruhigen Schlaf.
Kurz nach dem Morgengrauen wachte er auf. Er war sich sicher, dass alle im Haus noch schliefen und erinnerte sich an die Erlebnisse der letzten Nacht.
Sogleich setzte er sich an den klapprigen Holztisch und begann einen Brief an Ron zu schreiben.
Lieber Ron,
ich hoffe es geht dir wieder gut und du hast die Attacken deiner Mutter überlebt.
Im Orden scheint es ziemlich viel Arbeit zu geben. Moody wurde abberufen, sodass wir bei Hermine ausziehen mussten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich dir schreiben darf wo wir sind.
Auf alle Fälle geht es uns beiden gut, du fehlst uns, aber du solltest dir schon mal eine ehrliche Entschuldigung für Hermine ausdenken. Sie ist dir immer noch ziemlich böse, wegen dem was du über die Muggel (und damit über ihre Eltern) gesagt hast.
In Freundschaft
Harry und ich denke auch Hermine
Ein Klappern in der Küche verriet ihm, dass auch Arabella aufgestanden war. Er band den Brief an Hedwigs Bein und schickte sie mit einem Klaps auf die Reise.
Schweigend saßen sie am Frühstückstisch, als Hermine zögernd das Wort ergriff.
„Wenn sie irgendwelche Hilfe brauchen, wir haben beide den UTZ-Kurs in Zaubertränke erreicht."
Arabella sah sie ziemlich verwirrt, ja beinahe erschrocken, an.
„Wie meinst du das Kindchen?"
„Ich hab sie heut Nacht gesehen, wie sie über Büchern gehockt haben", hakte sich jetzt Harry in das Gespräch ein.
Unruhig stand Arabella auf und lief unter dem Vorwand, sie müsse etwas holen, in die Küche.
„Ich muss vorsichtiger sein", hörten sie sie murmeln.
Fragend sahen sich Harry und Hermine an. Ein Blick durch das Zimmer verriet rein gar nichts über die nächtlichen Köcheleien, die hier stattgefunden hatten. Lediglich der Kräuterduft war nicht zu überriechen.
Review-Antworten:
Choooo: Freut mich, du warst die Erste bei mir ;o) Das mit den anonymen Usern hatte ich schon gemacht, aber trotzdem noch mal danke für den Tipp knuddel
